Nun ist gewiss nichts Schlechtes daran, seinen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Aber dieses quasi moralische Kriterium kann offenbar bizarre Forderungen nach sich ziehen. Das Verführerische an ihm ist, dass es klare Orientierung und ein gutes Gewissen in einem unübersichtlich und unsicher gewordenen Gelände verschafft: großer Fußabdruck schlecht - kleiner Fußabdruck gut!Doch der Autor belässt es nicht bei der Aufzählung allerhand wirklich kurioser Dinge, die da als Klimaproblem gehandelt werden. Vielmehr greift er eine Typologie von Allenby und Sarewitz auf, die er am Beispiel des Autos ausführt: Auf lokaler Ebene ist es eine "zahme Technologie", die beherrsch- und reparierbar ist; auf regionaler Ebene ist es eine "vernetzte, soziokulturelle Technologie". Leider erweist es sich aber auf globaler Ebene als eine "tückische Technologie", die so komplexe Probleme - Klimawandel, Ressourcenpolitik, Produktion etc - aufwirft, dass wir nicht mal mehr eine vernünftige Problemstellung entwerfen können - weil es schlichtweg zu kompliziert ist.
Da liegt es natürlich nahe, diese verwickelten Probleme in "zahme" zu verwandeln und z.B. seinen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Doch die Schlussfolgerung, die der Autor zieht, hat Klasse: weder macht er sich über die armen (Öko-) Helden des Alltags lustig, noch schlägt er sich auf die großsprecherische Seite der Experten, Wissenschaftler und sonstiger Durchblicker. Sondern er kommt zu einer Haltung des "fatalistischen Engagements" , die dazu anregt, sich angesichts einer solch verzwickten Lage neu zu positionieren:
Damit ist weder ein resignatives Hände-in-den-Schoss-Legen noch ein überdrehter Ökoaktivismus gemeint. Zwischen diesen beiden Polen liegt ein ganzes Spektrum von individuellen Denk- und Handlungsmöglichkeiten – Optionen in der Kunst des intelligenten, kreativen, umsichtigen Sichdurchwurstelns, wenn man so will. Hier sind durchaus technische Innovationen gefragt, und hier hat die Wissenschaft ohne Zweifel ein gewichtiges Wort mitzureden.
Um sogleich eine Warnung hinterher zu schicken, welche die Wissenschaft und die global governance Strategen auf die Plätze verweist:
Probleme lösen ist gut, aber schauen wir zunächst die Probleme selbst an, die es zu lösen gilt. Die meisten stellen sich auf einer Ebene, auf der wir Daniel-Düsentrieb-Erfindungen, wissenschaftlichen Grossvisionen und politischem Krisenmanagement mit dem gebührenden Misstrauen begegnen sollten. Kurz: Die dritte Stufe ist «unsere» Stufe, die Handlungsebene von uns allen, nicht bloss von Technikern und Wissenschaftern, von Regierungen und ihren Expertenstäben, von Nichtregierungsorganisationen oder von Umweltaktivisten.
Dieser Gedankengang von Michael Kaeser hat was. Sein Artikel zeigt, dass nicht unbedingt die wissenschaftliche Untersuchung oder der wissenschaftlich zertifizierte Bericht oder Report geeignet sind, das Klimaproblem denk- und leb-bar zu machen, sondern eher der Essay oder das Feuilleton. Die Wissenschaft hat ihre Aufgaben im Nachweis und Verlauf des Phänomens und auch in der Entwicklung von neuen Technologien, versteht sich. Aber der Umgang mit dem Klimawandel ist auch eine Frage der Übersetzung, der Positionierung und der Komposition - Aufgaben, die in der Kunst, in der Literatur, in der Diplomatie und in der Alltagskultur angesiedelt sind. Diese "Künste" bringen den Klimawandel in eine Form, die ihn als Teil unserer Existenz begreifen lassen und die zugleich die Veränderungen registrieren, die dies mit sich bringt.
1 comment:
Ein Kommentar zu diesem Beitrag fragt:
"Müssen immerzu Probleme gelöst werden? Müssen wir die Welt retten? «Probleme» suchen und ausgraben?"
Genau das ist die Frage, die auch mir beim Lesen durch den Kopf ging und die Kaeser leider nicht mitdiskutiert.
Wie Stadtkinder, die in ihrer keimfreien Umwelt Allergien entwickeln, scheinen wir nach den existenziellen Problemen zu hungern. Wir wollen für eine gute Sache kämpfen (und sei es als Blog-Kommentatoren), denn wir haben nun mal immer noch diesen Kampfgeist, die Bereitschaft, unsere Gruppe gegen Bedrohungen zu verteidigen ... das sieht man in allen Bereichen des politischen Spektrums, und ich DAS für ein sehr großes Problem. Man kämpft, statt zu kooperieren.
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