Sunday, November 6, 2011

Herausforderung Anpassung

Konsensus besteht, dass sich der Klimawandel weiter entfalten wird, und zwar umso stärker, je weniger die Begrenzung der Emissionen bzw. der Emissionszuwächse gelingt. Die derzeitigen Zahlen weisen aber eher nicht auf eine effiziente Begrenzung; vielmehr bewegen sich die Emissionen der letzten Jahre eher an der Obergrenze der für möglich gehaltenen Entwicklungen (vgl. Spiegel online vom 4. November 2011: Kohlendioxid-Ausstoß steigt rasanter als je zuvor ). Dies bedeutet, dass Anpassungsmaßnahmen an den sich entwickelnden Klimawandel erforderlich werden.


Für die Gegenwart ist ein besserer Schutz, bzw. effizienterer Umgang mit bestehenden Klimagefahren herzustellen, so dass gesellschaftliche Systeme resilienter werden, weniger vulnerabel. Für die Zukunft gilt es mit veränderten Gefahren, aber auch Möglichkeiten, umzugehen. Dabei ist die Zeitdimension zu beachten, d.h. die Zeitpunkte des erkennbar veränderten klimatischen Bedingungen bzw. Gefahren, die „normalen“ Modernisierungszyklen, Veränderungen gesellschaftlichen Präferenzen und technologischer Innovationen (vgl. Nutzung der Kernenergie), und die gesellschaftlich/technische Implementierung von Anpassungsmaßnahmen. Für die Abwägung dieser Zeitdimension eignen sich Szenarienrechnungen über den erwarteten zukünftigen Klimawandel, die somit nicht nur die Art des Wandels sondern eben auch die Zeit des Wandels durchzuspielen erlauben.

Die Art, Notwendigkeit und Möglichkeit von Anpassungen, sowohl von negativen wie auch positiven Veränderungen (etwa Vereisung von kleineren Häfen und Seewegen), ist zu allererst eine Herausforderung für regionale und lokale Planer.

Für eine erfolgreiche Planung, einschließlich der dazugehörigen Partizipation gesellschaftlicher Kräfte kann „die“ Wissenschaft wertvolle Rahmenbedingungen setzen. Hier ist die Beschreibung der möglichen Zukünfte in Form von Szenarien zu nennen, aber auch die Bestandsaufnahme des konsensualen sowie des dissensualen Wissens über den Klimawandel (Beispiel: Hamburger Klimabericht oder BACC für den Ostseeraum); die von verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren vorgebrachten oft miteinander konkurrierende Deutungen und ihre kulturelle Verwurzlung in der Gesellschaft sollten erforscht werden, auch um Umdenkprozesse zu erleichtern. Diese und ein paar weitere Aktivitäten können unter dem Stichwort „Regionaler Klimaservice“ zusammengefasst werden (vgl. von Storch, H., I. Meinke, N. Stehr, B. Ratter, W. Krauss, R.A. Pielke jr., R. Grundmann, M. Reckermann and R. Weisse, 2011: Regional Climate Services illustrated with experiences from Northern Europe. Journal for Environmental Law and Policy 1/2011, 1-15).

Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist auch die laufende Beobachtung der Veränderungen (Monitoring, etwa des regionalen Meeresspiegels), die Herstellung der Vergleichbarkeit von Beobachtungsdaten über die Zeit, sowie die Abschätzung, inwieweit derzeitig ablaufende Veränderungen konsistent sind mit vergangenen Variationen (Detektion des Klimawandels) bzw. mit den in Szenarienrechnungen als möglich beschriebenen zukünftigen Änderungen (Konsistenz).

Besonders zu beachten ist die Herstellung der Gesprächsfähigkeit über Wissenschafts- und Kulturgrenzen (NGOs, Verwaltung, Politik, Wissenschaft, Medien, Wirtschaft), wobei wohldefinierte Konzepte ebenso nötig sind wie eine genaue Sprache. Insbesondere undifferenzierte Hinweise auf „den“ Klimawandel sind wenig hilfreich wie auch die Verwendung des Begriffs der „Vorhersage“ für die weitere Zukunft. Zentral auch die Aufgabe, die andauernde Instationarität, die sich laufend weiter entwickelnden Veränderungen gegenüber traditionell stationär gedachten, als wesentliche Eigenschaft in Planungsprozesse einzuweben.

8 comments:

Werner Krauss said...

Ausgezeichnet, das liest man gerne.

Nur zwei Anmerkungen: Der Begriff der "Anpassung" muss natürlich mal durchbuchstabiert werden. Der hat ja auch eine durchaus unrühmliche Tradition (Determinismus); eine diffuse evolutionär-biologistische Tradition (an eine irgenwie äußere Umwelt), und eine anti-kulturell - autoritäre Definition (Kultur als unbewusster Anpassungsmechanismus, der nur vom Leit-Wissenschaftler als solcher wahrgenommen - und eventuell gesteuert - werden kann). Da besteht durchaus noch viel Definitions- und Ausformulierungsbedarf, was denn genau damit gemeint ist.

Darüber hinaus ist es bereits jetzt, zum Beispiel in Afrika oder im Pazifik, so, dass Anpassung eine doppelte Bedeutung hat: Anpassung an neue Umweltgefahren einerseits, und Anpassung an die "Anpassung an den Klimawandel - Subventionen" andererseits. Man muss sich ja nichts vormachen, Klimawandel steht in einer langen Tradition von "Entwicklungshilfe", wie (post-) kolonial, philantrophisch, nachhaltig oder was auch immer. Ganze (ökonomische und symbolische) Ökonomien werden sich auf diese neue Ressource ausrichten (und tun es bereits), und das angesichts der Tatsache, dass der Klimawandel vor Ort in der Regel nur sehr schwer als solcher eindeutig zu identifizieren ist. Oder ist Dafur eindeutig ein Klimakrieg? Oder Somalia? Oder die Sahel Zone? Ist Tuvali ernsthaft klimagefährdet? Gibt es wirklich Klimaflüchtlinge?

Man darf hier ruhig auch an die Tsunami - Warnbojen denken, zum Beispiel. Oder Fantasien, wie man ganze Bevölkerungen deportieren wird etc. Es ist ein ziemlich ungeordnetes Schlachtfeld, auf dem hier global Hilfstruppen aufgefahren werden, bei denen man nicht so recht weiß, ob sie Segen bringen oder die Malaise noch vergrößern.

So autoritär und herrschaftlich, wie die Klimaszene derzeit sich gebärdet, ist das schlimmste (und uneffektivste) zu befürchten. Ein kommunikativer und "weicher" Ansatz, wie Du ihn andeutest, ist hier wirklich vonnöten. Und dazu bedarf es, im schönsten Wissenschaftlerdeutsch, eines ontologischen und epistemologischen Wechsels.

Anonymous said...

Lieber Werner,

auch einverstanden.

Sicherlich wird es ein Problem werden, wie Anpassungsmaßnahmen in der 3. Welt erfolgreich umgesetzt werden können, negative Beispiele gibt es in der Entwicklungshilfe in der Tat zuhauf.

Sie sprechen damit aber meines Erachtens den zweiten Schritt an. Ich bin viel neugieriger, ob man überhaupt den ersten Schritt schafft, nämlich die enormen finanziellen Mittel für diese Anpassungsmaßnahmen bereitzustellen.

Das wird wohl einer der zentralen Punkte von Durban werden, ich bin skeptisch, was die Erfolgsaussichten angeht. Ein globaler Emissionshandel hätte über den Verkauf von nicht benutzten Emissionsrechten der Entwicklungsländer eine naheliegenden Hebel zur Bereitstellung dieser Mittel geboten, aber ich denke, wir sind uns einig, dass dies Utopie ist.

Grüße
Andreas

Freddy Schenk said...

@Andreas:
Das Problem nur auf die finanziellen Mittel zu reduzieren, greift vermutlich zu kurz. Zumindest die Industrieländer könnten - politischen Willen vorausgesetzt - mit einigen Prozent des BIP viel erreichen, da sowohl Kapital wie auch Know-How vorhanden ist. Selbst wenn der "Westen" z.B. über die Emissionsrechte Geld in Entwicklungsländer leiten würde, fehlt diesen immernoch das technologische Wissen. Die Industrienationen stellen dann den Entwicklungsländern erst Geld zur Verfügung und verkaufen ihnen dann die Technologie (im Wesentlichen was Deutschland mit Griechenland macht bzw. China mit den USA beim Konsum). In allen drei Fällen ergeben sich zunehmend ungünstige Abhängigkeiten - die Entwicklungsländer werden die "Dependenztheorie"-Karte ziehen - deshalb geht es erstmal um Fairness bevor es um Geld geht (hängt natürlich letztlich zusammen).

Bei den ganzen notwendigen Anpassungsstrategien wird man letzlich auch immer auf das Demographieproblem stoßen - die Entwicklungen arbeiten hier jeweils gegeneinander. Die steigenden Bevölkerungszahlen führen zu einer immer weiter zunehmenden Exposition, was immer weitere Anpassungen notwendig macht bei gleichzeitig steigenden Emissionen/Umweltzerstörungen.

Anonymous said...

@ Freddy

Puuh, ganz schön viele Problemfelder auf einmal, mir scheint, die klimawissenschaftliche Seite des Klimaproblems ist da fast schon die einfachste.

Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass Bereitstellung von Finanzmitteln eine notwendige, aber natürlich keine hinreichende Bedingung für erfolgreiche Anpassung ist. Und meine Befürchtung, dass es daran schon scheitern könnte.

"Nur ein paar % des BSP" klingt jetzt nicht so dramatisch, aber wir haben ja alle verfolgt, wie oft in den letzten Jahren versprochen wurde, den Anteil der Entwicklungshilfe auf 3% des BSP zu steigern - und wie oft diese Versprechen sich dann als leer erwiesen.

Warum also nicht annehmen, dass man in Durban und danach wieder großzügige Versprechungen machen wird, Worte sind billig. Und falls nötig, könnte man ja Umschichtungen aus der bisherigen Entwicklungshilfe vornehmen.

BTW: Mit ein paar % des BSP hätte man auch jede Art von CO2-Reduktionspolitik umsetzen können.

Oder die Banken aufs Neue retten? Oder Griechenland? Oder aus der Kernkraft aussteigen? Ihre Benutzung des Konjunktiv erscheint mir ausgesprochen angebracht zu sein ;-)

Grüße
Andreas

Helmut Erb said...

Sehr geehrter Herr Professor von Storch,
Sie empfehlen, für die Gegenwart einen besseren Schutz bzw. effizienteren Umgang mit bestehenden Klimagefahren herzustellen.

Nach meiner Wahrnehmung wurden die gegenwärtigen Gefahren, wie Sturmfluten, Starkregen, Orkane, Schneestürme stets dem Wetter zugeordnet, aber nicht dem Klima. Läßt Ihre Formulierung darauf schließen, daß die bisher zu Recht betonten Unterschiede zwischen Klima und Wetter für Sie an Bedeutung verlieren?

Daß Veränderungen laufend beobachtet werden müssen, versteht sich fast von selbst. Mich würde dabei besonders interessieren, welchen Einfluß die bisher in Deutschland ergriffenen Maßnahmen auf die beobachteten Veränderungen hatten. Immerhin werden inzwischen im Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel in Deutschland jährlich über 10 Mrd. EURO allein für regenerative Energien aufgewendet. Gibt es meßbare Effekte? Um welchen Betrag wurde der Anstieg des Meeresspiegels oder der globale Temperaturanstieg gedämpft?

Wer, wenn nicht das HZG, weiß darauf eine Antwort?
Freundliche Grüße.

Anonymous said...

"Konsensus besteht, dass sich der Klimawandel weiter entfalten wird, und zwar umso stärker, je weniger die Begrenzung der Emissionen bzw. der Emissionszuwächse gelingt."

Is this formulation a test run for your IPCC contribution? I suggest to be more clearly.

It still seems to be a consensus on belief, or can we already apply "the" theory/hypothesis of AGW (unfortunately, nowadays probably more often lumped together with "climate change" or some other imprecise wording) to a few or even just a single so-called extreme weather event/s on earth somehow quantitatively reliable or to any other particular climatological event? Or: can you give me, please, in the first place, some time-scale? I.e., "according to the 'consensus'...": (circa) When and Where is What expected?

What is/are your source/s for that claim about consensus? Is it Oreskes'(2004)/IPCC's (2007) "consensus" on "anthropogenic climate change"/"global warming"?

Do you take your surveys as sources for that claim? May I ask whether these polls ask those polled for instance whether they've read/heard about Climategate or/and a dispute about "(Climategate) investigations" (perhaps: for instance, whether they know about Climategate from other sources than the World Wide Web? What did they hear about Climategate and who told it to them?), whether they are, for instance, somehow familiar with particular topics (for instance the topics that are examined in Andrew Montford's book (or whether they know about AGW-challenging issues that are raised, for example, in skeptical writings, from other sources than the World Wide Web?), or whether they've seen something (and if so, Where (from in- or outside the WWW?) and When?) about a just moderate global warming lately, or whether they know (if so, since when? And were they informed from in- or outside the WWW?) that the oceans are "missing heat", or/and that the global sea level observations aren't that alarming, etc?

(One could conclude that there is a consensus that we have more crisis and wars on earth (particular in cities) than ever -- although the UNO exists ("follow the money"). Also it is claimed that there is a consensus to help the different Federal Reserve Banks around the world -- and that it, allegedly, must happen INSTANTANEOUSLY. In large, these banking systems (perhaps especially the different FED's at its heads) are not sustainable. Neither is UNO's Worldbank system sustainable, I'm afraid ("follow the money").)

A lot of these so-called consensuses (besides the fact that the climate will change in any case) seems to be NOT SUSTAINABLE, my dear "honest brokers". Where is the evidence or even proof for the link: anthropogenic emissions = anthropogenic climate change?

namenlos

Anonymous said...

Hallo,

Kann man nicht erst einmal eine Aufstellung aller akuten Probleme und ihrer Lösungen machen, die nichts mit dem Klimawandel zu tun haben.

Um dann später die spezifischen Lösungen für die Klimaproblematik heraus zu arbeiten.

Meines Erachtens wird sich der ganze Hype dann sehr schnell wieder legen.

MfG
Yeph

Anonymous said...

"Kohlendioxid-Ausstoß steigt rasanter als je zuvor"

Diese Aussage trifft nachweislich zu, aber gilt das in vergleichbar dramatischer Weise auch für die folgenden, daraus gezogenen Folgerungen, dass - aufgrund anthropogener (!) - Einflüsse ...

- die globalen Temperaturen steigen?
- die Meeresspiegel anwachsen?
- das Poleis im N und S abnimmt?
- die Klimagefahren zunehmen?

Ergänzend: nehmen die letzteren wegen einer tatsächlich zu beobachtenden Klimaveränderung zu, oder wegen der steigenden Siedlungstätigkeit, mithin wegen des Bevölkerungswachstums in gefährdeten Gebieten?

Anpassungsmaßnahmen: ist bisher irgendwo auf der Welt - abgesehen von regionalen Sonderfällen wie z. B. dem Aralsee - die Notwendigkeit zu einer Anpassung an einen unzweifelhaft "anthropogen verursachten" Klimawandel zu beobachten?

Ansonsten danke für die überfällige Aufforderung, auf "undifferenzierte Hinweise auf „den“ Klimawandel" zu verzichten, das Monitoring zu verstärken und Anpassungsmaßnahmen auf einer Zeitachse planbar zu machen.
Ein Appell an die Vernunft - und eine Absage an die Hysterie?!

Fragt sich nur, wo die Mittel für evtl. notwendige Anpassungen herkommen sollen, wenn wir sie vorher (von der Rettung maroder Banken und Währungen mal abgesehen) für die im globalen Kontext annähernd wirkungslose Vermeidung von CO2-Emissionen verschwendet haben werden.

B. Merker