Thursday, July 14, 2011

klimazwiebel enthüllt: IPCC beschließt Meeresspiegel-Ausstieg!

Anstatt "Klimarat feilscht um Daten zum Meeresspiegel-Anstieg" habe ich zuerst gelesen "Klimarat feilscht um Meeresspiegel Ausstieg", was, nach Lektüre des Artikels von Axel Bojanowski auf spiegel-online eigentlich auch eine gute Idee wäre.
Der Artikel präsentiert wieder einmal die Klimaforscher als ein zänkisches Völkchen und den Weltklimarat als einen Basar, auf dem um die Höhe des Anstiegs der Ozeane gefeilscht wird. Es stellt sich die Frage, ob diese Art der Darstellung auf dem Zwang zum Kalauer beruht, dem die Medien manchmal unterliegen, oder ob sich die kleine community der 18 Wissenschaftler aus zehn Ländern den Ruf als feilschende Händler verdient haben, wenn sie sich um die richtige Höhe für den IPCC Report streiten.  Wie dem auch sei - wie so oft auf spiegel-online in letzter Zeit bekommt man auch hier wieder einen schön recherchierten Streifzug durch ein Teilgebiet der Klimaforschung präsentiert.

Nicht ganz einsichtig ist mir allerdings die Eingangspassage des Artikels:
Eine Zahl sorgt für Unruhe in Wissenschaft und Politik. Die Zahl entscheidet über viele Milliarden Euro Steuergelder. Im nächsten Uno-Klimareport, der in etwa zwei Jahren erscheinen soll, wird die Zahl festgeschrieben: Sie gibt an, wie stark die Ozeane bis zum Jahr 2100 voraussichtlich anschwellen werden. 146 Millionen Menschen leben weniger als einen Meter über dem Meeresspiegel. Je höher der erwartete Anstieg der Ozeane, desto mehr Geld müssen Staaten für Deiche und Küstenschutzmauern ausgeben und desto mehr Menschen müssen vielleicht umgesiedelt werden.
Stimmt das? Wird der Meeresspiegel auf Befehl vom IPCC ansteigen? Wird Merkel eine Extra Steuer verlangen, weil im IPCC Bericht steht, dass wir die Küste besser schützen müssen? Richtet sich der deutsche Küstenschutz überhaupt nach dem Klimabericht? Und der in Bangla Desh? Das kommt mir wie eine schwere Überschätzung des IPCC vor. Aber vielleicht irre ich mich da.

Doch abgesehen von dieser Irritation ist es faszinierend, Alex Bojanowski auf seinem Streifzug durch die Welt der Meeresspiegel Forschung zu folgen. Dabei trifft man auf alte Bekannte wie James Hansen (Prognose: 5 Meter Anstieg), Jim Houston und Bob Dean (gleichbleibendes Ansteigen im vergangenen Jahrhundert), Stefan Rahmstorf (1, 7 mm jährlich bis 1993, seitdem 3mm) oder Eduardo Zorita (seit acht Jahren Abschwächung des Anstiegs).  Dabei spielen das Grönlandeis, Satelittenmessungen,  Jahreszahlen von Messreihen oder der CO2 Ausstoß eine gewichtige Rolle:
Während James Hansen bis 2100 fünf Meter in Aussicht stellt, glaubt sein Kollege Simon Holgate, dass das Meer "selbst beim höchsten Treibhausgasausstoß" unter einem Meter Erhöhung bleibt. Sollte sich das Anschwellen der Ozeane nicht weiter beschleunigen, stünden die Ozeane im globalen Durchschnitt am Ende des Jahrhunderts lediglich 27 Zentimeter höher.
So ist das. Damit kann man leben, und damit muss man wohl auch leben:
Diese grob voneinander abweichenden Abschätzungen miteinander zu vereinbaren, versuchen derzeit die 18 Mitglieder der Meeresspiegel-Arbeitsgruppe des Uno-Klimarats.
Stimmt das eigentlich? Müssen die Zahlen vereinbart werden, oder kann man sie nicht einfach neben- bzw. hintereinander stellen? Das zumindest wäre mein Vorschlag.

Und zum Schluss versucht sich Alex Bojanowski als Orakel:
Im Gedächtnis der Weltöffentlichkeit und der Politiker aber wird wie immer vor allem der Extremwert für den maximal möglichen Pegelanstieg bleiben - es ist die vielleicht wichtigste Zahl des gesamten Uno-Klimareports.
Vielleicht bleibt den Menschen aber auch in Erinnerung, dass wir tatsächlich nur einen kleinen Ausschnitt kennen von den Bedingungen, die unser Dasein ausmachen. Vielleicht bleibt ihnen in Erinnerung, dass wir so wenig wissen und dennoch handeln müssen, weil wir eben sind, was wir sind - Menschen mit beschränktem Horizont.  Allein für diese Erkenntnis muss man den Klima- und Ozeanforschern dankbar sein. Wenn es dem IPCC gelingt, die Vielfalt dieser Forschungen, der Prognosen und Interpretationen darzustellen, dann liefert er einen würdigen Weltklimabericht ab.

18 comments:

  1. Hi Werner, thanks for this thoughtful article. I doubt if James hansen is using data from ENVISAT for his analysis:
    http://www.aviso.oceanobs.com/fileadmin/images/news/indic/msl/MSL_Serie_EN_Global_IB_RWT_GIA_Adjust.gif

    Another possibility is that he has the old British system of measurement confused with the metric system.

    It Wouldn't be the first time that happened at NASA. ;)

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  2. Werner,

    ich habe keine Umfrage unter den Politikern gemacht (eigentlich Deine Aufgabe :-)) aber nach dem, was ich beurteilen kann, das stimmt teilweise. Nicht nur über die Zahlen des PCCs wird bei den Sitzugen der norddeutschen Gemeidenräten diskutiert, sondern über die Zahlen, die in den einzelnen Publikationen stecken. Das Paper von Rahmstorm und Vermeer beispielweise wurde schon von 2 Bürgermeister im Radio zitiert. Ich weiss nicht, on diese Zahlen direkt den Küstenschutz beeinflussen, aber sie beinflussen die Forderung nach finanzeller Unterstützung der Bundesländer und der Gemeinden, wahrscheinlich an den Bund.

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  3. Mir erschien der Artikel von Axel Bojanowski recht gut recherchiert - und mit meiner eigenen Wahrnehmung konsistent.

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  4. IPCC gibt nicht EINE Zahl für den Meeresspiegelanstieg im 21. Jahrhundert an, und es sind auch nicht die 18 "ausgewählten Wissenschaftler" welche allein das Wissen zum Meeresspiegelanstieg bewerten. Und übrigens: der Bericht erscheint Ende 2013. Bis dahin hat jeder Gelegenheit, sich als Gutachter seine Expertise in das Opus während der Reviewzyklen einzubringen. Soviel Sachkenntnis zum IPCC-Prozess hätte ich einem Journalisten eigentlich zugetraut.

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  5. "Recht gut recherchiert" ist aber noch lange nicht gut geschrieben.

    "Das Feilschen um die Ergebnisse gleicht dem Handel auf einem Basar."
    Wird so in den Arbeitsgruppen des IPCC gearbeitet oder ist das die Sichtweise Bojanowskis?

    Von einem gut recherchierenden Autor hätte ich jetzt Informationen über die Hintergründe erwartet, warum sich die wissenschaftlichen Prognosen zum Meeresspiegelanstieg so stark unterscheiden und was Stärken und Schwächen der jeweiligen Ansätze sind (muss ich jetzt nicht aufführen, wir sind ja alle hier informiert). Leider Fehlanzeige.

    Überraschend detailliert wird Bojanowski stattdessen an anderer Stelle, nämlich die Umstellung auf Satellitendaten.

    Der uninformierte Leser kennt nun kein Argument, warum die bisherigen IPCC-Prognosen untertrieben sein könnten, er erfährt nur, dass der beschleunigte Meeresspiegelanstieg möglicherweise ein Artefakt der Satellitenmessung sei. Nun könnte/sollte er denken: "Alles klar, alles nicht so schlimm, oder?"

    Dies ist m.E. tendenziöse Berichterstattung.

    Richtig irritiert war ich bei der Passage um James Hansen, der bis 2100 5m Anstieg "in Aussicht stellt". Werner Krauss ist auch gleich in die Falle getappt und schreibt darüber, Hansen würde 5m "prognostizieren".

    Warum kann Bojanowski nicht formulieren: "Hansen erwartet einen deutlich höheren Meeresspiegelanstieg als vom IPCC prognostiziert und schließt sogar einen Anstieg um 5m nicht aus." oder "...und hält einen Anstieg bis zu 5m bis 2100 für möglich."

    Egal ob Bojanowski gut oder schlecht recherchiert, ohne den leicht skeptisch gefärbten Subtext geht's anscheinend nicht.


    PS @ werner krauss
    Passt nicht zu Bojanowski, aber ich glaube, das könnte Sie auch interessieren. Ein Philosoph äußert sich zu Aspekten der Klimadebatte:
    http://opinionator.blogs.nytimes.com/2011/07/12/on-experts-and-global-warming/#preview

    andreas

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  6. #2 Eduardo
    Der Einfluß auf den Küstenschutz ist konkret: In Schleswig-Holstein und Niedersachsen werden Deichbaumaßnahmen mit einem Klimazuschlag von 50 cm vorgenommen.

    Ihre Beobachtung kann ich ergänzen: Wenn Bürger in Gemeinderatssitzungen versuchen, den Bau von Windkraftanlagen, Photovoltaikanlagen und Biogasanlagen zu verhindern, argumentieren Bürgermeister mit Bildern von schmelzenden Gletschern und katastrophalen Zahlen über den erwarteten Meeresspiegelanstieg. Nicht die mögliche Bandbreite wird präsentiert, sondern die jeweils höchste genannte Zahl. Und am Ende beschließt die Gemeindevertretung den Bau der Ökostromanlagen wegen ihrer Verantwortung gegenüber künftigen Generationen...

    Dabei spielt auch eine Rolle, daß die meisten Hauptdarsteller in der öffentlichen Wahrnehmung keineswegs suchend oder zweifelnd erscheinen, sondern wissend und im Besitz der endgültigen Wahrheit. Zeitungen illustrieren die stets schlechten Nachrichten gerne mit Flood Maps, die schon bei einem Meeresspiegelanstieg von einem Meter die Überflutung der Fluß- und Seemarschen zwischen Niebüll und Emden anzeigen, als hätte es nie einen Deichbau gegeben.

    Bojanowskis Artikel hat viele aufmerksame Leser verdient.

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  7. @Andreas #5

    Ja, da haben Sie recht, Hansen habe ich inkorrekt zitiert in meiner Zusammenfassung. Er prognoitiziert nicht fünf Meter, sondern stellt die in Aussicht. Ich hatte allerdings auch gar nicht im Sinn, ihn als Spinner darzustellen, ich war vielmehr fasziniert von der Bandbreite der Aussagen insgesamt. Die kein Beweis für schlechte Wissenschaft sind, sondern so ist das eben.

    Danke für den link zu dem New York Times Artikel. Habe leider gerade keine Geduld, den extra zu posten und zur Diskussion zu stellen. Nur ein kurzer Kommentar: ja, schon, irgendwie, aber: der Artikel verharrt mir zu sehr auf der Al Gore Stufe. Er trifft nicht mehr den Punkt, die Debatte ist weiter. Er sieht nicht das konstruktive an der Debatte mit sogenannten Skeptikern. Die Debatte um das Verhältnis Gesellschaft - Wissenschaft (und wie falsch diese Gegenüberstellung ist), um das Wesen des Klimawandels (der eben ein offenes Buch ist, wie die Debatte um den Meeresspiegelanstieg zeigt), oder um die Verkürzung der Debatte durch den völlig einseitigen Fokus auf die wissenschaftlich dominierte Perspektive des Phänomens. Alle diese Debatten eröffnen neue Perspektiven, erhöhen die Bandbreite möglicher Reaktion auf den Klimawandel etc. Während dieser Artikel die Debatte wieder auf den leidigen Kampf gegen die "deniers" (denn die meint der Autor ja) verkürzt.

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  8. @ Helmut Erb #6

    Ja, das ist faszinierend. Der Klimawandel asl Totschlagargument in Gemeinderatssitzungen. Ich erinnere mich an solche, als mit dem Argument des Welthungers gegen den Naturschutz argumentiert wurde, der Agrarflächen als Flora-Fauna-Habitat Gebiete ausweisen wollte. Welthunger als Argument wie Klimawandel. Oder, ebenso an der Küste (aber da war ich noch nicht dabei), als versucht wurde, eine gesunde Menschenrasse zu züchten. Im Namen der Wissenschaft, versteht sich.
    Alle kleine Politik argumentiert im Namen eines Großen und Ganzen, und die Wissenschaft stellt sich eilfertig in diesen Dienst. Immer gibt es eine große Theorie, die dazu dient, die machtvolle Handlung im Alltag zu legitimieren.
    Eigenartig. Ich hätte jetzt gerne eine tolle Theorie, was das soll, habe aber gerade keine zur Hand. Vielleicht: den Ball flach halten. Und, da stimme ich Ihnen zu, solche Spiegel Artikel genau lesen und in die Debatte mit einbringen. Man kann ja trotzdem Windräder aufstellen, aber dann muss man eben besser argumentieren, oder anders.

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  9. @ werner krauss

    Vielen Dank für ihre Bemühungen und ihre Rückmeldung. Wie Sie wissen, vermisse ich die Stimme der Geisteswissenschaften in der Klimadebatte und war ganz interessiert, eine gefunden zu haben.
    Aber Sie haben schon recht, der Ansatz reicht nicht weit genug.

    MfG

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  10. > Der Artikel präsentiert wieder
    > einmal die Klimaforscher als ein
    > zänkisches Völkchen und den
    > Weltklimarat als einen Basar, auf
    > dem um die Höhe des Anstiegs der
    > Ozeane gefeilscht wird.

    Lustig, nicht wahr? Zumal das Treffen ja noch gar nicht stattgefunden hat. Trotzdem "weiß" der Spiegel-Redakteur, dass es dort bereits jetzt "wie auf einem Basar" zugeht.

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  11. Zu Norbert/10: Das erste LAM (Lead Author Meeting) von Working Group 1 (die das Wissen zum Thema "Meeresspiegelanstieg" bewertet) hat in 2010 stattgefunden. Der "zero'th oder draft" (ZOD) des Berichts von WG 1 existiert; das Kapitel zum Meeresspiegelanstieg wurde u.a. auch von meiner Gruppe kommentiert im Zuge des offiziellen IPCC-Review-Prozesses.

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  12. Ein lustiges Völkchen diese Alarmisten. Man könnte fast wieder auf sie hereinfallen, würde man nicht selbst den Artikel lesen. 4000 Wissenschaftler und nicht 18 und die IUGG-konferenz in Melbourne fand bis zum 7ten Juli statt und der Artikel ist wirklich sehr gut recherchiert. Jetzt wissen wir sogar von Herr Von Storch, dass "das erste LAM (Lead Author Meeting) von Working Group 1" schon statt gefunden hat und dass wieviel Leute daran teilnahmen, bzw. die Entscheidungen treffen? Und Herr Rahmstorf ist selbstverständlich wieder massgeblich und lautstark daran beteiligt?

    Mich erstaunt immer wieder einzig und allein, dass man solche Strohmann-kritiken hier unkommentiert stehen lässt.

    Und ob Hansen 5 Meter prognostiziert oder "für möglich hält"; einmal ganz ganz ehrlich, ein einziges Mal bitte ... ;-)

    Ansonsten schöne Ferien

    Yeph

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  13. @ Yeph

    Wie gesagt, mir ging es um den Subtext, und dafür ist Hansen ein gutes Beispiel. Völlig unnötig war zum Beispiel die Anmerkung Bojanowskis, mit solchen Prognosen wie 5m (sic!) würde Hansen seine "Glaubwürdigkeit riskieren".

    Interessant ist auch, welche Aspekte fehlen im Artikel.
    Z.B. finde ich es am Beispiel Meeresspiegelanstieg aufgrund der Trägheit unglücklich, dass meist nur von den Prognosen bis 2100 berichtet wird.

    Dass der Meeresspiegelanstieg z.B. 1m übersteigen wird, ist nicht eine Frage des "ob", sondern des "wann".

    Und abschließend noch ein Beispiel, wie das Einbinden des Rahmstorfschen Ansatz in den AR5 aussehen könnte, ich meine differenziert und ohne "Basarmentalität" erarbeitet:

    Recently, various attempts using semi-empirical models have been proposed to estimate globally averaged sea level rise
    for the 21st century. No physically-based information is contained in such models and assumptions are based on
    relatively short and limited observational data. The assumption that the rate of change of sea level rise from those
    components that were small during the 20th century and which have been attributed to ice sheets would scale with
    global temperature change leads to a strong and unlimited amplification of future sea level rise when global
    temperatures continue to increase. Therefore, such approaches have generally yielded the largest sea level rise estimates
    for the end of the 21st century. A major limitation is the fact that the calibration phase for these semi-empirical models
    does not cover the range of climate-system behaviour that might be expected for the 21st century, i.e., significant loss
    of ice from the large polar ice sheets. The physical basis for the large estimates from these semi-empirical models is
    therefore currently lacking.


    Schöne Ferien
    Andreas

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  14. Andreas,
    when you accept that the Rahmstorf model represents merely statistical arguments, and not physical - fine, this was also shown by our analysis, see: von Storch, H., E. Zorita and J.F. González-Rouco, 2008: Relationship between global mean sea-level and global mean temperature and heat flux in a climate simulation of the past millennium, Ocean Dyn. doi10.1007/s10236-008-0142-9, 10pp [I do not think that Stefan Rahmstorf would openly accept this assertion] - then one has to check if the statistics are valid. There not, as demonstrated by Torben Schmith, Søren Johansen, Peter Thejll, 2007: Comment on “A Semi-Empirical Approach to Projecting Future Sea-Level Rise” (science 10.1126/science.1143286. What has been done is relating two trends to each other; if that is valid may be tested using the Nobel-prize winning co-integration method. Rahmstorf's data set fails this test. Thus, his semi-empirical approach has been shown to have neither a proper physical nor a proper statistical basis.
    In his PNAS-paper, Stefan Rahmstorf repeats his "model" without reference to these two critical (and properly peer-reviewed) comments on his own work.

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  15. Ich denke jetzt ist es wirklich einmal Zeit, dass ich einen Kommentar im Klimazwiebel schreibe. Die Sache mit dem Meeresspiegel ist zu wichtig und auch wissenschatlich zu interessant, dass man nicht ein wenig weiter in die Tiefe vordringen sollte - ganz ohne Namensnennungen, wer was alarmistisch oder abwiegelnd darstellt.
    Aus meiner Sicht geht es nämlich nicht primär um das "Abschmelzen" der Gletscher und auch nicht um das direkte Abschmelzen der beiden polaren Inlandeismassen plus thermische Ausdehnung des Ozeanwassers. Das hatte der alte IPCC-Bericht von 2007 mit den maximal 59cm schon ganz gut im Griff, und das ist auch heute noch recht gut der "state of the art".
    Was damals bewußt und zurecht ausgeklammert worden ist, ist die Möglichkeit einer plötzlichen Erhöhung der Eisdynamik durch ein Eindringen von Schmelzwasser bis zum Untergrund, was dann die Reibung des Eises am Untergrund vermindern sollte und die Eisränder beschleunigt ins Meer kalben lassen sollte.
    Hier kann ich es mir nicht verkneifen, doch einen Namen in erhrfürchtigem Staunen zu nennen: James Hansen's Sager vom "Slippery slope to hell" hat das wirklich unnachahmlich auf den Punkt gebracht - das muss erst einmal jemand erfinden!
    Ich sagte oben "bewußt und zu Recht augeklammert", da damals und auch heute noch die physikalisch mathematische Bewältigung des Eisdynamik-Problems seiner Lösung harrt - schlicht weil es rechenkapazitätsmäßig nach wie vor nicht möglich ist, ein gekoppltes Klima-Ozean-Eisdynamik Modell adäquat für dieses Problem laufen zu lassen. Die erforderlichen hohen räumlichen Auflösungen sind noch nicht möglich und noch einige andere Schwierigkeiten gilt es zu überwinden.
    Also stehen wir wieder einmal - wie so oft in der Klimadebatte - vor der für die Naturwissenschaft betrübliche, für alle Arten von Dampfplauderern (=Wiener Ausdruck für hauptsächlich glossomorphes Wortgeklingel von sich gebende Diskutanten) natürlich wunderbaren Tatsache, dass es noch Unsicherheit gibt, in denen man sich bequem breit machen kann.

    Ich muss Axel Bojanowski im übrigen recht geben - es hat schon etwas von Bazar an sich, wie derartiges dann tatsächlich abgehandelt wird. In Kopenhagen im März 2009 hatte ich selbst dieses zweifelhafte Vergnügen mitzuerleben, wie dort die Sache mit dem Eis und dem Meeresspiegel abgehandelt worden ist. Wen's interessiert, kann eine Art "Tagungsbericht" darüber auf den Seiten 256-263 der erweiterten Neuauflage meines "Heiße Luft" Buches von 2010 nachlesen.

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  16. Der von Reinhard Böhm im vorherigen Kommentar erwähnte Buchabschnitt ist hier zu finden (Am Besten, auf dem Link rechtsklicken und in einem neuen Fenster öffnen).

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  17. Sehr geehrter Herr Böhm,

    mir gibt eine Stelle in ihrem Buch zu denken:
    "[...], als der damalige dänische Ministerpräsident, Anders Fogh Rasmussen, aus den Top-Wissenschaftern der Tagung „konkrete, klare und eindeutige“ Ergebnisse herauszuquetschen versuchte, mit denen er „im Dezember die Politiker der Erde zum Handeln zwingen wollte“."

    Ich denke, uns würde es genügen, wenn das IPCC die alten Zahlen nennen würde, natürlich mit Hinweis auf bislang unverstandene Prozesse zur Eisdynamik, verstanden also als eher konservative Abschätzung. Es würde uns genügen, wenn Rahmstorf Ansatz kritisch beleuchtet wird, wie z.B. in meinem obigen Beitrag.

    Aber würde das auch der Politik und der Gesellschaft genügen? Goutieren diese die Benennung der Unsicherheiten oder gieren sie nicht eher nach "einer Zahl"? Wird die IPCC-Arbeitsgruppe diesem Druck widerstehen?

    MfG
    Andreas

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  18. Just saw that Axel Bojanowski also wrote an article in Nature Geoscience:

    Bulge in the ocean

    The first part is a old story. Interesting is the second part The journalist's take

    In terms of journalistic criteria for a good story, the piece featured:

    •A superlative: a record was set. People like to know what or who is first or last.

    •A paradox: a bulge in the water is unexpected. A paradox brings together seemingly contradictory phenomena. That is stimulating.

    •Scientific relevance and news quality: recent publication in a significant scientific journal.

    I have to hurry - have to rewrite my manuscript now accordingly! ;-)

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