Arbeit an der Fokussierung |
Flugzeuge verschwinden spurlos am Himmel, Großmächte okkupieren Territorien, steuerhinterziehende Manager
landen im Knast: soweit ist alles unter
Kontrolle. Auch Fokus@helmholtz ließ sich von feministisch angehauchter Kritik im Vorfeld
ihrer Veranstaltung „Was können wir glauben? Die Klimadebatte und ihre Folgen“ nicht weiter beeindrucken und
schickte kommentarlos fünf geladene Männer mit einem Moderator aufs Podium. Diese ignorierten allerdings die
Glaubensfrage und widmten sich dem, was wir wissen können. Was
wahrscheinlich sowieso als Frage intendiert war, aber leidet achtet man in den Naturwissenschaften wenig auf sprachliche Feinheiten und ignoriert geflissentlich die Bedeutungswelten, die sich zwischen "Wissen" und "Glauben" auftun. Die Runde war sich denn auch schnell ziemlich einig darin, was wir wissen - und am Ende vielleicht auch darin, dass das, was wir wissen, kaum ausreicht, um die Frage, was der menschengemachte Klimawandel für uns bedeutet, zu beantworten.
Nun denn, was wissen wir? Es besteht ein positives
Einvernehmen, so der Klimaforscher im Impulsvortrag, dass von Menschen verursachte Treibhausgasemissionen für eine globale, wenn auch ungleichmäßige
Erwärmung sorgen. "Menschen" wurde hierbei nicht näher spezifiziert; diese Abwesenheit fiel mir auf und weckte den Verdacht, es handele sich bei den Emissionsverursachern vielleicht um eine Art Aliens. Kein Einvernehmen unter Klimawissenschaftlern besteht in Detailfragen betreffend der Häufigkeit von
Stürmen, der Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs und ähnlichen Effekten. Damit war
weitgehend geklärt und in der Runde abgenickt, was wir wissen, und es blieb Raum das Spektrum männlicher Empfindsamkeiten auszuloten. Wenig überraschend sorgte sich
der Vertreter einer Wochenzeitschrift etwas mehr um künftige Generationen als andere, wobei diese Sorge
überlagert wurde von der Melancholie über sein eigenes, unerbittlich voranschreitendes Alter - wir älteren Herren werden die Auswirkungen des Klimawandels kaum mehr erleben. Der
Klimaforscher hingegen scheint eher froh, dem Erbe und der Sorge der vorhergehenden
Generationen unbeschadet entronnen zu sein und freut sich schon drauf, der nachfolgenden
Generation ein paar ungelöste Problem zu überlassen. Der Professor für Klimadynamik wiederum trug für einen Naturwissenschaftler erstaunlich gut sitzende Jeans und zog es vor, bei
weltanschaulichen Fragen eher zu schweigen. Und ja, große Aufregung im
Vorfeld, auch ein bekennender Skeptiker war da. Er fühlte sich sichtlich wohl in
dieser Runde und äußerte sich eloquent zu Glühbirnen, Staubsaugern und Marktwirtschaft, welche der Klimaschutz in ihrer jeweils natürlichen Daseinsweise
bedrohe. Eine erwärmte Welt werde auch eine reiche und satte Welt sein, so seine diesbezüglich gar nicht skeptische Zukunftsvision. Es blieb letztlich dem einzigen Kulturwissenschaftler in der Runde
vorbehalten darauf hinzuweisen, dass der Klimawandel eine politische Frage ist und
die Details der Kurvendiskussionen an den Stammtischen der Klimawissenschaftler
für die Politik von relativer Bedeutung sind. Politiker glauben nicht so recht
an die Alienstheorie und haben daher ganz andere, eher handfeste Befindlichkeiten,
wenn es darum geht, den einvernehmlich festgestellten menschengemachten
Klimawandel durch Eingriffe und Verhandlungen einzudämmen. Dass das Klimaproblem damit in den Händen einer Frau, der Bundeskanzlerin,
gelandet ist, ist allerdings nur eine kleine Pointe am Rande. Die eingangs erwähnte feministische Theorie handelt nicht unbedingt davon, wieviele Männer und Frauen am Tisch sitzen, sondern welche Fragen, Stimmen und Themen durch Essentialisierung und Normalisierung (oder
hier: Alienisierung) aus der Debatte ausgeschlossen werden. In diesem Fall: ziemlich viele. Dafür wurde ein Herr Schellnhuber schmerzlich vermisst und ausführlich gedisst - einig war mann sich in der Ablehnung von wissenschaftlich fragwürdigen Grenzen wie dem 2 Grad Ziel oder nicht demokratisch legitimierter Maßnahmen. Am Schluss schieden die Diskutierenden freundschaftlich und hinterließen ein informiertes und vielleicht auch ein etwas ratloses Publikum. Was wir wissen können, scheint klar, aber an was können wir glauben? Diese Frage stand bis zum Schluss über der Diskussionsrunde, auf eine Leinwand projiziert, und sie gewann zu meinem Erstaunen und mit der Dauer still und leise an Relevanz.
Sehr treffend und gut beobachtet. Inhaltlich äußere ich mich noch, habe im Moment nur wenig Zeit. Bis dahin noch der Hinweis auf die Videostatements der Podiumsteilnehmer, die auch schon online zu sehen sind:
ReplyDeletehttp://www.youtube.com/watch?v=NxHyIIvSpcI
War ein schöner Abend. Habe mich auch sehr gefreut, Sie (Herr Krauss) und Herrn von Storch endlich einmal persönlich zu treffen.
Gut beobachteter Kommentar, es fehlt m.E. jedoch die Antwort des Atmosphärendynamikers auf eine Frage: "Dazu sag' ich nix, hier sitzen lauter Journalisten und morgen steht in der Zeitung, Hense hätte dies oder jenes am 17.3.14 behauptet. Ich bin doch nicht bescheuert!" :-)
ReplyDeleteKompliment, Herr Krauß. Sehr unterhaltsam geschrieben (z.B. die Überschrift), und dabei noch wie üblich gnadenlos den Finger in die Wunde gelegt. Klasse!
ReplyDeleteAndreas
Kurz noch zur Richtigstellung:
ReplyDelete"Eine erwärmte Welt werde auch eine reiche und satte Welt sein"
Das habe ich nicht gesagt. "Reich und robust" waren meine Worte. "Robust" hinsichtlich möglicher Risiken einer Klimaveränderung.
Mein Kommentar: http://www.wzforum.de/forum2/read.php?6,2836762
ReplyDelete@ Frank (#2)
ReplyDeleteErinnern Sie sich noch an die Frage? Die Antwort Henzes hat jedenfalls schon mal für einen Lacher bei mir gesorgt.
@ Werner Krauß
"...sondern welche Fragen, Stimmen und Themen durch Essentialisierung und Normalisierung (oder hier: Alienisierung) aus der Debatte ausgeschlossen werden."
Ich war nicht bei der Debatte dabei. Welche Fragen, Stimmen und Themen haben Sie vermisst?
PS:
Habe ein Foto gesehen vom gut gefüllten Zuschauerraum. Wenige Frauen, sehr viele Männer, zumeist schon etwas älter.
Grüße an alle Teilnehmer, leider war Berlin zu weit für mich.
Andreas
Glauben und wissen, das ist eine Unterscheidung, die auf fast religiöse Art getroffen und verteidigt wird. Wissenschaftler insistieren oft, dass ihr Wissen kein Glaube sei. Glauben ist nicht Wissen, jeder deutsche Schulpflichtige hat das im Ohr.
ReplyDeleteSoziologisch gesehen gibt es verschiedene Glaubenssysteme, von denen die Wissenschaft eines ist. Es gehört zu unserer modernen, rationalistischen Weltsicht, dieses anderen Glaubenssystemen vorzuziehen, und gute Gründe dafür zu finden, ändert aber nichts an der Einordnung.
Das ist keine blosse Soziologenschrulle. Jede Definition von Wissen wird nicht ohne das Element des Glaubens auskommen - man hält das für wahr, wofür es gute Gründe gibt, anzunehmen, überzeugt zu sein, etc.
Selbst bei der hardcore Definition, die nur mit dem Begriff Beweis operiert (der eigentlich nur in der Logik und Mathematik sinnvoll ist), kommen schon mal Metaphern zum Einsatz wie smoking gun, kein Zweifel möglich, etc.
Wissenschaft hat damit zu tun, sich selbst und andere zu überzeugen, dass etwas der Fall ist. Daten, Metaphern, Bilder, andere Kollegen, der Zeitgeist, helfen in dieser Hinsicht. Das element des Zweifels wird den Glauben an die Sicherheit des Wissens immer begleiten. Insofern gibt es Grade des gesicherten (verlässlichen) Wissens, und keine Dichotomie.
In der Klimawissenschaft gibt es einen Konsens über bestimmte Beobachtungen, zum Beispiel zur Änderung der globalen Durchschnittstemperaturen. Das gilt als gesichertes Wissen. Guckt man sich Modellvorhersagen an, melden manche Zweifel an und die scharfe Unterscheidung Wissen-Glaube wird gefährlich für diejenigen, die den Zweifel nicht gelten lassen wollen. Trotzdem wird gerade dann auf das Wissen gepocht under der Glaube verhöhnt. Das führt oft zu einer Strapazierung der Glaubwürdigkeit (schon wieder kommt der Glaube ins Spiel - man muss sich schon sehr anstrengen einen sprachlichen Ausdruck zu finden, der frei ist vom Glaubenselement)
Ich jedenfalls bin eher von Wissenschaftlern überzeugt, die sagen, "ich glaube, dass dies der Fall ist, weil..." Ich bin skeptisch wenn gesagt wird "das ist Wissen, punktum. Da kann es keinen Zweifel geben."
Wie es der Zufall will, sehe ich grade einen Bericht der American Association for the Advancement of Science (AAAS triple a-s für die Eingeweihten)
ReplyDeleteWhat we know. http://whatweknow.aaas.org/
Wow - do we?
Guardian Zusammenfassung hier.
"Das habe ich nicht gesagt. "Reich und robust" waren meine Worte. "Robust" hinsichtlich möglicher Risiken einer Klimaveränderung."
ReplyDeleteUnd wie waren die Statements darauf von den anderen Teilnehmern?
Was mich generell interessieren würde, hat denn sowas wie eine Diskussion zwischen den Beteiligten stattgefunden, oder konnte jeder seine Statements loswerden, ohne das es die anderen interessiert hat?
Hab noch Franks Eindrücke gelesen. Auch interessant. Noch zu der Aussage von Herrn von Storch (wenn es sinngemäß so stimmt); "noch nie haben vorherige Generationen die Probleme der folgenden gelöst. Das wollten die auch nie. Lasst die Enkel mal machen." Zumindest gibt es viele Beispiele, wo vorherige Generationen den nachfolgenden neue Probleme mit auf dem Weg gaben und einiges sicher auch vermeidbar war, siehe zwei Weltkriege und die Teilung Deutschlands und Europa in zwei Blöcke. Auch bei der Klimapolitik ist die Frage wichtig, ob man zukünftigen Generationen neue Probleme aufbürdet, die mit etwas mehr Weitblick teilweise vermeidbar waren.
ReplyDeleteAndreas #6,
ReplyDeletemal etwas zugespitzt: es ging viel darum sich auf der Skala zwischen Alarmisten und Skeptikern zu verorten, eine Konstellation, die eine seltsame Eigendynamik hat (Provinzialisierung). Der Klimawandel wird auf Naturwissenschaft und das, was "wir wissen können" reduziert (Essentialisierung). Es gibt keine Verursacher und keine Betroffenen ("Alienisierung"), es gibt kein außerhalb der Komfortzone Deutschlands (Normalisierung). Zwar gab es kurz schöne Exkurse über die Demokratisierung des Problems, aber nur auf nationaler Ebene. Nur der Politikberater deutete kurz an, dass der Klimawandel Fragen ganz anderer Art berührt: der sozialen Gerechtigkeit, nationaler Interessen, internationaler Beziehungen. Ontologische und epistemologische Fragen kamen überhaupt nicht zur Sprache - verändert Klimawandel eigentlich unser Verständnis von der Welt, oder bleibt alles business as usual?
Reiner #7,
ReplyDeleted'accord, schöne Argumentation, aber auch "out of context". Hier bzw. auf dem flyer zu dieser Veranstaltung standen "glauben" und "wissen" in einem spezifischen Kontext: der flyer setzt voraus, dass erst wenn die Wissenschaftler sich einig sind, was sie wissen, weiß das Volk, was es glauben soll. Das ist eine andere Geschichte, oder? Es wird hier über "glauben" und "wissen" ein Herrschaftsverhältnis hergestellt.
add Reiner #7,
ReplyDeletewobei HvStorch, wenn ich mich recht erinnere, den von der skizzierten schleichenden Übergang zwischen wissen und glauben thematisierte und betonte, dass letzteres vielleicht unausweichlich ist angesichts der oft unsicheren Qualität des Wissens um tatsächlich handeln zu können.
In Schweden wäre es schön, wenn es überhaupt eine Diskussion zum Klimawandel, Klimaschutz, zur Machbarkeit oder zu gesellschaftlichen Ziele usw. geben würde. Sichtbar sind hier medial v.a. in irgendeiner Weise ökosystembezogene Forscher jüngeren bis mittleren Alters, oft Frauen, als Teil eines nationalen lebhaften Gemäldes "Mensch und Natur".
ReplyDeleteIm Rahmen einer ausgeprägten Begeisterung für Natur, Sport und gesunde Ernährung passt auch der Klimawandel noch gut mit auf die Fahnen. Es wirkt auf mich daher als weitgehend emotionaler Zugang zum Thema im Rahmen einer Lebensstilgruppe ohne dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema selbst erfolgt. Eine Diskussion anderer Ansichten oder aktueller Probleme wie dem Hiatus wird eher als den Lebensstil störende Einzelmeinung empfunden. Ob dieser Unbeschwertheit kann man fast nur neidisch sein. Evt. sind die Schweden auch deshalb unter den glücklichsten Nationen. Ich mag mich irren, aber es ist definitiv ganz anders zu Deutschland. Ich halte mal die Augen offen und ansonsten gibts ja noch da Lagerfeuer bei euch ;-)
Werner, was wolltest Du eigentlich mit der Wahl der Überschrift "Männer im Klimakterium" andeuten, hinweisen, als Gedankenanfang setzen?
ReplyDeleteStand im Flyer nicht etwas von "streitenden Wissenschaftlern"? Und was der Bürger glauben kann/soll?
ReplyDeleteMein Eindruck aus dem Abseits ist, dass die Runde ein ganz anderes Bild lieferte. Die beiden Wissenschaftler stritten gar nicht und waren sich rasch einig, was zum gesicherten Wissen zählt (Konsens! ;-)), und wo die Unsicherheiten liegen.
Und die anderen Anwesenden (ein Soziologe, ein Journalist und ein Skeptiker, der sich auf Folgen- und Politikskeptizismus beschränkte) haben das geglaubt. Sehe ich das richtig?
Andreas
Das ist weitgehend richtig, Andreas - über Naturwissenschaft wurde nicht gestritten, obwohl eine EIKE-Delegation da saß, und u.a. fragte, wieso man denn den Wasserdampf nicht berücksichtige. Das Problem wurde verortet im gesellschaftlichen Umgang damit - und ich denke, daß ist das Thema, mit dem wir uns gegenwärtig prioritär auseinandersetzen müssen. Die naturwissenschaftlichen Restfragen erscheinen mir für den Umgang mit dem Klimawandel inzwischen ziemlich belanglos.
ReplyDeleteIch war übrigens um ein Eröffnungsstatement gebeten worden, daß ich versucht habe ohne Zuspitzung und Streitförderung zu gestalten .- siehe https://www.academia.edu/6465335/Eroffnungsstatement_Das_klimawissenschaftliche_Einvernehmen.
In diesem Statement geht es einerseits um "positives" Einvernehmen, worüber sind wir uns einig, aber auch "negatives" Einvernehmen, worüber sind wir uns einig, daß wir uns nicht einig sind. Daß wir in bezug auf Letzteres was ändern würden, war nicht zu erwarten, und so unterblieben Überzeugungsversuche.
@ HvS
ReplyDeleteAch so, das erklärt dann die große Anzahl grauhaariger Herren auf dem Foto ;-)
Ja, es wird in Blogs zu viel versucht, andere zu überzeugen. Weniger ist manchmal mehr. Im Grunde sind die Zustände in Deutschland ja paradiesisch, die wesentlichen wiss. Grundlagen wurden von Gesellschaft, Parteien und Medien aufgenommen. So ganz schlecht scheint die Kommunikation der Wissenschaftler ja nicht gewesen zu sein.
Nein, man wird sowieso nie alle Bürger überzeugen können, dieses Ziel wäre absurd. Beim Lesen in Skeptikerblogs habe ich das Gefühl, dass sich viele einem politischen Herrschaftsverhältnis ausgesetzt fühlen: alle Parteien seien von einem "grünen Zeitgeist" durchdrungen, der Begriff der "Ökodiktatur" macht die Runde. Das Aussterben der Glühbirne oder des 1500W-Staubsaugers werden als Verlust Einschnitt und Fremdbestimmung empfunden. Das und etwas allgemeiner "motivated reasoning" (Kahan) führen zu Ablehnung von Wissenschaft, ich halte das für normal, da kann auch bestmögliche Wissenschaftskommunikation nichts ändern.
Andreas
"Ach so, das erklärt dann die große Anzahl grauhaariger Herren auf dem Foto ;-)"
ReplyDelete*kicher* Ist es eigentlich politisch unkorrekt, man auf das Durchschnittsalter dieses Vereins hinweist? Der Spaß ist hier hoffentlich erlaubt. Aber zum Thema "EIKE-Delegation", warum nicht auch im Gegenzug deren Veranstaltungen besuchen und auch dort Fragen stellen. Dann gibt es ja vielleicht doch noch sowas wie Kommunikation zwischen den verschiedenen Gruppierungen.
Hans,
ReplyDeleteauf welche Gedankenpfade führt denn Dich dieser Titel? Da wäre ich neugierig!
Aus meiner Sicht verknüpft diese schräge Metapher die steinzeitliche Besetzung eines hochkarätigen Podiums mit ausschließlich (!) Männern mit dem Aspekt der Wissensvermittlung als einer performance: wie in einer Theateraufführung wurde im Laufe des Abends ein komplexes und bedrohliches Phänomen, der Klimawandel, normalisiert. Wir Jungs haben das schon im Griff, alles wird gut. Auf die Lücken, die sich dazwischen auftun, wollte ich mit dem Titel und mit meinem Beitrag hinweisen.
Es ist auch ein Versuch, aus der ewig gleichen und ebenfalls sehr männlichen Fußballrhetorik (HSV gegen Potsdam, Skeptiker gegen Alarmisten, wer hat gewonnen etc etc), welche die Klimadebatte beherrscht, auszubrechen und einen anderen Blickwinkel zu gewinnen.
(Eine Bemerkung zur Frage Klimawandel oder Klimakterium hier bei ziemlich genau 2:40 min.)
Part 1:
ReplyDeleteIch bin noch nicht fertig mit Nachdenken über diesen Abend. Ausgehend von der Frage von Hans, wie ich den auf den Titel "Männer im Klimakterium" gekommen bin, wage ich hier mal ausm Handgelenk eine kleine politische Analyse (wir sind hier ja unter uns, da kann man auch mal was riksieren):
"Klimakterium" ist eine sogenannter Bildbruch, eine Katachrese, mit der ein komplexer Sachverhalt verfügbar und verhandelbar gemacht werden kann. Wie z.B. "Das Boot ist voll" als ein Bild, um Flüchtlingspolitik zu verhandeln. (Metaphern aus Schifffahrt, Verkehr, Naturkatastrophen und Sexualität eignen sich am besten). Klimakterium hat nicht einmal etymologisch was mit Klima zu tun, soweit ich weiß. Doch wie ich im Vorfeld in meiner Kritik an dem Flyer zur Veranstaltung ja ausführlich kritisiert habe, wird darin ja fleißig "gegendert", und dies spiegelte sich in der Besetzung des Podiums mit: Männer teilen Bürgerinnen und Bürgern mit, was diese glauben können - ein Anspruch, den die Wissenschaft gar nicht halten kann, weil Wissenschaft so gar nicht funktioniert. "Klimakterium" als weiblich konnotierter Wandel bezeichnet so wortspielerisch überforderte Männer (Experten) in der Klimakrise.
Der Begriff Katachrese spielt in der Diskurstheorie von Jürgen Link eine wichtige Rolle, und zwar im Hinblick auf die Analyse gesellschaftlicher Regulations- und Normalisierungsprozesse. Normalisierung heißt, dass zumeist im Nachhinein bestimmte komplexe Prozesse oder Verhaltensweisen mittels Statistik und Durchschnittsanalysen als "normal" bezeichnet werden - zum Beispiel ein Eingreifen in den Krieg, oder die Einweisung in die Psychiatrie (abweichend von "normal") oder eben: beim Klimawandel. Putin erklärt seinem Volk und uns, dass es "normal" ist, die Krim einzuheimsen; oder es ist "normal", ein Parteimitglied auszuschließen, weil es legale Nacktbilder von Kindern bestellt hat wie jpngst Ebathy; und schließlich muss auch der Klimawandel normalisiert werden, damit wir so weitermachen zu können wie bisher.
Part 2:
ReplyDeleteIch versuch mal am Beispiel dieser Abendveranstaltung zu zeigen, wie dieser Normalismus aus vielen kleinen rhetorischen Versatzstücken konstruiert, hergestellt wird. Als nicht normal, als von der Norm abweichend galt eigentlich nur der abwesende Herr Schellnhuber (also die Alarmisten) auf der einen, und EIKE (durch Mikrofonkontrolle und knappe Antworten domestiziert) auf der anderen Seite. Zwischen diesen Polen wird Normalität hergestellt, und sei es um den Preis, dass man Herrn Heller mit in die Mitte nimmt. Hier kann die männliche Wissenschaft nun der weiblichen Demokratie mitteilen, was Sache, was "normal" ist:
"Normal" ist, so der Konsens in der Wissenschaft, dass der Klimawandel zwar Handeln erfordert, aber nicht direkt beunruhigend ist. Das Thema Klimawandel ist so weit erforscht, dass es nun der Demokratie übergeben werden kann. Die Wissenschaft hat dann nur noch eine Art "Polizeifunktion", indem sie auf Anfrage überprüft, ob alles in sicheren Bahnen verläuft (bzw. als "honest broker" wirkt). Es tritt also das ein, was Jürgen Link "Normalismus" nennt - der Klimawandel ist keine Katastrophe mehr, der den inneren Frieden bedroht und schnelles Handeln und womöglich Transformationen nötig macht, sondern er ist ein "normaler" Vorgang geworden.
Was aber, wenn gar nichts unter Kontrolle ist? Die Treibhausemissionen steigen, Klimapolitik hat keine Wirkung und womöglich ist der Klimawandel genausowenig normal wie Putins Handeln auf der Krim etc? Vielleicht ist das neue "normal" gar nicht das alte, sondern nur eine Beruhigungspille? Wer will das schon entscheiden, bei so viel geballter Kompetenz (und das meine ich noch nicht mal ironisch, ich gehöre ja dazu).
"Auf die Frage, zu welchen Konsequenzen es führt, wenn Menschen mittels Regulationstechniken - zum Beispiel der Medien (oder der Wissenschaft, WK) - dazu angeregt werden, gesellschaftliche Diskurse um Sozialabbau oder Krieg (oder klimawandel, WK) nicht als Bedrohung, sondern als normal anzusehen, antwortet Jürgen Link:
„Daß du nicht merkst, dass du nichts merkst.“
(Jürgen Link: Normalismus, in: Konturen eines Konzepts, kulturRRevolution Nr. 27).
Die Helmholtz Gemeinschaft hat einen Bericht über die Veranstaltung unter dem Titel Was können wir glauben?" veröffentlicht, dazu die sehr schönen Videostatements der einzelnen Teilnehmer.
ReplyDelete@ Werner Krauß
ReplyDeleteVielen Dank für ihre hochinteressanten Gedanken, mir war z.B. der Begriff der Normalisierung bislang unbekannt. Viel Stoff zum Nachdenken, mit Sicherheit das Spannendste, was ich seit langem zum Thema Klima gelesen habe.
Beisteuern möchte ich daher nur meine Assoziation zum "Klimakterium" (die weibliche Konnotation hat für einen kräftigen Lacher gesorgt). Nach dem Lachen dachte ich, dass der Begriff eigentlich ganz gut ist: die Klimawissenschaft kann die Debatte nicht mehr weiter befruchten, der AR5 ist in leichten Variationen im Grunde dasselbe wie der AR4.
Mal ehrlich: wer findet die x-te Zusammenfassung der Kenntnisse und Unsicherheiten der Klimaforschung noch spannend? Wer die Positionen eines Skeptikers?
Dies bitte nicht als Kritik an den Personen auf der Bühne missverstehen, ich bin mir sicher, dass alle die ihnen zugedachte Rolle prima ausgefüllt haben (auch Herr Heller natürlich). Ich möchte nur zum Ausdruck bringen, dass ein Wandel eingesetzt hat, dass es vielleicht andere Personen/Gruppen abseits von Forscher/Skeptiker sind, die für die zukünftigen spannenden und befruchtenden Debatten sorgen werden (Geden gehört auf jeden Fall dazu).
PS:
Bei mir haben ihre Anmerkungen zur Normalisierung für komische Gefühle in der Magen- (und Hirngegend) gesorgt. Einerseits erschreckend, wie schnell wir uns an ertrinkende Flüchtlinge, soziale Missstände (und die Abspaltung der Krim) gewöhnen (werden). Es führt zu Passivität, z.B. auch gegen nicht quantifizierbare Restrisiken des Klimawandels (die Prognosen zum Temperatur- oder Meeresspiegelanstieg sind für mich schon Ergebnisse einer gewissen Normalisierung). Andererseits hilft es uns, unser Leben einfach weiterzuführen.
Andreas
Andreas,
ReplyDeletekurz zu Ihrem P.S.:
verstehe ich Sie richtig: Temperatur- und Meeresspiegelanstieg sind also "normal", nur "Restrisiken" bleiben? "Restrisiken" - kommt der Begriff nicht aus der Atomdiskussion? Als Wissenschaftler uns versicherten, dass Atomkraft uns in eine glückliche Zukunft führen wird und nur ein vernachlässigbares Restrisiko besteht? Das meine ich mit "Normalisierung" durch Sprache: Mit solchen Begriffen wird auch der Klimawandel von einer Bedrohung zu einem "Restrisiko" heruntergeredet - eine gewagte Metapher wandert von einem Diskurs in den anderen, um Gewöhnung an Atomkraft oder nun Klimawandel sprachlich herbeizuführen - mit Wissenschaft hat das nichts zu tun, außer dass sie diesen Sprachspielen Autorität leiht, indem sie selbst solche Begriffe aufgreift.
Die Fallhöhe ist schon enorm: War der Klimawandel vor kurzem noch eine Bedrohung, ist er nun auf ein Restrisiko geschrumpft? Wäre das vor ein paar Jahren möglich gewesen, dass ein Herr Heller fröhlich auf einem Helmholtz Podium sitzt und verkündet, dass eine wärmere Welt eine satte und eine robuste sein wird? Und außer - wenn ich mich recht erinnere - nur Frank Drieschner von Die Zeit Protest anmeldet? Das ist schon bemerkenswert. An den wissenschaftlichen Daten hat sich ja in diesen Jahren eigentlich nichts geändert - sondern nur an der Sprachregelung. Das ist wirklich bemerkenswert.
Und, Andreas, wegen Passivität: ich würde vorschlagen, dass wir uns besser nicht an den Bruch von Völkerrechten oder Grundrechten gewöhnen (oder gar an "ertrinkende Flüchtlinge"!!!) nur um ein normales Leben "einfach weiterführen" zu können: das kann schneller schief gehen als einem lieb ist (abgesehen von der moralischen Fallhöhe, die in einer solchen Aussage steckt). Wir wollen ja auch nicht in der Wissenschaft, dass ein bißchen gemogelt und hier und da ein Auge zugedrückt wird. Wir sollten auch mit Sprache vorsichtig sein und auch darauf achten, wenn Wissenschaftler sprechen: wenn sie ihre Daten interpretieren, benützen auch sie Sprachbilder, Bildbrüche, Katachresen und normalisieren, alarmieren und politisieren - unweigerlich. Die Veränderungen in der Bildsprache genau zu beobachten ist genauso wichtig wie die Veränderungen auf den Temperaturkurven im Auge zu behalten. Oder nicht?
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ReplyDeleteups, sorry, der erste Absatz gehörte nicht da rein. Könnte ihr löschen.
ReplyDeleteQuentin, lösch doch Deinen Beitrag, oder lass mich ihn löschen, und dann setze den "gemeinten" 2ten Teil neu rein.
ReplyDeleteNun ist also der Klimawandeldisput normal geworden, obwohl der Klimawandel nicht normal ist, oder vielleicht doch. Irgendwie scheinen die EE nun auch Einzug in die Unterhaltungsbranche gefunden zu haben. Ruhrkultour stellt zwei Lieder vor, ein romantisches in dem die Windräder drehen, und irgendwie macht es den Eindruck, als wenn in vornormaler Zeit, die gleichen Botschaften verbreitet wurden. Die von Liebe und Leid und Sehnsüchten, nun aber nicht mehr Bilder vom Fluss, den Bergen, den Wäldern verwenden, sondern irgendwie Heimat und Beständigkeit jetzt mit Windrädern symbolisiert wird.
ReplyDeleteDas andere Lied hat auch mit Heimat zu tun, benutzt aber ganz andere Bilder. Die des einfachen Mannes, dem die Pfeffersäcke, hier in Form von Windkraftgenossenschaften, auch noch den Wald und die Umwelt kaputt machen. Die Wut im Bauch macht sich Luft und es wird beklagt, dass dem Bürger sein schwer verdientes Geld abpresst wird und dabei der Gegensatz: „Die da oben - wir da unten“ beschreibt. Hier mag man an so manche Lieder vom Zupfgeigenhansel denken.
http://ruhrkultour.de/lieder-zur-windkraft/
Kommt das 19. Jahrhundert zurück mit den Romantikern auf der einen Seite, und den Sozialrebellen auf der anderen? Und was hat das eigentlich mit Heimat zu tun, als Sehnsuchtsort beider. Keimen nicht vielleicht hier sogar Nationalismen zwischen den gepflanzten Stauden? Regionale Kreisläufe, fröhliche Sesshaftigkeit (wie es Harald Welzer ausdrückte) und so weiter, spielen immer auch ein wenig mit dem Heimatbild. Und was hat das alles mit der Situation in Europa zu tun? Tja, was ist da schon noch mormal?
Quentin Quencher,
ReplyDeletesicher, dass dieser Beitrag hier richtig plaziert ist? Ich kann keinen Zusammenhang zu der Berliner Veranstaltung entdecken. (Und auch Ihre umgangssprachliche Verwendung von "normal" hat nichts mit dem zu tun, was ich über Normalisierung als Konzept geschrieben habe).
@ Krauss:
ReplyDelete"Wäre das vor ein paar Jahren möglich gewesen, dass ein Herr Heller fröhlich auf einem Helmholtz Podium sitzt und verkündet, dass eine wärmere Welt eine satte und eine robuste sein wird?"
Nein, das wäre sicher nicht möglich gewesen. Insoweit ist die Helmholtz-Veranstaltung tatsächlich ein Beispiel für die neue Richtung, die die Klimadebatte nehmen könnte.
Angst und Furcht dürfen eben nicht als "normale" Instrumente der Politik angesehen werden. Was Sie als "Normalisierung" (meinen Sie nicht eigentlich "Trivialisierung"?) des Klimawandels kritisieren, stellt aus meiner Sicht einen wichtigen Fortschritt dar. Am Ende sind es doch die nur auf Basis einer "Normalisierung" möglichen Ansätze der Gelassenheit und Distanz im Umgang mit dem Thema, die den Weg zu wirklich sinnvollen Handlungsoptionen eröffnen. Mein Ziel als Klimaskeptiker war daher schon immer, zunächst einmal den Schreckensaspekt und die gefühlte Notwendigkeit nach Hast und Eile zu hinterfragen. Wenn man mir eine solche Plattform wie in Berlin bietet, nutze ich sie auch entsprechend.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Diskussion war aus meiner Sicht der Beleg, daß man durchaus vernünftig miteinander reden kann. Über die Grenzen thematischer Expertise und Haltung hinweg. Wenn man sich gegenseitig respektiert. Vor diesem Hintergrund sehe ich im Nachgang die Diskussion als erfolgreich für alle Beteiligten an.
Leider kann das Thema "Klimapolitik" am Ende ein wenig zu kurz. Aber auch aus meiner Sicht wird dies die kommende Diskussion weit mehr prägen, als die Klimawissenschaft es noch könnte.
@Peter Heller,
ReplyDelete"Insoweit ist die Helmholtz-Veranstaltung tatsächlich ein Beispiel für die neue Richtung, die die Klimadebatte nehmen könnte."
Da stimme ich Ihnen zu, Herr Heller, und das lasse ich für mich auch gerne als Schlusswort stehen.
P.S.: Ich habe per email einige zustimmende, aber auch sehr kritische Kommentare zu meinen Beiträgen hier bekommen, beides sehr ungewöhnlich. Daher möchte ich mich hier noch einmal kurz bei allen bedanken, die mir auf diesem Klimazwiebel-Parforceritt und meinen kraussen Gedankengängen gefolgt sind.
Mit meinen Kommentaren und manchmal polemischen Einwürfen habe ich versucht, an dieser Veranstaltung den Wandel in der Klimadebatte kritisch nachzuvollziehen und zu verstehen. Falls ich dabei über das Ziel hinausgeschossen und dem einen oder anderen persönlich zu nahe getreten bin, möchte ich mich dafür aufrichtig entschuldigen. Es war keinesfalls meine Absicht, irgendjemanden zu beleidigen! Bloggen verleitet manchmal zu Polemik, Ironie kommt oft nicht rüber, drastische Bilder können missverstanden werden. Ich versuche diese Mittel kontrolliert und zweckgebunden einzusetzen, aber es gelingt mir trotz viel Erfahrung nicht immer.
Mein Ziel war es nicht, ein objektives Bild dieser Veranstaltung und der Teilnehmer zu liefern; vielmehr habe ich sie zum Anlass genommen herauszufinden, wohin die Reise geht. Ich habe dazu in meinem ethnologischen Werkzeugkasten gewühlt, manches längst vergessen geglaubte Werkzeug aus der Diskurstheorie hervorgekramt und gleich ausprobiert. Gemischt mit persönlichen Eindrücken ist das ein in der Klimadebatte sicherlich sehr ungewöhnlicher Ansatz. Vielleicht ist es mir ja gelungen, den einen oder anderen neuen Blick oder Anstoß zum Weiterdenken zu geben. Jedenfalls, eine tolle Sache, diese Veranstaltung, und die Diskussion hat mir großen Spaß gemacht!
@ Werner Krauss,
ReplyDeleteGesellschaftliche Diskurse laufen doch nicht nur über Logik ab, und schon nicht danach ob (möglicherweise später) mittels irgendeiner Statistik eine Normalität konstruiert werden kann. Das sollte mein Hinweis auf die Liedchen ausdrücken.
Pankraz schrieb, in Anlehnung an Jean-François Lyotard: „Unser Sozialsystem ist kein hehres Geisterreich, in dem entweder Konsens oder Dissens herrschen. Es ist vielmehr ein Konglomerat historisch zufällig zusammengeschobener Teilbereiche und Subsysteme, die von ihren Trägern teilweise rationalisiert werden können, teilweise aber auch nicht.“ Deshalb mein Beispiel mit der Heimat als Sehnsuchtsort.
OK, ich bin jetzt auch nicht der Fachmann dafür, aber mein Bauchgefühl sagt mir eben, wenn irgendjemand meint Normalität beschreiben zu können, muss er ja auch Wertungen vornehmen.
Damit will ich aber nicht eure Veranstaltung in irgendeiner Weise herabwürdigen. Im Gegenteil, ich finde es toll dass sie statt gefunden hat, dass ihr euch vernünftig unterhalten konntet. Ich bin nämlich überzeugt, dass es diese Pole, zumindest was den Klimawandeldiskurs betrifft, gar nicht gibt, sondern dass die eben in teilweise nicht rationalisierten Überzeugungen liegen. Und um diese zu erkennen, nutzt mir manchmal ein Liedchen mehr, als irgendein wissenschaftliches Paper.
@ Quentin:
ReplyDelete"Ich bin nämlich überzeugt, dass es diese Pole, zumindest was den Klimawandeldiskurs betrifft, gar nicht gibt, sondern dass die eben in teilweise nicht rationalisierten Überzeugungen liegen."
Das habe ich jetzt aber nicht verstanden. Erstens denke ich schon, daß es zwischen den Diskutanten auf dem Podium sehr klare Unterschiede gibt bzw. gab. Und diese wurden aus meiner Sicht auch sehr deutlich und pointiert formuliert. Man darf bitte nicht auf den Gedanken kommen, wir wären uns irgendwie einig gewesen. Aus meiner Sicht lagen wir ziemlich weit auseinander. Zweitens nehme ich für mich in Anspruch, meine Position aus einer rein rationalen Betrachtung abzuleiten - und das billige ich auch jedem anderen zu.
Drittens werden Dir die Unterschiede sicher dann deutlich, wenn Du Dir die EIKE-Berichterstattung zum Thema ansiehst:
http://www.eike-klima-energie.eu/news-cache/helmholtz-klimadebatte-was-koennen-wir-glauben-sollte-heissen-wem-koennen-wir-glauben/
Natürlich gibt es irgendwann Aushandlungsprozesse. Im Moment noch nicht, weil die Skeptiker eine verschwindend geringe Minderheit darstellen, die keinerlei Einfluß nehmen kann. Aber falls es jemals einen wirklichen Aushandlungsprozeß gibt, wird dieser so aussehen, daß man die Dinge in sein Kalkül einbezieht, auf die man sich einigen kann - und alles andere für die Entscheidungsfindung schlicht ignoriert. So geschieht es ja immer bei strittigen Fragen.
@Werner Krauss: "Wäre das vor ein paar Jahren möglich gewesen, dass ein Herr Heller fröhlich auf einem Helmholtz Podium sitzt und verkündet, dass eine wärmere Welt eine satte und eine robuste sein wird? Und außer - wenn ich mich recht erinnere - nur Frank Drieschner von Die Zeit Protest anmeldet? Das ist schon bemerkenswert."
ReplyDeleteFinde ich auch. Ja, woran lag's? Stille Zustimmung, keine Meinung zu der These oder keine Lust, durch Widerspruch die These aufzuwerten?
@Peter Heller: "Zweitens nehme ich für mich in Anspruch, meine Position aus einer rein rationalen Betrachtung abzuleiten - und das billige ich auch jedem anderen zu."
Ja, das Argument hört man des Öfteren, dass sich Klimaskeptiker in ihrer Argumentation für sehr rational halten. Ja mehr noch, man hält die Gegenseite eher für irrational und manche hält man sogar für Anhänger einer sogenannten Klimareligion.
Meine nun mehrjährige Erfahrung in Diskussionen mit Klimaskeptikern sagt mir da etwas anderes. Ich möchte nicht allen Klimaskeptiker den Rationalismus absprechen, jedoch erlebt man sehr oft, dass zuerst die politischen Entscheidungen und Ziele rigoros ablehnt werden und daraus resultierend wissenschaftliche Aussagen skeptisch hinterfragt. Auch Behauptungen, dass eine deutlich erwärmte Welt eine bessere und robustere ist, ist nicht wirklich rational begründet, sondern Ausdruck einer optimistischen Einstellung. Unter Rationalismus verstehe ich u.a. das man das Pro und Kontra einer Situation aufstellt und abgleicht und nicht eine Seite ausblendet.
@ Peter
ReplyDeleteIch kann mit EIKE nicht so viel anfangen, lese dort auch nur sehr selten mit. Und der von dir verlinkte Bericht trägt nicht dazu bei, dass sich das in absehbarer Zeit ändert.
Mir ging es hauptsächlich um die Pole, wie von Werner Krauss beschrieben, zwischen denen sich eine Normalität einrichten könnte, in diskurstheorethischer Hinsicht. Ich könnte mich da gar nicht verorten, weil ich meine Positionen aus der der Beschäftigung mit Politik und Gesellschaft ableite, und nicht aus der Klimawissenschaft.
Das von Dir benannte „Dinge ins Kalkül einbeziehen, auf die man sich einigen kann“ könnte ja bedeuten, dass die Klimawissenschaft eben nicht einbezogen wird, sondern die Politik und die Ökonomie, dass aber dabei trotzdem tiefer liegende, teils nicht bewusste, Überzeugungen eine große Rolle spielen.
Wenn ich jetzt beispielsweise die Zukunftsbilder Anthropozän und Technium gegenüberstelle, dann würde sich der Klimawandeldiskurs darin auflösen. Wo steht da beispielsweise der Hansen? Aushandlungsprozesse könnten zwischen Alarmisten und Skeptiker dann nur eine Nebenrolle spielen.
Das halt nur ein paar Gedanken, weil ich prinzipiell mit Bipolarität in Gesellschaften meine Probleme habe. Klar, wenn es auf Kampf und Auseinandersetzung zuläuft, dann ist man schnell bei Assoziation und Dissoziation und Carl Schmitt. Dann bilden sich eben diese beiden sich gegenüberstehenden, aber keineswegs homogenen, Gruppen.
Wenn wir aber Diskurse führen, dann ist die Frage welche. Betonen wir den Konsens oder den Dissens? Wenn Aushandlungsprozesse einsetzen sollten, muss es zumindest in Teilbereichen Konsens geben. Das muss dann aber nicht die Klimawissenschaft sein, sondern vielleicht die Ökonomie. Dann ist es auch völlig ohne Belang, ob die Skeptiker nun eine kleine oder große Gruppe darstellt.
@ Werner Krauß
ReplyDelete"verstehe ich Sie richtig: Temperatur- und Meeresspiegelanstieg sind also "normal", nur "Restrisiken" bleiben?"
Nein. Sie sind nicht normal, die Beschränkung der Debatte auf diese Aspekte könnte aber womöglich mit der von ihnen erwähnten "Normalisierung" zusammenhängen. Meeresspiegelanstieg, Extremwetter, all dies kann für die Betroffenen verheerend sein, aber all dies kann die Menschheit schon irgendwie "wuppen". Wir erleben gerade einen Störfall, spielen Szenarien durch, aber in jedem bleibt das containment, die große Betonhülle intakt. Das Restrisiko, das Bersten der Betonhülle, kommt in den Szenarien nicht vor.
Warum auch? Die Wissenschaft hat keine Belege dafür, und welcher Wissenschaftler auf dem Podium möchte darüber schon spekulieren, dem haftet etwas alarmistisches, etwas unseriöses an.
Es ging mir nicht darum, den Meeresspiegelanstieg zu bagatellisieren. Ich frage mich nur, ob dieser langsame Prozess je die Menschen wird mobilisieren können. Die Bewohner der Küsten dieser Welt werden zu ihren Lebzeiten jeweils ihren Meeresspiegel, den sie täglich sehen, als den normalen empfinden, an den sie gewohnt sind. Genau so, wie ich drei kalte, schneereiche Winter in Folge schon so normal empfand, dass ich mir gar nicht vorstellen konnte, der gerade vergangene Winter könnte anders sein.
Ja, die Empörung über die Krimannexion ist mehr als berechtigt. Ein Ereignis wie ein Wirbelsturm, der all unsere Aufmerksamkeit fesselt. Doch wie schnell finden wir uns mit den Folgen ab, wir normalisieren diese. Wohin ist die Empörung über Transnistrien und Abchasien verschwunden?
Andreas
"Wenn man mir eine solche Plattform wie in Berlin bietet, nutze ich sie auch entsprechend": Peter Heller ergreift heute auf scienceskeptical das Wort und schildert dort Die Berliner Runde aus seiner Sicht.
ReplyDelete"Peter Heller ergreift heute auf scienceskeptical das Wort und schildert dort Die Berliner Runde aus seiner Sicht."
ReplyDeleteInteressant finde ich dabei, dass es teilweise unterschiedliche Versionen von der Veranstaltung gibt. Anfangs dachte ich, als Nichtteilnehmer kann man eben nicht genau wissen, welchen genauen Charakter und Ablauf die Podiumsdiskussion hatte. Dazu müsste man dabei gewesen sein. Die Ausführungen der Teilnehmer zeigen aber, dass selbst das nicht ausreicht. In ScSk habe ich jetzt mindestens drei verschiedene Versionen darüber gelesen, wie und was Herr Limburg bei seinen Publikumsfragen gesagt hat, und wie man darauf reagierte.