Vortragsankündigung: Nacht des Wissens, Universität Hamburg,2. November

Wozu braucht Klimaforschung Geisteswissenschaften? 

Klimaforschung wird weitgehend von Naturwissenschaften dominiert. Typische Fragen beziehen sich darauf, wie die Klimakomponenten sich gegenseitig beeinflussen, etwa Ozean und Atmosphäre, und wie das Gesamtsystem auf externe „Antriebe“ reagiert, etwa veränderliche Sonnenleistung oder erhöhte Gegenwart von Treibhausgasen. Andere Fragen zielen auf Wahrscheinlichkeitsverteilungen, gerade von Extremen, oder welche Wirkungen das veränderliche Wetter und Klima auf Gesellschaft und natürliche und gestaltete Umwelt haben kann. In diesem Zugang kommt der Mensch, als ein Subjekt mit Werten und Wahrnehmungen, nicht vor: Er ist Teil des „Antriebes“, als das er Substanzen freisetzt. Er ist auch ein Objekt, wenn es darum geht mit den Gefahren und Möglichkeiten des Klimas umzugehen.

Wenn es um diese Rolle geht, so nimmt sich hier die Klimaimpaktforschung, insbesondere in der Geographie, und Wirtschaftswissenschaften, vieler relevanter Fragen an.

Der Mensch ist aber noch mehr, nämlich eben Subjekt, das sich mit Wahrnehmungen und Deutungen konfrontiert sieht, mit gesellschaftlichen Entscheidungen in einem Kontext voller Werte. Dann stellt sich die Gesellschaft dar, als eine Ansammlung von „Stämmen“, die jeweils mit ihren eigenen Werten, Regeln, Deutern und Häuptlingen ausgestattet sind. Ein Stamm mag jener der Küstenbewohner sein, ein anderer der Stamm der Klimaforscher, ein dritter der von NGOs, ein vierter von der von gläubigen Christen: Verschiedene soziale Akteursgruppe, die natürlich nie disjunkt sind, niemals scharf definiert. Die „Stämme“ stelle nur eine konzeptionelle Klammer dar, deren Analogie man nicht zu weit treiben darf. Aber immerhin, die Analogie führt uns zu verschiedenen Wissensansprüchen und deren sozialen Bedeutungen, also zu Fragen der Macht, der Überlegenheit – im Wesentlichen also der Deutungshohheit.

Hier kann eine Rolle von Geisteswissenschaften einsetzen, von der Anthropologie, zur Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie, um einige zu nennen. Es gilt die verschiedenen Wissensformen und –ansprüche auszuleuchten, der soziale Verankerung, und deren politische Nützlichkeit zu bestimmen. Weitere Fragen gehen dahin, inwieweit Wissenschaft eine besondere Wissensform ist, von der besondere Autorität ausgeht, und ob diese für weltanschaulich oder wirtschaftlich geleitete Interessen eingesetzt wird.

In dem Vortrag wird auch das Konzept der „Klimafalle“ angesprochen, das im gleichnamigen Buch von Hans von Storch und Werner Krauss entwickelt wird. Dieses Konzept hebt darauf ab, dass das wissenschaftliche Wissen zur wesentlichen Legitimation in der politischen Willensbildung geworden ist – jedenfalls im Falle der Klimapolitik. Politische Diskussion über Präferenzen und Werte werden ersetzt durch unendliche Debatten zwischen Warnern und Skeptikern über die „Wahrheit“ des wissenschaftlichen Wissens, aus der sich vorgeblich „alternativlos“ politische Entscheidungen ergeben. sind. Politik wird damit weniger als Ergebnis von Verhandlungen und Abwägung von Werten dargestellt, sondern als aus dem überlegenen Wissen einer der beteiligten sozialen Akteursgruppe – „der“ Wissenschaft - ableitbar beschrieben. Für die Wissenschaft bedeutet es, dass der selbstkritische Diskurs nur noch eingeschränkt möglich ist, weil so ein Diskurs als Bedrohung für die als alternativlos dargestellte Klimapolitik wahrgenommen wird.