Hans von Storch beantwortet Fragen in einem "Experteninterview - Klimawandel und Medien"

Im Zuge einer Studie zur "Darstellung des anthropogenen Klimawandels in den deutschen Medien" wurden mir eine Reihe von Fragen gestellt - hier diese Fragen und meine Antworten.



Was hat Sie dazu gebracht sich mit dem Gebiet des anthropogenen Klimawandels und dessen Kommunikation zu beschäftigen?

Ich bin zu dem Thema Klimawandel gekommen weil sich die ganze Klimaforschung in diese Richtung bewegt hat seit dem Ende der 1980er Jahre. Dass ich mich dann auch der Frage der Kommunikation zugewandt habe, hing damit zusammen, dass ich mit meinem soziologischen Kollegen Nico Stehr eine fruchtbare Kooperation aufgebaut habe – und gleichzeitig erleben musste, wie sich viele meiner Kollegen in eine wenig konstruktive Spirale der Politisierung begaben und dabei eine Rhetorik wählten, die uns schon damals absehbar auf Dauer Probleme bei der Glaubwürdigkeit bescheren würde. SO wurde mir immer klarer, dass das Thema „Klima“ nicht nur eine naturwissenschaftliche Herausforderung darstellt, sondern auch eine kulturwissenschaftliche.

Welche Verbindung haben Sie heute zu dem Thema?

Ich beschäftige mich weiterhin mit Aspekten des menschgemachten Klimawandels, aber auch mit Fragen der derzeitigen Klimarisiken, speziell im Hinblick auf alle Art von Windstürmen – und auch weiter mit der kulturellen Konstruktion des Klimawandels.

Wie nehmen Sie heute die öffentliche Kommunikation über den anthropogenen Klimawandel innerhalb Deutschlands wahr?

Die Kommunikation hat sich seit einem Jahr, also seit ClimateGate, IPCC-Schlampereien und dem Scheitern von COP-15, deutlich verbessert. Das Reden ist weniger dramatisch geworden, die bekannten Alarmisten können sich der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit weniger sicher sein. Die Klimawissenschaft entpolitisiert sich etwas, und die Politik scheint sich mehr auf das praktisch Erreichbare zu fokussieren.

Wodurch wird die Kommunikation aktuell beeinflusst oder erschwert?

Durch vergangene Sünden wird die Kommunikation derzeit erschwert. Wenn Einzelfälle, wie Stürme, Überschwemmungen seinerzeit von Alarmisten medienwirksam dem menschgemachten Klimawandel zugerechnet wurden, sehen wir jetzt einen kalten Winter ebenso unzulässig argumentativ durch Skeptiker instrumentalisiert. Ein weiteres Problem ist, dass beide Extremgruppen, Skeptiker und Alarmisten, so tun, als gebe es nur diese beiden Positionen der Über- oder Untertreibung, während die besonnene Mitte dann von der Öffentlichkeit nicht mehr wahrgenommen wird. Es ist interessant zu sehen, wie diese beiden Gruppen sich gegenseitig bedingen und brauchen.

Wie sollte nach Ihrer Ansicht zukünftig eine gelungene öffentliche Kommunikation des anthropogenen Klimawandels ausgestaltet sein?

Wenig positiv ist die Neigung des Moralisierens und des Propagierens, Deutschland solle Vorbild für die Welt sein, während andere Staaten wie China und die USA dämonisiert werden. Die Kommunikation sollte einerseits die wissenschaftlich belegten Perspektiven als fachliche Nebenbedingungen für Entscheidungen darstellen, andererseits die Entscheidungsmöglichkeiten von Politik und Gesellschaft als politische Optionen (also wertegesteuert auszuwählen) herausstellen.

Was sollten Ihrer Meinung nach die vordergründigen Ziele der öffentlichen Kommunikation des anthropogenen Klimawandels in der Zukunft sein?

Die Kommunikation liegt dann richtig, wenn Sie von den Eckpunkten ausgeht, dass der menschgemachte Klimawandel real ist und von den Emissionen von Treibhausgasen ausgeht; dass ein Umsteuern nur in begrenztem Masse möglich ist, dass dies aber vor allem über signifikante technologische Erneuerungen erreichbar sein wird, einfach wegen des enormen Nachholbedarfs bei der übergroßen Mehrheit der Menschheit. Insofern gilt es die Verminderung der Emissionen zu erreichen – in dem Maße wie dies sozial vertretbar ist – während andererseits die Verletzlichkeit vieler Gesellschaften gegenüber den Gefahren des Klimas (und nicht nur eines zukünftig veränderten Klimas) zu reduzieren ist. Also neben Emissionsminderungen vor allem durch technologischen Fortschritt: Anpassung.

Es sollte ganz deutlich gemacht werden, dass nur eine effiziente Klimaschutzpolitik wirksam (im Sinne von merkbarer Beschränkung und Verlangsamung des menschgemachten Klimawandels) ist, dass symbolische Akte diesen Prozess unterstützen, keinesfalls aber ersetzen können.

Diese Kommunikation sollte auch darstellen, dass Wissenschaft selbst ein sozialer Prozess ist, in dem es nicht nur um Wahrheit und Wissen sondern auch um Egos, Macht, Ideologien und Weltbilder geht. Ich würde mir mehr Artikel und Fernsehsendungen wünschen, die die Subjektivität der agierenden Wissenschaftler, und deren Bemühungen, diese Subjektivität zu überwinden oder zu begrenzen, zeigen.

Was sollte ggfs. an der öffentlichen Kommunikation des anthropogenen Klimawandels verbessert werden und was muss passieren, damit es besser wird?

Mehr Offenheit gegenüber Nachfragen und Skeptizismus; mehr Skepsis gegenüber Alarmisten (die die interessanteren „Geschichten“ für Medien und Politik haben); Standhaftigkeit gegenüber der Versuchung, Einzelereignisse als Beleg für weitergehende Aussagen (etwa zur Irrelevanz des menschgemachten Treibhauseffektes) über die Klimadynamik; Zurückhaltung beim argumentativen Einsatz allerneuester wissenschaftlicher Ergebnisse (vieles in „nature“ und „science“ erweist sich später als revisionsbedürftig); Bewertung wissenschaftlicher Ergebnisse unter methodischen Gesichtspunkten, weniger unter dem Gesichtspunkt der politischen Einsetzbarkeit.