Am vergangenen Sonntag hat Andreas Frey in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS; 1. September, S. 57) eine schöne Analyse "Warum macht der Klimawandel Pause?" der Meinungen eines Spektrum von Klimawissenschaftlern (u.a. Knutti, Marotzke, Rahmstorf, von Storch) zur "Stagnation" gebracht - aus Copyright-Gründen können wir den Beitrag hier nicht faksimilieren. Aber vielleicht interessiert die Leser, wie der Autor seinen Beitrag vorbereitet hat - deshalb seine Fragen an Hans von Storch und die Antworten dazu:
26. August 2013
26. August 2013
- Sie haben dem Spiegel gesagt, bislang könne niemand eine überzeugende Antwort liefern, warum der Klimawandel eine Pause eingelegt hat. Die Klimaforscher stünden vor einem Rätsel. Wenn ich mir die Aussagen Ihrer Kollegen anschaue, hört sich das anders an, sind Zweifel an der eigenen Forschung rar bis nicht vorhanden. Viele erklären die Pause damit, daß der Ozean die Wärme geschluckt habe. Das sei empirisch dank guter Messungen in den Ozeanen belegt. Was halten Sie - auch im Hinblick auf das neue Paper in Nature von dieser Woche - von dieser These? Kann man zudem mit einer Häufung von La-Nina-Ereignissen die Stagnation erklären? Ist das eine überzeugende Erklärung für die Pause?
Es macht jeden Sinn, jetzt nachzuforschen, was denn geschehen ist in den letzten 15 Jahren. Man hat jetzt EINE Erklärung die plausibel erscheint – aber es ist eine Erklärung nachdem das Ereignis eingetreten ist. Es kann sein, daß diese Erklärung greift, es kann sein, daß auch andere greifen. Um dies zu klären, wird es einige Zeit brauchen, und es ist Ausdruck der post-normalen Situation, in der sich die Klimaforschung befindet, daß prioritär nach der Reparatur der „the science is settled“-hybris gesucht wird. Aber zunächst steht fest, daß die Szenarien, also die mit Modellen erzeugten Erwartungen für die Zukunft, nicht mit der aktuellen Entwicklung übereinstimmen, was auch daran liegen könnte, daß neben einem dominanten Treibhausgas-Effekt noch andere, nicht so wichtige aber nicht unwichtige Faktoren am Wirken sind.
Die Sache mit dem Ozean – das kann sein, aber die Modelle haben diese Option in den Szenarienrechnungen nicht realisiert; La Nina ist ein Teil der natürlichen Variabilität, sollte also auch von den Modellen dargestellt werden.
Die Stagnation bedeutet nicht, daß die Erklärung der Entwicklung der zweiten Hälfte des 20ten Jahrhunderts durch Verweis vor allem auf die erhöhte Konzentration von Treibhausgasen falsch wäre; aber wir haben weiter Forschungsbedarf; vielleicht haben wir andere relevante Faktoren nicht ausreichend beachtet, vielleicht ist die Beschreibung der natürlichen Variabilität in den Modellen weniger gut als oft behauptet wird. Vielleicht; aber irgendwo fehlt was. - Den Menschen wurde zu Beginn der Klimadebatte von Klimaforschern gesagt, die Erde erwärme sich kontinuierlich mit dem Anstieg von CO2. Jetzt, da es erstmals eine Stagnation gibt, sagen viele Klimaforscher: Alles in Butter. Die Erwärmung findet ja trotzdem statt - in den Meeren. Das klingt zwar einleuchtend, erscheint vielen aber trotzdem wenig glaubwürdig. Ist die Klimaforschung, sind Klimaforscher willens, sich selbst und ihre Arbeit zu hinterfragen? Oder zeigt sich jetzt wieder an dieser Debatte, daß Zweifel mit einem schlichten "Was wollt ihr denn? Das lässt sich doch alles erklären" abgetan werden? Müßte jetzt, nachdem der unwahrscheinliche Fall einer 15-jährigen Stagnation aufgetreten ist, die Wissenschaft nicht sagen: Sorry, wir haben ein Problem? Ist die Wahrheit den Menschen wegen des wichtigen Klimaziels, CO2 um jeden Preis einzusparen, nicht zuzumuten? Ist das ein Fall Marke „Hide the decline“?
Ja, wir haben hier das Problem, daß die wissenschaftliche Erkenntnis geladen worden ist mit der zwingenden Begründung für die Klimaschutzpolitik einer Minderung der Emissionen um jeden Preis. Damit wird die Wissenschaft überfordert, gerade in so einer Situation, wo eigentlich Neugier und Lust an der Kritik die normalen Reaktionen in der Wissenschaft wären, während „motivated reasoning“, wie es der Soziologe Reiner Grundmann nennt, bei manchen Kollegen eingreift – wir wollen die als richtig erkannte Politik auf keinen Fall in Frage stellen, deshalb strengen wir uns an, die Originalerklärung mit einer geringfügigen Reparatur zu retten.
Ich denke auch, daß diese Originalerklärung richtig ist, aber ein Restzweifel ist da, und die unauflösliche Verbindung von „Wissenschaft bedingt die richtige Politik“, die übrigens von Alarmisten wie Skeptikern gleichermaßen geteilt wird, wenngleich unter jeweils anderen Vorzeichen - ist in einem demokratischen Willensbildungsprozeß einfach nicht haltbar.
- Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass 15 Jahre Stagnation auftreten? Habe ich das richtig verstanden, daß nur zwei Prozent der Modelle die Stagnation drin hatten?
Ich möchte hier nicht von Wahrscheinlichkeiten sprechen, einfach weil elementare Voraussetzungen zur Ableitung von Wahrscheinlichkeiten nicht gegeben sind. Aber es stimmt, wenn wir alle uns zur Verfügung stehenden Szenarienrechnungen ansehen – also die Abschätzungen , wie das Klimasystem reagiert auf einen Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen in der Art der letzten Jahrzehnte, dann finden wir, daß höchstens 5% dieser simulierten Trends so gering ausfällt wie beobachtet; die Prozentzahlen wird kleiner, wenn man andere Abschätzungen des Trends zugrunde legt. - Wie lange dürfte die Stagnation noch anhalten, ehe man an den Modellen grundsätzlich zweifeln muß?
Wenn es so weitergehen sollte, dann sinkt die Prozentzahl; nach 20 Jahren wären das nur höchstens 2%. Wohlgemerkt mit den gegenwärtig verfügbaren, mit den gegenwärtigen Emissionen konsistenten Szenarienrechnungen. Ich denke, wenn dies eintritt, haben wir ein starkes Signal, das etwas nicht stimmt, etwa, daß die natürliche Variabilität unzureichend beschrieben ist, die Wirkung von Treibhausgasen überschätzt oder andere maßgebliche Antriebsfaktoren in den Szenarienrechnungen unzureichend berücksichtigt sind.
Dies ist ein Falsifikationsangebot, das die Klimaforschung schon viel früher der Öffentlichkeit hätte anbieten müssen – welche neuen Beobachtungen würden uns überzeugen, daß unsere bisherige Erklärung nicht ausreicht? So ein Angebot zu machen, heißt ja nicht, dass man damit rechnet, daß es geschieht, aber so ganz ausschließen mag ein Wissenschaftler den eigenen Irrtum ja nicht. - Ist die Klimasensitivität geringer als erwartet? Ist der Einfluß von CO2 womöglich geringer als erwartet? Wissen Sie zufällig, ob der IPCC den Wert herunterstuft?
Das ist nicht auszuschließen – aber wenn, dann geht nicht darum, den Wert der Klimasensitivität auf 1 Grad herunterzusetzen. Ob die Arbeitsgruppe I des IPCC die Klimasensitivität herunterstuft in ihrem neuen Bericht, weiß ich nicht. Ich kenne den Bericht bisher nicht, und warte bis er veröffentlicht wird. - Warum hat man die natürlichen Schwankungen bis heute offensichtlich nur unzulänglich verstanden? Welche Schwankung könnte die Stagnation am ehesten ausgelöst haben (Meeresströmungen, Sonnenaktivität, Vulkanasche?)?
Wir haben eine Menge Arbeit in das Verständnis der natürlichen Schwankungen hineingesteckt; viel Forschung ist in die Nordatlantische Oszillation gegangen, viel in ENSO; das Konzept der stochastischen Klimaschwankungen von Klaus Hasselmann aus der Mitte der 1970er Jahre ist eines der wesentlichen Fortschritte im Verständnis der Klimadynamik. Die Frage ist aber, ob diese Mechanismen und Zusammenhänge in den Klimamodellen ausreichend gut beschrieben sind.
Was die externen Faktoren angeht, Vulkanismus, Sonnenaktivität, kosmische Aktivität – in diese Bereiche ist weniger Hirnschmalz investiert worden durch die internationale Klimaforschung; diesbezügliche Forschungsprogramme waren weniger gut ausgestattet; ich denke, um diese Themen sollte man sich mehr bemühen, - ohne dies als Fanal „CO2- Erklärung ist falsch“ mißzuverstehen.
- Einige Klimaforscher behaupten, 1998 war ein Ausreißer nach oben (El Nino), deshalb dürfte man gar nicht von einer 15-jährigen Stagnation reden. Was halten Sie davon?
1998 war schon speziell, ist aber in der Klimadebatte immer wieder als Beleg für die Ernsthaftigkeit des menschgemachten Klimawandels herangezogen worden; man denke an die Bewertung der Hockeyschlägerkurve. Jetzt zu sagen – das ist ein Ausreißer, darf man nicht berücksichtigen, klingt nicht überzeugend. - Ist es schon ein Eingeständnis, daß mit den Modellen etwas Grundsätzliches nicht stimmen kann, wenn der neue IPCC-Bericht sich in einem eigenen Kapitel mit dem Problem befaßt?
Nein, das würde ich nicht so lesen; daß man sich mehr mit der Qualität der Modelle beschäftigt, ist gut und nötig.
- Welche Antworten erwarten Sie vom neuesten IPCC-Bericht? Wie müßte er auf die gegenwärtige Stagnation angemessen reagieren?
Das Folgende bezieht sich nur auf die Arbeitsgruppe I des IPCC, die schon in der Vergangenheit durch solide Arbeit auf sich aufmerksam gemacht hat. Ich erwarte keinen wesentlichen neuen Einsichten, vielmehr eine Bestätigung bisherigen Wissens, Korrekturen im Detail; ein ordentliches Stück Handwerk. Ich erwarte aber auch, daß sich die unerfreulichen Zwillinge der Alarmisten und Leugner mit hoher Energie stürzen auf das Material stürzen werden, im Glauben, man könne den anderen Zwilling endlich besiegen, und die Wissenschaft – die jeweils richtige natürlich! – werde uns die Rettung vor dem Weltuntergang – durch Klimawandel oder unendliche Regulierungssucht - bringen.
In einem Kapitel, an dem Jochem Marotzke vom MPI in Hamburg wesentlich mitgewirkt hat, wird das derzeitige Wissen zur Stagnation ausführlich erörtert. Ich bin gespannt, was wir zu lesen bekommen werden.
Hallo HvS,
ReplyDeleteBezüglich 1998 ist mir in Fachpublikation nicht in Errinerung geblieben, dass dieser als "Menschengemacht" gilt. Einige Paper warnten vor einer Überbewertung dieses Jahrs in Zusammenhang mit dem Klimawandel, andere hingegen räumten die Möglichkeit ein, dass durch den Klimawandel solch Zustand begünstigt würde.
Aber "Hilfe wir werden alle verbrennen"-Statements kam meines Wissen nur in den öffentlichen Medien vor.
Den Verweiß auf den Hockeyschläger verstehe ich nicht wirklich, da es ihn ohne 98 im seiner Grundform nur ein wenig gestutzt hätte.
On the other Hand, ist der Impact, wenn man Trends betrachtet durch 98 bei Hadcrut4 erheblich.
Trends:
98 to Juli 2013
+0,0038K/Monat
99 to Juli 2013
+0,0070K/Monat
Ohnehin finde ich die Mehode "suboptimal" da auf gerade kurzen Zeitskalen die Interanual Variability durch die El-Nino/La-Nina so reindrückt.
Beispiel:
99 to 2011:
0,014K/Monat
Sollte bald wieder ein El-Nino kommen ist der Trends schwups wieder bei Trend 99 to 2011.
mfg
Ach Chris, die Entstehung der Trendsteigungen bleibt wohl Ihr Geheimnis. Ihre 0,014K/ Monat im Zeitraum 99-11 ergäben ja 1,68K/Dekade, was nun wirklich nicht beobachtet wurde! Der Knackpunkt ist auch ein ganz anderer: Die Steigung 98-13 (Juli) bringen 18%, die von 99-13 36% dessen, was noch 2007 vorhergesagt wurde: 0,2K/ Dekade. ( vgl. http://www.ipcc.ch/publications_and_data/ar4/wg1/en/spmsspm-projections-of.html )
ReplyDelete