Tuesday, March 12, 2013

Klimawandel und Kultur

Die Deutsche Welle präsentiert einen Beitrag zum Klimawandel, der zur einen Hälfte aus den Katastrophenszenarien besteht, die wir schon oft hier auf der Klimazwiebel diskutiert und auch kritisch hinterfragt haben. Doch nicht die Höhe der Schadensfälle in den USA etc ist an diesem Artikel interessant, sondern der Fokus auf den Schaden an kulturellem Wissen, der durch vom Klimawandel (mit) verursachte Umweltkatastrophen entsteht. Der Ethnologe Oliver Anthony Smith:
"Für Indigene und andere Naturvölker ist die Umwelt die Grundlage ihrer Identität, ihrer Religion, ihres Weltbildes. Wenn diese Völker durch plötzliche Umweltkatastrophen oder auch schleichende Umweltveränderungen vertrieben oder entwurzelt werden, hat das weitreichende Auswirkungen auf das kulturelle und soziale Leben."

Das Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit (EHS) der UN-Universität in Bonn hat in neun Ländern in Afrika, Asien, dem Südpazifik und Lateinamerika untersucht, wie Menschen auf den Klimawandel reagieren – und vor allem, was passiert, wenn eine Anpassung an den Klimawandel und seine Folgen nicht mehr möglich ist.


Koko Warner von der UNU-EHS schildert im DW-Interview, wie Bauern in Bangladesch die Versalzung der Böden in der Küstenregion mit dem Ausbringen von Zucker auf die Felder bekämpfen wollten – ein auswegloses Unterfangen. Wenn die Existenzgrundlage der Kleinbauern vor Ort vernichtet wird, dann geht in der Regel der Vater fort, um in der Stadt Geld zu verdienen (...): "Die Mutter bleibt zurück. Sie versorgt die Kinder und die Großeltern und bestellt die Felder. Die Mutter isst weniger, damit die Kinder mehr zu essen haben. Die Kinder verlassen die Schule und müssen arbeiten." Eine Anpassungsstrategie, die kurzfristig Abhilfe schaffen mag, aber langfristig zum Scheitern verurteilt ist – und letztendlich zur Abwanderung führt. Dadurch werden soziale Netzwerke, familiäre und dörfliche Strukturen auseinandergerissen.

In vielen Fällen sind Anpassungsstrategien unmöglich, zum Beispiel, wenn die Meere übersäuern, Fischer ihre Existenzgrundlage und ihre Identität verlieren und das kulturelle Wissen dazu.

Diese Studie beleuchtet das Leben derjenigen, die sonst wenig zu Wort kommen und in den ärmeren Teilen der Welt wohnen, aber am häufigsten unter der Folge von Unwettern und extremen Umweltbedingungen zu leiden haben:
 (...) Der kulturelle und soziale Schaden, der durch die Zerstörung und den Verlust von Lebensraum angerichtet wird, lässt sich nicht beziffern. Und dieser Verlust trifft vor allem jene, die den Klimawandel nicht verursacht haben: die Insel-Staaten im Südpazifik und in der Karibik, Entwicklungsländer in Subsahara-Afrika und in Lateinamerika.

 

 Nun sind wir hier auf der Klimazwiebel natürlich immer die ersten, die einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und einzelnen Umweltereignissen als wissenschaftlich nicht haltbar ablehnen; die mit Roger Pielke jr. argumentieren, dass die Schadenshöhe durch Umweltkatastrophen mit der Dichte der Besiedlung etc. und nicht mit dem Klimawandel direkt zu tun hat, und wenn die Sprache auf den CO2 Ausstoß kommt, zeigen wir schnell mit dem Finger auf die Schwellenländer, die es uns doch nur gleichtun. Soweit so gut. Wir haben auch schon viel darüber diskutiert, dass auch unsere Klimaschutzmaßnahmen in der Regel zu Verlust an Land, Wissen und sozialen Strukturen in anderen Teilen der Welt führen. Wir sind ja alle nur Touristen in dieser Welt:
Der Tourismus, der von Entwicklungspolitikern gerne als Mittel zu Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und damit zur Armutsbekämpfung gepriesen wird, ist dabei gleichermaßen Mitverursacher und Opfer des Klimawandels. Das steigende Flugaufkommen erhöht den Ausstoß von Kohlendioxid schneller, als er in der Industrie beispielsweise eingespart werden kann. Eine unmittelbare Folge der durch Treibhausgase ausgelösten globalen Erwärmung ist das Korallensterben, so Rachel Allen: "Eine um ein Grad erhöhte Wassertemperatur reicht aus, um die Korallenbleiche auszulösen. Innerhalb eines Monats lässt sich beobachten, wie ein Riff vollkommen ausbleicht. Welcher Tourist wird da noch hundert Dollar für einen Tauchgang ausgeben, wenn er nur ein totes Riff zu sehen bekommt?"
Es spricht vieles für die (Detail-) Kritik an einem Klimaalarmismus und dem damit einhergehenden Klimadeterminismus, der die Komplexität der Verhältnisse und der Ursachenzuschreibungen außer Acht lässt. Doch das ist keinesfalls der Endpunkt, sondern erst der Anfang. Denn das bedeutet ja nicht zugleich, dass wir nicht durch das Klima mit den Anderen, die sonst nie zur Sprache kommen und denen wir auch selten eine verleihen, verbunden sind. Wir sind es und erleben es als Zyniker:
Vielleicht aber schließt sich durch den Tourismus auch der Kreis, und die Verursacher des Klimawandels sehen sich mit den Folgen konfrontiert. Noch aber, so Anthony Oliver-Smith, "sind wir im Westen sehr zögerlich, wenn es darum geht, uns mit der Schuldfrage realistisch auseinanderzusetzen."
Wir sind ohne Zweifel eloquente Verteidiger unser energieintensiven Lebensweise geworden und darüber zu eleganten Kritikern des Klimaalarmismus, des Klimaschutzes und anderer Umweltmaßnahmen.  Auch sind wir Experten darin, wie man sich ein schickes Büßergewand umlegen kann - die Klimapolitik und oft auch die Klimawissenschaften sind ein perfektes Beispiel für diese chamäleonhaften Anpassungen an eine als natürlich verstandene kapitalistische Umwelt. Doch haben wir eigentlich auch eine Kritik entwickelt, die diesen Namen verdient und dennoch nicht hinter das zurückfällt, was wir wissen? Eine Erhöhung der Treibhauskonzentrationen erhöht den Anpassungsdruck - und damit die Wahrscheinlichkeit, dass viele, die sich nicht helfen können, daran scheitern. Es ist nun einmal auch der Klimawandel, der uns mit den Anderen verbindet. Eine Kritik am Alarmismus, am Determinismus, an Schuldzuweisungen und Ethnologen als Moralaposteln sollte nicht hinter diese Einsicht zurückfallen. Darin liegt die Herausforderung, und hier sind wir noch immer Analphabeten.

16 comments:

@ReinerGrundmann said...

Werner

das mit dem Analphabetismus leuchtet mir nicht ganz ein. Denn die widrigen Bedingungen, die zu Ernteverlust führen, sind eine Frage der Anpassung, egal ob die Ursache menschengemachter Klimawandel ist, natürlicher Klimawandel, oder nichts mit Klimawandel zu tun hat. Die Attributionsfrage ist da vollkommen nebensächlich.

Eine Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in ein paar Jahrzehnten kommt zu spät, hilft diesen Bauern in der jetzigen Situation nichts.

Die Studie der UN university hat wohl ihren Stellenwert in der internationalen Diplomatie, wo es um Ausgleichszahlungen im Rahmen von COP18 geht.

Zitat: 'In this context [about salinity of soils in Bangladesh, RG] Mr. Huq underscored that, “not all losses are quantifiable in dollars. For example in the case of Bangladesh, women have reported reproductive health problems and incidences of miscarriage. It is crucial that these non monetary costs are identified if they are to be considered by policymakers in climate negotiations”, he added.'

http://www.ehs.unu.edu/article/read/press-release-pioneering-study-shows-evidence-of-loss-and

Anonymous said...

Lieber Werner Krauss,

lassen Sie uns doch mal darstellen, was im Verlauf des Holozäns zu der ungeheuren Dominanz der Nordhemisphäre, ihrer Kultur und Wirtschaft über den Rest der Welt geführt hat ... DER KLIMAWANDELl!

... bzw. die notwendige und gelungene Anpassung an den Letzteren, mit Hilfe verschiedener Kulturtechniken, darunter u. a. die vorausschauende sichere Energie- und Nahrungsmittelversorgung in Zonen mit saisonal ausgesprochen widrigen und wechselhaften klimatischen Bedingungen.

Kam dazu, dass sich beim Rückzug der Gletscher und ansteigenden Temperaturen den nachrückenden Pflanzen, Tieren, Jägern und Siedlern riesige Flächen anboten - der überwiegende Anteil der globalen Landmasse liegt in der Nordhemisphäre.

Die Anpassung an unwirtliche Bedingungen sorgte letztlich dafür, was Sie als Kulturwissenschaftler möglicherweise mit Naserümpfen und Stirnrunzeln betrachten: die (nord)westliche Zivilisation, die neben Penicillin, Eisenbahn, Internet, iPhone usw. auch ein paar unerfreuliche Erscheinungen, die Banken nicht zu erwähnen, hervorgebracht hat. Unter dem Strich und rein quantitativ betrachtet, ist die Bilanz positiv, ein Erfolgsmodell. Dem überwiegenden Teil der Menschheit ist es nie besser ergangen als heute. Wir wenden deutlich weniger Arbeit als noch unsere Großeltern für die schiere Existenzsicherung auf, dafür, uns zu ernähren und Jahreszeiten und Naturkapriolen unversehrt zu überstehen - dem viel befeindeten und gefürchteten Klimawandel sei Dank!

Er hat uns bis hin zu diesem Blog geistig beflügelt und zu überraschenden Einsichten und Erfindungen befähigt. Die Auseinandersetzungen um seine Bekämpfung erinnern an Swifts Regierungssekretär Redreals, die Feindseligkeiten zwischen den Trackmesan und den Slackmesan und die Blefuscu ... "all true believers break their eggs at the convenient end". Lesenswert übrigens auch Gullivers dritte Reise. Sie führt ihn u. a. zu einem Mann, der versucht, Sonnenlicht aus Gurken zu extrahieren.

Bei der lohnenden Lektüre wird Ihnen vieles wenn nicht bekannt dann wenigstens verwandt vorkommen. Nachdem der Nachweis eines anthropogenen Signals in der globalen Klimaentwicklung, anders als in der von Ihnen zitierten Sendung dargestellt, bis dato nicht gelingen will, sollte man vor dem Hintergrund der zahlreichen menschlichen Irrungen und Torheiten in dieser Sache endlich die Satiriker zu Wort kommen lassen. Sie werden es auch nicht richten, aber mit Karl Kraus befinden, dass die Lage zwar hoffnungslos aber keineswegs ernst sei.

V. Lenzer

Freddy Schenk said...

Täusche ich mich, oder würde die Abbildung oben nicht genauso aussehen, wenn kein Klimawandel stattfindet? Allgemeine klimageographisch bedingte Extreme multipliziert mit Bevölkerungsdichte oder so ähnlich? Es ist bei vielen Ländern doch recht sinnfrei, über versch. Ökozonen zu mitteln. Interessanter wäre doch, ob Folgen eintretender (von mir aus angenommener zunehmender) Extreme in einer Region dann regional, national oder global noch kompensiert werden könnten oder nicht. Wie schon angemerkt wurde, hat das nur bedingt was mit Klimawandel zu tun.

Werner Krauss said...

Das Gespenst von Ellsworth Huntington geht um? So kommts mir vor, wenn ich die drei Kommentare in einem Zug durchlese:

Die Überlegenheit der nordischen "Hemisphäre" erklärt sich aus der erfolgreichen Anpassung an den Klimawandel (VLenzer), und das Versagen des Südens aus der mangelnden Anpassung (Reiner) und wegen "klimageographisch bedingter Extreme multipliziert mit Bevölkerungsdichte oder so" (Freddy). Die Attributionsfrage ist dagegen "völlig nebensächlich" und spielt nur im Rahmen internationaler Diplomatie und Ausgleichszahlungen eine Rolle.

Die drei Kommentare addieren sich zu einfach und zu gut, Freddy und Reiner. Das ist keine gute Anwort auf die Tatsache, dass Menschen im Süden zunehmend auch wegen klimatischer Veränderungen ihr Land und ihren Zusammenhalt verlieren. Das meinte ich damit, dass wir noch immer Analphabeten hinsichtlich der Klimafrage sind.

Ich kenne ja die ganze Kritik am Klimaalarmismus und habe daher alle Vorbehalte eingebaut, als ich diesen alarmistischen Deutche Welle Artikel geposted habe. Aber wie verhindern, dass diese nicht einfach zu einer billigen "wir haben nichts damit zu tun" Attitüde führen oder zu noch Schlimmerem, "nordischen" Anwandlungen? Und haben wir das mit dem Klimawandel wirklich schon alles verstanden, wenn wir uns auf die ganz enge physikalische Definition beschränken? Der Satz, dass "die Attributionsfrage da vollkommen nebensächlich ist", hat auch eine Kulturgeschichte, wie alles klimatische.

Auch in der aufgeklärten Kritik des Klimaalarmismus sind wir nicht gefeit vor einer Rückkehr des Gespenstes des Klima- und Umweltdeterminismus - das ist meine Befürchtung. Diese Warnung gilt nicht nur für die Klimaalarmisten, sondern leider auch für uns, deren Kritiker.

@ReinerGrundmann said...

Jetzt versteh ich gar nichts mehr. Klar hat alles eine Kulturgeschichte, aber was hat der Klimadeterminismus mit meinem Hinweis zu tun, dass die Ueberlebensfragen von laendlichen Gemeinden in diesen Laendern unabhaengig von Klimawandel bestehen? Das heisst ja nicht, dass man keinen Handlungsbedarf auf Seiten der reichen Laender sieht (wobei dieser oft eine postkoloniale oder oeko-imperiaistische Komponente hat).

Anonymous said...

@ Krauss

"Das ist keine gute Anwort auf die Tatsache, dass Menschen im Süden zunehmend auch wegen klimatischer Veränderungen ihr Land und ihren Zusammenhalt verlieren."

OK, aber damit ich Sie wirklich verstehe: könnten Sie bitte darlegen, wo genau Menschen unter anthropogen, durch GHG-Emissionen verursachten, klimatischen Veränderungen leiden.

Nach meinem Eindruck leiden sie unter den indirekten Folgen des Kyoto-Protokolls, den massiven Nebeneffekten unserer (nord)westlichen CO2-Hexenjagd, den enorm verteuerten Grundnahrungsmitteln und Energieträgern, der Landnahme für die Biospritproduktion und den Palmölmonokulturen etc., aber ich lasse mich gern belehren.

V. Lenzer


ps die "nordischen" Anspielungen konnten Sie sich wohl der Billig-Pointe wegen einfach nicht verkneifen. Wenn Sie die Zivilisationsgeschichte und die realen machtpolitischen und wirtschaftlichen Verhältnisse der politischen Korrektheit halber umschreiben möchten, bitte. Ich nehme zur Kenntnis, dass nach dieser, Ihrer Leseart eine Dominanz des (Nord)Westens gar nicht existiert. Womit wir, unerwartete Nebenfolge, endlich das schlechte Gewissen loswerden, das den einen oder anderen mit Blick auf die Entwicklungsländer gelegentlich zwickt

Freddy Schenk said...

Artikel #0 bietet einen Gemischwarenladen, bei dem für jeden etwas dabei ist: Kolonialismus, Post-Kolonialismus, Natur- und Klimadeterminismus, Globalisierungsgewinner vs. Verlierer, Überbevölkerung, Erste, Zweite und Dritte Welt, eingepackt in dependenztheoretisches Geschenkpapier usw. Und daraus wird dann als Präzipitat ein Kulturwandel-Klimawandel Problem?

Das Konzept der Tragfähigkeit bzw. Determinismuskonzept ist hier durchaus nicht falsch am Platze. Es wird nur immer wieder ahistorisch als statisch angenommen, obwohl es weder zeitlich noch räumlich jemals so zu verstehen war.

Werner Krauss said...

V.Lenzer,

ganz ohne Polemik erinnert mich Ihre Argumentation tatsächlich an den klassischen Klimadeterminismus, wie er glaube ich ganz gut zum Beispiel hier von Hans von Storch und Nico Stehr beschrieben ist:
http://www.velbrueck-wissenschaft.de/pdfs/33.pdf

Lesen Sie mal durch. Vielleicht interpretiere ich Sie ja völlig falsch, dann sagen Sie es mir vielleicht.

Ihr P.S. ist dummes Zeug.

Ihrer Diagnose, dass die "massiven Nebeneffekte unserer (nord)westlichen CO2 Hexenjagd" negative Folgen hat, stimme ich schon zu.

Es scheint in der Natur des anthropogenen Klimawandels zu liegen, dass man einzelne Effekte nicht auf den menschlichen Einfluss zurückführen kann. Nur: damit ist das Problem Klimawandel nicht erledigt. Es gibt ihn ja dennoch.
Wenn Sie allerdings glauben, dass es den anthropogenen Klimawandel gar nicht gibt, dann brauchen wir uns darüber auch nicht zu unterhalten, weil: das würde ja gar keinen Sinn machen.

Werner Krauss said...

(sorry for reposting - jetzt ist die Version richtig)

Freddy Schenk und Reiner,

schön gesagt, das mit dem Gemischtwarenladen. Vielleicht ist mein Versuch zum Scheitern verurteilt, weil die Vorlage - der Deutsche Welle Artikel - einfach zuviel durcheinanderwürfelt und letztlich zu bescheuert ist. Nur: das Problem verschwindet ja nicht einfach. Welches? Na das post-koloniale Klima-Dingsbums. Oder glaubt ihr, dass sich das in Begriffen wie Adaption, Tragfähigkeit, Resilienz und Vulnerabilität dann einfach auflöst und handhabbar gemacht wird? Ich glaube das nicht und denke, dass es wichtig ist, das Klimaproblem auch in einer anderen Sprache zu konzipieren, oder in einem anderen Ansatz. Vergebliche Hoffnung, dies an diesem Beispiel hier durchzuziehen - I agree.

Anonymous said...

@ Krauss

Eben mal das Schlagetotargument "Klimadeterminismus" zücken, und ätsch, bätsch, aus ist die Debatte?!

Anthropogener Klimawandel: dazu erneut die Frage, wo bitte Menschen unter anthropogenen, durch GHG-Emissionen verursachten, klimatischen Veränderungen leiden. Gemeint sind nicht die unbestrittenen Einflüsse durch Landnahme, Siedlungs- und Straßenbau etc., sondern global zu beobachtende, negative Veränderungen in der atmosphärischen und ozeanischen Klimaentwicklung, die sich eindeutig auf menschliche Einwirkung weit ab vom Ort des Geschehens zurückführen lassen.

Auch wenn ich nicht über jedes hingehaltene Stöcklein springen mag: selbstverständlich gibt es den Klimawandel. So zu tun, als hätte sich das Klima vor der Industrialisierung in einer Art Equilibrium befunden, oder als könnte man ihn (den Klimawandel) gar behördlich bekämpfen, halte ich dagegen für ausgemachten Unfug.
Eine andere Sache ist es, der aufgrund des wachsenden Energiebedarfs ansteigenden Luftbelastung mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen. Der Export des Problems nach Fernost und Osteuropa zählt definitiv nicht dazu.

Mein P.S. dummes Zeug? Na, na, mir kam das nordische Geraune jedenfalls nicht in den Sinn. Es ging darum darzustellen, dass der Klimawandel (weit mehr als der Krieg als angeblicher "Vater aller Dinge") entscheidend zur Entwicklung von Kulturtechniken beigetragen hat und deshalb nicht allein negativ bewertet werden sollte. Den Einfluss der klimatischen Bedingungen auf die zivilisatorische Entwicklung mit dem Allzweck-Hinweis "Klimadeterminismus" kurzerhand ins Abseits zu stellen, erweist sich bei näherer Betrachtung als wenig hilfreich. Es gibt diesen Einfluss zweifellos. Mit allen damit verbundenen Folgen.

V. Lenzer

Helmut Erb said...

Ich verstehe den Beitrag der DW als bewußt und gewollt alarmistisch.

Wasserdampf aus Kühltürmen illustriert den CO2-Ausstoß; eine Grafik zeigt, welche Länder von Wetterextremen getroffen wurden, wird aber benutzt, um die Gefahren des Klimawandels hervorzuheben. Und Menschen, die von Überschwemmungen betroffen sind, werden zu Klimaflüchtlingen.

Die EHS-Studie ist nicht zufällig Grundlage dieses Beitrags, denn auch sie ist durch und durch alarmistisch. Mir erschließt sich nicht, warum mich das schlechte Klimagewissen plagen soll, wenn auf einer Felseninsel im Pazifik Ruinen abgeräumt werden, um einen Damm aufzuschütten. Nur Alarmisten können auf die Idee kommen, das als Verlust kulturellen Erbes in Folge des Klimawandels darzustellen.

Und wer diesen Beitrag der DW auf der Klimazwiebel anpreist, fördert ebenfalls den Alarmismus.

Anonymous said...

Wie's der Zufall will ... sieht aus, als hätte der Klimadeterminismus gerade Hochkonjunktur ...

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/klima-im-holozaen-globale-temperatur-kurve-seit-11-300-jahren-a-886819.html

V. Lenzer

Werner Krauss said...

Nur noch so viel: Mein Kollege Tony Oliver Smith wird zitiert mit:

"Für Indigene und andere Naturvölker ist die Umwelt die Grundlage ihrer Identität, ihrer Religion, ihres Weltbildes."

Das muss ein Übersetzungsfehler sein. Kein Mensch spricht mehr von "Naturvölkern".

Anonymous said...

Sehr geehrter Herr Krauss,

mit diesem Artikel ist bei Ihnen ja scheinbar wieder einmal der echte Ethnologe durchgekommen. Bravo! Davon hätte ich mir mehr in Ihrem leider sehr enttäuschenden Buch gewünscht. Bedauerlicherweise rudern Sie nach den sich anschließenden teils sehr zynischen Kritiken schon wieder zurück und relativieren ihren eigenen Standpunkt. Es ist sicher nicht leicht, in solcher Gesellschaft subalterne Perspektiven einzunehmen, die das eitle Selbstverständnis, das sich durch diesen Blog zieht, verletzt.

Gemischtwarenladen? Für jeden was dabei? Eine schöne, nur leider negativ konnotierte, Metapher, denn genauso ist es nunmal! Nur soll der Klimawandel nicht die global stattfindenen systemischen und historischen Prozesse ersetzen, wie es hier gerne mal dargestellt wird, sondern er ist und wird immer mehr Teil davon. Er verbindet sich fortschreitend mit ihnen verstärkt sie. Sicher ist der Klimawandel nicht schuld daran, dass Menschen hungern und natürlich sollte niemand das Klimawandel-Argument mißbrauchen um sich z.B. aus der politischen Verantwortung zu ziehen, aber eine globale Erwärmung kann solche Situationen dramatisch verschärfen. Das zu leugnen ist schlicht ignorant.

Der Klimawandel ist ein hochkomplexes Problem, der Wille zur Reduzierung von Komplexität eine typische psychologische Reaktion auf sowas. Zumindest von den Wissenschaftlern hier sollte man aber erwarten dürfen, dass sie keine eindimensionale Sicht auf den Gegenstand einnehmen. Wer hier nur mit den Farben Schwarz und Weiß malt, hat einfach noch nicht verstanden, worum es wirklich geht. Sie haben völlig recht Herr Krauss: Besonders hier, in Ihrem Blog, muss ich kopfschüttelnd feststellen, wie hoch die Analphabetenrate in Bezug auf die Klimafrage tatsächlich noch ist.

Lassen Sie sich nicht immer wieder die Scheuklappen aufsetzen, die man Ihnen aufzwingen will!

MfG,
Tadeusz

Anonymous said...

@ V. Lenzer

Ich finde den Spiegelartikel erfrischend ausgeglichen. Wissen Sie warum der Mensch ein riesiges Gehirn besitzt?

Eine Theorie besagt dass er sich in der Savanne und aufrechten Ganges so besser abkühlen konnte.

Ist schon ein lustiges Völkchen diese Wissenschaftler und vielleicht haben sie ja Recht?


MfG

Yeph

Werner Krauss said...

Lieber Herr Tadeusz,

ein paar Ihrer Worte habe ich gleich mehrfach gelesen und mich darüber gefreut. Ganz unter uns: hier macht man wirklich was mit, auf der Zwiebel und in dieser Gesellschaft! Kulturbanausen! Aber das bleibt wirklich besser unter uns.

Ihre Ausführungen zum Klimawandel als die systemischen und historischen Prozesse verstärkend klingt erstmal interessant. Und den Gemischtwarenladen zu verteidigen ist ein schöner Schachzug, der mir spontan gefällt. Aber ich weiß nicht so recht worauf Sie hinauswollen, und gleich gar nicht, warum Sie unser Buch enttäuschend finden. Warum das denn nur? Zuviel science studies für Ihren Geschmack?

Ich würde mich wirklich freuen, wenn sich hier auch einmal andere Stimmen zu Wort melden - Sie sind herzlich eingeladen mitzumischen und Ihre Positionen hier zu entwickeln.