Saturday, October 15, 2016

Vorhersagen

Unlängst wurde ich von einem Journalisten um eine kurze Erklärung gebeten, wieso in der Wettervorhersage Ausblicke von höchstens ein, zwei Wochen  möglich sind, auch Klimaperspektiven beschrieben werden können über Jahrzehnte hinweg, nicht aber für den kommenden Winter. Hier meine Antwort dazu, viel zu lang, aber vielleicht von Interesse für den einen oder die andere Leserin:


Es gibt zwei Hauptarten der „Vorhersage“ des Zustands der Atmosphäre (und des Ozeans)

a) die Kurzfristvorhersage, die beschreibt, wie sich der bekannte Zustand von HEUTE in den kommenden Tagen entwickeln wird. Die Möglichkeit, diese Entwicklung von einem Ausgangspunkt zu beschreiben, nimmt im Laufe von Tagen ab, weil auf die Entwicklung nur als zufällig zu beschreibende Faktoren einwirken, so dass in der Summe die Bedeutung des Anfangszustandes langsam verschwindet. Beispiele sind hier die Entwicklungen kleinräumiger und schwacher „Störungen“, die in den kommenden Tage zu einem ordentlichen Sturm entwickeln können, der ein paar Grad weiter südlich oder nördlich verläuft, oder als kaum bemerkte Druckvariation bald verschwinden.

b) Langfristvorhersage, die beschreibt, wie Randbedingungen (von jetzt bis zum gewünschten Zeitpunkt) die Entwicklungsmöglichkeiten der atmosphärischen Entwicklungen einschränken. Bei gegebenen Randbedingungen können viele verschiedene Zustände eintreten, aber eben nicht alle denkbaren – das Ensemble der Möglichkeiten wird eingeschränkt, also das Klima (Statistik des Wetters).
Das prominenstste, aber unbeachtetste Beispiel ist die perfekte Vorhersage des kommenden Winters – die Strahlungsbedingungen schränken das Ensemble der Möglichkeiten einschränken – damit ist klar, dass es im kommenden Winter nicht wie im Ensemble unserer Sommer aussieht. Diese Vorhersage ist in ihrer Aussage trivial, aber ist als Simulationserfolg nicht trivial, und zeigt, dass Vorhersagen von Klima trotz des chaotischen Charakters des Klimasystems mit Modellen möglich sind.
In diese Klasse gehören auch die Klimaszenarien, in denen beschrieben wird, wie das Ensemble der möglichen Zustände eingeschränkt wird, wenn sich die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre in vorgeschriebener Weise verändert. Da hier eine Annahme über die Zukunft (die Konzentration der Treibhausgase) gemacht wird, die nicht mit Wahrscheinlichkeitsaussagen verknüpft werden kann, sind dies keine Vorhersagen (= wahrscheinlichste Entwicklungen) sondern „Projektionen“ (mögliche Entwicklungen). (Das IPCC unterscheidet hier sauber.)
Langfristvorhersagen im eigentlichen Sinne werden seit geraumer Zeit auch probiert: sie nutzen die Anfangszustand im Ozean (oder im Boden) aus, um dann die Einschränkung der Entwicklungsmöglichkeiten aufgrund von Randbedingungen zu beschreiben, um wahrscheinliche Aussagen über die nähere Zukunft (Jahreszeiten, wenige Jahrzehnte) zu erreichen. Ein Beispiel sind Vorhersagen des El Nino-Phänomens im Pazifischen Ozean und der damit verbundenen Folgen in den Tropen und etwa Teilen Nordamerikas.

4 comments:

Werner Krauss said...

und hier der Sonntagsartikel von Andreas Frey, in dem HvS dann zitiert wird:

http://www.faz.net/aktuell/wissen/erde-klima/langfristige-wettervorhersagen-14483100.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

(Und Vorsicht vor dem nassen Herbstlaub, wie leicht rutscht man darauf aus!)

Anonymous said...

naja, okay. Sie wurden, glaub ich, richtig widergegeben. Soviel geschrieben und 3 Wörter bleiben übrig. ;)

Negativ fielen mir die seltsamen Spitzen gegen das Metoffice und NOAA auf. Da hätte Herr Frey mehr Recherche betreiben sollen. Interessant wäre zu erfahren, ob Herr Frey auch Ansprechepartner dort hatte.

Nehmen wir mal ein paar Beispiele vom MET

https://blog.metoffice.gov.uk/2014/11/09/the-met-offices-outlook-for-the-start-of-winter-2014/

https://blog.metoffice.gov.uk/2013/11/29/the-met-offices-outlook-for-uk-winter/

http://www.metoffice.gov.uk/public/weather/long-range-forecast/

https://blog.metoffice.gov.uk/2015/10/29/what-are-the-prospects-for-the-weather-in-the-coming-winter/

In jedem dieser Vorhersagen stehen RIESENGROSS die Unsicherheiten und Probleme bei Langfristvorhersagen drin.

Hier mal der Text aus einem der Artikel:

This outlook is not like our other forecasts because, as we have discussed previously, it’s not currently scientifically possible to provide a detailed forecast over these long timescales.

Instead, the outlook assesses the level of risk connected to five different scenarios for both temperature and rain/snowfall. It’s a bit like the science-equivalent of factoring the odds on a horse race.

The current outlook for December-January-February says the chance of the coldest scenario happening is between 20 and 25% and the chances that the period will fall into the warmest scenario is between 10 and 15%.

So while uncertainty is quite large, below average temperatures are more likely than above average (for note, average maximum temperatures for the UK in winter are about 6.6C and average minimum temps are about 0.9C).

However, as with any horse race, it’s always possible that the favourite won’t win – so these probability scenarios have to be used in the right context. This is why they’re useful for contingency planners who plan ahead based on risk, but not that useful for the general public.

Ende Ausschnitt

Herr Frey behauptet nun, dieser Text ist schwierig zu finden. Hm.

Warum, ist die große Frage. Hatte er vielleicht nur, möglw. verkürzte, Press Releases gelesen? Hatte vielleicht sogar nur sekundäre Quellen. Naja, mehr Recherche wäre hier gut gewesen.

Gruß,
WAIIMHAN


Aber ansonsten: okay.



Anonymous said...

"Grundsätzlich gilt: Jahreszeitenvorhersagen sind wegen ihres experimentellen Charakters vor allem für Wissenschaftler gedacht, die in der Regel wissen, wie solche Modellergebnisse einzuordnen sind. Es sind Informationen von Nerds für Nerds."

Huch? Ist das Wissen-Ressort der renommierten FAZ nun zum Ressort geworden, wo über die "Nerds" berichtet wird? "ESA-Nerds versemmeln Marslandung" wäre vielleicht auch bald eine Nachricht wert ;-)

Grüße,
Andreas

Werner Krauss said...

Andreas,

ja, sehr schönes Detail in einem klassischen Sonntagszeitungsartikel. Ein vages Interesse - wie war das nochmal mit der Wettervorhersage? - und ein tiefes Bedürfnis nach Ruhe, nach einer Woche voller Herbstlaub, Aleppo, Trump, Geld- und Beziehungsstress und was weiß ich. Im Wissensteil der FAS ist die Welt noch in Ordnung. Hier kann sich der Bürger mit Abitur und Lateinkenntnissen versichern, dass der Bauer das Wetter nicht vorhersagen kann, dass nur die Wissenschaft glaubwürdig ist usw. usf. Aus dem schrulligen Wetterpropheten ist inzwischen ein on-line Scharlatan geworden, und wer unsere Steuergelder in der Wissenschaft verplempert, das sind heute die frechen und wissbegierigen Nerds. Interessant, aber man muss auch aufpassen. Zum Glück gibt es aber noch den über jeden Verdacht erhabenen Professor, der seriös Auskunft geben kann, was wir über das Wetter in Entenhausen wissen können und was nicht. Und egal, was das weatherman Zitat hier soll: Hauptsache Nobelpreis, und es erinnert an Zeiten, als man noch Student war. Wogegen war man damals noch an der Uni? Ach, egal. Morgen müssen wir wieder raus. So sieht sie aus, die Wetterlage in der FAS. Ein Fundstück für zukünftige Archäologen, die etwas über Biopolitik im 21. Jahrhundert lernen wollen. Ein Wetterbericht kann mehr Auskunft über die gesellschaftliche Verfassung geben als manche gelehrte Abhandlung.