Friday, July 25, 2014

Herausforderung Klimaservice



In der Ausgabe 31-32/1014 von Aus Politik und Zeitgeschichte 31-32/2014 wird "Nachhaltigkeit" von einer Reihe von Autoren diskutiert. Ob mein Beitrag, zur Herausforderung eines Klimaservice, wirklich unter diese Überschrift paßt, sei mal dahin gestellt. In jedem falle findet sich dieser Beitrag nun unter dem Titel
Klimaservice: Nachhaltig "Vorhersagen"?. Der Artikel kann unbeschränkt heruntergeladen werden.


In der Einleitung heißt es: "Klima, Klimawandel und Klimawirkung sind allgegenwärtige Faktoren in unserem Leben. Versicherungen erhöhen wie selbstverständlich ihre Policen wegen angeblich verschärfter Risiken, in Schleswig-Holstein werden Deiche bei Modernisierung so gebaut, dass sie bei Bedarf zukünftig mit geringerem Aufwand verstärkt werden können. Verantwortliche sorgen sich, wie sie in ihrem Bereich mit der veränderten und sich verändernden Lage umgehen können; Behörden versuchen, Vorgaben zu Klimaschutz und Klimaanpassung zu machen. „Klimaservice“ soll Wissen über mögliche Änderungen verfügbar machen als Makler zwischen Wissenschaft und Planungspraxis.
Für viele ist Klimaservice die Bereitstellung von Vorhersagen ähnlich der Wettervorhersage. Aber es gibt gravierende Unterschiede. Da ist die grundsätzliche Unsicherheit aller quantitativen Aussagen in Bezug auf Intensität und Zeithorizont und die Unmöglichkeit einer tatsächlichen Validierung der Szenarien, die eben keine Vorhersagen im Sinne von Wettervorhersagen sind. Klimaservice findet in einem politisch aufgeladenen Umfeld statt, in dem neben naturwissenschaftlichem Wissen noch andere wirkmächtige Erklärungssysteme um Deutungshoheit kämpfen. Und schließlich ist der Klimawandel für die Erwartungen in kommenden Jahrzehnten nur eine von vielen signifikanten Änderungen.
In diesem Aufsatz wird versucht, das grundlegende Problem zu skizzieren, und Vorschläge zu machen, wie der Klimaservice besser aufgestellt werden kann.
"

6 comments:

  1. Hallo,

    Ganz besonders interessant finde ich die Sicht Bojanowskis, wonach der Begriff « Nachhaltigkeit » alles und nichts bedeutet.

    Vor allem am Anfang als der Begriff von den Grünen und Umweltschützern verwendet wurde, wusste niemand was er genau bedeuten sollte. Erst nach und nach schälte sich die heutige Bedeutung heraus, Ressourcenschonung, Umweltschutz, Biodiversität und seit einiger Zeit auch Umweltschutz, Geburtenrückgang und eine gerechte Gesellschaft.

    Ein ähnlich schwammiger Begriff ist der Begriff « Klimaschutz »mit dem man alles und nichts rechtfertigen kann. Zusammen mit dem Begriff « Klimakatastrophe » wird daraus das größte und imminenteste Problem das die Menschheit je bedroht hat. Niemand weiß jedoch genau was passieren wird oder was man konkret tun müsste um die « Katastrophe » zu verhindern.

    Ähnlich wie beim Begriff « Nachhaltigkeit » weiß man auch beim Thema « Klimaschutz » nicht welche Maßnahmen effektiv und notwendig sind, noch inwiefern ihre Unterlassung für Gesellschaft und Natur ein reales Problem darstellen. Oft hat man den Eindruck dass gerade der permanente Missbrauch der beiden Begriffe von Umweltgruppen, Betroffenheitspolitikern und Gesinnungsgenossen konkretes Handeln eher verhindert als fördert. Beim Klimaschutz wie bei der nachhaltigen Entwicklung sieht es für die Laien eher so aus als würden konkrete Maßnahmen nur zögerlich geplant, weil man den großen gesellschaftlichen Umbruch nicht dem vermeintlich unwirksamen Flickwerk unterordnen will.

    Die Zukunft der gesamten Menschheit steht auf dem Spiel und nicht irgend ein unwichtiges und rein zufälliges Lokaldrama. So werden m.E. wichtige Veränderungen verhindert gerade weil die Umweltlobbyisten mit ihrem ewigen Katastrophengezeter im Mittelpunkt stehen wollen. Ihnen geht es m.E. nicht mehr um die konkrete Umsetzung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit sondern um einen politisch-gesellschaftlichen Umbruch bei dem sie die großen Helden und Gewinner sind. Konkrete Maßnahmen sind nur lästig und lenken von der Großartigkeit der moralischen Elite ab. Jedes kleinkarierte ideologische Scharmützel muss gewonnen, jede noch so berechtigte Kritik eloquent abgeschmettert werden. In diesem Krieg von Gut gegen Böse verlieren die Begriffe Klimaschutz und Nachhaltigkeit jegliche Bedeutung und andere notwendige Veränderungen zur Prävention realer Gefahren und Katastrophen werden verhindert.

    MfG

    Yeph

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  2. Ich möchte hier noch auf einen Artikel zum Thema hinweisen, den Hans und ich zusammen geschrieben haben: .

    In diesem Artikel steht ein interdisziplinärer Blick im Vordergrund, der Schwerpunkt liegt auf den sogenannten "anderen bzw. indigenen Wissensformen". Diese werden hier in nicht abwertender Weise dargestellt; der kritische Blick gilt vielmehr dem impliziten Herrschaftsanspruch herkömmlicher Klimaservices mit ihrer "monoculture of regional climate models", die tendenziell andere Wissensformen unsichtbar machen oder ihnen nur eine marginale Rolle zuweisen.

    Klimaservices treten ja vor allem im "global South" (oder bei uns in ländlichen Region, z.B.) nicht per se als neutrale Wissensvermittler auf, sondern als Vertreter machtvoller Institutionen mit explizit westlichem Wissen und Gesellschaftsvorstellungen - und tragen so unter Umständen zur Weiterführung ungleicher Machtverhältnisse z.B. aus der Kolonialzeit bei. Suraje Dessai, auf dessen Artikel Hans hinweist, fordert daher, dass eine Evaluation der Praxis von Klimaservices diesen Aspekt berücksichtigen muss:

    "In this sense, climate services evaluations must engage with the fact that these services will necessarily privilege some groups over others. Understanding the economic and ethical implications of providing climate information to certain groups, perhaps at the expense of others, is an important part of the climate service evaluation research agenda."

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  3. Und wer's genau und amtlich wissen will, hier der von HvStorch als lead und mir als contributing author mitverantwortete Teil im IPCC WG2 Bericht über Climate Serives, zu finden von 2.4.1. bis 2.4.1.3.. Interessante Lektüre, die so endet:

    "The climate science community does not necessarily take the lead, but becomes part on an inter- and transdisciplinary process, where politics, culture, religion, values and so forth become part of climate communication" mit der schönen Bewertung: (medium confidence) - (eine Bewertung, deren Herkunft und damit auch Grundlage mir irgendwie immer unbekannt blieb...).

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  4. Hallo Herr Krauß,

    wer erstellt denn diese Bemerkungen (z.B. "medium conference")? Ich dachte bislang immer, die Autoren seien dafür verantwortlich.

    PS:

    Habe gerade auch ihren Artikel zur Fußball-WM in Brasilien gelesen. Da hätte ich ja im Mai schon lesen können, dass Deutschland Weltmeister wird ;-)

    Sie sind kein Fußballfan, richtig? Meine ich zu spüren, und nicht nur deshalb, weil Sie Mesut Özil nach Chelsea verortet haben.

    Der brasilianische Anthropologe kommt in diesem Artikel in der ZEIT auf S.2 mit m.E. klugen Gedanken zu Wort, siehe http://www.zeit.de/politik/2014-07/brasilien-wm-scheitern-ernuechterung

    Viele Grüße
    Andreas

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  5. Andreas,

    ja, woher kommen diese Beurteilungen? Ich hatte sie mal rausgestrichen, und dann waren sie wieder da. Die Leitautoren wissen da mehr.

    Ich denke, es handelt sich hier um eine Angleichung an WG1 - und zugleich um ein Missverständnis. In WG2 sind auch Beiträge von den humanities, und die bestehen aus ganzen Sätzen, oft mehreren hintereinander, die auch noch unterschiedlich gelesen und ausgelegt werden können. Dies ist natürlich eine Provokation für den demonstrativen Anti-Intellektualismus der Klimaforschung, wo alles entweder richtig, falsch oder noch nicht ganz erforscht ist. Mit "confidence" Beurteilungen wird so eine Eindeutigkeit hergestellt, die es außerhalb der Statistik etc gar nicht gibt - auf der aber die Autorität der Klimaforschung gegenüber interpretativen Ansätzen basiert.

    Die Auswirkungen dieser Art Kolonialisierung sind für Disziplinen wie die Ethnologie verheerend: sie werden damit ihres eigentlichen Wesens, der Interpretation, beraubt. Dies ist der Subtext zu solchen Eingriffen: die Zurichtung auf die Spielregeln der Naturwissenschaften - die sich natürlich in der Forschungsförderung widerspiegelt bis hin zu solchen Kleinigkeiten wie "medium confidence" in einem Text über regional climate service.

    Andererseits aber auch ganz lustig, dass eine Passage, in der der Klimaforschung zukünftig nur ein Platz unter anderen zugewiesen wird, mit "medium confidence" abgeurteilt wird. Wäre ja nochmal schöner! Neben high, medium und low confidence gibt es eben auch noch die Kategorien "nützt mir / nützt mir gerade nicht"...

    Fußball: Ja, ich hatte in der letzten Korrektur Schürrle gegen Özil ausgewechselt, aber nicht die Vereine - Mist. Und Fan? Nun ja, ohne eine gewisse Leidenschaft für den Gegenstand schreibt sich sowas schwerlich. Aus Liebe zum Fußball eine Breitseite gegen die FIFA: so ganz falsch kann dies nicht sein, oder?

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