Sunday, July 31, 2011

Interview mit Hans von Storch zum Sommer in Norddeutschland 2011


Das folgenden Fragen stellte das Schleswig Holstein Zeitung (SHZ), aus dem dann ein Interview "Starkregen wird zunehmen" auch auf dem web veröffentlicht wurde. Meine Antworten wurden aus Platzgründen gekürzt (mit meinem ok), aber vielleicht interessieren doch die Langantworten:




1.       Die Deutschen beklagen sich über zu wenig Sommer. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erklärt dagegen, der Erwärmungstrend in den ersten sechs Monaten 2011 sei weltweit ungebrochen. Wie passt das zusammen?

Wenn von Erwärmungstrend die Rede ist, wird damit die globale Situation bezeichnet – in Regionen, wie Nordeuropa sind die Schwankungen von Jahr zu Jahr weiterhin groß. Wenn wir Klimatologen von „Erwärmung“ reden, dann meinen wir nicht, dass jeder Sommer oder jeder Winter wärmer als z.B. das 1960-90 „Normal“ sein wird, sondern nur, dass es mehr als früher sein werden, also häufiger als die  Hälfte aller Fälle.

Ich bin derzeit in Dänemark in meinem Sommerhaus, und erfreue mich an der Darstellung in meiner hiesigen Zeitung, die jeden Tag die aktuelle Temperaturentwicklung zeigt – relativ zum Mittelwert 1960-90 – und ich versichere Ihnen, wir sind bis auf das letzte Wochenende immer höher als in der Normalperiode, meist um 2-3 Grad. Das war auch in den vergangenen Sommern so. Ich versichere Ihnen auch, dass ich als über 60-jähriger alle schleswig-holsteinischen Sommer 1961-1990 miterlebt habe, und da gab es viele wirklich miserable Sommer, gegen die  der derzeitige Sommer geradezu herrlich ist.

2. Wodurch wird dieser Wärmetrend ausgelöst?

Mit unserem derzeitigen Wissen über das Funktionieren des Klimasystems können wir die globale Erwärmung nur durch den menschgemachte Treibhauseffekt erklären. Weitere Wirkfaktoren spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle.

3. Was werden langfristig die Folgen sein?

Unser Wissen erlaubt uns Aussagen, die sich in ihrer Sicherheit unterscheiden. Ganz sicher ist die Fortsetzung der Erwärmung, weniger Meereis, höherer Meeresspiegel. Sicher ist: mehr Starkregen. Gestritten wird über Fragen, was derzeit und in Zukunft mit den tropischen Wirbelstürmen passiert, in welchem Maße die Wasservorräte der Antarktis und Grönlands abschmelzen werden. Unwahrscheinlich erscheint es, dass zumindest in Nordeuropa die Sturmtätigkeit sich wesentlich ändern wird.

Es wird noch oft spekuliert, dass sich alle Art von Krankheiten sich ausbreiten werden, dass es Flüchtlingsströme und Klimakriege geben würde. Dies beruht auf der sehr einfachen Sichtweise des klimatischen Determinismus, wonach nämlich nicht der Mensch solche Aspekte des Zusammenlebens bestimmen würde. Immerhin hatten wir in Nordeuropa vor 300 Jahren Malaria, die seit dem ausgerottet wurde –obwohl es wärmer und nicht etwa kälter geworden ist. Hier wird aus Gründen der politischen Opportunität eine Menge Unsinn geredet.

4. Wie wirkt sich der Klimawandel schon jetzt bzw. bald auf Schleswig-Holstein aus?

Flensburg wird sich temperaturmässig an Basel annähern; daran gekoppelt ist eine Abnahme von Meereis im Winter in der Ostsee. Plausibel ist die Zunahme an Starkregenereignissen; langfristig erwarten wir für Norddeutschland in der Summe mehr Niederschlag im Winter und weniger im Sommer. Stürme bleiben im Wesentlichen auf dem gegenwärtigen Niveau.  Das Norddeutsche Klimabüro beschreibt diese möglichen Zukünfte in seinem Norddeutschen Klimaatlas in einer auch für Laien gut verständlichen Weise.

Besonderes Augenmerk richten wir auf die Frage der Sturmfluten – wir schätzen, die können sich bis 2030 um 20-30 cm erhöhen, bis Ende des Jahrhunderts aber immerhin um 30-110 cm. Dies bedeutet, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine akute zusätzliche Gefährdung vorliegt, wohl aber der bisherige Küstenschutz auf hohem Niveau gesichert werden muss. Dies geschieht auch. Später in diesem Jahrhundert kann sich aber ein erhebliches zusätzliches Risiko ergeben – und Schleswig-Holstein sollte die Zeit jetzt nutzen, um mit der Bevölkerung die Möglichkeiten und Notwendigkeiten für zukünftige Maßnahmen erörtern.

5. Wie ließe sich der Trend noch aufhalten?

„Aufhalten“ oder „stoppen“ lässt sich der menschgemachte Klimawandel derzeit nicht. Das ist politische Rhetorik. Er lässt sich aber verlangsamen – theoretisch durch die Verminderung der weltweiten Emissionen. Da dies aber für die nächsten Jahrzehnte praktisch unmöglich ist, sollte man versuchen, den Anstieg der Emissionen zu vermindern. In anderen Worten: wir können nicht bremsen, aber immerhin deutlich schwächer  auf das Gaspedal treten. Wenn wir dies sehr erfolgreich täten – was ich persönlich als unmöglich ansehe – dann schaffen wir es, den Klimawandel auf 2 Grad (in der globalen Lufttemperatur) zu beschränken. Dies würde bedeuten, dass wir noch mal 1.3 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts dazulegen werden – was  erhebliche Klimaänderungen mit sich bringen würde. Für Schleswig-Holstein bedeutet dies: Vermindern der Emissionen im Rahmen einer internationalen Solidarität, aber im Wissen, dass dies allein gar nichts bringt,  und Verminderung der Anfälligkeit des Landes gegen Klimagefahren durch kluge Anpassung.

24 comments:

  1. Hallo Herr von Storch,

    habe ich das richtig verstanden: Sie halten es für unmöglich, die Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, empfehlen aber trotzdem, es zu versuchen?

    Die Logik erschließt sich mir nicht.

    Es sei denn, Sie würden Emissionsminderungen aus ganz anderen Gründen begrüßen.

    Darf ich also schlußfolgern, daß auch Sie der Auffassung sind, Emissionsminderungen hätten nichts mit Klimaschutz zu tun, da wirkungslos?

    Zweite Frage: In welcher Form wird Schleswig-Holstein von gezeigter "internationaler Solidarität" profitieren, wenn diese doch erstens nicht wahrgenommen werden kann und zweitens auch nicht erwidert werden wird?

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  2. Herr Heller, da scheine ich mich ja sehr unklar ausgedrückt zu haben.

    Ich meine, dass es unwahrscheinlich ist, dass das 2 Grad Ziel erreicht werden kann. Es ist aber ein legitimes politisches Ziel. Ich habe hier gar nichts empfohlen, sondern nur meine Meinung ausgedrückt, dass ich es für unwahrscheinlich halte, dass dies Ziel erreichbar ist.

    Zur Klarstellung:

    Ich meine, dass Emissionsminderungen die entscheidenden Maßnahmen für "Klimaschutz" (Begrenzung der menschgemachten Klimaänderungen) darstellen.

    Schleswig-Holstein würde von der internationalen Solidarität profitieren, wenn es durch internationale Anstrengungen gelingen würde, tatsächlich den Anstieg der Emissionen massiv zu begrenzen; dass die weltweiten Emissionen selbst vermindert werden in den kommenden Jahrzehnten, halte ich für ausgeschlossen.

    Ich danke Ihnen, dass Sie mir hier noch mal Gelegenheit gegeben haben, meine wohl sehr ungenaue Ausagen klarzustellen.

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  3. Sehr geehrter Herr Von Storch,

    danke für ihre klaren Aussagen. Ich bin in den meisten Ansätzen ganz ihrer Meinung. Insbesondere wenn es um die Aussicht der globalen CO2 Emissionen über die kommenden Dekaden geht. Ich will mich hier aber nicht weiter über politische Aktionen aufregen, welche dem Otto Normalverbraucher glaubhaft machen wollen, dass er mit seinen zusätzlichen Aussgaben das Klima "schützen" könnte. Nebenbei ein absurd verrückter Aussdruck, -Klimaschutz- und CO2 soll ein Gift, ein Schadstoff sein. Wohin wird das alles noch führen?
    Ich bin nicht der Meinung, dass man dieses 2° Ziel halbwegs im Griff hat. Lassen wir die GCM`s wo sie stehen, ziemlich am Anfang und mangelhaft und es ist nicht seriös, anhand definierter Emissionszenarien die gloablen T Änderungen auf 100a zu veröffentlichen. Nicht auf 1/10° genau.
    Noch viel schlimmer ist es, regionale Änderungen über Dekaden als wissenschaftlich haltbar zu verkaufen. Was ich dabei beobachte (Mitteleuropa) ist nichts weiter, als dass der Trend (Niederschlag zB) der letzten Dekaden einfach in die Zukunft verlängert wird und das ist doch ziemlich lächerlich.

    MFG
    Gunnar Innerhofer

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  4. Nun js, Herr von Storch, Sie schreiben im Interview sinngemäß, durch eine Verringerung des Anstiegs der Emissionen könnte man das 2-Grad-Ziel noch erreichen.

    Da bin ich erstens anderer Auffassung. Nur eine massive Verringerung der Emissionen kann dies leisten, hierzu hat ja der WBGU entsprechende Zahlen veröffentlicht. Und diese erscheinen mir richtig.

    Gleichzeitig schreiben Sie in demselben Satz, auch ein solches Bremsmanöver wäre unmöglich:

    "Wenn wir dies sehr erfolgreich täten – was ich persönlich als unmöglich ansehe – dann schaffen wir es, den Klimawandel auf 2 Grad (in der globalen Lufttemperatur) zu beschränken."

    Schlußfolgerung: Das 2-Grad-Ziel ist nicht mehr zu erreichen.

    Im Gegensatz zu Herrn Innerhofer finde ich das Interview daher überhaupt nicht klar.

    Das 2-Grad-Ziel als "politisch legitim" zu bezeichnen, ist aus meiner Sicht nur möglich, wenn Dummheit ebenfalls politisch legitim ist. Dem werde ich mich niemals anschließen können.

    Es mag nervig erscheinen, wenn ich auf diesem Punkt hinweise, aber Sie verwenden nun einmal die übliche politische Klimaschutzrhetorik, die im Wortsinne irrational ist und leider nicht mehr hinterfragt wird.

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  5. Sehr geehrter Herr Heller,

    wenn Sie schreiben, dass Sie die WBGU-Zahlen, wonach nur durch massive Emmissionsverringerungen das 2°-Ziel noch erreichbar wäre, für richtig halten, muss ich Sie enttäuschen. Aus naturwissenschaftlich-mathematischer Sicht sind diese Zahlen unhaltbar! Hier mal eine kurze Begründung:
    Die Szenarien des letzten IPCC-Berichts geben als Spannbreite der Temperaturentwicklung bis 2100 den Bereich von +1,5°C bis +6,5°C an, wobei in den Szenarien keinerlei Maßnahmen zur Emissionsverringerungen enthalten sind. Die Autoren dieser Szenarien weisen ausdrücklich darauf hin, dass alle Szenarien die gleiche Eintrittswahrscheinlichkeit haben. Ob nun ein Szenarium eintritt, dass bei +2°C ankommt oder ein Szenarium, welches bei +3,5°C ankommt, ist gleich wahrscheinlich. D.h. nichts anderes, als dass es auch ohne jede Emissionsminderung durchaus wahrscheinlich ist, dass das 2°-Ziel eingehalten wird – wie auch umgekehrt. Andererseits zeigt diese Spannbreite und die Gleichwertigkeit der Szenarien auch, dass heutige Emissionsverringerungen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis (2°-Ziel) führen können. Selbst wenn man die Emissionsverringerungen des WBGU einhält, kann man nicht vorhersagen, bei welcher Temperatur die Erwärmung dann stoppt. Dies kann bei 1°C, 2°C, 3°C oder auch ???°C sein. Sowohl das 2°-Ziel als auch die vom WBGU für nötig erachteten Emissionsverringerungen sind daher völlig unsinnig. Mit wissenschaftlich unsinnigen Zielen kann aber niemals sinnvolle Politik betrieben werden. Insofern kommen Sie aus rein politischen/gesellschaftlichen Erwägungen zu den gleichen Schlussfolgerungen wie ich aus naturwissenschaftlich-mathematischer Sicht.

    MfG

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  6. "Plausibel ist die Zunahme von Starkregen."


    Herr von Storch,

    welche exakte, auch empirisch/statistisch prüfbare Definition von 'Starkregen' liegt dieser Aussage denn zugrunde?

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  7. Hallo Herr Langer,

    richtig ist, daß das "2-Grad-Ziel" eine Wahrscheinlichkeitsaussage über die Ergebnisse von Modellrechnungen ist. Und nichts mit der Realität zu tun hat. Das "2-Grad-Ziel" zu reißen bedeutet also nicht, daß es tatsächlich im globalen Mittel in den bodennahen Luftschichten um 2 Grad wärmer wird.

    Der WBGU geht, wenn ich das richtig verstanden habe, von einem 75%-Kriterium aus. Das heißt: Ein Emissionspfad wird dann empfohlen, wenn 75% aller betrachteten Klimamodelle für diesen einen Anstieg von weniger als 2 Grad (gegenüber dem vorindustriellen Niveau) bis zum Ende des Jahrhunderts vorhersagen. Leider finde ich auf die Schnelle keine Quelle, welche Klimamodelle denn in die Betrachtung einbezogen werden. Daher vermute ich, es sind die aus dem IPCC AR4 (bzw. TAR 3).

    Falls also weniger als 75% der Klimamodelle mehr als 2 Grad projizieren, ist das Kriterium gerissen. Was dann tatsächlich in der Realität geschieht, bleibt abzuwarten.

    Ich finde zunächst eine Politik, die sich an Computermodellen orientiert, also den gegenwärtigen Stand des Wissens auf Jahrzehnte hinaus für sich festschreibt und eventuelle Fortschritte im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess von vornherein ignoriert, nicht legitim. Dumm finde ich, ein Ziel zu wählen, dessen Nichterreichbarkeit sehr zeitnah festgestellt werden wird.

    Aus diesem Ansatz läßt sich nämlich die Gesamtmenge des Kohlenstoffs, der noch in die Atmosphäre gelangen darf, unabhängig vom Zeitraum ausrechnen. Der WBGU ermittelt hier 400 Gt. Ich habe keinen Grund, an dieser Zahl zu zweifeln.

    Selbst wenn man den Anstieg der Emissionen auf Null bremst, also ab sofort nur noch die aktuelle Menge (8 Gt jährlich) emittiert, wäre das Budget bis etwa 2060 erschöpft. Bleibt der Anstieg so wie in den letzten 30 Jahren, in 2050.

    Unter dieser Bedingung ist es also nicht möglich, allein durch eine Begrenzung des Anstiegs der Emissionen das 2-Grad-Ziel zu erreichen.

    Was mir allerdings ziemlich gleichgültig ist. Ich setze darauf, daß man schon in den kommenden Monaten einräumen muß, den oben beschriebenen "75%"-Korridor verfehlt zu haben. Das ist dann das Ende der Klimapolitik heutigen Zuschnitts.

    Vor diesem Hintergrund verstehe ich die Aussagen von Herrn von Storch nicht.

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  8. Ergänzung:

    Denn gerade diejenigen, die Klimaschutz für wichtig und richtig erachten, müssten sich vor diesem Hintergrund für eine rasche Abkehr vom "2-Grad-Ziel" einsetzen.

    Alles andere wäre eben unlogisch. Und das ist mein Problem mit dem Klimaschutz: Er ist unlogisch und wird auch noch unlogisch begründet. Zweimal Minus ergibt in diesem Fall aber nicht plus, denn die Unlogik addiert sich zu einem völligen gedanklichem Fiasko.

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  9. Nachdem ich direkt gefragt wurde

    - zum Starkregen. Man kann da Perzentile nehmen, etwa von Mengen innerhalb weniger Tage. Siehe etwa Christensen, J.H. and O.B. Christensen: Severe summertime flooding in Europe. Nature, Vol. 421, p. 805-806, 20 February 2003

    -zum 2 Grad Ziel.
    Vorab: bitte bedenken, dass dies relativ zum prä-industriellen Niveau gemeint ist; die Szenarien zeigen meist Änderung relativ zu 1990, 2000 oder 2010.
    Die IPCC Szenarien gehen aus von nichtaktiver "Klimaschutzpolitik"; wenn es aber gelingen sollte, die Emissionen im Rahmen einer solchen aktiven Klimaschutzpolitik deutlich stärker und schneller herunterzufahren, so glauben einige, dann kann das 2 Grad Ziel (und kleinere Zahlen) erreicht werden. Der Komplex wird gut diskutiert in
    Geden, O., 2010: Abkehr von 2 Grad Ziel? Skizze einer klimapolitischen Akzentverschiebung. Arbeitspapier der Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, 22 pp.


    Meine persönliche Meinung ist,dass ich diese für das 2 Grad Ziel erforderliche wirkliche Minderung der Emissionen aus Gründen gesellschaftlicher Trägheit für unmöglich halte. Aber ich habe keine Probleme damit, wenn andere Leute andere Meinungen haben. Deren Schlussfolgerungen mag ich als unrealistisch ansehen, aber sie sind dennoch politisch legitim.

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  10. Ich möchte hier mal ein paar kritische Anmerkungen zu dem Interview zur Diskussion stellen.

    Ich finde die Antworten in dem Interview unpräzise und zu salopp.

    Der Vergleich Flensburg - Basel macht keinen Sinn, weil es meines Wissens nach von September bis Januar in Basel um bis zu 2 Grad kälter ist als in Flensburg. Macht das einen Sinn? Sonst müsste man ausdrücklich auf die Sommermonate verweisen, die tatsächlich um ca. zwei Grad wärmer sind in Basel.

    Dass es diesen und vielleicht auch in vorigen Sommern in Dänemark um ca. zwei Grad wärmer ist als zwischen 1960 und 1990 ist nur begrenzt aussagekräftig, oder? Ein, zwei oder drei kalte Winter bedeuten ja auch nicht das Ende der Klimaerwärmung.

    Die persönliche Erinnerung, dass es früher noch miserablere Sommer gab, gehört zum Sprachwortschatz eines jeden deutschen Dänemarktouristen und ist im Aussagewert damit zu vergleichen, dass früher Weihnachten immer weiß war. Oder haben Klimawissenschaftler ein unbestechlicheres persönliches Erinnerungsvermögen als andere Bürger?

    Man kann zudem aus durchaus opportunen Gründen Klima und Krieg zusammen bringen, ohne gleich klimadeterministisch sein zu müssen. Zum Beispiel ist die Dürre in Somalia zur Zeit sicherlich nicht förderlich, um die Kriegsbedingte Flucht und Hungersnot zu mildern oder abzuwenden. "Failed states" sind wahrscheinlich wesentlich verletztlicher gegenüber zum Beispiel 2 Grad Erwärmung - die, wenn sie schon in Dänemark festzustellen sind, vielleicht auch in Somalia zu spüren sind. Man sollte diesen Aspekt des Klimawandels nicht totschweigen, auch wenn man im Norden lieber über Meeresspiegelanstieg als über Desertifikation nachdenkt. Wo Flucht, Hungersnot und Krieg herrschen, hat der Klimawandel leicht katastrophale Folgen. Darauf hinzuweisen hat nichts mit "politischer Opportunität" oder Klimadeterminismus zu tun.

    Ich halte es nicht für ratsam, die 2 Grad Rhetorik überhaupt aufzugreifen in einem solchen Interview, dazu noch ohne jegliche Erklärung. 2 Grad relativ zu was - für einen nicht-Experten werden die zwei Grad über Normal diesen Sommer in Dänemark und die zwei Grad Erhöhung der globalen Lufttemperatur leicht identisch. Was ja überhaupt nicht gemeint ist.

    Doch was ist überhaupt gemeint mit den zwei Grad? Vor ein paar Wochen wurden sie hier in der klimazwiebel noch als Teufelszeug gebrandmarkt, dass das Vertrauen in die Klimawissenschaft erschüttert. Und hier kommen sie plötzlich wieder ins Spiel und stiften nur Verwirrung.

    Am Ende bleiben nur gesunder Menschenverstand - es wird wärmer, wir müssen nach den Deichen gucken - und ein bißchen Zahlenmagie, irgendwas mit zwei Grad, im Gedächtnis. Das ist zuwenig, finde ich.

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  11. @#9

    Herr von Storch,

    diese Arbeit habe ich prompt online finden können,

    http://www.seas.columbia.edu/wrc/flood/europesummerflood.pdf

    sie ist allerdings ausschließlich modellbasiert.

    Ich hatte das auch dort angesprochene theoretische Konzept hier schonmal mit Ihrem Kollegen Zorita (an-)diskutiert, auch, daß ich in den frei zugänglichen DWD-Tagesdaten (~40 Stationen) keinerlei derartigen Starkregen-Trend entdecken kann.

    Ich meine, grundsätzlich plausibel erscheint mir so eine Entwicklung ja auch, obwohl ich meteorologisch eher halbgebildet bin.
    Aber mir scheint ebenso plausibel, daß sich Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht, Sommer und Winter, mittleren Breiten und Polarzone verringern, daß sich die Konvektionsintensität demzufolge tendenziell verringert und daß die niederschlagsfähige Wassermenge (obwohl wg steigender Temperatur zunehmend) auch seltener ihren Taupunkt erreicht.

    Das sind also konkurrierende Überlegungen und in diesem Fall meine ich, sollte man Beobachtungen sprechen lassen. Die zeigen nach meinen Analysen keinerlei Tendenz, weder im Gesamtbild, noch regional und individuell auch nicht häufiger (und eindeutiger), als der reine Zufall nahelegte.

    Kurzum, ich sehe in Deutschland über die letzten Jahrzehnte deutlich steigende Temperaturen und deutlich indifferente Starkregenentwicklungen (falls es sowas p.d. überhaupt gibt). Und das paßt einfach nicht zu Ihrer Erwartungshaltung im Interview und erst recht nicht zum knackigen Aufreißer der SH-Zeitung.

    PS: Da gab's auch mal eine Frage von mir an Sie, die bisher nicht beantwortet hatten:
    http://klimazwiebel.blogspot.com/2011/02/climate-models-reading-material-for.html?showComment=1297851931664#c109862782031861523

    Ich würde mich da über eine Antwort von Ihnen freuen; das Problem quält mich, wann immer ich über eine Veröffentlichung stolpere, die diese Methode ohne Referenz voaraussetzt.

    Grüße,
    Wolfgang Flamme

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  12. Wenn ich meine Kritik auf #10 durchlese, dann bin ich heute schon nicht mehr ganz zufrieden damit. Was fehlt ist meine Anerkennung dafür, dass es sich hier um eine dezidierte 'lukewarmer' Position handelt, die zudem auf regionale Besonderheiten achtet. Dadurch wird der Klimawandel als eine bereits statt findende Realität dargestellt, ohne alarmistische Untergangsszenarien an die Wand zu malen. Sondern eher pragmatisch. Hans' Position reflektiert somit auch die zunehmende Regionalisierung der Klimaforschung und damit auch einen realistischeren Zugang zum Klimaproblem.

    Meine Kritik zielt darauf, dass die Rhetorik selbst diesen Wandel nicht richtig mitmacht. Die Rhetorik ist immer noch zu sehr geprägt von der Auseinadersetzung zwischen Alarmisten und Skeptikern.
    Punkte, die wie ich finde neu formuliert werden müssen (über das Interview hinaus):
    das Verhältnis von Region mit empirischen Messdaten einerseits, und globaler Lufttemperatur als einem theoretischen Konstrukt andererseits. Während wir eine relativ genaue Vorstellung davon haben, was Dänemark oder Schleswig Holstein ist, bleibt das "Globale" diffus. Es ist ein Skalenproblem und ein Relationsproblem. ("Earth is not a globe" lautet ein neuerer Aufsatz von K. Olwig in Landscape Research).

    Skeptiker weisen daher manchmal darauf hin, dass wir zum Beispiel unsere Landschaften tiefgreifend verändern aufgrund abstrakter Größen, indem wir alles mit Windmühlen vollstellen. Diese Kritik übersieht aber, dass gerade in Norddeutschland der Windenergie boom unabhängig vom Klimawandel einsetzte, sondern als Reaktion auf Ölkrise und gegen Atomkraft. Daran müsste der Mitigationsdiskurs ansetzen, und eben nicht ausschließlich an die abstrakte Durchschnittsgröße.

    Dieses Beispiel zeigt auch, dass die Begriffe Mitigation und Adaption neu durchdacht und mit neuem Inhalt gefüllt werden müssen. Zu sagen, dass wir uns spätestens nach dreißig Jahren oder so um neue Küstenschutzlösungen kümmern müssen, verweist auch wieder zu sehr auf die abstrakte Größe der Durchschnittstemperatur. Ein viel stabilerer Verweis wäre der auf die lange Tradition der aktiven Gestaltung der Küste, die immer sowohl reaktiv als auch gestaltend war. Anpassung ist somit als ein Designproblem zu formulieren, und weniger als von einer äußeren Kraft quasie "determiniert".

    Meine Frage ist somit, ob es nicht tatsächlich sinnvoll wäre, das Klimaproblem gerade als 'lukewarmer' aus der alten Diskussion zwischen Skeptikern und Alarmisten herauszuholen und kulturell zu verankern - anstatt allein an einer so wackligen Größe wir "durchschnittlicher globaler Lufttemperatur" aufzuhängen.

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  13. @ 12 Werner Krauss
    Ein Beispiel für regionalisierte Klimaforschung findet man im Norddeutschen Klimaatlas http://www.norddeutscher-klimaatlas.de. Kleinteilige Prognosen erwecken den Eindruck besonderer Bodenständigkeit und Nähe zum Objekt. Allerdings sind die globalen Daten und Szenarien des IPCC Ausgangspunkt aller Berechnungen, und zwangsläufig ergeben sich dieselben Zweifel.

    Der Windenergieboom wurde ab 1992 ausgelöst durch das Stromeinspeisungsgesetz, später das EEG. Die damalige Umweltministerin Merkel hat stets den Klimaschutz und die Klimaziele der Regierung betont, den Windstrom aber nicht als Ersatz für Kernkraft gesehen.

    Das Ergebnis dieses Booms ist jedenfalls unerträglich. Eine Reise von Emden entlang der Küste öffnet die Augen. Ersatzweise empfehle ich einen Blick nach Dithmarschen, wo derzeit rund 1,5 Prozent der Kreisfläche für Windturbinen genutzt werden: http://tinyurl.com/3m4b2te (C Dr. Musehold).

    Wat mutt, dat mutt. Aber der Ökowahn hat das Land innerhalb weniger Jahre in einer Weise zum Schaden der Menschen verändert, wie das zuvor nur die großen Naturkatastrophen vermochten. Und bei jedem kleinen Mißgeschick eines Baggerfahrers, der ein Erdkabel beschädigt, beweisen die sogenannten Erneuerbaren ihre Nutzlosigkeit, indem sie sofort alle abschalten und darauf warten, daß ein richtiges Kraftwerk das Netz wieder herstellt.
    Der Ökoboom hat mit Anpassung nichts zu tun. Es handelt sich um eine Zumutung.

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  14. "dass gerade in Norddeutschland der Windenergie boom unabhängig vom Klimawandel einsetzte, sondern als Reaktion auf Ölkrise und gegen Atomkraft."

    Wo haben Sie das denn her, Herr Krauss?

    Die Datenlage ist eindeutig und bestätigt die Aussagen von Herrn Erb. Tatsächlich gab es einen ersten Windenergie-"Boom" schon in den 1930er Jahren. Einen sehr kurzen, denn die Technologie stellte sich schon damals als nicht konkurrenzfähig heraus. Bis 1988 gab es dann keine kommerziell genutzten Anlagen mehr in Deutschland. Windkraftwerke für den Export (insbesondere für die Nutzung in entlegenen und unterentwickelten Regionen) wurden aber die ganze Zeit über in kleinen Stückzahlen in Deutschland gefertigt. Die wenigen bis 1992 in Deutschland errichteten Windräder waren zwar für eine kommerzielle Nutzung gedacht, haben aber in der Praxis keinerlei Beiträge zur Stromversorgung liefern können, da andauernde Wartungsarbeiten erforderlich waren.

    Durch das Stromeinspeisegesetz von 1991 und das EEG von 2001 wurde der massive Ausbau in D erst ausgelöst. Beide Gesetze wurden von den damaligen Regierungen und werden im Falle des EEG auch von der jetzigen sehr klar und eindeutig als Klimaschutzinstrumente definiert. Die Ölkrise hat damit ebensowenig etwas zu tun, wie der Protest gegen die Kernenergie. Öl als Energieträger für die Stromversorgung ist in Deutschland schon lange vor der ersten Ölkrise 1971 durch Kohle abgelöst worden. Heute produzieren übrigens nur die erdölexportierenden Länder, die selbst genug haben (insbesondere Schweröle) noch nennenswerte Mengen an Elektrizität aus Öl.

    Die Subventionierung der Windenergie erfolgte im Gegenteil zu Zeiten eines sehr niedrigen Rohölpreises. Und setzte erst lange nach dem Stop des Ausbaus der Kernenergie in Deutschland (1982) ein.

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  15. @Helmut Erb und Peter Heller

    Schon richtig, das Stromeinspeisegesetz und später das EEG waren die Meilensteine, die alles verändert haben. Aber es gibt nicht nur Geschichte "von oben", sondern auch von unten. Die Umweltbewegung übte enormen Druck aus, so dass die Regierung agieren musste (rot-grün kam dann ja auch bald). Und die Bereitschaft in Norddeutschland war groß, auf die Windenergie einzusteigen - die Politik zog in vielen Fällen nach, während die Bürger vorlegten. Der Gesetzgeber kam mit der Entwicklung vor Ort oft gar nicht mehr hinterher.

    Das Klima kam als Begründung zur gleichen Zeit - und half u.a. Merkel, nicht als Getriebene (oder nur aus Kalkül handelnde) dazustehen, sondern als aktiv Gestaltende (was sie dann ja auch war).

    Auch die "Verspargelung" hat ihre eigene Geschichte, von "jedem Hof sein Windrad" bis hin zu den Bürgerwindparks. Die Windturbinen schossen nicht einfach aus dem Boden, sondern im Wechselspiel mit einer sich verändernden Raumplanung, mit lokalen Formen der Boden- und Landnutzung etc.

    Entweder, Herr erb, sieht man ein Meer aus Windrädern entlang der Küste, oder man sieht eine Entwicklung der Raumplanung, verschiedene Formen der Nutzung durch Windenergie, und dahinter viele soziale Auseinandersetzungen. Manche Region hat es so auch geschafft, aus einem strukturellen Nachteil einen Vorteil zu schaffen, was ja eine schöne Geschichte ist.

    Immer zeigt sich, dass es ganz viele Ursachen für solche Entwicklungen gibt, auch wenn sie im Nachhinein dann "ganz logisch" und als Folge von einer einzigen Maßnahme erscheinen.

    Ähnliches gilt für die heutige Energiewende. Auch hier wird nicht einfach nur von oben "diktiert", sondern ist ebenso das Resultat einer "Stimmung" im Lande, ohne die sich Merkel nie getraut hätte (wie damals, bei den Windrädern). Es wird sich in vielen politischen Kämpfen entscheiden, wie diese Energiewende aussehen wird, wie sie das Land ästhetisch und energie-politisch verändern wird. Es ist eben kein Determinismus, sondern ein nicht vorhersagbarer politischer Prozess.

    So weit, so schlecht eine komplexe Entwicklung zusammen gefasst.

    Im Kontext unserer Debatte habe ich das angeführt um zu zeigen, dass Mitigation und Adaption nie nur 'logische Folge' eines theoretischen Anstiegs der globalen Lufttemperatur sein werden - weil Politik so nicht funktioniert. Strategien 'von oben' oder Einsichten aus der Wissenschaft müssen sich mit einer vorhandenen Geschichte verzahnen, sonst greifen sie nicht. Und diese Geschichte ist eben nicht allein die "Herrschaftsgeschichte". Der nordfriesische Windfarmer hat schon selbst was zu erzählen. Er ist tatsächlich an dem boom beteiligt, den das EEG dann ermöglicht hat. Und es werden immer einzelne Regionen oder Landschaften und deren Bewohner sein, die über den Erfolg von Mitigation und Adaption entscheiden, nicht allein abstrakte Strategien und Konzepte.

    Der Klimarhetorik wohnt bisher immer noch dieser Determinismus inne als Leitlinie für Politik. Das war meine Kritik.

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  16. @Helmut Erb #13
    Ja, klar, danke für den link: der norddeutsche Klimaatlas ist eine tolle Sache.

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  17. Ich bin ja erfrischend kritisiert worden. Daher ein paar Antworten.

    Ja, Basel war kein gutes Beispiel. Strasbourg wäre besser gewesen. Ich hatte einen Ort irgendwo im Süden gewählt, in Reaktion auf Senses of Climate hier auf der Zwiebel. Aber schon richtig, genau passt das natürlich nicht, etwa im Hinblick auf winterlichen Niederschlag. Da müsste man dann a la Klimaatlas wirklich Zahlen nennen, nur in einem Interview kann man dies nicht in irgendeinem Detaillierunggsgrad.

    "Starkregen" - ich habe da durchaus abgestuft zwischen "ganz sicher" und "sicher". In Bezug auf Starkniederschlag habe ich nur über Zukunft geredet, nicht über gegenwärtigen Wandel, da die Signal/noise ratio dieser Größe klein ist.

    Überschriften in Zeitungen werden von der Redaktion gewählt. In meinem Text stand auch keine Überschrift.

    Kurz: ich versuche mich schon genau auszudrücken, aber im Rahmen des vorliegenden Mediums; das gelingt nicht immer, und auch deshalb habe ich das Interview hier wiedergegeben, um eben es kritisch diskutiert zu bekommen.

    Der guten Ordnung halber weise ich aber darauf hin, dass ich mich durchaus nicht verpflichtet sehe, auf jede Nachfrage zu antworten.

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  18. @ Krauss, #15:

    Motivation für das Stromeinspeisegesetz war eine bessere Vergütung für Strom aus Wasserkraftwerken zu erreichen. Es entstand aufgrund erheblichen Drucks des Verbandes der Wasserwirtschaft unter Mitwirkung der CSU, denn die meisten Wasserkraftwerke sind nun einmal in Süddeutschland angesiedelt und waren damals in Besitz vieler privater, mittelständischer Betreiber, einer klassischen Unions- und FDP-Wählerschaft. Es handelt sich hier ganz im Gegenteil zu Ihrer Vermutung um das Ergebnis intensiver Lobbyarbeit "von oben". Mit der Folge, daß in den 1990er und 2000er Jahren die großen Stromkonzerne (insbesondere RWE) die Wasserkraftwerke ganz einfach aufgekauft haben.

    Bei der Windkraft ist es ähnlich. Betreiber und Hersteller stellen eine klassische Unions-/FDP-Klientel dar. Für die norddeutschen Ministerpräsidenten (insbesondere in Niedersachsen) handelte es sich beim Stromeinspeisegesetz und beim EEG zuallererst um ein Geschenk an ihre Wähler, und in zweiter Linie um ein Instrument zur Wirtschaftsförderung und Regionalentwicklung. Mit der Folge, daß auch hier mit entsprechender zeitlicher Verzögerung all die vielen regionalen Betreiber und mittelständischen Hersteller von den Großkonzernen aufgekauft wurden und werden. Und die Offshore-Windenergie ist nur noch durch die großen überhaupt realisierbar.

    Es hat für die regenerativen Energien niemals irgendeine wirksame Graswurzel-Bewegung gegeben. In allen Fällen handelte es sich um Einflußnahme auf die Politik von oben durch Wirtschaftsverbände. Die Geschichte der Biomasse-Nutzung bspw. ist eng verknüpft mit den Aktivitäten des Bauernverbandes und dessen Einfluß auf die strukturell konservativen Landwirtschaftsministerien der Länder. Die Photovoltaik-Branche hat eine sehr enge traditionelle Verknüpfung zur FDP (ebenso wie die Eigenheim-Besitzer, die von der Förderung profitieren).

    Das Scheitern der Friedensbewegung und der Proteste gegen den NATO-Doppelbeschluss, die ja eng verknüpft sind mit der Anti-Atombewegung (aber weit mehr Menschen aktivieren konnten) zeigt doch exemplarisch für jeden Bürger, daß Politik durch die "Straße" nicht beeinflußt wird, sondern diese stattdessen nur instrumentalisiert.

    Sie sollten Ursache und Wirkung nicht vertauschen.

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  19. @Peter Heller #18

    Herr Heller, vielen Dank für die interessante Belehrung. Das mit den Wasserkraftwerken kannte ich noch nicht. Ich werde mich bessern und Ihre Erkenntnisse bedenken. Wie jede Belehrung ist auch Ihre allerdings nicht ganz frei von Intentionen. Ich lese da einen bestimmten Ärger heraus, den ich nicht genau identifizieren kann. Zum Beispiel

    "...zeigt doch exemplarisch für jeden Bürger, daß Politik durch die "Straße" nicht beeinflußt wird, sondern diese stattdessen nur instrumentalisiert."

    Wie kommen Sie denn zu einer solchen Einsicht? Das ist ja richtig erschreckend, wenn man das liest.

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  20. @ Eduardo Zorita und Hans Von Storch

    Ich weiß nicht ob ich das hier posten darf/soll?

    In meinen Ferien habe ich einige Beiträge zum Thema Klima gesehen, die meinen Skeptizismus wieder ein wenig anheizten.

    1) Svensmark, Veizer und Shaviv haben in einem Film auf ARTE erklärt (6.8.11) wie ihre Arbeiten monatelang von den üblichen Medien wegen politischer Inkorrektheit abgelehnt wurden. Dass der Film schon 2007 erschien war mir nicht bewusst weil ich nur durch zufälliges Zappen auf ihn stieß. Mir war aber auch bis dahin nicht bewusst dass besagte Wissenschaftler immer noch vehement an ihrer Theorie festhalten.

    2) Einer meiner Lieblingstierfilmer, den ich sogar live erlebt habe, Andreas Kieling, erklärte dass es früher weitaus wärmer in der Hudsonbay war als heute und es normal ist, dass die Eisbären daraus verschwinden. Die Eisbären hätten sich sogar in den letzten Jahrzehnten vermehrt. Sogar während Kaltzeiten wäre es in der Hudsonbay manchmalö zu warm gewesen für Eisbären.

    Es war für mich sehr aufschlussreich solche Worte endlich einmal von einen Menschen zu hören der vollkommen außer Verdacht steht ein Klimaleugner oder ein schlechter Mensch zu sein.

    Dasselbe gilt m.E. übrigens auch für die Herren Veizer, Svensmark und Shaviv.

    Wenn ich solche Beiträge auf Wattsup usw. lese bleibt immer ein fahler Nachgeschmack. Bei Planetwissen oder auf ARTE kommen solche Aussagen weitaus ernsthafter herüber.

    Ich merke dass auch ich mich durch die schiere Überzahl klimaskeptisch-feindlicher Aussagen habe beeinflussen lassen, obschon ich nach der Meinung der gängigen Klimaalarmisten und sogar einiger Klimarealisten selbst ein Klimaskeptiker bin.

    Mann, wer oder was bin ich überhaupt???

    ;-)))

    Yeph

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  21. @ 15 Werner Krauss
    So kennen wir die Darstellung der Interessenverbände: Der Bürgerwindpark als gelungener Abschluß einer Entwicklung, die vor Jahren mit Wildwuchs begann und spät durch Regionalplanung geordnet wurde. Jetzt sei alles gut, denn die Bürger seien beteiligt und unterstützten deshalb den weiteren Ausbau der Windenergie im Lande.

    In Schleswig-Holstein haben rund 10 000 Bürger in Bürgerwindparks investiert und können auf gute Renditen hoffen. Die übrigen 2,8 Millionen Einwohner sind durch ihre Zwangsabgaben ebenfalls beteiligt, werden aber in den Erfolgsmeldungen regelmäßig nicht erwähnt.

    So sind Vorteile und Nachteile eindeutig verteilt.

    Verantwortlich für diese Entwicklung sind ausschließlich diejenigen Politiker, die in Bund, Ländern und Kommunen die Voraussetzungen geschaffen haben. Die Betreiber nutzen ihre Chancen, denn viele sind zwar einfache Bauern, aber blöd sind sie nicht.

    Ein doppeltes Ärgernis entsteht, wenn nun behauptet wird, daß mit 22 000 Windturbinen in Deutschland Klimaziele erreicht werden, Erwärmung begrenzt und der Anstieg des Meeresspiegels gedämpft wird. Die Bürger, besonders die auf dem Lande, werden in jeder Hinsicht kostenpflichtig an der Nase herumgeführt.

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  22. @ Krauss, #19:

    Ich könnte ja nun einfach sagen "ich war dabei" - aber das trifft es natürlich nicht wirklich. Tatsächlich gehört es zu meinem Job, solche Dinge zu wissen.

    Politik reagiert nie vorausschauend auf potentielle technische Entwicklungen, da sie hierfür keinen Radarschirm besitzt. Die Technik prescht voran, gesetzliche Rahmenbedingungen entstehen immer erst mit einer entsprechenden zeitlichen Verzögerung. 1991 waren Windenergie, Biomasse, Photovoltaik und Geothermie in Deutschland quasi nichtexistent, d.h. für die Politik nicht sichtbar. Man erwartete vom Stromeinspeisegesetz lediglich eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Wasserkraftwerken bei äußerst geringen Kosten. Es gab keinen Plan in Richtung eines massiven Ausbaus anderer alternativer Energien.

    Es gab auch zu dieser Zeit faktisch den Konsens in der Energiepolitik zwischen schwarz und gelb, daß man erstens nicht die eine Technologie durch die andere ersetzt (sondern dies dem Marktgeschehen überlässt, das über Substitutionspotentiale unabhängig von politischer Einmischung entscheidet). Als beste Energieversorgung galt die, die auf möglichst vielen verschiedenen Technologien beruht, denn eine solche ist robust gegen äußere Störungen. Solche können neben technischen Problemen beispielsweise auch Marktentwicklungen (Kosten für Energieträger) und eben auch emotionale Stimmungen in der Bevölkerung sein. Zweitens war man sich einig, Technologiepolitik nicht basierend auf Ängsten, sondern basierend auf Chancen und Möglichkeiten zu betreiben.

    Das meinte ich mit "nicht der Straße folgen". Und es ist gut so, denn eine Politik, die kurzfristigen Stimmungen und Emotionen folgt, neigt dazu, solche dann auch noch selbst zu fördern und hervorzurufen. Angst als Motiv und als Werkzeug für Politik zu nutzen, eröffnet aus meiner Sicht den Weg in eine Diktatur.

    Merkel hat diese Grundsätze in vielerlei Hinsicht über Bord geworfen. Das ist auch die Ursache für die verworrene Stimmungslage in ihrer Partei. Die FDP hat in diesen Punkten als Korrektiv versagt, weswegen sich die Wähler von ihr abwenden. Die Grünen haben in absoluten Stimmenzahlen nicht den Zulauf, den man ihnen aufgrund der relativen Werte zuweisen möchte. Tatsächlicher Gewinner ist die Partei der Nichtwähler, Menschen, die sich zunehmend vom Staat zu emanzipieren suchen, die diesen ignorieren und auch von ihm ignoriert werden möchten. Diese Menschen melden sich eben nicht lautstark zu Wort und gehen nicht auf die Straße. "Der Straße zu folgen" heißt also nichts anderes, als sich immer weiter vom Kern des Problems zu entfernen.

    Den Ansatz, den Sie nach meinem Verständnis vertreten, also über "Geschichten" die Menschen emotional einzubinden um ihre tatkräftige Mitwirkung mit einer Art "emotionalen Befriedigung" versehen zu können, halte ich erstens für nutzlos und zweitens für gefährlich, weil er einer radikalen Minderheit ein Machtmittel verschafft.

    Ich erinnere an das aktuelle WBGU-Gutachten und die "gesellschaftliche Problematisierung nicht nachhaltiger Lebensstile". Sie beschreiben einen Weg, mit dem eine solche gelingen könnte (und sitzen dabei, wie Helmut Erb auch angemerkt hat, den Verklärungen von Lobbyisten auf). Nun, das ist mein Lebensstil (u.a.), der da "gesellschaftlich problematisiert" werden soll. Wie soll ich darauf eigentlich reagieren? Lauter schreien als andere? Nö, ich drehe mich einfach wortlos um und gehe weg...

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  23. @Helmut Erb #21
    Sie sind also gegen die Windenergie. Interessant. Aus Ihrem Kommentar lese ich allerdings hauptsächlich Ressentiment (Verbitterung, Groll). "Zwangsabgaben", "die Bürger werden an der Nase herumgeführt", 2,8 Millionen Bürger bleiben unerwähnt etc - mag ja alles sein, aber der Ton macht die Musik. Verbitterung ist bedauerlich, aber kein gutes Argument in einer Debatte. Eher ein schlechtes.

    @Peter Heller #22
    Wissen Sie was? Ich war auch dabei, aber offensichtlich an einer ganz anderen Stelle. Tut ja nichts zur Sache, nur: Könnte man sich darauf einigen, dass "die Sache" aus unterschiedlichen Perspektiven gesehen oft ganz unterschiedlich aussieht und zu ganz anderen Schlüssen verleitet? Und dass die Behauptung "so und nicht anders war es" immer eine politische Meinung ist? Weil es nie so war, sondern immer auch anders. Gerade im Falle der Energieversorgung, wo wir ja noch mitten drin stecken.
    Ich will die Leute nicht "emotional befriedigen" mit "Geschichten", da verstehen Sie was falsch. Ich verstehe Geschichten vielmehr als komplexe Aussagen, die oft überhaupt nicht zusammen gehörende Kategorien scheinbar mühelos miteinander verbinden, etwa zu einem Argument. In der Klimadebatte ist das doch Alltag: da wird in einem Absatz die Welt erklärt, dann der Treibhauseffekt, dann unsere Lebensweise, und dann mit einer politischen Aussage verbunden. Es lohnt sich, nicht nur darauf zu achten, ob richtig und logisch gerechnet wurde, sondern wie die oft geradezu wundersame Verknüpfung von Alltag und Universum sprachlich hergestellt wird. Ein narrativer Ansatz, wie es etwas geschwollen in der Ethnologie genannt wird, geht davon aus, dass da mehr ist als reine Sachargumente, wenn es zum Beispiel um Energieversorgung geht.

    Ob man damit "radikalen Minderheiten Machtmittel" verschaffen kann? Ich hoffe eher, dass man damit die Macht bereits regierenden radikaler Minderheiten langfristig aushöhlen kann. So mein subversiver Plan.

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  24. Menschen möchten sich Dinge vorstellen können, Geschichten können dazu beitragen, einen Sachverhalt oder eine Überzeugung anschaulich zu machen. Eigentlich wurde dieses Mittel schon immer angewandt, dafür braucht man sich nur mal die großen Buchreligionen anzuschauen. Schönes Beispiel dafür sind die Worte von Hillel d.Ä. zur Goldenen Regel der Tora:

    "Was du nicht willst, das man dir tu, das füge auch keinem andern zu. Das ist die ganze Tora, alles andere ist Kommentar..."

    Die Kommentare sind es aber, die wirklich Emotionen auslösen und damit unser Denken und Handeln mitbestimmen. Insofern bin ich nicht Peter Hellers Meinung, dass derartige Geschichten nutzlos sind, ich denke sie sind sehr wirkungsvoll. Allerdings bin ich voll und ganz seiner Meinung, was die mögliche Gefährlichkeit betrifft. Mit derart geweckten Emotionen lassen sich Massen steuern und begeistern.

    Und noch ein Wort dazu: Ich war auch dabei (Höhepunkt der Proteste gegen den Nato-Doppelbeschluss), doch nur als Beobachter. Erschreckend habe ich miterleben müssen, wie eine emotionalisierte Masse ihre Kritikfähigkeit verloren hat, alles Begeisterung ausgelöst hat, wenn es nur einigermaßen dem gewünschten Ziel entsprach. Das hat in mir ein tiefes Gefühl der Ablehnung ausgelöst (Emotionen auch, jawohl). Das gleiche ablehnende Gefühl beschleicht mich immer, wenn Menschen zusammenkommen, die einer Meinung sind, oder dem gleichen Glauben anhängen, wie bei Kirchentagen und dergleichen. Die Masse, wenn sie dicht genug ist, verliert ihre Kritikfähigkeit, vor allem die der Selbstkritik, da geweckte Emotionen dies überdecken.

    Irgendwann ist aber dieser emotionale Rausch vorbei, dann wenn man sich den harten Fakten stellen muss. So mancher wird dann aufwachen und sich mit Hand an die Stirn schlagen und ausrufen: "Wie konnte ich nur.....?."

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