Reposted from ZAMG web page (mit freundlicher Genehmigung).
Im Anschluss an die fachlichen Artikel zu Erstellung und Interpretation langer Hochwasserreihen wendet sich dieser Kommentar von Dr. Manfred Mudelsee vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven bzw. Climate Risk Analysis in Hannover an selbstkritische Klimawissenschaftler, Philosophen und alle Autoren, deren Nature- oder Science-Arbeiten von den Medien ignoriert werden.
Naturwissenschaft muss die statistische Sprache verwenden. Wegen (1) der Endlichkeit der Datenmenge, (2) der Nichtperfektheit von Messgeräten und Klimamodellen und (3) der Verletzbarkeit gemachter Annahmen ist der Schluss auf die Klimawirklichkeit unter Verwendung der Daten nicht exakt. Bestandteil der statistischen Sprache sind Maße, diese Inexaktheit auszudrücken (Fehlerbalken, Konfidenzintervall, Konfidenzband, P-Wert, Robustheit). Schätzungen ohne Fehlerangabe sind wertlos (vgl. „Hochwasser"). Die Mathematik dagegen, sofern sie nicht gerade Wahrscheinlichkeitstheorie betreibt, darf sich auf die Sprache der Logik beschränken. Und „weichere“ Wissenschaften, von der Geografie bis hin zu den Geisteswissenschaften, können es gerne quantitativ-statistisch probieren, dürften es jedoch manchmal besser qualitativ versuchen. Als Wissenschaften sind alle drei Bereiche der Logik (Wahrheit) verpflichtet.
Selbstkritik
Ein gesundes Maß an Selbstkritik kennzeichnet „gute Wissenschaft“. Wie genau sind die Messgeräte? Wie realistisch ist ein Modell? Der erste Beitrag etwa befasst sich mit der Qualität der historischen Aufzeichnungen; für den Zeitraum vor 1500 ist diese niedrig wegen Inhomogenitäten. Die kritische Selbstbefragung erstreckt sich auch auf die Ergebnisinterpretation (zweiter Beitrag). Der Befund war eine Abnahme der Auftrittsrate von Winterhochwassern der mittleren Elbe und mittleren Oder im 20. Jahrhundert. Ist dieser robust gegenüber den ebenfalls im 20. Jahrhundert vorgenommenen Reservoirerrichtungen? Die Sensitivitätsstudie wies die Robustheit für starke Hochwasserereignisse nach. Für philosophisch ambitionierte, die kulturelle Einbettung berücksichtigende, selbstkritische Naturwissenschaftler sind folgende Namen relevant: Kant, Schopenhauer, Einstein, Popper, Kuhn, Sokal, Kandel und Polanyi, folgende nicht: Hegel, Carnap, Feyerabend und Ravetz (Listen unvollständig). Das „gesunde Maß“ wird gegenwärtig von vielen Klimawissenschaftlern und sich in Klimawissenschaften versuchenden Blog-Autoren unterschritten. Überschreiter publizieren notwendigerweise zu selten.
Fremdkritik
Ein gesundes Maß der Ermöglichung fremder Kritik kennzeichnet ebenfalls (Popper): Veröffentlichung der Rohdaten, Metadaten, abgeleiteter Datenprodukte und der dabei verwendeten Algorithmen. Das 2009 bekannt gewordene Fehlverhalten der University of East Anglia wurde zwar in Printmedien und Blogs angeprangert und daraufhin von der Urheberin teilweise korrigiert; trotzdem verstoßen noch immer Fachzeitschriften gegen diesen Kodex. Eigene leidvolle Erfahrung bei der Arbeit mit historischen Dokumenten zum Hochwassergeschehen war, dass selbst Kollegen in der sogenannten Scientific Community Datenanfragen unbeantwortet ließen, sich also der Fremdkritik nicht aussetzen wollten.
Nature-Artikel
Bisher gab es wenig konstruktive Fremdkritik auf den 2003 veröffentlichten Artikel zu den Hochwassern der Elbe und Oder, die es ermöglicht hätte, die Daten- oder Methodenbasis zu verbessern und dadurch genauere oder robustere Interpretationen zu erzielen. Den Grundgedanken von Hypothesentests missverstehenden Beiträgen in spezielleren Fachzeitschriften (NB: nicht Nature) wurde ebendort richtigstellend entgegnet: formal korrekte, obwohl nicht inhaltlich weiterführende Auseinandersetzungen. Es gab jedoch auch, von peer-reviewten Artikeln über den IPCC-Bericht 2007 und einem Buch von Lomborg bis hin zur Bild-Zeitung die Befunde verfälscht oder unvollständig darstellende Berichte: etwa dass es über die vergangenen Jahrhunderte keine signifikanten Trends im Hochwassergeschehen gegeben hätte oder dass Hochwassertrends im 20. Jahrhundert keinen klaren Aufwärtstrend zeigten. Als Reaktionen erfolgten (1) Richtigstellungen im Journal of Geophysical Research oder auf der eigenen akademischen Webseite und (2) die Selbstverpflichtung, künftig die Befunde sprachlich noch klarer zu repräsentieren. Man könnte sich weiterhin fragen, weshalb bekannte Medien wie FAZ, Spiegel, Süddeutsche oder Zeit trotz unserer Vorabinformation auf den Nature-Artikel nicht reagierten, und, wie der Klimaforscher Hans von Storch, ein unpassendes kulturell-politisches Umfeld oder, wie die Journalisten Maxeiner und Miersch, eine Langweiligkeit des Befundes („Hund beißt Mann“) dafür verantwortlich machen. (Diese Journalisten lagen jedoch falsch, unseren Artikel als „Topmeldung“ in der „internationalen Medienlandschaft“ zu sehen.) Derartige Fragen sind für mich als Klimatologen wissenschaftlich uninteressant und als Unternehmer ökonomisch irrelevant; Soziologen mögen sich dafür interessieren, ich mag darüber beim Bier in der Kneipe oder im elektronischen Pub (Blog) schwätzen. Die wissenschaftlich wirklich interessante und wirtschaftlich hochrelevante Frage ist, wie sich auf dekadischen Zeitskalen und angemessen kleinen Räumen (Einzugsgebiete bzw. Korrelationslängen Niederschlag) das Hochwasserrisiko mit dem Klima ändert. Änderung bedeutet Gewinn oder Verlust, und genaueres oder robusteres Wissen über Änderungen ist ein Vorteil.
Projektionen
- Die Einbeziehung hydrologischer Kompetenz und der Anschluss hydrologischer Modelle an die Klimamodelle wird belastbarere Aussagen zum Hochwassergeschehen erzeugen.
- Verbesserte statistische Analysemethoden und Sensitivitätsuntersuchungen helfen, den Unsicherheitskorridor besser abzuschätzen und etwas zu verengen.
- Bessere Fragen/Schätzobjekte lassen sich genauer oder robuster untersuchen; bessere Schätzmethoden beantworten gleichlautende Fragen genauer oder robuster (häufig erkauft man sich Robustheit auf Kosten von Genauigkeit). Das heißt: Klimawissenschaftler werden gemeinsam mit Statistikern hier den Entscheidungsträgern das bessere Fragen beibringen.
- Das IPCC wird professioneller mit eigenen Fehlern umgehen, die statistische Sprachfähigkeit verbessern, angemessener auf Fremdkritik reagieren und dadurch das maßgebende klimawissenschaftliche Beratungsorgan bleiben.
- Blogs und Printmedien werden auch in Zukunft unserer Unterhaltung dienen. Lernen passiert auch künftig alleine am Schreibtisch oder in Zweiergesprächen.
Dank und Hinweis:
Der Zentralanstalt und Reinhard Böhm sei gedankt für das Interesse und die Bereitschaft zur Veröffentlichung dieser Beiträge zum Hochwassergeschehen auf ihren Webseiten. Ich danke sehr für konstruktive Kommentare zu einer vorherigen Manuskriptversion: Mersku Alkio, Reinhard Böhm, Michael Börngen, Mathias Deutsch, Uwe Grünewald, Robert Hübner, Gerd Tetzlaff und Hans von Storch; dieser Beitrag gibt nicht notwendigerweise die Meinung der Kommentatoren wieder. Die Bild-Zeitung gab freundlicherweise die Erlaubnis zur Reproduktion von Abbildung 1. Die Nennung der Namen im zweiten Absatz bezieht sich auf die zitierten Literaturstellen bzw. Links, nicht die Personen.
Links:
GLOWA-Projekte
KLIFWA-Projekt
Klimablog Climate Audit
Klimablog KlimaLounge
Klimablog Klimazwiebel
Klimablog RealClimate
KLIWAS-Projekt
KliWES-Projekt
Maxeiner D., Miersch M. (2003): Mann beißt Hund. Website
Mudelsee M. (2011): Corrections. Website
Ravetz J. (2010): Part 2 – Answer and explanation to my critics Website
Literatur:
Bild-Zeitung (Hg.) (2007): Forscher sicher: Nie mehr Elbe-Flut im Winter! Bild-Zeitung, 26. Juni 2007, 6
Bronstert, A., Menzel L., Kundzewicz Z.W. (2004): Leserbrief zum Kurzbeitrag „No upward trends in the occurence of floods in central Europe“. Hydrobrief 23, 2–4
Carnap R. (1931): Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft. Erkenntnis 2, 432–465
Diodato N. (2004): Local models for rainstorm-induced hazard analysis on Mediterranean river-torrential geomorphological systems. Natural Hazards and Earth System Sciences 4, 389–397
Einstein A. (1949): Autobiographical notes. In: Schilpp P.A. (Hg.): Albert Einstein: Philosopher–Scientist. Evanston: Library Living Philosophers, 1–95
Feyerabend, P. (1986): Wider den Methodenzwang. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 423 Seiten
Grünewald U., Mudelsee M., Tetzlaff G., Börngen M. (2004): Erwiderung zum „Leserbrief zum Kurzbeitrag ‚No upward trends in the occurrence of extreme in central Europe’ im Hydrobrief 22, Seite 3–4, Axel Bronstert et al.“. Hydrobrief 24, 3–4
Hegel G.W.F. (1807): Phänomenologie des Geistes. Bamberg: Goebhardt[Ausgabe 1907, Lasson G.(Hg.), Leipzig: Dürr, 532 ]
Kandel E.R. (2006): In search of memory: The emergence of a new science of mind. New York: Norton, 510 Seiten
Kant I. (1781): Critik der reinen Vernunft. Riga: Hartknoch, 856
Kuhn T.S. (1970): The Structure of scientific revolutions. 2. Aufl. Chicago: University of Chicago Press, 210 Seiten
Kundzewicz Z.W. (2004): Editorial―Searching for change in hydrological data. Hydrological Sciences Journal 49, 3–6
Kundzewicz Z.W. (2004): Reply to discussion of „Editorial―Searching for change in hydrological data“. Hydrological Sciences Journal 49, 528–530
Lomborg B. (2007): Cool it: The sceptical environmentalist's guide to global warming. New York: Knopf, 253 Seiten
Mudelsee M. (2010): Climate time series analysis: Classical statistical and bootstrap methods. Dordrecht: Springer, 474 Seiten
Mudelsee M., Börngen M., Tetzlaff G., Grünewald U. (2004): Discussion of „Editorial―Searching for change in hydrological data" by Z. W. Kundzewicz. Hydrological Sciences Journal 49, 527
Mudelsee M., Börngen M., Tetzlaff G., Günewald U. (2003): No upward trends in the occurrence of extreme floods in central Europe. Nature 425, 166–169
Mudelsee M., Börngen M., Tetzlaff G., Grünewald U. (2004): Extreme floods in central Europe over the past 500 years: Role of cyclone pathway “Zugstrasse Vb.” Journal of Geophysical Research 109, D23101, doi:10.1029/2004JD005034
Polanyi M. (1958): Personal knowledge: Towards a post-critical philosophy.Chicago: University of Chicago Press, 428 Seiten
Popper K. (1935): Logik der Forschung: Zur Erkenntnistheorie der modernen Naturwissenschaft. Wien: Julius Springer, 248 Seiten
Ravetz J. (2006): The no-nonsense guide to science.Oxford: New Internationalist, 142 Seiten
Sauer H.D. (2002): Nur die Elbe ist hochwassersicher. vdi-Nachrichten, 20. September 2002
Schopenhauer A. (1851): Skizze einer Geschichte der Lehre vom Idealen und Realen. In: Parerga und Paralipomena. Bd. 1. Berlin: Hayn [Ausgabe 1986, Löhneysen W. (Hg.), Frankfurt am Main: Suhrkamp, 9–42]
Sokal A., Bricmont J. (1998): Intellectual impostures. London: Profile Books, 274 Seiten
Trenberth K.E., Jones P.D., Ambenje P., Bojariu R., Easterling D., Klein Tank A., Parker D., Rahimzadeh F., Renwick J.A., Rusticucci M., Soden B., Zhai P. (2007): Observations: surface and atmospheric climate change. IPCC (Hg.) (2007): Climate change 2007. The physical science basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge, New York: Cambridge University Press, 235–336
Ein sehr meinungsfreudiger Beitrag!
ReplyDeleteBesonders schön die Liste, welche Namen für den kulturwissenschaftlich ambitionierten Naturwissenschaftler relevant sind und welche nicht. Da kann man mit Loriot nur staunend ausrufen: Ach was!
Wie würde Ihre Liste wohl aussehen, Herr Krauss? Würde dabei eine bestimmte Art von Frankophilie zum Ausdruck kommen?
ReplyDeleteW.v.B.
@W.v.B.
ReplyDeleteDas "Ach was!" bezieht sich gar nicht so sehr auf die Auswahl, sondern auf die keinen Widerspruch duldende Formulierung "sind folgende Namen relevant".
Gleiches gilt für die gleich mehrfach verwendete Maßeinheit "ein gesundes Maß", die sicherlich ähnlich hochwasserfest ist.
Aber ein solches "ach was!" ist für Herrn Mudelsee als Wissenschaftler und Unternehmer natürlich völlig irrelevant, da es ja um die "wirklich interessante und wirtschaftlich hochrelevante Frage" des Hochwasserrisikos unter veränderten klimatischen Bedingungen geht.
Alles andere ist, wie Herr Mudlesee selbst freimütig einräumt, ja nur seiner Neigung zu verdanken, "bei einem Bier in der Kneipe oder im elektronischen Pub (Blog) (zu) schwätzen".
Ich verstehe nicht, was die A und B Liste der Philosophen uns sagen soll, bzw. was die Logik der beiden Listen ist. Ausserdem sind 'Namen' keine gute Approximation an relevante Gedanken, derselbe Autor mag sich widersprechen oder seine Meinung ändern. Besser wäre eine detaillierte Quelle (keine Einkaufsliste), wenn es denn sein muss.
ReplyDeleteLernen soll nur am Schreibtisch oder im Zwiegespräch möglich sein? Warum nicht in anderen Interaktionen?
Interessant, welche Aspekte den Herren Krauss und Grundmann als erstes ins Auge springen.
ReplyDeleteWahrscheinlich sind Sie überqualifiziert :-)
Mir als kleinem ehemaligen Experimentalphysiker mit Nebenfach Wissenschaftstheorie (seinerzeit bei Bernulf Kanitscheider - das kann prägen, sage ich Ihnen!) erscheint intuitiv schon klar, wie Herr Mudelsee an die Dinge herangeht, schon anhand der Namen und ohne detaillierten Waschzettel.
Konkret finde ich ansprechend, dass er bspw. für ältere Quellen darauf verweist, dass eine Quantifizierung mit Konfidenzbereich nicht möglich sei - und warum. Hier wird nicht versucht, aus einer Handvoll Daten die letzten 2000 Jahre zu rekonstruieren.
Formulierungen wie "legt die Interpretation nahe, dass.." finde ich allemal passender als das in vielen Papers anzutreffende Geschwurbel aus 10 Mal "may" und "and in conjunction with Z when A, B..Y applies" im Fließtext, wobei letzteres in der Zusammenfassung oder gar der Überschrift des Papers zu einer felsenfesten Gewissheit gerinnt. Von der Presseinfo der jeweiligen Forschungseinrichtung oder der Rezeption in ScienceNature etc. mal ganz zu schweigen.
Naiv ist vielleicht das Abtun der Printmedien und - mit sicher weniger Impact - der Blogs als lediglich "unterhaltsam". Hier verkennt er m.E. die selbstreferenzielle Dynamik innerhalb der "Eliten" aus Politik, Medien und politisierter/politisierender Wissenschaft. Gerade diese Dynamik liefert ja den Kontext, in welchem seine Arbeitsergebnisse (miss) gedeutet werden.
Jedenfalls macht Herr Mudelsee sinnvolle konkrete Vorschläge - auch wenn Herrn Krauss nicht klar zu sein scheint, dass eine Maß - wenigstens in Bayern - noch als gesund gilt ;-)
Wesentlicher finde ich die formulierten Anforderungen:
"Veröffentlichung der Rohdaten, Metadaten, abgeleiteter Datenprodukte und der dabei verwendeten Algorithmen." Dies ist m.E. das Minimum.
Eigentlich müsste man noch einen Schritt weitergehen, und auch klare Anforderungen an die zulässigen statistischen Methoden formulieren oder bspw. auch definieren wie und unter welchen Umständen ein verwendetes Modell auf "Skill" geprüft werden kann.
Als kleine Info aus der welt der Realwirtschaft: Es gibt mathematisch-physiko-chemische Modelle für industrielle Produktionsprozesse, die haben "Skill" (weil-sonst-Ärger-mit-Kunde). Ob und wie das VORAB sichergestellt werden kann, weiß ich nicht, aber ich frage nach.
@3 Lieber Herr Krauss,
ReplyDeleteSpott ist mir ja nun wirklich nicht fremd, aber wenn der "Wissenschaftler und Unternehmer" Mudelsee die "wirklich interessante und wirtschaftlich hochrelevante Frage" des Hochwasserrisikos in einem definierten Gebiet behandelt, tut er damit a jour genau das Richtige.
Wenn mich nicht alles täuscht, können wir mittlerweile Mitigation vergessen. It Ain´t Gonna Happen. Wer leidenschaftslos zusah, wusste das allerspätestens nach Kopenhagen. Also sind zunehmend Anpassungsstrategien relevant. I say so :-)
Dafür wiederum brauche ich keine globalgalaktischen Aussagen, sondern konkrete, belastbare Infos, die ich auf eine klar umrissene Region herunterbrechen kann. Glasperlenspiele wie die Faltung von GCMs mit einigermaßen dokumentierten Großwetterlagen der jüngeren Vergangenheit mögen vielleicht eine Rahmen bieten, ein bisschen genauer darfs aber dann doch sein. Siehe Diskussion ums Arnell-Paper inkl. Einwand von Zorita, dass neuere GCM-Ergebnisse ein noch uneinheitlicheres Bild ergeben, als die seinerzeit von Arnell verwendeten Szenarien.
Wenn die Mudelsees dieser Welt dazu eine konservativ analysierte Datenbasis liefern, ist das m.E. wichtiger als das 104te Finetuning am GCM 08/15 (Skill, anybody? Wie wär´s mit ein wenig regionalem Hindcast ohne vorherige Anpassung. Zählt als Test genauso wie eine gelungene Zukunfts-Prognose).
Und zur "wirtschaftlichen Hochrelevanz": m.E. wird auch dies oft vernachlässigt. Wenn es tatsächlich zu Klima bedingten Veränderungen kommt: reicht es evtl. zu sagen "Nicht in Auen bauen", wenn man nahe an Oder und Elbe wohnt - oder muss ich wg. 0,74% mehr Niederschlag die deutsche Zement- oder Stahlindustrie unrentabel machen?
Lieber Rainer S.,
ReplyDeletevielen Dank für die klugen Kommentare. Ich stimme voll und ganz zu, dass
a) meine (und wahrscheinlich auch Reiner G.s) Reaktion wirklich sehr speziell ist - allergisch gegen den oben-herab Ton von naturwissenschaftlichen Belehrungen, was man kulturwissenschaftlich gefälligst zu tun / zu lesen habe; wahrscheinlich eine Berufskrankheit als Folge interdisziplinärer Arbeit -:)
und b) dass Herr Mudelsee "genau das richtige" tut, wenn er sich mit der hochrelevanten Hochwasserfrage in einem definierten Gebiet beschäftigt.
Ich habe nach der Elbeflut mit meiner Kollegin Monika Rulfs einen Analyse der Medienberichterstattung zur Elbeflut durchgeführt und wir sind dabei u.a. zu dem Ergebnis gekommen, dass damals über alles mögliche - vor allem Elbeflut als Folge / Vorzeichen des Klimawandels - geredet wurde, aber das Naheliegende eher vernachlässigt wurde, wie z.B. Bebauung der Elbauen, das "Vergessen" historischer Elbefluten etc.
Inzwischen ist schon wieder viel Wasser die Elbe hinabgeflossen, und ich lese mit Interesse bei Herrn Mudelsee, dass heute sich die Fragestellung darauf konzentriert wie sich das Hochwasserrisiko dekadisch zum Beispiel an der Elbe mit dem Klima ändert.
Ich lese auch mit Interesse, welche Streitigkeiten heute damit verbunden sind, auf welche Weise heute die Forschung und die Medien ineinander verstrickt sind und so das Klima wieder einmal das tut, was es am besten kann: alles durcheinander wirbeln und alles mit jedem verknüpfen.
Hier der link zu unsere Studie: "Bilder der Flut – Bilderfluten
Einschätzung der medialen Darstellung des Elbehochwassers im August 2002"
coast.gkss.de/staff/storch/pdf/BILDER_der_FLUT.pdf
Lieber Herr Krauß,
ReplyDeletedanke für die Zusammenstellung der Press-Clippings! Das wäre eine schöne Basis für eine Semesterarbeit in einem Journalistik-Studiengang (gewesen). Wenn es nach mir ginge, müssten auch unsere Volontäre wenigstens einmal die mediale Behandlung eines Aufreger-Themas analysieren, aber dazu fehlt im Arbeitsalltag die Zeit.
Den Disput Kachelmann - DWD hatte ich schon wieder vergessen. Spannend, wieviele Stakeholder es gibt.
Ebefalls interessant finde ich den Umstand, dass sich Mojib Latif in HA 14.08.02 Attribution-mäßig weiter aus dem Fenster lehnt als bspw. Ernst Rauch von Munich Re (IV in der FAZ 25.08.02).
Dass sich die Fragestellungen bei diesem konkretem Thema mittlerweile verlagert haben, halte ich für ein gutes Zeichen. Offensichtlich gibt es noch genug Arbeiten, die sich unterhalb des Postnormalen um Wissensvermehrung bemühen - und dabei die Grenzen der eingesetzten Methoden berücksichtigen und explizit darstellen. Vielleicht ist es ganz gut so, dass die Ergebnisse dieser Arbeiten nicht sexy genug für die Tagespresse sind.
Ach, obiger link war der Anhang?
ReplyDeleteEine Auswertung und Interpretation finden Sie hier unter Krauss / Rulfs:
http://www.hzg.de/central_departments/library/publications/berichte_2003/index.html.de
Ja, das finde ich auch gut, dass sich offensichtlich die Fragestellung verändert hat. Ob sich Manfred Mudelsee diesbezüglich noch einmal äußern mag? Gerne wüsste man noch mehr...
Form. Für die bisherigen sachlichen Kommentare dankend, will ich zuerst kurz auf das Format des ursprünglichen ZAMG-Beitrags, der hier auf der Klimazwiebel reproduziert ist, hinweisen: persönliche Sichtweise bei eingeschränkter Anzahl Wörter. Mein Ton war deshalb knapp und direkt, ich hoffe: auch sachlich. Die Listen bezogen sich deshalb, so der Hinweis am Ende des Textes, Herr Grundmann, auf die zitierten Literaturstellen, nicht die Personen; wir stimmen in diesem Vorgehen wohl überein. Für mich
ReplyDeleteinteressant: es wurde weder inhaltlich Kritik an der Liste geübt noch eigene Alternativlisten vorgestellt.
Lernen. Man kann natürlich auch in der Kneipe etwas Interessantes aufschnappen; wenn man dazu lernen will, muss man jedoch das Aufgeschnappte kritisch prüfen (etwa: Originalquellen suchen und analysieren). Es ist egal, woher das Neue kommt, aus einem Science-Paper, der Zeitung oder eben der Kneipe. Dieser Teil des Lernens ist ein Prozess, so meine Erfahrung, bei dem man letzten Endes alleine ist. Auch mir ist die angesprochene „selbstreferenzielle Dynamik“ (RainerS) nicht fremd, jedoch lasse ich mir dadurch nicht meine Untersuchungsgegenstände, -methoden oder -ergebnisse vorschreiben.
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ReplyDeleteHochwasser-Fragestellungen. Weil Niederschlag räumlich stark variiert, muss man Hochwasseranalysen auf der Skala der Einzugsgebietsgröße (oder kleiner) vornehmen. Weil (in Zentraleuropa) die Hochwasserursachen für den Sommer sich von denen für den Winter unterscheiden, muss man auch hier entsprechend differenzieren. Man sollte deshalb ähnliche Hochwasserrekonstruktionen und Datenanalysen wie für Elbe und Oder auch für andere Flüsse vornehmen. Wir haben dies für die Werra getan, mit dem Befund teilweise abweichender Hochwassertrends über die Zeit. Eine Schlussfolgerung hieraus ist, dass die Sichtweise, mit erhöhter Temperatur und entsprechend erhöhter Wasserdampfaufnahmefähigkeit der Atmosphäre (Clausius-Clapeyron-Gleichung) stiege auch „automatisch“ das Hochwasserrisiko, zu einfach ist. Mit dem Klima können sich auch bevorzugte Windrichtungen ändern (Grosswetterlagen), was ebenfalls (orographischer Niederschlag) das Hochwasserrisiko beeinflussen kann. Aus meiner Sicht ist deshalb zur Frage der Hochwassertrends noch viel Detailarbeit zu leisten; spontan fallen mir hierzu die Arbeit von Bruno Merz (GFZ Potsdam) und das KLIWAS-Projekt ein.
ReplyDeleteDie Forderung nach „zulässigen statistischen Methoden“ (RainerS) halte ich für etwas zu streng. Es sollte, Kuhn folgend, doch zumindest zu Anfang einer Analyse möglich sein, sich die gleichen Daten mit unterschiedlichen Brillen/Paradigmen/statistischen Methoden anzusehen; das ist auf jeden Fall bereichernd. Das kritische Element kann man hier wieder stärken, etwa mit Hilfe vieler, im Computer künstlich erzeugter Daten (in ihren statistischen Eigenschaften möglichst nahe an den Messdaten), an denen man dann die Methoden vergleichen und die für die jeweilige Fragestellung geeignetste heraussuchen kann. (Man nennt das Monte-Carlo-Experiment; dieses Vorgehen ist unter anderem auch in meinem Buch beschrieben.)
#Yeph, Kommentar 190
ReplyDeleteSie werfen mir Missachtung elementarer Höflichkeitsregeln vor. Hier bin ich ausnahmsweise empfindlich und bitte Sie, Ihre Vorwürfe zu belegen, damit ich mich gegebenenfalls entschuldigen kann. Ich meine fast, dies wird nicht nötig sein.
Ich würde also gemäß Ihrem Kommentar Ihre Fragen nicht beantworten. Nun, dazu ist zumindest die Kenntnis Ihrer Fragen erforderlich, ich kenne sie aber leider gar nicht.
Einzige Frage, die ich jetzt kenne, ist, was ich im Vergleich zur Aussage von HvS über das Versagen von Klimamodellen an „Theorie“ anzubieten habe. Hier erlaube ich mir Sie höflich darauf hinzuweisen, dass Sie offenbar missverstehen, was man in der Wissenschaft unter einer „Theorie“ versteht. Eine geschlossene Klimatheorie ist mir unbekannt, es gibt lediglich unzählige Klimahypothesen. Ich habe daher keine Theorie zur Hand, HvS hat auch keine, niemand hat eine, nur fanatische AGW-Vertreter auf der einen und ebenso fanatische Klimaskeptiker auf der anderen Seite scheinen über geschlossene Klimatheorien zu verfügen.
Was ich anzubieten habe? Primär den Blick auf die Klimavergangenheit. Ich kann kein aktuelles Klimaphänomen seit Beginn der Industrialisierung erkennen, das sich von den Klimavariationen der Vergangenheit in Stärke oder Geschwindigkeit abhebt. Der von einer starken Abkühlungsperiode unterbrochene globale Temperaturanstieg des 20. Jh. ist im Vergangenheitsvergleich absolut nichts Besonderes. Hierzu reicht bereits ein Blick auf die letzten 2000 Jahre aus, von Zeiten nach der Weichsel-Kaltzeit mit ihren oft brutalen Klimaschwankungen ganz zu schweigen (damals kamen klimarelevante Änderungen von mehreren Celsiusgraden in einer Menschenlebenszeit vor, heute geht es um Zehntelgrade).
Dies ist das wichtigste Argument. Gemäß dem Ockham’schen Wissenschaftsparadigma ist anthropogenes CO2 zur Erklärung der Klimaentwicklungen aller Klimazonen unserer Erde nicht erforderlich. Anthropogenes CO2 hat aus physikalischen Gründen zweifellos einen erwärmenden Einfluss, dieser ist aber direkt unmessbar, er geht in den natürlichen Variationen unter. Oder mit anderen Worten: Die vom IPCC „angebotene“ Klimasensitivität des CO2 ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit stark überschätzt.
Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke
Yeph, nicht nervös machen lassen.
ReplyDeleteDas ist wieder eine typische Lüdecke-Mail: formell höflich, in der Sache eine wilde Mischung aus Trivialiäten plus ein Haufen zweifelhafte Spekulationen und Behauptungen, die höchst unsicher sind. Sich mit ihm auseinanderzusetzen, heißt nur, ihn aufzuwerten - denn das muß sein Interesse sein: präsent sein, um so den Eindruck zu erwecken, er und sein Verein hätten etwas zu sagen. Wir haben hier auf der Klimazwiebel mehrfach vorgeführt bekommen, wie es um seine Wissensbasis und seine Fähigkeit steht, Aussage mit großer Sicherheit unabhängig von der Richtigkeit vorzutragen. Lassen Sie ihn reden, wenn es ihm denn Spaß macht.
Aber vielleicht konfrontieren Sie ihn lieber auf seinem Blog; da können Sie gleich auch ein paar Experimente machen, inwiefern man dort kontroverse Aussagen erscheinen läßt. Sie können dann ja berichten.