Farbanalyse: Klimageheimnis auf alten Meisterwerken: Warum ist es für die online Medien eine Meldung wert, dass Gemälde alter Meister als Proxys für die Klima- und Umweltforschung dienen können? Was wollen die Autoren uns damit sagen? In ihrem Artikel mit dem schönen Titel "Further evidence of important environmental information content in red-to-green ratios as depicted in paintings by great masters" weisen C. S. Zerefos et al. nach, dass Farbtönungen des Sonnenlichts in Gemälden von William Turner bis Caspar David Friedrich Vulkanausbrüche reflektieren. Soweit, so schön für die Wissenschaft. Doch bei genauerer Lektüre feiern beide, wissenschaftlicher Artikel und seine massenmediale Vermarktung, noch zusätzlich den Triumph der Wissenschaft über die schönen Künste:
"Ich habe nicht gemalt, um verstanden zu werden", soll der britische Maler William Turner gesagt haben. "Ich wollte zeigen, wie eine Gegend aussah." Und das scheint dem Künstler besser gelungen zu sein, als er es vielleicht selbst je erhofft hatte. Farbanalysen zeigen, dass die Bilder von Turner und anderen Künstlern die Klimageschichte der Erde nachzeichnen.
Der Triumph des Wissenschaftlers / Journalisten gleicht dem der kolonialen Ethnologie und ihrer Schwestern in den Regierungs- und Verhaltenswissenschaften. Er besteht immer darin nachzuweisen, dass die Kultur der Eingeborenen zwar faszinierend ist, aber letztlich obliegt es dem Forscher (und seinem Berichterstatter), die Funktion und die Nützlichkeit der jeweiligen Sitten und Gebräuche (z.B. für Umweltanpassung) zu erklären - wovon der dumme Eingeborene natürlich nichts weiß. Diese Haltung setzt sich in der Schilderung eines Experiments fort, dass Zeferos et al mit einem Maler durchführten und das der Wissenschaftsjournalist so zusammenfasst:
Ihre Rechnungen testeten Zerefos und seine Kollegen mit einem Experiment. Sie ließen einen Maler auf der griechischen Insel Hydra die Mittelmeerlandschaft zeichnen. Was der Künstler nicht wusste: Er malte seine Bilder vor und nach dem Durchzug einer mächtigen Staubwolke, die aus der Sahara übers Mittelmeer zog.
Die Werke hätten ihre historischen Analysen bestätigt, schreiben die Forscher: Tatsächlich habe der Maler während der Staubtage zu kräftigen Farben gegriffen, während er zuvor einen blasseren Horizont abbildete.
So wie man früher die "Wilden" vermaß und Experimente mit ihnen durchführte, so wird hier die Überlegenheit der Wissenschaft über die Kunst demonstriert - der Künstler kann zwar die Naturphänomene wahrnehmen und abbilden, deren Gesetze zu entschlüsseln obliegt aber allein dem Wissenschaftler.
Dies, so meine Vermutung, ist der eigentliche "Mehrwert" dieser ansonsten doch sehr unspektakulären Nachricht aus der Welt der Forschung. Der Zwang der Umwelt- und Klimawissenschaften, ihre Existenz durch permanenten Nutzungsnachweis zu rechtfertigen, hat zu einer Kultur geführt, in welcher die Banalität zu einem Event, die Katastrophe zu einem Verkaufssegment und der Nutzen zum einzig zählbaren Wert von Wissenschaft geworden ist. Wie kürzlich das Welterbe, so werden hier in der medialen Aufbereitung Meisterwerke der Kunst zu Proxies für die Wissenschaft nicht nur benutzt - wogegen nichts einzuwenden ist - , sondern herabgewürdigt, um als medialen Mehrwert die Überlegenheit der Wissenschaft über die Kunst zu zelebrieren und darüberhinaus die Fantasie zu wecken, die Welt sei mit Wissenschaft und Technologie steuerbar.
In den Tagebüchern von Peter Sloterdijk findet sich eine Passage, die ich hier im Ganzen zitieren möchte, da sie meine eigene hysterische Kritik an der Banalität des täglichen Klima-Medien-Schnellfeuers in einen historischen Kontext stellt und das Verschwinden ihres Objekts im Bodenlosen konstatiert:
"Feyerabend setzt den Ton (...), indem er behauptet, Objektivismus sei nichts als ein Ausdruck der kleinbürgerlichen Angst vor der Freiheit. Sie motiviere die hündische Unterwürfigkeit der modernen Menschen in bezug auf die Wissenschaft, die nichts anderes als utilitaristische Kategorien kennt. Sie sieht ihre Mission darin, die Sklaverei des Nutzens bis in die letzten Winkel auszubreiten. Die Emanzipation beginnt, sobald man den Wissenschaftsglauben als den schlimmsten Freiheitsvertilger durchschaut hat.
In den 'Hundehütten' Carnaps und Poppers gibt es kein menschenwürdiges Leben. Der Trennung von Staat und Kirche soll endlich die Trennung von Staat und Wissenschaft folgen.
Bei der Wiederbegegnung mit Feyerabends anarchoiden Thesen fällt mir die abgrundtiefe Veränderung der Epochenstimmung zwischen seiner Blütezeit und heute auf. Was der Kritiker des Methodenzwangs seinerzeit vorbrachte, klingt inzwischen so fern wie eine Botschaft aus dem epistemischen Neolithikum, in dem dissidente Jäger mit Pfeil und Bogen auf autoritäres Großwild schossen. Zu seiner Zeit bereitete es Jungtheoretikern auf der Suche nach einer Nische im System der 'Diskurse' eine diabolische und juvenile Freude, vermeintliche metaphysische oder empiristische 'Gewißheiten' zu erlegen.
Dreißig Jahre später würde man zu dem erregten Wildbeuter sagen, beruhig dich! Da ist weit und breit keine Gewißheit mehr, mit deren 'Überwindung' du deinen Spaß haben könntest. Längst leben die Heutigen im Lande Bodenlos, wo man schon für etwas mittelfristig Haltbares dankbar wäre wie früher für ein ewiges Evangelium." (Peter Sloterdijk, Zeilen und Tage. Notizen 2008-2011. Suhrkamp, 2013).
1 comment:
Auch in Grimm's Märchen und in Volksliedern dürften sich starke pro-AGW-Indizien finden lassen. Hat da mal jemand nachgeforscht?
Ich sage nur "Der Mai ist gekommen" uswusf.
Auch die klassische Musik wird sich noch als wahres "Klimaarchiv" erweisen. Wetten?
Heiner
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