Über die Umwelt und die ambivalente Jugend:
Es ist das Recht junger Leute, aufmüpfig zu sein. Und ich bin begeistert, wenn ich an die mutigen Umweltschützer von Greenpeace denke. Weil sie sich für eine bessere Welt, weil sie sich selbstlos für andere einsetzen. Traurig indessen stimmt es mich, wenn ich an die Krawalle in der Hafenstraße denke. Diese Leute dort sind durchweg nur auf ihre eigenen Vorteile bedacht. Egoismus, der in Sprüchen gipfelt wie "das steht mir zu" oder "das habe ich zu verlangen", mag ich nicht.
Und, ähnlich ambivalent, über Emanzipation:
Es ist bedauerlich, dass darüber noch immer und so viel gesprochen wird. In Notzeiten haben die Frauen stets ihren Mann gestanden. Das war selbstverständlich. Denken wir nur an Krieg und Nachkriegszeit. Und heute tun sie's auch. Was soll also das ganze Gerede? Damit wollen sich Politiker oder Emanzen doch nur wichtig machen.
Über den Zustand der Umwelt und ob man je wieder wird in der Elbe baden können:
Ich bin da sehr skeptisch. Weil die Menschen zu egoistisch sind. Die Autos werden immer größer, man will unbedingt den Nachbarn übertreffen. Maßlosigkeit auf jedem Gebiet. Müll wird einfach in die Teiche geworfen, und die Ozon-Gefahr nehmen wir zur Kenntnis – mehr nicht. Jeder hofft vom anderen, dass der sich vorbildlich verhält und leistet sich selbst jede Freiheit. Diese Einstellung stimmt mich pessimistisch.
Über die damals heiß diskutierten Atomkraftwerke:
Man könnte mich ebensogut fragen: Sind Sie für Kohle- oder Öl-Kraftwerke, die die Luft verpesten und die Ozonschicht vernichten helfen? Solange wir Menschen uns nicht einschränken können, sehe ich kaum Alternativen, wenngleich ich mir wünsche, dass viel mehr in saubere Wind- und Solar-Energie investiert würde.
Medien- und Kapitalismuskritik:
Am besten gefallen mir die Sendungen mit Dieter Hildebrandt. Den könnte ich jeden Abend hören und sehen. Was die vielen Serien angeht – oh Gott! Da haben wir auch wieder dieses Profitgebaren.
Über Helmut Schmidt und die hamburger Sehnsucht nach dem starken Mann:
Von Politikern hören wir doch nur schöne Worte, billige Phrasen. Aber wo gibt es denn noch Menschen in Politik und Regierung, die – wie einst Helmut Schmidt – mal mit der Faust auf den Tisch hauen und ihren eigenen Parteifreunden die Leviten lesen? Heute wird doch nur um lukrative Posten gebuhlt, um sich die Taschen vollzustopfen und dann noch kühn zu behaupten, man tue das alles für Deutschland. Andere Männer braucht das Land. Aber nicht nur einen, sondern ein paar Hundert.
Über das Leben im Krieg und die Hamburger Bombennächte :
Wenn es manchmal sehr anstrengend war und ich so richtig kaputt bin, dann denke ich zurück an die Bombennächte in Hamburg, als ich mit meinen Kindern im Bunker saß und morgens um 6 Uhr schon kilometerweit zum Einkaufen laufen musste, weil alles in Trümmern lag. Ich habe die Schühchen meines Sohnes Jan-Rasmus heute noch. Sie sind vorne aufgeschnitten, weil sie ihm zu klein wurden. Wenn ich mal ganz ungnädig bin, hole ich sie mir aus dem Schrank – und bin gleich wieder froh, weil es uns so gut geht. Im Übrigen, jeder hat seine Sorgen. Ich lasse mir nur nichts anmerken. Vom Jammern wird's auch nicht besser.
und den Verlust der Erinnerung (offensichtlich wurde bei ihr eingebrochen, aber mir drängt sich sogleich auch eine Freudsche Interpretation auf - nur die Bombennächte können aus jener Zeit benannt werden, der Rest wurde "gestohlen"):
Natürlich hatte auch ich wertvolle Andenken. Aber die haben sie mir ja nun geklaut. Ich bin deswegen nicht traurig, weil mir anderes mehr bedeutet.
Fazit: In diesem Interview wird sehr schön deutlich, wie wichtig in den neunziger Jahren das Thema Umwelt und Energie waren - und wie tief die damit verbundenen Konflikte und Einstellungen von der lokalen und nationalen Geschichte geprägt sind. Heidi Kabels Wunsch nach einer sauberen Umwelt, einer dafür engagierten Jugend, nach starken Frauen und starken Politikern kollidiert immer wieder mit der Angst vor Schmutz, vor Politisierung wie durch die "Krawallmacher" aus der Hafenstraße, die "Emanzen" oder durch korrupte Politiker. Im Subtext wird dabei immer auch die eigene Haltung zur Geschichte, zum (eigenen Leben im) Nationalsozialismus und die Erinnerung an den Krieg mit verhandelt. Das Beispiel einer Diskussion aus der TAZ über die Errichtung eines Heidi Kabel Platzes zeigt, wie historisch aufgeladen die politische Atmosphäre und die Diskussion um Brokdorf, Hafenstraße oder Umweltverschmutzung waren.
Der Unterschied zwischen einem Fragebogen, der Meinungen abfragt, und einem solchen Interview ist frappant: es sind die vielen Ambivalenzen, Zwischentöne, Bilder und atmosphärischen Stimmungen, die hier die Musik machen. Neben dem Wert als historisches Zeugnis gibt das Interview mit Heidi Kabel auch eine Ahnung davon, was alles mitschwingt, wenn wir heute in Deutschland und anderswo den Klimawandel diskutieren.
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