Am 22. Juli verstarb unser Kollege
Ernst Maier Reimer. Damit ging einer der bedeutendsten Klimaforscher von uns, dem nicht nur in Deutschland sondern auch überall sonst auf der Welt ein enormer Respekt entgegengebracht wurde. Er gehörte nicht zu den Verkündern katastrophaler Perspektiven. Auch karrieremässig machte er nicht auf sich aufmerksam - er wollte nur ein guter Wissenschaftler sein, und hielt wenig davon, in wissenschaftspolitisch wichtigen Ausschüssen zu sitzen; und Anstrengungen auf eine leitende Position waren ihm auch fremd, hätte es doch bedeutet, daß er sich mehr um Finanzen und Allianzen kümmern müßte statt über dynamische Fragen und Fortran Codes nachzudenken. So blieb er zeitlebens formal ein gewöhnlicher Wissenschaftler, dessen Gegenwart aber für das Max-Planck Institut für Meteorologie in Hamburg entscheidend war, der nicht nur von den Doktoranden immer wieder um Rat gefragt wurde, und der in seinem Schreibtisch eine unbekannte Anzahl von Modellen vorhielt.
Einer der Ehrungen, die Ernst Maier-Reimer zuteil wurde, war der
Eduard Brückner Preis 2003. In der
Laudatio erklärte ich damals:
"Der Eduard Brückner-Preis wurde erstmalig bei der 5. Deutschen
Klimatagung in Hamburg verliehen. Der erste Preisträger war der Berner
Klimahistoriker Christian Pfister. Dieses Jahr wird er auf Vorschlag der
Herren Heinze, Wolff, Olbers, Dippner und Hasselmann vergeben an Dr.
Ernst Maier-Reimer vom Hamburger MPI für Meteorologie. In der Tat
kann man das MPI in Hamburg ansehen als das erste wirkliche
Klimaforschungsinstitut in Deutschland, in dem die Ganzheitlichkeit des
Klimaproblems zum Forschungsgegenstand wurde. In dem die Frage
nach den Quelle und Senken des Kohlenstoffkreislaufes ebenso im
Blickpunkt stand wie die Stabilität des Golfstroms, Fragen der
Wolkendynamik, der Sturmflutstatistik und der Konstruktion von
Szenarien. Und in diesem Konglomerat war Ernst Maier-Reimer
sozusagen der erste Erdsystemmodelleur, der den Bereich der Dynamik
von Ozean und Atmosphäre verließ, und die stoffliche Dimension
hinzunahm. Im Vorschlagstext heißt es „
Ernst Maier-Reimer nahm die
Herausforderung der marinen Biogeochmie mit untrüglicher Sicherheit
auf und schuf zunächst ein rein anorganisches, später auch ein
organisches marines Kohlenstoffkreislaufmodell. Zunächst bekam das
biogeochemische Modell den Namen HAMOCC - HAMburg Ocean
Carbon cycleCirculation model -, wobei dieser Name aber schnell zu
einer Untertreibung wurde. Denn das HAMOCC-Modell wurde um viele
zusätzliche geochemische Tracer erweitert. Neben den Nährstoffen und
Eduard Brückner-Preis 2003 Seite 4
Sauerstoff wurde eine nahezu nicht enden wollende Serie verschiedener
ozeanischer Tracer in das Modell eingeführt, um Schritt für Schritt den
Ozean als eine große Umverteilungsmaschine für Substanzen zu
verstehen. Hier sind zunächst die anthropogenen Tracer Bomben-
Tritium, Bomben-14C und chlorierte Fluorkohlenwasserstoffe zu nennen,
dann natürliche Radioisotope, reaktive Metalle sowie stabile Isotope.
Danach hat Maier-Reimer sich der Modellierung des biologische Teils
des marinen Geschehens zugewandt und prognostische Berechnungen
von Phyto- und Zooplankton, Chlorophyll sowie von Dimethylsulfid
durchgeführt. In seinen Modellen berücksichtigt Ernst Maier-Reimer
sowohl die Wassersäule, die mixed layer, das Sediment und die
Biosphäre und deren Verbindungen mit den anderen
Erdsystemkomponenten. Um den vielen interdisziplinären
Anforderungen gerecht zu werden, betrachtet er ferner Prozesse auf
allen Zeitskalen: von kurzen Geschehnissen wie Phytoplanktonblüten
(Tage bis Wochen) bis zur Equilibrierung des Calciumcarbonatsediments
nach Aufnahme anthropogenen Kohlendioxids in den Ozean (ca.
100,000 Jahre). Die Vielseitigkeiten der Modelle von Maier-Reimer
haben physikalische Ozeanographen, marine Biogeochemiker, Biologen,
Geologen und Meteorologen gleichermaßen fasziniert und sie immer
wieder angeregt, neue Fragestellungen aufzugreifen und entsprechende
Experimente vorzuschlagen.”
In dem Vorschlag heißt es weiter
: „Ausgehend von der
mathematischen Modellierung der Ozeanographie (HOPE und LSG) hat
Maier-Reimer nicht nur mehrere benachbarte naturwissenschaftliche
Disziplinen entscheidend befruchtet, sondern auch zur Erschliessung
weiterer interdisziplinärer Bereiche der Klimaforschung beigetragen. So
ist er z.B. Koautor einer Arbeit über die Berechnung der optimalen
Eduard Brückner-Preis 2003 Seite 5
Steuerung der zukünftigen Klimaentwicklung mit Hilfe gekoppelter
Modelle des globalen Klima-Wirtschaftsystems.”
Wie Eduard Brückner ist Maier-Reimer Wissenschaftler aus
Leidenschaft, der sich nicht in den Elfenbeinturm zurückzieht sondern
bereit ist zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Leider erleben wir ihn
dort in den letzten Jahren seltener, was sicher auch damit zu tun hat,
daß die Medien die bequemen Gesprächspartner vorziehen, die dem
medialen Bedarf entsprechend simplistische Antworten von gut und
schlecht, richtig und falsch, geben."