Sunday, August 15, 2010
Aufenvenne: Klimadeterminismus
by
Hans von Storch
Phillip Aufenvenne hat in seiner Diplomarbeit Im Schatten des Klimadeterminismus - Eine Analyse der Wahrnehmung und Interpretation des Klimawandels unter Studenten der Geographie am Geographischen Institut der Universität Osnabrück "die Wahrnehmung und Bewertung des Klimawandels durch Studenten der Geographie" in den Blick genommen.
In seiner ausführlichen Zusammenfassung schreibt er u.a.:
Im Mittelpunkt der Arbeit steht dabei die Frage, in welchem Ausmaß die Ideen des Klimadeterminismus noch heute unter Geographiestudenten Anklang finden. Zur empirischen Untersuchung der Forschungsfragestellung, wie der Klimawandel und die Klimafolgen von Studenten der Geographie wahrgenommen und interpretiert werden, wurde ein gekoppeltes empirisches Design nach dem Prinzip der Triangulation gewählt. Die Grundlage der Untersuchung bildete eine quantitative Befragung, die von April bis Juni 2009 an den geographischen Instituten der Universitäten Bremen, Münster und Osnabrück durchgeführt worden war. Ergänzt wurde dieses quantitative Vorgehen durch qualitative Datenerhebungen, im gleichen Zeitraum am Geographischen Institut der Universität Osnabrück stattfanden. Für die qualitative Datenerhebung wurde die Methode der Gruppendiskussionen angewendet.
Das Bild, das sich schließlich auf der Grundlage der Ergebnisse der empirischen Erhebung ergibt, lässt sich folgendermaßen beschreiben: Der Klimadeterminismus bildet für die Geographiestudenten noch immer eine wichtige Orientierungstheorie. Die Wahrnehmung des Klimawandels erfolgt zumeist aus einer stark naturalistischen Perspektive; das heißt, das Klima wird von den Studenten zumeist als eigenständige und unabhängige Entität aufgefasst und in der Regel als prägender erachtet als soziale Gegebenheiten und Prozesse. Besonders für die Interpretation des Klimawandels fungieren die verschiedenen Spielarten des Klimadeterminismus noch vielfach als beobachtungsleitende Hintergrundtheorien. Dabei rekurrieren die Studenten allerdings weniger auf klassische klimadeterministische Grundannahmen im Sinne stringenter Ursache-Wirkungs-Gefüge, sondern vielmehr auf vage und moralisch verbrämte Vorstellungen, die sich dem diffusen und freiwilligen Klimadeterminismus zuordnen lassen.
Während der klassische und diffuse Klimadeterminismus in erster Linie auf methodisch simplifizierende Verknüpfungen von klimatischen und sozialen Faktoren beruht, ist der freiwillige Klimadeterminismus eher auf mythische Vorstellungen zurückzuführen. Grundlage dieser Ideen ist die teleologische Annahme, dass der Mensch von Natur aus ein bestimmtes, ausbalanciertes Verhältnis zum Klima eingeht. Zwar sei es dem Menschen gelungen, sich zunehmend vom Klima zu emanzipieren, die Loslösung vom klimatischen Imperativ wird aber keineswegs als Fortschritt aufgefasst, sondern als Ursache zahlreicher gesellschaftlicher Fehlentwicklungen angesehen. Das Klima fungiert hier ganz im aristotelischen Sinne weniger als Wirk- sondern vielmehr als Zielursache.
Besonders die Vorstellung, dass es ein natürliches Gleichgewicht zwischen klimatischen und gesellschaftlichen Entwicklungen gäbe, bildet für die Studenten eine wichtige Bewertungsgrundlage. Auch viele andere mit Sinn beladene alltagsweltliche Ansichten zu Klima und Wetter, vielfach klimadeterministischer Provenience, tauchen in der Wahrnehmung des Klimawandels immer wieder auf.
Die Geographiestudenten beschreiben den Klimawandel in einer doppelten Distanzierung. Für viele Studenten erscheint der Klimawandel räumlich und zeitlich zu weit entfernt, um ein direktes Gefährdungsgefühl auszulösen. Die generelle Besorgnis, die mit dem Begriff Klimawandel verbunden wird, wird daher auf fremde Räume und Regionen projiziert und mündet schließlich in der bereits dem klassischen Klimadeterminismus immanenten Annahme, das eigene Klima sei dem fremder Regionen überlegen. Diese Annahme zieht sich schließlich wie ein roter Faden durch alle weiteren Aspekte der Wahrnehmung des Klimawandels. Da es kaum persönliche Betroffenheit gibt, sehen die Geographiestudenten die direkten Folgen der Globalen Erwärmung entsprechend zunächst für die Natur, die Entwicklungsländer und für kommende Generationen. Die im Einzelnen angenommen Klimafolgen sind dabei ein Widerhall der medialen Berichterstattung. Insbesondere für die Entwicklungsländer malen die Geographiestudenten detailliert mögliche Klimafolgen aus und argumentieren dabei sehr häufig im Sinne des diffusen und freiwilligen Klimadeterminismus. Drastische gesellschaftliche Folgewirkungen werden naturalisiert und im Sinne von Naturkatastrophen beschrieben. Für Deutschland und die eigene Region wird kaum von direkten und negativen Klimafolgen ausgegangen.
Die Vorstellung, dass der Klimawandel neben Verlierern auch Gewinner hervorbringen könnte, wird von den meisten Studenten abgelehnt oder zumindest mit großen Vorbehalten versehen. Vor dem Hintergrund plakativer Gleichgewichtsvorstellungen erscheint jede Klimaveränderung per se als negativ. Die wenigen positiven Folgen, die von den Geographiestudenten für möglich gehalten werden, werden - im Gegensatz zu den negativen Folgen - daher besonders auf gesellschaftliche Entwicklungen zurückgeführt. Zugespitzt formuliert: Verlierer werden naturalisiert und Gewinner vergesellschaftet.
Im Umgang mit dem Klimaproblem empfehlen die Geographiestudenten einen Mix aus Anpassungs- und Verhinderungsstrategien. Obwohl den Adaptionsbemühungen insgesamt größere Erfolgsaussichten beigemessen werden, favorisieren die Studenten zumeist dennoch Maßnahmen zur Verhinderung des Klimawandels. Als Begründung führen die Studenten hier überwiegend moralische Argumente an. Die Argumentationsweisen lassen sich dabei häufig dem freiwilligen Klimadeterminismus zuordnen.
Obwohl die Geographiestudenten insgesamt über detailliertes wissenschaftliches Wissen über den Klimawandel verfügen, spielen alltagsweltliche Sichtweisen und Sinnzuschreibungen bei der Wahrnehmung des Klimawandels eine bedeutende Rolle. Insbesondere latent deterministische Sinnzuschreibungen finden unter den Studenten hohe Zustimmung.
In seiner ausführlichen Zusammenfassung schreibt er u.a.:
Im Mittelpunkt der Arbeit steht dabei die Frage, in welchem Ausmaß die Ideen des Klimadeterminismus noch heute unter Geographiestudenten Anklang finden. Zur empirischen Untersuchung der Forschungsfragestellung, wie der Klimawandel und die Klimafolgen von Studenten der Geographie wahrgenommen und interpretiert werden, wurde ein gekoppeltes empirisches Design nach dem Prinzip der Triangulation gewählt. Die Grundlage der Untersuchung bildete eine quantitative Befragung, die von April bis Juni 2009 an den geographischen Instituten der Universitäten Bremen, Münster und Osnabrück durchgeführt worden war. Ergänzt wurde dieses quantitative Vorgehen durch qualitative Datenerhebungen, im gleichen Zeitraum am Geographischen Institut der Universität Osnabrück stattfanden. Für die qualitative Datenerhebung wurde die Methode der Gruppendiskussionen angewendet.
Das Bild, das sich schließlich auf der Grundlage der Ergebnisse der empirischen Erhebung ergibt, lässt sich folgendermaßen beschreiben: Der Klimadeterminismus bildet für die Geographiestudenten noch immer eine wichtige Orientierungstheorie. Die Wahrnehmung des Klimawandels erfolgt zumeist aus einer stark naturalistischen Perspektive; das heißt, das Klima wird von den Studenten zumeist als eigenständige und unabhängige Entität aufgefasst und in der Regel als prägender erachtet als soziale Gegebenheiten und Prozesse. Besonders für die Interpretation des Klimawandels fungieren die verschiedenen Spielarten des Klimadeterminismus noch vielfach als beobachtungsleitende Hintergrundtheorien. Dabei rekurrieren die Studenten allerdings weniger auf klassische klimadeterministische Grundannahmen im Sinne stringenter Ursache-Wirkungs-Gefüge, sondern vielmehr auf vage und moralisch verbrämte Vorstellungen, die sich dem diffusen und freiwilligen Klimadeterminismus zuordnen lassen.
Während der klassische und diffuse Klimadeterminismus in erster Linie auf methodisch simplifizierende Verknüpfungen von klimatischen und sozialen Faktoren beruht, ist der freiwillige Klimadeterminismus eher auf mythische Vorstellungen zurückzuführen. Grundlage dieser Ideen ist die teleologische Annahme, dass der Mensch von Natur aus ein bestimmtes, ausbalanciertes Verhältnis zum Klima eingeht. Zwar sei es dem Menschen gelungen, sich zunehmend vom Klima zu emanzipieren, die Loslösung vom klimatischen Imperativ wird aber keineswegs als Fortschritt aufgefasst, sondern als Ursache zahlreicher gesellschaftlicher Fehlentwicklungen angesehen. Das Klima fungiert hier ganz im aristotelischen Sinne weniger als Wirk- sondern vielmehr als Zielursache.
Besonders die Vorstellung, dass es ein natürliches Gleichgewicht zwischen klimatischen und gesellschaftlichen Entwicklungen gäbe, bildet für die Studenten eine wichtige Bewertungsgrundlage. Auch viele andere mit Sinn beladene alltagsweltliche Ansichten zu Klima und Wetter, vielfach klimadeterministischer Provenience, tauchen in der Wahrnehmung des Klimawandels immer wieder auf.
Die Geographiestudenten beschreiben den Klimawandel in einer doppelten Distanzierung. Für viele Studenten erscheint der Klimawandel räumlich und zeitlich zu weit entfernt, um ein direktes Gefährdungsgefühl auszulösen. Die generelle Besorgnis, die mit dem Begriff Klimawandel verbunden wird, wird daher auf fremde Räume und Regionen projiziert und mündet schließlich in der bereits dem klassischen Klimadeterminismus immanenten Annahme, das eigene Klima sei dem fremder Regionen überlegen. Diese Annahme zieht sich schließlich wie ein roter Faden durch alle weiteren Aspekte der Wahrnehmung des Klimawandels. Da es kaum persönliche Betroffenheit gibt, sehen die Geographiestudenten die direkten Folgen der Globalen Erwärmung entsprechend zunächst für die Natur, die Entwicklungsländer und für kommende Generationen. Die im Einzelnen angenommen Klimafolgen sind dabei ein Widerhall der medialen Berichterstattung. Insbesondere für die Entwicklungsländer malen die Geographiestudenten detailliert mögliche Klimafolgen aus und argumentieren dabei sehr häufig im Sinne des diffusen und freiwilligen Klimadeterminismus. Drastische gesellschaftliche Folgewirkungen werden naturalisiert und im Sinne von Naturkatastrophen beschrieben. Für Deutschland und die eigene Region wird kaum von direkten und negativen Klimafolgen ausgegangen.
Die Vorstellung, dass der Klimawandel neben Verlierern auch Gewinner hervorbringen könnte, wird von den meisten Studenten abgelehnt oder zumindest mit großen Vorbehalten versehen. Vor dem Hintergrund plakativer Gleichgewichtsvorstellungen erscheint jede Klimaveränderung per se als negativ. Die wenigen positiven Folgen, die von den Geographiestudenten für möglich gehalten werden, werden - im Gegensatz zu den negativen Folgen - daher besonders auf gesellschaftliche Entwicklungen zurückgeführt. Zugespitzt formuliert: Verlierer werden naturalisiert und Gewinner vergesellschaftet.
Im Umgang mit dem Klimaproblem empfehlen die Geographiestudenten einen Mix aus Anpassungs- und Verhinderungsstrategien. Obwohl den Adaptionsbemühungen insgesamt größere Erfolgsaussichten beigemessen werden, favorisieren die Studenten zumeist dennoch Maßnahmen zur Verhinderung des Klimawandels. Als Begründung führen die Studenten hier überwiegend moralische Argumente an. Die Argumentationsweisen lassen sich dabei häufig dem freiwilligen Klimadeterminismus zuordnen.
Obwohl die Geographiestudenten insgesamt über detailliertes wissenschaftliches Wissen über den Klimawandel verfügen, spielen alltagsweltliche Sichtweisen und Sinnzuschreibungen bei der Wahrnehmung des Klimawandels eine bedeutende Rolle. Insbesondere latent deterministische Sinnzuschreibungen finden unter den Studenten hohe Zustimmung.
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2 comments:
Good stuff.
Would have been cool had the sample been split between junior and senior students, and had their teachers been included.
"confusissima disputatio"- sine "versio teutonica’. Zeit jedenfalls, darüber nachzudenken, was die Topoi "Klimawandel" und "Global Warming" in den Köpfen junger Menschen anrichten.
Zum besseren Verständnis der modernen Scholastik hilft vielleicht - oder erneut - der Blick zurück in die Geschichte:
http://www.historicum.net/no_cache/persistent/artikel/5937/
rennes
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