COP21 und globale Problemlösungskompetenz
Florian Rauser
Paris steht vor der Tür, in New York werden gerade die Sustainable Development Goals verhandelt, die COP20 in Lima ist schon wieder fast ein Jahr her. Verhandelt wurde und wird - wie jedes Jahr - nicht weniger als die Zukunft unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Verschoben wurde - wie jedes Jahr - das Ergebnis, dieses Mal aber gemäß Plan, auf die neue letzte Chance: Paris 2015, COP. Was muss, was kann Paris Leisten?
Der COP Prozess geht jetzt seit über zwei Dekaden seinen Gang und wird dieses Jahr, im 23ten Jahr, seinen vorlaufigen Höhepunkt erreichen, die geplante Unterzeichnung eines legalen Frameworks (oder Vertrags) zur verbindlichen Emissionssteuerung über die nächsten Jahre, wie in Durban 2011 beschlossen, eine Art selbstverordnete Deadline eines Prozesses, der sich selbst misstraut. Der COP Prozess ist schon oft genau deswegen als gescheitert bezeichnet worden, da es bis heute keine rechtlich bindenden Vertrage für alle Länder gibt - und die, die es gab (Kyoto Protokoll), keine starke Wirkung hatten - der globale CO2 Ausstoß hat sich weiter erhöht in den letzten Dekaden, ohne sichtbaren Einfluss der Verhandlungen, nicht einmal auf die Geschwindigkeit der Zunahme. Unbestreitbar. Trotzdem ist die Gesamtsicht des Prozess als Fehlschlag irregeleitet. Der Prozess tut genau das, was er soll, und vor allem, was er leisten kann. Er kommuniziert nur nicht, was dieses Losungspotential und die damit verbundenen Zeitraume eigentlich darstellt und scheitert an der überzogenen Erwartungshaltung. Die COPs stellen den Versuch eines öffentlichen, langfristigen Problembewaltigungsprozesses in globaler politischer Einheit dar, und die resultierende Geschwindigkeit reflektiert genau das: die (derzeitige) Fähigkeit der Welt, mit langfristigen Problemen umzugehen.
Der Klimawandel ist bei aller Schwierigkeit und Bedeutsamkeit ein Problem unter weiteren auf dem Weg zu einem Planeten, der im Jahr 2100 (oder davor, oder danach) allen darauf lebenden Menschen ein lebenswertes Leben bieten soll. Institutionen, Firmen, oder andere Gruppierungen von Menschen lösen komplett neue Herausforderungen selten gut in alten Institutionen und Problemlösungsmechanismen. Die Menschheit trifft im Falle des Klimawandels zwar auf ein gut dokumentiertes, klar verstandenes Problem, das gleichzeitig aber unterschiedlich große Einflüsse auf beinahe alle Akteure und Prozesse der Welt hat, von Ernährung, über Gesundheit, zu Migration und Wirtschaft. Was würde ein imaginarer, neutraler, rationaler "Berater" einer ebenso imaginären Weltregierung hier empfehlen, die die Interessen aller derzeitigen Erdenbürger zu berücksichtigen hatte? Natürlich permanente, langfristige Beratung über optimale Strategien durch Abwägung regionaler Interessen, Implementierung dieser Strategien, Implementierung von Metriken for die regelmäßige Überprufung und Feinanpassung der Strategie, und einen Zeitplan, die Gesamtstrategie anzupassen. Genau das findet - theoretisch - im UNFCCC Prozess statt, und dieser Prozess ist per Konstruktion kontinuierlich und langwierig. Die COP21 kann 2015 keine Lösung finden, die das Menschheitsproblem "Gestaltung unseres Planeten im Anthropozän" for immer - oder auch nur für die nachsten 30 Jahre - löst. In diesem Zusammenhang sollte der UNFCCC Prozess auch endlich die Fixierung auf das Jahr 2100 (oder 2020 oder 2050) aufgeben. Perioden wie sie das Kyotoprotokoll eingeführt hat, sind zu Buchhaltungszwecken sinnvoll, eine Diskussion über das politisch genehme Referenzjahr wie derzeit üblich (die INDCs haben kein einheitliches Startjahr) konnten durch eine ,,Entfristung" der Diskussion ad absurdum geführt werden (jedes Land hat naturlich indirekt ein Reduktionsziel pro aktuelle Dekade. Dies sollte auch so kommuniziert werden). Das Management unseres Klimas und das Vermeiden van menschengemachten gefährlichen Störungen ist eine kontinuierliche, permanente Aufgabe, die die Menschheit lange noch nicht bewusst angenommen hat. Die Menschheit verändert die Welt regional und global seit vielen Jahrzehnten, und hat als Ganzes als ersten Schritt eingesehen und beschlossen, dass diese Veränderungen möglichst nicht gefährlich sein sollten, in der Ratifizierung der Klimarahmenkonvention Anfang der 90er Jahre. Jetzt mussen wir dauerhaft, rational überlegt unser Verhalten anpassen, eine historische einmalige Herausforderung für einen politischen Prozess. Es gibt ein Teilvorbild, die Millenium Development Goals, wenn auch diese konstruktionsbedingt mit kurzeren Erfolgsmetriken versehen waren und sind. Ähnlich wie bei den MDG und den neuen Sustainable Development Goals SDGs sollten wir uns Klimapolitikziele setzen für 5 Jahre, für 15 Jahre, für 100 Jahre, und diese und ihre Folgen auf das Klima und die Welt permanent überprufen, und unseren Kurs entsprechend anpassen. Einige Akteure nennen das die "Aufwärtsspirale'', die Hoffnung, dass eine Gesamtbereitstellung van nationalen Klimaschutzplanen (INDC) eine Aufwärtspirale in Gang setzen kann. Wenn gesellschaftliche und staatliche Akteure und Gruppen mit der erreichten Geschwindigkeit unzufrieden sind (oder mit den absehbaren Folgen des derzeitigen Konsens), dann bedeutet das mehr Aufwand, mehr Kommunikation und mehr Engagement, aber nicht das Ende des Prozesses und sollte auch keine Verweigerung des Konsense mit sich führen - und Abkürzungen durch andere Strukturen erscheinen wenig vielversprechend. Zu jedem Zeitpunkt sollte die Anpassungsfähigkeit und Geschwindigkeit der gesellschaftlichen Veränderungen hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft zu optimieren sein, aber auch hier nicht losgelöst van aktuellen politischen und gesellschaftlichen Prozessen. Wir sollten uns immer vor Augen halten, dass dieser Prozess auf Jahrzehnte aufrechterhalten werden muss. Eine zu starke Fokussierung auf eine politische Entscheidung einer speziellen (der aktuellen) Generation, wird diese Robustheit nicht stärken, ein globaler Plan, die menschengemachten Einflüsse auf unseren Planeten ungefährlich zu belassen, sollte nicht von einer einzelnen Wahl in einem einzelnen Land abhängen. Zudem wird gelten: je stärker der Mensch das Klima beeinflusst, desto mehr wird darüber geredet. Das Zeitalter des Anthropozän ist leichter ausgerufen als geplant. Der Prozess eines sich selbst immer wieder aktualisierenden Zielhorizonts beinhaltet selbstverständlich auch Risikoneubewertungen bei neuen Erkenntnissen aus der Erdsystemwissenschaft (zur physikalischen Kapazität des Erdsystems mit dem Störer Mensch umzugehen, ein bedeutender aber kleiner Teilaspekt des Problems), Gesellschaft oder Technik (zur sozialen und technischen Kapazitat des Storer Mensch, mit dem Erdsystem umzugehen).
Der Prozess einer institutionellen, generations-übergreifenden, grenzüberschreitenden, globalen Problemlösungskompetenz ist relativ neu (es gibt ihn in Ansätzen erst seit dem Zweiten Weltkrieg). Es gab vorher weder die Notwendigkeit noch die Gelegenheit für die Menschheit, sich als Gruppe Ziele zu definieren und zu verfehlen oder einzuhalten. Im Gegenteil, der Großteil der historischen Problemlösungskompetenz von sozialen Gruppen hat sich durch Wettbewerb zwischen verschiedenen Gruppen ergeben, und war immer kurzfristig angelegt, auf jeden Fall innerhalb von Generationen. Das hat sich geändert durch die vollzogene (fast) Vollauslastung der Erde. Zwei Typen von Problemen werden in Zukunft relevanter werden: Kurzfristveränderungen von immenser Tragweite die global beantwortet werden sollten (Terror/Krieg, Infektionskrankheiten, Technologiekompatibilitäten, einhergehende kurzfristige Migrationsbewegungen), und langfristige Planungen (Klimawandel, Geoengineering, Antiobiotika / Medizin / Aging, Agrarwirtschaft /GMO, langfristige Migration). Die viefaltigen VN-Organisationen, die nach dem 2ten Weltkrieg geschaffen wurden, sind strukturell dafür geschaffen worden und in ihren Einschränkungen auch dazu geeignet, mit Kurzfristproblemen in der Machtkonfiguration der Nachkriegszeit umzugehen, mit dem damit verbundenen, historisch unausweichlichen Bedarf an organisatorischen Veränderungen. Gleichzeitig ist aber völlig klar, dass es keine effizienten Institutionen und Mechanismen gibt, die mit globalen Langfristproblemen hinreichend rational und sinnvoll umgehen können, diese wurden nie geschaffen. Das ist die wahre Herausforderung des UNFCCC Prozesses: der Weltöffentlichkeit zeigen, dass es möglich sein kann, international ausgewogen auf der Basis gemeinsamer, aber diversifizierter Verantwortlichkeiten über gemeinsame Probleme zu reden, unter Einbeziehung von Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Industrie. Und genau das schaffen die COP Konferenzen in einer Breite (und damit verbundenen Problemen) und einer Geschwindigkeit, die Mut macht. Zu wenigen anderen globalen Fragen ist es so selbstverständlich wie zur Klimafrage, dass die unterschiedlichsten Akteure gehört werden und miteinander reden. Der Prozess wurde nicht so konstruiert, für die am meisten betroffenen Lander die ideale Losung so schnell wie möglich zu produzieren, sondern eine Balance der lnteressen zu schaffen, und einen modus operandi zu finden. Dieser methodische Erfolg soll nicht kleingeredet werden, und kann auch nicht komplett durch bilaterale Vereinbarungen, nationale Selbstverpflichtungen oder bottom-up Initiativen ersetzt werden, auch wenn die weitere Etablierung diese Instrumente für die Lösung des Klimaprozesses essentiell sind. Das Ziel muss sein, diese Erfolge zu verstetigen und für weitere globale Problemfelder wie Armutsbekämpfung zu wiederholen. Wie sehr wäre eine mediale Aufmerksamkeit ahnlich der COPs für jährliche UN Konferenzen wünschenswert, an dem alle Staaten der Welt gemeinsam explizit über Migration, Armut, technische Entwicklung, Menschenrechte usw. reden.
Natürlich ist der COP Prozess verbesserbar und auch leider nur in der Theorie langfristig iterativ; ein demokratischer Prozess, der auf Einstimmigkeit basiert zwischen Vertretern von Landern, die nicht mal die Einwohnerzahl von kleineren Stadten mitbringen, und globalen Riesen wie China oder USA, und der nicht einmal eine Geschäftsordnung besitzt, ist nicht gut durchgeplant. Statt ihn aber ganz in Frage zu stellen, sollte jedes Land, dass die Konferenz ausrichtet, einen neuen Versuch machen, eine solche bleibende, dauerhafte Geschäftsordnung zu erstellen, jedes Land, das ambitionierte Decarbonisierungsplane hat, sollte versuchen, die Ideen wirtschaftlich attraktiv für alle Beteiligten zu gestalten, jeder Bürger, jede NGO sollte daran arbeiten, ausgehend von diesem zentralen Kommunikationsknotenpunkt MaBnahmen zu gestalten, die nicht von einem unerreichbar endgültigen Masterplan abhängen. Unsere Generation hat eine Verantwortung gegenüber kommenden Generationen, die Erde von (zu) gefährlichen menschengemachten Störungen zu bewahren. Diese Verantwortung steht im Wettbewerb zu der Verantwortung für die derzeitigen Menschen, die heute schon von Problemen betroffen sind, die Klimawandel in der Zukunft verstärken kann. Die Ziele für Paris sind daher anspruchsvoll und werden durch die zusätzliche Anforderung von nachhaltiger Problemlösungskompetenz nur noch anspruchsvoller. Ein nachhaltig robuster Plan muss Möglichkeiten für Länder und Regionen beinhalten, die vielleicht dieses Jahr aus gesellschaftlichen oder politischen Grunden kein ambitioniertes Klimaziel verfassen wollen oder können. Daher muss Paris nicht nur die Anforderungen erfüllen, die der UNFCCC Prozess sich in Durban selbst gesetzt hat. Die graduelle Einführung eines permanenten, selbstverstärkenden Klimaregimes erfordert vor allem prozedurale Veränderungen, die unbedingt angegangen werden mussen.
Jede Konferenz seit 1992 ist ein Schritt auf dem Weg zu erhöhter globaler Problemlösungskompetenz, mit jeder Konferenz, jeder Diskussion wird (personale) Kapazität geschaffen, in den jeweiligen Landern und global. Dieser Prozess hat dazu geführt, dass das Problem Klimawandel inzwischen überhaupt weltweit lokal diskutiert werden kann. Wir können uns jedes Jahr aufs Neue vor Augen führen (durch aktualisierte Berichte uber den Stand des Klimas, der Anpassungs- und Widerstandsfahigkeit der Gesellschaften weltweit), dass Klimawandel in den nächsten 100 Jahren wahrscheinlich zu mehr Leid und Anpassungsdruck weltweit führen wird, wenn wir unser Verhalten nicht adaquat anpassen. Um dieses Leid zu vermindern, müssen wir kontinuierlich einen Prozess gestalten und optimieren, der dafür sorgt, dass wir in den nächsten Jahren und Dekaden immer effizient die richtigen Entscheidungen treffen. Ein Vertrag in Paris muss die Permanenz des Problems berücksichtigen, und eine Grundlage schaffen für ein robustes, langfristiges, globales Mandat, das Leben der Menschen zu verbessern. Dafür muss viel geschehen, und der notwendige Pragmatismus darf nicht als Ausrede for entwickelte Lander gelten, keine ambitionierten Ziele vorzulegen. Der Klimawandel und seine Folgen ist ,,nur" Ziel 13 der SDGs, aber das Wort Nachhaltigkeit selbst kommt in elf der siebzehn Ziele vor. Klimawandel ist nicht trennbar von sozialer Entwicklung; eine Selbstverständlichkeit, die dieses Jahr von Gesellschaft, Politik, Umweltschutzverbänden bis hin den Kirchen betont wurde. Die Welt ändert sich, sowohl Anfälligkeit und Problemlösungskompetenz, nicht nur das Klima. Diesen Änderungen adaquat zu begegnen ist die Herausforderung des 2lten Jahrhundert. Paris könnte ein weiterer Schritt sein zu einer rationalen, widerstandsfahigen und adaptiven Weltgemeinschaft, der über exakte Emissionsreduktionsversprechen bis 2020 weit hinausgeht.
Florian Rauser
Paris steht vor der Tür, in New York werden gerade die Sustainable Development Goals verhandelt, die COP20 in Lima ist schon wieder fast ein Jahr her. Verhandelt wurde und wird - wie jedes Jahr - nicht weniger als die Zukunft unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Verschoben wurde - wie jedes Jahr - das Ergebnis, dieses Mal aber gemäß Plan, auf die neue letzte Chance: Paris 2015, COP. Was muss, was kann Paris Leisten?
Der COP Prozess geht jetzt seit über zwei Dekaden seinen Gang und wird dieses Jahr, im 23ten Jahr, seinen vorlaufigen Höhepunkt erreichen, die geplante Unterzeichnung eines legalen Frameworks (oder Vertrags) zur verbindlichen Emissionssteuerung über die nächsten Jahre, wie in Durban 2011 beschlossen, eine Art selbstverordnete Deadline eines Prozesses, der sich selbst misstraut. Der COP Prozess ist schon oft genau deswegen als gescheitert bezeichnet worden, da es bis heute keine rechtlich bindenden Vertrage für alle Länder gibt - und die, die es gab (Kyoto Protokoll), keine starke Wirkung hatten - der globale CO2 Ausstoß hat sich weiter erhöht in den letzten Dekaden, ohne sichtbaren Einfluss der Verhandlungen, nicht einmal auf die Geschwindigkeit der Zunahme. Unbestreitbar. Trotzdem ist die Gesamtsicht des Prozess als Fehlschlag irregeleitet. Der Prozess tut genau das, was er soll, und vor allem, was er leisten kann. Er kommuniziert nur nicht, was dieses Losungspotential und die damit verbundenen Zeitraume eigentlich darstellt und scheitert an der überzogenen Erwartungshaltung. Die COPs stellen den Versuch eines öffentlichen, langfristigen Problembewaltigungsprozesses in globaler politischer Einheit dar, und die resultierende Geschwindigkeit reflektiert genau das: die (derzeitige) Fähigkeit der Welt, mit langfristigen Problemen umzugehen.
Der Klimawandel ist bei aller Schwierigkeit und Bedeutsamkeit ein Problem unter weiteren auf dem Weg zu einem Planeten, der im Jahr 2100 (oder davor, oder danach) allen darauf lebenden Menschen ein lebenswertes Leben bieten soll. Institutionen, Firmen, oder andere Gruppierungen von Menschen lösen komplett neue Herausforderungen selten gut in alten Institutionen und Problemlösungsmechanismen. Die Menschheit trifft im Falle des Klimawandels zwar auf ein gut dokumentiertes, klar verstandenes Problem, das gleichzeitig aber unterschiedlich große Einflüsse auf beinahe alle Akteure und Prozesse der Welt hat, von Ernährung, über Gesundheit, zu Migration und Wirtschaft. Was würde ein imaginarer, neutraler, rationaler "Berater" einer ebenso imaginären Weltregierung hier empfehlen, die die Interessen aller derzeitigen Erdenbürger zu berücksichtigen hatte? Natürlich permanente, langfristige Beratung über optimale Strategien durch Abwägung regionaler Interessen, Implementierung dieser Strategien, Implementierung von Metriken for die regelmäßige Überprufung und Feinanpassung der Strategie, und einen Zeitplan, die Gesamtstrategie anzupassen. Genau das findet - theoretisch - im UNFCCC Prozess statt, und dieser Prozess ist per Konstruktion kontinuierlich und langwierig. Die COP21 kann 2015 keine Lösung finden, die das Menschheitsproblem "Gestaltung unseres Planeten im Anthropozän" for immer - oder auch nur für die nachsten 30 Jahre - löst. In diesem Zusammenhang sollte der UNFCCC Prozess auch endlich die Fixierung auf das Jahr 2100 (oder 2020 oder 2050) aufgeben. Perioden wie sie das Kyotoprotokoll eingeführt hat, sind zu Buchhaltungszwecken sinnvoll, eine Diskussion über das politisch genehme Referenzjahr wie derzeit üblich (die INDCs haben kein einheitliches Startjahr) konnten durch eine ,,Entfristung" der Diskussion ad absurdum geführt werden (jedes Land hat naturlich indirekt ein Reduktionsziel pro aktuelle Dekade. Dies sollte auch so kommuniziert werden). Das Management unseres Klimas und das Vermeiden van menschengemachten gefährlichen Störungen ist eine kontinuierliche, permanente Aufgabe, die die Menschheit lange noch nicht bewusst angenommen hat. Die Menschheit verändert die Welt regional und global seit vielen Jahrzehnten, und hat als Ganzes als ersten Schritt eingesehen und beschlossen, dass diese Veränderungen möglichst nicht gefährlich sein sollten, in der Ratifizierung der Klimarahmenkonvention Anfang der 90er Jahre. Jetzt mussen wir dauerhaft, rational überlegt unser Verhalten anpassen, eine historische einmalige Herausforderung für einen politischen Prozess. Es gibt ein Teilvorbild, die Millenium Development Goals, wenn auch diese konstruktionsbedingt mit kurzeren Erfolgsmetriken versehen waren und sind. Ähnlich wie bei den MDG und den neuen Sustainable Development Goals SDGs sollten wir uns Klimapolitikziele setzen für 5 Jahre, für 15 Jahre, für 100 Jahre, und diese und ihre Folgen auf das Klima und die Welt permanent überprufen, und unseren Kurs entsprechend anpassen. Einige Akteure nennen das die "Aufwärtsspirale'', die Hoffnung, dass eine Gesamtbereitstellung van nationalen Klimaschutzplanen (INDC) eine Aufwärtspirale in Gang setzen kann. Wenn gesellschaftliche und staatliche Akteure und Gruppen mit der erreichten Geschwindigkeit unzufrieden sind (oder mit den absehbaren Folgen des derzeitigen Konsens), dann bedeutet das mehr Aufwand, mehr Kommunikation und mehr Engagement, aber nicht das Ende des Prozesses und sollte auch keine Verweigerung des Konsense mit sich führen - und Abkürzungen durch andere Strukturen erscheinen wenig vielversprechend. Zu jedem Zeitpunkt sollte die Anpassungsfähigkeit und Geschwindigkeit der gesellschaftlichen Veränderungen hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft zu optimieren sein, aber auch hier nicht losgelöst van aktuellen politischen und gesellschaftlichen Prozessen. Wir sollten uns immer vor Augen halten, dass dieser Prozess auf Jahrzehnte aufrechterhalten werden muss. Eine zu starke Fokussierung auf eine politische Entscheidung einer speziellen (der aktuellen) Generation, wird diese Robustheit nicht stärken, ein globaler Plan, die menschengemachten Einflüsse auf unseren Planeten ungefährlich zu belassen, sollte nicht von einer einzelnen Wahl in einem einzelnen Land abhängen. Zudem wird gelten: je stärker der Mensch das Klima beeinflusst, desto mehr wird darüber geredet. Das Zeitalter des Anthropozän ist leichter ausgerufen als geplant. Der Prozess eines sich selbst immer wieder aktualisierenden Zielhorizonts beinhaltet selbstverständlich auch Risikoneubewertungen bei neuen Erkenntnissen aus der Erdsystemwissenschaft (zur physikalischen Kapazität des Erdsystems mit dem Störer Mensch umzugehen, ein bedeutender aber kleiner Teilaspekt des Problems), Gesellschaft oder Technik (zur sozialen und technischen Kapazitat des Storer Mensch, mit dem Erdsystem umzugehen).
Der Prozess einer institutionellen, generations-übergreifenden, grenzüberschreitenden, globalen Problemlösungskompetenz ist relativ neu (es gibt ihn in Ansätzen erst seit dem Zweiten Weltkrieg). Es gab vorher weder die Notwendigkeit noch die Gelegenheit für die Menschheit, sich als Gruppe Ziele zu definieren und zu verfehlen oder einzuhalten. Im Gegenteil, der Großteil der historischen Problemlösungskompetenz von sozialen Gruppen hat sich durch Wettbewerb zwischen verschiedenen Gruppen ergeben, und war immer kurzfristig angelegt, auf jeden Fall innerhalb von Generationen. Das hat sich geändert durch die vollzogene (fast) Vollauslastung der Erde. Zwei Typen von Problemen werden in Zukunft relevanter werden: Kurzfristveränderungen von immenser Tragweite die global beantwortet werden sollten (Terror/Krieg, Infektionskrankheiten, Technologiekompatibilitäten, einhergehende kurzfristige Migrationsbewegungen), und langfristige Planungen (Klimawandel, Geoengineering, Antiobiotika / Medizin / Aging, Agrarwirtschaft /GMO, langfristige Migration). Die viefaltigen VN-Organisationen, die nach dem 2ten Weltkrieg geschaffen wurden, sind strukturell dafür geschaffen worden und in ihren Einschränkungen auch dazu geeignet, mit Kurzfristproblemen in der Machtkonfiguration der Nachkriegszeit umzugehen, mit dem damit verbundenen, historisch unausweichlichen Bedarf an organisatorischen Veränderungen. Gleichzeitig ist aber völlig klar, dass es keine effizienten Institutionen und Mechanismen gibt, die mit globalen Langfristproblemen hinreichend rational und sinnvoll umgehen können, diese wurden nie geschaffen. Das ist die wahre Herausforderung des UNFCCC Prozesses: der Weltöffentlichkeit zeigen, dass es möglich sein kann, international ausgewogen auf der Basis gemeinsamer, aber diversifizierter Verantwortlichkeiten über gemeinsame Probleme zu reden, unter Einbeziehung von Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Industrie. Und genau das schaffen die COP Konferenzen in einer Breite (und damit verbundenen Problemen) und einer Geschwindigkeit, die Mut macht. Zu wenigen anderen globalen Fragen ist es so selbstverständlich wie zur Klimafrage, dass die unterschiedlichsten Akteure gehört werden und miteinander reden. Der Prozess wurde nicht so konstruiert, für die am meisten betroffenen Lander die ideale Losung so schnell wie möglich zu produzieren, sondern eine Balance der lnteressen zu schaffen, und einen modus operandi zu finden. Dieser methodische Erfolg soll nicht kleingeredet werden, und kann auch nicht komplett durch bilaterale Vereinbarungen, nationale Selbstverpflichtungen oder bottom-up Initiativen ersetzt werden, auch wenn die weitere Etablierung diese Instrumente für die Lösung des Klimaprozesses essentiell sind. Das Ziel muss sein, diese Erfolge zu verstetigen und für weitere globale Problemfelder wie Armutsbekämpfung zu wiederholen. Wie sehr wäre eine mediale Aufmerksamkeit ahnlich der COPs für jährliche UN Konferenzen wünschenswert, an dem alle Staaten der Welt gemeinsam explizit über Migration, Armut, technische Entwicklung, Menschenrechte usw. reden.
Natürlich ist der COP Prozess verbesserbar und auch leider nur in der Theorie langfristig iterativ; ein demokratischer Prozess, der auf Einstimmigkeit basiert zwischen Vertretern von Landern, die nicht mal die Einwohnerzahl von kleineren Stadten mitbringen, und globalen Riesen wie China oder USA, und der nicht einmal eine Geschäftsordnung besitzt, ist nicht gut durchgeplant. Statt ihn aber ganz in Frage zu stellen, sollte jedes Land, dass die Konferenz ausrichtet, einen neuen Versuch machen, eine solche bleibende, dauerhafte Geschäftsordnung zu erstellen, jedes Land, das ambitionierte Decarbonisierungsplane hat, sollte versuchen, die Ideen wirtschaftlich attraktiv für alle Beteiligten zu gestalten, jeder Bürger, jede NGO sollte daran arbeiten, ausgehend von diesem zentralen Kommunikationsknotenpunkt MaBnahmen zu gestalten, die nicht von einem unerreichbar endgültigen Masterplan abhängen. Unsere Generation hat eine Verantwortung gegenüber kommenden Generationen, die Erde von (zu) gefährlichen menschengemachten Störungen zu bewahren. Diese Verantwortung steht im Wettbewerb zu der Verantwortung für die derzeitigen Menschen, die heute schon von Problemen betroffen sind, die Klimawandel in der Zukunft verstärken kann. Die Ziele für Paris sind daher anspruchsvoll und werden durch die zusätzliche Anforderung von nachhaltiger Problemlösungskompetenz nur noch anspruchsvoller. Ein nachhaltig robuster Plan muss Möglichkeiten für Länder und Regionen beinhalten, die vielleicht dieses Jahr aus gesellschaftlichen oder politischen Grunden kein ambitioniertes Klimaziel verfassen wollen oder können. Daher muss Paris nicht nur die Anforderungen erfüllen, die der UNFCCC Prozess sich in Durban selbst gesetzt hat. Die graduelle Einführung eines permanenten, selbstverstärkenden Klimaregimes erfordert vor allem prozedurale Veränderungen, die unbedingt angegangen werden mussen.
Jede Konferenz seit 1992 ist ein Schritt auf dem Weg zu erhöhter globaler Problemlösungskompetenz, mit jeder Konferenz, jeder Diskussion wird (personale) Kapazität geschaffen, in den jeweiligen Landern und global. Dieser Prozess hat dazu geführt, dass das Problem Klimawandel inzwischen überhaupt weltweit lokal diskutiert werden kann. Wir können uns jedes Jahr aufs Neue vor Augen führen (durch aktualisierte Berichte uber den Stand des Klimas, der Anpassungs- und Widerstandsfahigkeit der Gesellschaften weltweit), dass Klimawandel in den nächsten 100 Jahren wahrscheinlich zu mehr Leid und Anpassungsdruck weltweit führen wird, wenn wir unser Verhalten nicht adaquat anpassen. Um dieses Leid zu vermindern, müssen wir kontinuierlich einen Prozess gestalten und optimieren, der dafür sorgt, dass wir in den nächsten Jahren und Dekaden immer effizient die richtigen Entscheidungen treffen. Ein Vertrag in Paris muss die Permanenz des Problems berücksichtigen, und eine Grundlage schaffen für ein robustes, langfristiges, globales Mandat, das Leben der Menschen zu verbessern. Dafür muss viel geschehen, und der notwendige Pragmatismus darf nicht als Ausrede for entwickelte Lander gelten, keine ambitionierten Ziele vorzulegen. Der Klimawandel und seine Folgen ist ,,nur" Ziel 13 der SDGs, aber das Wort Nachhaltigkeit selbst kommt in elf der siebzehn Ziele vor. Klimawandel ist nicht trennbar von sozialer Entwicklung; eine Selbstverständlichkeit, die dieses Jahr von Gesellschaft, Politik, Umweltschutzverbänden bis hin den Kirchen betont wurde. Die Welt ändert sich, sowohl Anfälligkeit und Problemlösungskompetenz, nicht nur das Klima. Diesen Änderungen adaquat zu begegnen ist die Herausforderung des 2lten Jahrhundert. Paris könnte ein weiterer Schritt sein zu einer rationalen, widerstandsfahigen und adaptiven Weltgemeinschaft, der über exakte Emissionsreduktionsversprechen bis 2020 weit hinausgeht.
Ich fürchte, dass sich einige jener Herren, die bisweilen ein immer ähnliches Statement abgeben müssen, wonach das mit dem menschgemachten Klimawandel ja ganz falsch sei, sich bemüssigt fühlen werden - bitte nicht! Wenn sich jemand äussern will, dann zum Beitrag von Florian Rauser selbst.
ReplyDeleteWas mir bei dem Beitrag auffiel - kommt da eigentlich Politik vor, kulturelle Konditionierung, Geschichte? Würde jemand vom indischen Subkontinent das auch so sehen? Oder ist es ein Versuch, unsere westliche Sicht als "richtige" Sicht durchzusetzen? Was ist "Menschheit"?
Danke für den Kommentar - die Diskussion über das (natur-)wissenschaftliche Verständnis des Systems Erde ist in diesem Zusammenhang tatsächlich nicht besonders sinnvoll.
ReplyDelete@ Artikel:
Die kulturelle Konditionierung ist nicht explizit angesprochen, und natürlich ist meine Mutmaßung über die Unzulänglichkeit der VN Institutionen aufgrund der neuartigen Problemstruktur etwas, was man wahrscheinlich mit einem Historiker lange diskutieren könnte. Ich würde aber - naiv - denken, dass die grundsätzlich recht positive Einstellung zu einem globalen, gleichberechtigten Entscheidungsprozess auch von einem Vertreter Indiens geteilt würde. Die Einordnung des Klimaproblems in ein Entwicklungsproblem für die gesamte Welt setzt natürlich ein globalisiertes Weltbild voraus, aber ich glaube auch, dass ein viel stärker segregiertes Weltbild oder die damit verbundenen Politikempfehlungen einfach nicht adäquat auf globale Herausforderungen reagieren kann.
Trotzdem, natürlich ein sehr relevanter Punkt: für den Westen ist das PRoblem von mangehalfter Wetter- und Klimaanpassung ja noch auf Dekaden deutlich weiter weg, als für Menschen des globalen Südens, und daher ist "eine" Menschheit per Definition sehr heterogen.