Tuesday, January 7, 2014

Frohes neues Jahr und alles Gute für 2014!


Das eingefrorene Schiff in der Antarktis, Akademik Shokalskiy, hat uns zum Jahreswechsel mit einer launigen Geschichte versorgt, wenn auch mit nachdenklichen Untertönen. So fragt sich z.B.  Andrew Revkin, ob die Klimaforschung dadurch Schaden erleide; die New York Times wiederum sorgt sich, ob womöglich die Klimaskeptiker Oberhand gewinnen, wenn die „Klimadebatte im Eis stecken bleibt“. Einen schönen Überblick liefert Judith Curry, die genussvoll die verschiedenen Aspekte dieser „Antarctic Ice Saga“ Revue passieren lässt. Wie in einer Kristallkugel werden hier die Schrulligkeiten oder aber, je nach Temperament, die Tragödie der globalen Klimadebatte beleuchtet. 
Diese Geschichte weckt natürlich Erinnerungen an Solar, den Roman von Ian McEwan, wo dieses Aufeinandertreffen von Wissenschaft und Tourismus, von Weltrettung und Eigennutz, von Aufklärung und unfreiwilliger Komik vorweggenommen wurde. Hier ein passender Ausschnitt (und hier eine Besprechung des Buches von HvStorch).  Vielleicht entsteht die tragische Komik aus der etwas ernüchternden Ahnung, dass wir uns alle irgendwie, ob als Wissenschaftler und/oder Touristen, an Bord der Akademik Shokalskiy auf einer Klimawandel-Bildungsreise durch die Antarktis befinden. Doch vielleicht kann man aus dieser Neujahrsgeschichte auch Hoffnung schöpfen: Während einst die stolze Titanic als Symbol für den vermeintlich unaufhaltsamen Siegeszug des technologischen Fortschritts am Eisberg zerschellte, wurden Schiff, Passagiere und Besatzung dieser Expedition schließlich von einem chinesischen Eisbrecher gerettet. In diesem Sinne: alles Gute für 2014!

20 comments:

Anonymous said...

Gutes neues Jahr, Herr Krauß!

Und der chinesische Eisbrecher soll jetzt von einem amerikanischen befreit werden, auch dies von Symbolwert für das "asiatische Jahrhundert"?

"Vielleicht entsteht die tragische Komik aus der etwas ernüchternden Ahnung, dass wir uns alle irgendwie, ob als Wissenschaftler und/oder Touristen, an Bord der Akademik Shokalskiy auf einer Klimawandel-Bildungsreise durch die Antarktis befinden."

Das habe ich nicht verstanden, wie meinen Sie dies? Vielleicht fehlt mir das Einfühlungsvermögen, weil ich mir noch nie einen Urlaub in der Preisklasse von 16.000 bis 18.000$ (Getränke an der Bar nicht inbegriffen) gegönnt habe ;-)

PS:
"So fragt sich z.B. Andrew Revkin, ob die Klimaforschung dadurch Schaden erleide

Revkin kritisiert, dass durch die Rettungsmission die Versorgung wirklicher Forschung gestört wurde. Forschung in der Antarktis ist übrigens mehr als Klimaforschung und Biologie. Astronomen und Teilchenphysiker nutzen z.B. das klare Eis der Antarktis als natürlichen Teilchendetektor, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/IceCube

Viele Grüße
Andreas

Anonymous said...

Auch die ursprüngliche Expedition von Mawson enthält Symbolwert für die Klimadebatte:

Vom 3-Mann-Team kehrte nur Mawson lebend zurück. Einer starb durch einen Sturz in eine Gletscherspalte, wobei auch ein Großteil des Proviants verloren ging. Der zweite starb, weil Mawson und er sich von den Schlittenhunden ernähren musste - er war nämlich Vegetarier, sein Körper hat die Umstellung nicht verkraftet (Quelle: Wikipedia).

Lasst euch das eine Lehre sein, stupid veggie-day idiots!

Andreas

Werner Krauss said...

Andreas,

"irgendwie" waren Sie auch an Bord der Titanic, und sei es durch die Verfilmung von James Cameron. Die Titanic ist ein Mythos, dem man kaum entgehen kann. Ein Hauch davon in dieser Geschichte, die uns über den Jahreswechsel unterhielt.

Der Unterschied zwischen der Titanic und der Akademik Shokalskiy ist, dass die Reichen heute dafür bezahlen, gemeinsam mit hochkarätigen Wissenschaftlern die Natur verstehen zu lernen oder sie gar zu retten. Nicht mehr die Überwindung der Natur durch Technik, sondern das wissenschaftliche Verständnis der Dynamik des Eises, der Ozeane, des Klimas ist das eigentliche Abenteuer, für dass sie bezahlen.

So wie die Kultur des Vorkriegsjahrzehnts an Bord der Titanic als Vorlage für Filme, Romane und Studien diente, so kalauert sich McEwan in Solar durch die (in seinen Augen) Lächerlichkeiten der upper class an Bord eines climate-change-watch trips im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends.

Auch ein James Cameron würde an Bord der Akademik Shokalskiy reiches Material finden, vom bärtigen Eisforscher über die Yogaklasse bis hin zur Bankerin beim Dinner mit dem Kapitän - und das alles mit einem ordentlichen Schuss Abenteuer, (Forschungs-) Politik und outdoor-Erotik versehen.

Der Vergleich mit der Titanic zeigt, dass die Akademik Shokalskij vielleicht mehr ist als nur eine Fußnote in der Debatte um das Klima. Hier kommen in einem kuriosen Einzelereignis die Großmächte, die Großforschung, die Reichen, die Wissenschafts- und die Populärkultur, die Großrechner und youtube usw usw in einer Großaufnahme zusammen, in einem Sittengemälde mit Antarktis- oder Klimaforschern, sozusagen. Das Bild, wie sie da alle in die Kamera winken: das eignet sich ganz gut als Neujahrsgruß für 2014.

Werner Krauss said...

HvStorch ließ mich eben wissen, dass der Dampfer nun, kurz nach der "Rettung" der Passagiere, alleine weiterfährt.
Die Wirklichkeit produziert Pointen, da käme nicht mal ein McEwan drauf!

eduardo said...

@3

Werner,

'Der Unterschied zwischen der Titanic und der Akademik Shokalskiy ist, dass die Reichen heute dafür bezahlen, gemeinsam mit hochkarätigen Wissenschaftlern die Natur verstehen zu lernen oder sie gar zu retten'

Vielleicht bezahlen sie eher dafür, das Gefühl zu haben, dass sie zur Rettung der Natur beitragen. Oder sogar anderen zu zeigen, dass sie dieses Gefühl haben. So wie Promis bei einem Spendenaufruf.

Anonymous said...

Danke, Werner, ich verstehe Sie jetzt besser, obgleich mir vielleicht das richtige Einfühlungsvermögen fehlt, es klappt auch bei er Titanic nicht.

Was für Leute waren das wohl, die da als Touristen mitgefahren sind? "Global warming idiots" wie in ihrem Link zur NYT zu lesen war oder Leute, die "heute dafür bezahlen, gemeinsam mit hochkarätigen Wissenschaftlern die Natur verstehen zu lernen oder sie gar zu retten'", wie Eduardo schrieb? Warum fliegen Touristen heute ins Weltall? Wirklich deshalb, weil sie an Weltallforschung teilnehmen wollen? Ich glaube, viele wollen einfach das Erlebnis, wer von uns hätte nicht auch Lust darauf, mal das All oder die Antarktis zu erleben, die Wissenschaft ist schmückendes Beiwerk.

Bei mir drängen sich eher Fragen auf wie:

- Ging es da überhaupt um richtige Wissenschaft oder um eine Reiseveranstaltung für Gutbetuchte?

- Wäre die skekptische Schadenfreude auch so groß gewesen, wenn die Forscher zum Pinguine zählen ausgefahren wären?

- Wie halten wir es mit Tourismus in ökologisch sensible Gebiete, wo die Allgemeinheit für eine Art Rückversicherung zu sorgen hat (Bergsteigen ist z.B. auch solch ein Thema)? Sollte man die Forschung dort nicht besser auf richtige staatliche Forschung beschränken? Ist noch Platz für privat organisierte Unternehmen?

PS:
Vermutlich hat sich in den USA das Thema schon längst erledigt. Die skeptische PR beschäftigt sich mit dem nächsten enorm wichtigen Themas, der Kältewelle in den USA.
Traurig, aber Klimadebatte in den USA scheint immer noch nicht wirklich vorhanden zu sein, man verlegt sich immer noch auf primitive PR-Schlachten. Auch dafür steht die Akademi Shokalskij

Andreas


Hans von Storch said...

Soweit ich weiß, gibt es einen erheblichen Touristenverkehr in der Arktis, nur wird der nicht als "wissenschaftlich" deklariert sondern als Erlebnis/Verdienst-Möglichkeit durchgeführt. Und, ja die Kältewelle zieht in den USa, aber nicht nur dcort erhebliches Interesse auf sich - bei einem social medium las ich "hypothesis how the us cold spell is linked to human-induced climate change", so als wäre Realität eines Links nicht die Frage, nur noch der Mechanismus ... Es ist nicht die "skeptische PR", Andreas, sondern diese schreckliche Rhetorik, die alles auf die dramatisierenden Flügel, die Brüder im Geiste, verschiebt, und einen distanzierten ruhigen Blick auf die Phänomene in der Öffentlichkeit verstellt.

Anonymous said...

Werner,

endlich, jetzt habe ich es verstanden. Ich war völlig auf dem falschen Dampfer: Titanic stand für mich für "Triumph menschlischer Technik über die Natur zerschellt an Eisberg" und da war mir nicht klar, wofür die Akademic Shohalskij nun genau steht. An identitätsstiftende Ereignisse wie Mondlandung, Weltmeisterschaft 54, Mauerfall, 9/11 reicht das auch nicht richtig ran. Und Geschichten wie Löwe frisst Dompteur oder Hautarzt hat Akne reißen mich auch nicht vom Hocker.

Aber Titanic und Akademic Shohalskij als Mikrokosmos der damaligen Gesellschaft, ja, das hat was. Mich hat verblüfft, wie wenig abgeschnitten und ausgesetzt sich die Leute dort im Eis gefühlt hatten. Internet, Youtube, Telefonate mit Freunden und Verwandten: Sie waren noch immer in ihrer Welt, und ihre Welt war bei ihnen. Statt Todesangst und Hundefleisch Animationsprogramm und twitter-Nachrichten. Man könnte meinen, wir seien ebenfalls unsinkbar, jedenfalls machen wir Party bis zum Untergang in der Gewissheit, dass es gut ist, ein Bewusstsein für Probleme von Ökologie und Klimawandel entwickelt zu haben.

Schön, dass Sie wieder an Bord sind, Herr Krauß. Ich hatte den Perspektivwechsel, zu dem Sie mich immerzu zwingen, schon vermisst!

Andreas

Hans von Storch said...

Übrigens, zum Geschehen in der Antarktis einige Hintergründe von unserer Schwester, dem Alfred Wegner Institut in Bremerhaven. Am Ende heisst es:

"Wie geht es jetzt weiter? Die beiden Schiffe sind zwar frei, aber bleiben sie es auch?

Die Windrichtung hat sich geändert, so dass sich die Situation deutlich entschärft. Ich rechne damit, dass beide Schiffe nun zurechtkommen.

@ReinerGrundmann said...

Hintergründe zum Eingreifen Chinas gibt es hier.

Werner Krauss said...

Nicht nur Hintergründe von der deutschen Großforschung, sondern auch Vordergründe: Helmholtz hilft bei Befreiung der Forschungsschiffe"". Wie gesagt, "irgendwie" sind wir alle mit dabei.

Werner Krauss said...

Und hier liefert HvStorch den von ihm oben geforderten "distanziert ruhigen Blick" auf die amerikanische Kältewelle gleich selbst.

Sonja Margolina said...

Aus der Perspektive des anthropogenen Klimawandels, an den ich nicht glaube, wäre es durchaus sinnvoll,die Irrfahrt von Schokalskij mit "Tscheljuskin" (1934, Nordost-Passage) zu vergleichen.

Werner Krauss said...

Eine unglaubliche Geschichte, nachzulesen auf wikipedia, und in der Tat eine schillernde Folie, durch die man die Fahrt der Schokalskij betrachten kann. Interessant dabei der verlinkte Bericht in der Welt von Uli Kuke anlässlich des Wrackfundes im Jahr 2004 - darin ist die Rede vom "neuen Menschen", dessen Schaffung die Fahrt der Tscheljuskin offenbar auch diente. Das lädt natürlich zu Gedankenflügen ein, wo sich hier diese beiden Expeditionen kreuzen und mit ihnen Wissenschaft, Politik und ideologischer Aufbruch zu neuen Ufern. Kann man den Spirit of Mawson wirklich mit dem Spirit der Tscheljuskin vergleichen? Eine direkte Analogie würde nur zu dem plumpen Vergleich von Stalinismus und Ökodiktatur führen - eine Debatte, die eigentlich schon zu genüge abgefrühstückt ist und außer bei manchen Bloggern, denen dieser Vergleich Lebenselixier ist, nur noch Gähnen hervorruft. Dennoch ist es wirklich verlockend zu verfolgen, wie in der Geschichte des antarktischen Eises eben nicht nur die physikalischen und chemischen Spuren gegenwärtiger und vergangener Zeiten abzulesen sind, sondern auch die der Großmächte, der Großforschung und der individuellen Schicksale von Menschen - und ganz offensichtlich auch der Zukunft des Menschen, wenn man die jeweiligen Programme liest.

Werner Krauss said...

Oh, ich vergaß im Eifer zu erwähnen: vielen Dank für den Hinweis, Sonja Margolina! Frau Margolina hat übrigens auch einen Klimawandel-Roman geschrieben, den ich aber noch nicht gelesen habe: Kaltzeit.

Sonja Margolina said...

Tscheljuskins Aufbruch zerrte vom Geist der großen Expeditionen der Moderne, wurde aber durch Stalinismus propagandistisch ausgenutzt, um sowjetischen Gründungsmythos zu erschaffen.Es gibt etliche kuriose Ähnlichkeiten wie etwa Kinder an Bord.Beide Schiffe gehörten zur selben Eisklasse und waren für die Reise untauglich.
Stalin hat eine amerikanische Rettungsaktion abgelehnt,damit die Imperialisten ihm die Show nicht stehlen.
Doch am wichtigsten im Fall von SChokalskij und Tscheljiskin war "Klimaerwärmung". Anfang der 30er Jahre ging die Eisbedeckung in Arktis zurück, ähnlich wie in den 2000er. Diese Dynamik ist zyklischer Natur(30-40 Jahre), das Eis kommt immer wieder. So war Tsch in die See gestochen im Vertrauen in einen dauerhaften Rückgang des Eises. Prof. Turney ließ sich durch den angeblich anthropogenen Klimwandel täuschen und hat Menschenleben riskiert.

Peter Heller said...

Auch von mir die besten Wünsche zum neuen Jahr und weiter viel Erfolg mit der Klimazwiebel (zugegeben etwas spät).

Aus meiner Sicht ist die Geschichte der Akademik Shokalskiy eher eine Metapher für den Zustand der Klimadebatte insgesamt: Man steckt halt fest. In der Realität.

Diese könnte 2014 von zwei Durchbrüchen geprägt sein: Die Serienproduktion des ersten "fliegenden Autos" und den Erstflug von Virgin Galactic.

Da finde ich es ganz gut, daß ich nicht im Eis steckengeblieben bin, weil ich an der "Klimawandel-Bildungsreise durch die Antarktis" mangels zu erwartendem Erkenntniszuwachs gar nicht teilgenommen habe.

Werner Krauss said...

Nachdem die Affäre nun einmal quer durch die Blogosphäre gewohnt streitlustig, parteiisch und auch schadenfreudig kommentiert wurde ist es an der Zeit, die Sache einmal "distanziert und ruhig" (HvStorch) zu betrachten und wirkliche Experten zum Thema Dampfer kaputt zu Wort kommen zu lassen. Da werden sich so manche die Augen reiben!

Anonymous said...

Bevor die Stühle hochgestellt werden, möchte ich noch anmerken, dass der ruhige Blick auf die Kältewelle in den USA ja sehr schön ist, leider in gewissen Massenmedien nicht weit verbreitet ist.

Global warming ist tot, es ist ja so verdammt kalt! - tönt es bei Fox tagaus tagein. Die richtige Antwort darauf hat (wie üblich) Jon Stewart, wer sonst? Viel Spaß, http://www.youtube.com/watch?v=m_ZcwsnfrY4

Andreas

Anonymous said...

Wer ist hier eigentlich "gerettet" worden?
Die solcherart genannten befinden sich nach wie vor, an Bord eines australischen Eisbrechers, in der Antarktis.
Die "Akademik Shokalskiy" hat sich mittlerweile mit eigener Kraft aus dem Packeis befreien können und befindet sich im Hafen von Bluff auf der neuseeländischen Südinsel.
Nachzulesen bei WUWT