Thursday, July 14, 2011
Dietmar Herdt zum Thema „Frauen im Wissenschaftsbetrieb“
by
Hans von Storch
Inspiriert durch das Interview mit Bette Otto-Bliesner für die Atmospheric Science Newsletter der American Geophysical Union, einige Anmerkungen von Dietmar Herdt zum Thema „Frauen im Wissenschaftsbetrieb“.
Ich arbeite als Fachlehrer für Physik und Mathematik an der Nell-Breuning-Europaschule in Rödermark. Die Mittelstufe (Klassen 5 bis 10) ist als Integrierte Gesamtschule organisiert, die Gymnasiale Oberstufe (11 bis 13) ist eine so genannte „Profiloberstufe“. Die Schülerinnen und Schüler wählen sich jeweils in ein „Profil“ ein, das aus einem Leistungskurs und verbindlich zugeordneten Grundkursen besteht.
Die naturwissenschaftlichen Profile leisten für die universitären (hier Natur-) Wissenschaften wichtige Zubringerdienste, auch für die Emanzipation von Mädchen und Frauen. Neben der Erfüllung fachlicher Voraussetzungen bemühen wir uns bei den Schülerinnen auch um eine positive Grundstimmung gegenüber technisch-naturwissenschaftlichen Studienfächern. Dies gilt in besonderem Maße für das von mir betreute „Profil Naturphilosophie“, eine Fächerkombination mit dem Leistungskurs Physik und den verbindlichen Grundkursen Englisch (Scientific English) und Ethik (Verantwortung von Wissenschaft und Technik).
Bereits in den 11. Klassen werden für die als sehr umfangreich bekannten kinematischen und dynamischen Messreihen an der Luftkissenfahrbahn verstärkt die Mädchen herangezogen. Haben die ihre Scheu vor der Apparatur und vor der Klasse abgelegt, verklingt sehr schnell ihre innere Stimme, nach der Physik und Technik die Sache der Jungs sei. Zu unseren Leitsprüchen gehört der Satz: „Wenn Physik so schwer wäre, könnten es die Jungs (auch) nicht!“
Unserer systematischen Aufbauarbeit bei den Mädchen ist es zu verdanken, dass seit der Gründung des Profils Naturphilosophie im Jahr 1995 in unseren Physikleistungskursen bis zu 50 Prozent Mädchen sitzen, mit zum Teil sehr guten und sogar überragenden Leistungen.
In den 11. Klassen stelle ich seit mehr als dreißig Jahren Unterrichtserfahrung in Mathematik und Physik fest:
Die mathematisch-naturwissenschaftlich (sehr) guten Schülerinnen gehören oft auch in den sprachlichen Fächern zu den Besten ihres Jahrgangs, haben also ein breites Begabungsprofil und können ihre Leistungskurse frei wählen. Ohne unsere besonderen Anstrengungen wären diese Mädels kaum für ein naturwissenschaftliches Profil zu gewinnen. Bei den Jungs gibt es dagegen die typischen Physiker/Mathematiker, die mit den so genannten „Laberfächern“ nicht viel im Sinn haben. Die wählen ohnehin Physik.
Ein besonderes Highlight war die Kooperation mit einer befreundeten Physikprofessorin. Mit ihr haben wir z.B. einen Aerodynamiklehrgang in den 11. Klassen durchgeführt und unsere bislang erfolgreichste Präsentaion „Finding Nano: Nanotechnology and Responsibility“ erarbeitet. Damit wurden wir auch an die Humboldtuniversität in Berlin eingeladen, um das bundesweite Projekt „piko –Physik im Kontext“ zu eröffnen.
Die Englischkurse im Profil Naturphilosophie werden von ausgewählten Kolleginnen unterrichtet, die mit ihrer Persönlichkeit und ihrem fachlichen Wissen und Können den kosmopolitischen und kulturellen Anspruch unterstützen. Durch ihre Öffnung für die moderne Physik gewinnt unser vermeintlich schnödes Fach an Ansehen, auch im Kollegium.
Mit unseren Profilwochen, in denen einmal pro Schuljahr (12/13) eine multimediale Präsentation zu einem fächerübergreifenden Thema erarbeitet wird, bringen wir Mädchen und Jungs zusammen. Modernes Infotainment, eigene Wissenschaftssongs, Theaterszenen, anspruchsvolle Videotechnik und Gags sind einerseits ein feuilletonistisches Angebot für die breiter angelegten Mädchen. Andererseits öffnen wir den Jungs die Augen für einen weiteren Blick auf das große Ganze: „Wer nur Physik versteht, versteht auch die nicht.“
Zu unseren Themen gehören Quantenphysik, Relativität und Kosmologie, Wissenschaftsphilosophie und –geschichte (Paradigmenwechsel von der Klassischen zur Modernen Physik), Verantwortungsethik u.a.
Unsere Präsentationen sind seit vielen Jahren erfolgreich bei Schülerwettbewerben, z.B. bei science on stage. Wir präsentieren jedes Jahr bei der Abschlussveranstaltung beim Schülerforum des VDI in der Hochschule Frankfurt. In diesem Jahr haben wir uns mit dem aktuellen Bestseller Stephen Hawking kritisch auseinandergesetzt. Das letzte Wort in dem multimedialen Play hatten drei unserer Mädchen, die als „Doktorantinnen von Hawking“ ihren Meister in Faust’scher Reimform in die Schranken wiesen.
Meist stehen unsere Projekte im thematischen Zusammenhang mit den Rödermärker Hochschultagen und den Nell-Breuning-Symposien.
Über meine Facebook-Kontakte habe ich zahlreiche positive Rückmeldungen von Schülerinnen, die nach dem Abitur im Profil Naturphilosophie ein technisch-naturwissenschaftliches Studium absolviert haben, eine ganze Reihe mit abgeschlossener Promotion — überwiegend noch ohne eigene Familie bzw. Kinder.
Bei der diesjährigen VDI-Veranstaltung wurden meine Leistungskurs-Physiker/innen (7 Jungs / 7 Mädchen) nach ihren Studienwünschen befragt. Alle gaben eine mathematisch-technische Richtung an. Das zeigt unsere besondere Verantwortung im Profil Naturphilosophie, in dem wir viel mehr studien- und berufsvorbereitend arbeiten müssen, als es die KollegInnen in den anderen Leistungskursen tun.
Meinen erfolgreichen Abiturientinnen empfehle ich besonders das Höhere Lehramt Mathematik/Physik — nicht ohne Erfolg.
Hintergrund: Vor einiger Zeit hatten wir im Fachkollegium eine promovierte Physikerin, die als spätberufene Pädagogin an unsere Schule kam. Nach einem Jahrzehnt erfolgreicher Arbeit als Diplomphysikerin im Bereich Vakuumtechnik hatte sie sich ihren Kinderwunsch verwirklicht und arbeitete fortan als Teilzeitphysikerin. Wichtige Meetings fanden dann oft außerhalb ihrer Arbeitszeit statt, sie wurde systematisch ausgebootet. Diese Form des Mobbings war für sie der Anlass, eine zusätzliche Lehrerausbildung zu absolvieren. Seit vielen Jahren arbeitet sie nun erfolgreich als Gymnasiallehrerin – mit Teilzeit.
Für ihre früheren männlichen Kollegen war es einfacher, ihren Fulltime-Beruf mit der Familie zu verbinden.
Im Lehrerberuf haben nun die Frauen den exklusiven Vorteil, dass sie ihre Arbeitszeit an die familiären Erfordernisse anpassen können, ohne besondere Nachteile.
Die oben genannte Professorin, die bereits Mitte dreißig eine C4-Professur innehatte, ist kinderlos — ein Beispiel dafür, dass für Frauen die ganz große Karriere ohne Kinder leichter möglich ist. Bei den Männern sehe ich dieses Problem nicht. Dieses traditionelle Rollenverständnis lässt viel weibliches Potenzial ungenutzt.
Wir als Schule können nur die Weichen für die Studienwahl stellen. Die scientific communities und die Industrie sind gefordert, ihren Teil zu dem Jahrhundertprojekt „Emanzipation“ beizutragen.
Unsere Jahrgangsberichte zu den verschiedenen Projekten und Präsentationen finden sich auf der Schulhomepage.
Ich arbeite als Fachlehrer für Physik und Mathematik an der Nell-Breuning-Europaschule in Rödermark. Die Mittelstufe (Klassen 5 bis 10) ist als Integrierte Gesamtschule organisiert, die Gymnasiale Oberstufe (11 bis 13) ist eine so genannte „Profiloberstufe“. Die Schülerinnen und Schüler wählen sich jeweils in ein „Profil“ ein, das aus einem Leistungskurs und verbindlich zugeordneten Grundkursen besteht.
Die naturwissenschaftlichen Profile leisten für die universitären (hier Natur-) Wissenschaften wichtige Zubringerdienste, auch für die Emanzipation von Mädchen und Frauen. Neben der Erfüllung fachlicher Voraussetzungen bemühen wir uns bei den Schülerinnen auch um eine positive Grundstimmung gegenüber technisch-naturwissenschaftlichen Studienfächern. Dies gilt in besonderem Maße für das von mir betreute „Profil Naturphilosophie“, eine Fächerkombination mit dem Leistungskurs Physik und den verbindlichen Grundkursen Englisch (Scientific English) und Ethik (Verantwortung von Wissenschaft und Technik).
Bereits in den 11. Klassen werden für die als sehr umfangreich bekannten kinematischen und dynamischen Messreihen an der Luftkissenfahrbahn verstärkt die Mädchen herangezogen. Haben die ihre Scheu vor der Apparatur und vor der Klasse abgelegt, verklingt sehr schnell ihre innere Stimme, nach der Physik und Technik die Sache der Jungs sei. Zu unseren Leitsprüchen gehört der Satz: „Wenn Physik so schwer wäre, könnten es die Jungs (auch) nicht!“
Unserer systematischen Aufbauarbeit bei den Mädchen ist es zu verdanken, dass seit der Gründung des Profils Naturphilosophie im Jahr 1995 in unseren Physikleistungskursen bis zu 50 Prozent Mädchen sitzen, mit zum Teil sehr guten und sogar überragenden Leistungen.
In den 11. Klassen stelle ich seit mehr als dreißig Jahren Unterrichtserfahrung in Mathematik und Physik fest:
Die mathematisch-naturwissenschaftlich (sehr) guten Schülerinnen gehören oft auch in den sprachlichen Fächern zu den Besten ihres Jahrgangs, haben also ein breites Begabungsprofil und können ihre Leistungskurse frei wählen. Ohne unsere besonderen Anstrengungen wären diese Mädels kaum für ein naturwissenschaftliches Profil zu gewinnen. Bei den Jungs gibt es dagegen die typischen Physiker/Mathematiker, die mit den so genannten „Laberfächern“ nicht viel im Sinn haben. Die wählen ohnehin Physik.
Ein besonderes Highlight war die Kooperation mit einer befreundeten Physikprofessorin. Mit ihr haben wir z.B. einen Aerodynamiklehrgang in den 11. Klassen durchgeführt und unsere bislang erfolgreichste Präsentaion „Finding Nano: Nanotechnology and Responsibility“ erarbeitet. Damit wurden wir auch an die Humboldtuniversität in Berlin eingeladen, um das bundesweite Projekt „piko –Physik im Kontext“ zu eröffnen.
Die Englischkurse im Profil Naturphilosophie werden von ausgewählten Kolleginnen unterrichtet, die mit ihrer Persönlichkeit und ihrem fachlichen Wissen und Können den kosmopolitischen und kulturellen Anspruch unterstützen. Durch ihre Öffnung für die moderne Physik gewinnt unser vermeintlich schnödes Fach an Ansehen, auch im Kollegium.
Mit unseren Profilwochen, in denen einmal pro Schuljahr (12/13) eine multimediale Präsentation zu einem fächerübergreifenden Thema erarbeitet wird, bringen wir Mädchen und Jungs zusammen. Modernes Infotainment, eigene Wissenschaftssongs, Theaterszenen, anspruchsvolle Videotechnik und Gags sind einerseits ein feuilletonistisches Angebot für die breiter angelegten Mädchen. Andererseits öffnen wir den Jungs die Augen für einen weiteren Blick auf das große Ganze: „Wer nur Physik versteht, versteht auch die nicht.“
Zu unseren Themen gehören Quantenphysik, Relativität und Kosmologie, Wissenschaftsphilosophie und –geschichte (Paradigmenwechsel von der Klassischen zur Modernen Physik), Verantwortungsethik u.a.
Unsere Präsentationen sind seit vielen Jahren erfolgreich bei Schülerwettbewerben, z.B. bei science on stage. Wir präsentieren jedes Jahr bei der Abschlussveranstaltung beim Schülerforum des VDI in der Hochschule Frankfurt. In diesem Jahr haben wir uns mit dem aktuellen Bestseller Stephen Hawking kritisch auseinandergesetzt. Das letzte Wort in dem multimedialen Play hatten drei unserer Mädchen, die als „Doktorantinnen von Hawking“ ihren Meister in Faust’scher Reimform in die Schranken wiesen.
Meist stehen unsere Projekte im thematischen Zusammenhang mit den Rödermärker Hochschultagen und den Nell-Breuning-Symposien.
Über meine Facebook-Kontakte habe ich zahlreiche positive Rückmeldungen von Schülerinnen, die nach dem Abitur im Profil Naturphilosophie ein technisch-naturwissenschaftliches Studium absolviert haben, eine ganze Reihe mit abgeschlossener Promotion — überwiegend noch ohne eigene Familie bzw. Kinder.
Bei der diesjährigen VDI-Veranstaltung wurden meine Leistungskurs-Physiker/innen (7 Jungs / 7 Mädchen) nach ihren Studienwünschen befragt. Alle gaben eine mathematisch-technische Richtung an. Das zeigt unsere besondere Verantwortung im Profil Naturphilosophie, in dem wir viel mehr studien- und berufsvorbereitend arbeiten müssen, als es die KollegInnen in den anderen Leistungskursen tun.
Meinen erfolgreichen Abiturientinnen empfehle ich besonders das Höhere Lehramt Mathematik/Physik — nicht ohne Erfolg.
Hintergrund: Vor einiger Zeit hatten wir im Fachkollegium eine promovierte Physikerin, die als spätberufene Pädagogin an unsere Schule kam. Nach einem Jahrzehnt erfolgreicher Arbeit als Diplomphysikerin im Bereich Vakuumtechnik hatte sie sich ihren Kinderwunsch verwirklicht und arbeitete fortan als Teilzeitphysikerin. Wichtige Meetings fanden dann oft außerhalb ihrer Arbeitszeit statt, sie wurde systematisch ausgebootet. Diese Form des Mobbings war für sie der Anlass, eine zusätzliche Lehrerausbildung zu absolvieren. Seit vielen Jahren arbeitet sie nun erfolgreich als Gymnasiallehrerin – mit Teilzeit.
Für ihre früheren männlichen Kollegen war es einfacher, ihren Fulltime-Beruf mit der Familie zu verbinden.
Im Lehrerberuf haben nun die Frauen den exklusiven Vorteil, dass sie ihre Arbeitszeit an die familiären Erfordernisse anpassen können, ohne besondere Nachteile.
Die oben genannte Professorin, die bereits Mitte dreißig eine C4-Professur innehatte, ist kinderlos — ein Beispiel dafür, dass für Frauen die ganz große Karriere ohne Kinder leichter möglich ist. Bei den Männern sehe ich dieses Problem nicht. Dieses traditionelle Rollenverständnis lässt viel weibliches Potenzial ungenutzt.
Wir als Schule können nur die Weichen für die Studienwahl stellen. Die scientific communities und die Industrie sind gefordert, ihren Teil zu dem Jahrhundertprojekt „Emanzipation“ beizutragen.
Unsere Jahrgangsberichte zu den verschiedenen Projekten und Präsentationen finden sich auf der Schulhomepage.
Subscribe to:
Post Comments (Atom)
6 comments:
Herr Herdt, das klingt wirklich sehr beeindruckend. Wenn ich an meine eigene Schulzeit denke: sehr früh wurde die Welt geschieden in solche die "Mathe" verstehen und solche die es eben nicht verstehen. Dazwischen war nichts. Es gab keinen Kontext, die Zahlenwelt blieb den meisten verschlossen.
Umso mehr bewundere ich Ihren Ansatz. Auch Mathe und Physik sind "kulturelle" Wissenschaften, da auch Zahlen eine Bedeutung haben. Die wurde früher nur nicht vermittelt, da die Lehrer meist selbst solche "nerds" waren wie sie die Jungen an ihrer Schule schildern, die sich einfach nur für die Zahlenwelt interessieren.
Ich habe mich bei der Lektüre Ihrer Beschreibung allerdings auch gefragt, ob es solche Zahlenmonster nicht auch unter den Mädchen gibt. Klar, so sagt man, Jungs interessieren sich für Technik, Mädchen für soziales. Aber erstens ist es fraglich, ob das by nature so ist oder nur ein kulturelles (Vor-) Urteil, und zweitens gibt es auf beiden Seiten wahrscheinlich so viele Ausnahmen, dass man die These auch gleich in der Tasche stecken lassen kann. Oder liege ich da völlig falsch?
Außerdem finde ich, dass man Mädchen ermuntern sollte, Nobelpreisträgerinnen in einer Naturwissenschaft zu werden. Um Kinder zu bekommen, brauchen sie Männer, und die können Lehrer werden und Teilzeit arbeiten - man sollte sie dazu ermuntern, die Jungs! Die Mädchen hingegen müssen raus aus der Pädagogikfalle. Auch an Universitäten stellt man immer wieder fest, dass den Professorinnen die Lehre, die Betreuung von Doktoranden und der ganze bürokratische Kram zugeschustert wird, während die Männer an ihren Nobelpreiswürdigen Projekten arbeiten (bzw. davon träumen) und die Frauen oft ziemlich eklig einfach rauskicken. Wie in dem von Ihnen geschilderten Fall.
Von daher, wenn ich mir den kleinen Vorschlag erlauben darf: bringen Sie den Mädchen Kampfeslust bei, kitzeln sie ihren Ehrgeiz wach und bringen sie den Jungs bei, dass sie frühzeitig kochen lernen, weil sie später die Kleinen versorgen müssen, wenn sie von ihrer Teilzeitarbeit als Lehrer nach hause kommen.
Ich Ihnen weiterhin viel Erfolg und beglückwünsche Sie dazu, dass sie die Mädchen mit an Bord holen!
Sehr geehrter Herr Krauss,
durch Ihren Kommentar wurde ich einmal mehr darin bestärkt, mich für Jungen- und Männerrechte einzusetzen.
Nicht nur Ihre Unkenntnis von Wissenschaftlichkeit abseits Ihres politisch korrekt zusammengezimmerten Mainstreambildes bezüglich Intelligenzverteilung - siehe dazu im Überblick Kimura (2007) - sondern auch bezüglich nachweisbar differierenden Interessensverteilungen zwischen dem durchschnittlichen Mann und der durchschnittlichen Frau - Stichwort: Hirnforschung, Evolutionsbiologie, Entwicklungspsychologie usw. - welche letztlich - und nicht die Patriachatslüge - für eine Unterrepräsentanz von Frauen in einigen Wissenschaftszweigen führen - siehe Wai (2010) - sind erschreckend.
Mit solchen Aussagen reden Sie linkstotalitären Regimen das Wort, wobei die Verlierer hier eben die Jungen sind. Vielleicht sollten Sie sich erst einmal darüber informieren, dass Jungen bereits seit mehreren Jahrzehnten Verlierer im hiesigen, femizentrierten Bildungssystem sind - siehe: http://sciencefiles.org/ - bevor Sie im Freudentaumel versinken.
Es ist schade, dass so viele Menschen unbedacht in diese Ideologiefallen geraten.
In diesem Sinne, versuchen Sie es weiter, wenn Sie aus der Sokal-Affäre noch nichts gelernt haben.
Dr. Klaus
Ps. Haben Sie Kinder? Selbst wenn Sie diese "gendergerecht" aufziehen würden, würde die Biologie durchgreifen - "Der Fall Reimer".
Gepostet im Auftrag von Dietmar Herdt:
Ich danke beiden Herren für Ihre kontroversen und teilweise provokanten Rückmeldungen zu meinem Beitrag aus dem Schulbetrieb.
Es ist richtig, dass wir uns bei der „Rekrutierung“ neuer Leistungskurse der mathematisch-technisch begabten Jungs ziemlich sicher sein können. Besondere Werbemaßnahmen sind nicht erforderlich. Darin liegt jedoch keine Geringschätzung der Jungs!
Bei den Mädchen ist die soziokulturelle Situation anders. Wie ich in meinem Beitrag beschrieben habe, wäre ohne unsere spezifischen Angebote im Profil Naturphilosophie die nötige Motivation und Überzeugungsarbeit für einen Physik-LK nicht zu leisten.
Im Unterricht und insbesondere bei der Projektarbeit profitieren dann auch die Jungs von den ganzheitlichen naturphilosophischen Themen, die durch die erfrischende Kreativität der Schülerinnen maßgeblich mitgestaltet werden.
Unsere männlichen Abiturienten im Profil Naturphilosophie gehen ihr späteres Studium der Natur- oder Ingenieurwissenschaften deutlich aufgeschlossener an. Mit ihrer wissenschaftsphilosophischen Orientierung sind sie auch kulturell gut gerüstet für den oft nüchtern präsentierten Lehrstoff an rein technisch ausgerichteten Fakultäten, an denen sich die naturphilosophischen Angebote auf die gelegentliche Weihnachtsvorlesung eines prominenten Kosmologen beschränken.
Zu den Karrieremöglichkeiten im Schuldienst:
Abgesehen davon, dass auch Teilzeitkolleginnen in vollem Umgang zu zeitintensiven Konferenzen, schulischen Veranstaltungen und Fortbildungsmaßnahmen verpflichtet sind, ist eine reduzierte Unterrichtsstundenzahl mit weniger Klassen und Korrekturen doch eine erhebliche Erleichterung für KollegInnen mit Familie.
Im akademischen Wissenschaftsbetrieb wie in der Industrie liegt das Problem aber darin, dass es keine flächendeckenden Teilzeit- bzw. Jobsharing-Modelle gibt. Erfolgreiche MitarbeiterInnen kommen kaum mit einer 40-Stundenwoche aus. Die Bereitschaft zu Überstunden wird vorausgesetzt.
Eine schlichte Rollenvertauschung mit erfolgreichen Wissenschaftlerinnen und Hausmännern wäre nicht sinnvoll und würde das grundsätzliche Problem nicht lösen.
Die Frage an den Wissenschaftsbetrieb und an die Industrie: Wie könnten innovative Modelle aussehen, in denen Frauen wie Männer mit reduzierter Arbeitszeit eine erfolgreiche Berufstätigkeit mit einem erfüllten Familienleben verbinden können?
Für die Beantwortung dieser Frage müssen vorhandene Gräben überwunden werden. Es hilft nicht, neue ideologische Gräben aufzureißen.
Die Bundesrepublik bemüht sich derzeit fieberhaft um die Zuwanderung technischer Intelligenz. Dabei sollten wir nicht das ungenutzte inländische Potenzial vernachlässigen. Dazu gehören auch die Mädchen und Frauen.
@ Dietmar Herdt
Ich konnte mit dem Begriff Naturphilosophie nicht viel anfangen. Auch der Wikipedia-Artikel dazu macht mich nicht viel schlauer. Auch Ontologie oder Ontosophie zählt wohl zur Naturphilosophie. Um zu wissen, was Sie nun ihren Schülern und Schülerinnen anbieten, müsste man noch etwas genauer wissen was Sie meinen. Als Beispiel dazu noch mal Wikipedia:
Generell wird die Naturphilosophie im 20. Jahrhundert stark durch die Wissenschaftsphilosophie, zuvorderst die Lebensphilosophie bzw. Biophilosophie,[7] die Umweltethik,[8] die Evolutionäre Erkenntnistheorie,[9] teilweise auch durch die Technikphilosophie überformt. Dabei wird der Naturbegriff v. a. um seine gesellschaftliche Relevanz minimiert. Ein disziplinärer Hort der klassischen Naturphilosophie, die sich mit lebenspraktischen Ontologien beschäftigt, ist die Phänomenologie geblieben.
Den Mädchen und Frauen die Physik, oder andere naturwissenschaftliche Bereiche, nahezubringen, ist lobenswert; problematisch wird es, und diese Vermutung drängt sich mir auf, wenn der Bereich Ethik, und mit ihm solche Begriffe wie gut und schlecht, Einzug in die Naturwissenschaft halten. Dann sind wir nicht mehr weit zu Macuses "guten und schlechten Bedürfnissen". Das oder dergleichen hat aber in der Physik überhaupt nichts zu suchen, vor allem nicht in der Forschung. Die moralische Schere setzt dann schon zu Beginn an. Wenn das der Preis ist, dass Mädchen und Frauen sich verstärkt für naturwissenschaftliche Fächer entscheiden, dann ist er mir zu hoch.
Im Auftrag von Dietmar Herdt:
„Profil Naturphilosophie“
Unser Profilname deckt sich nicht mit den engeren enzyklopädischen Definitionen der "Naturphilosophie" als einer philosophischen Disziplin.
Wir subsumieren unter unserem Profilnamen folgende Ansprüche — auf schülergemäßem Niveau.
1. Eingehende Beschäftigung mit den großen Weltbild stiftenden physikalischen Theorien:
Klass. Weltbild der Physik: Newton’sche Mechanik und Maxwell’sche Elektrodynamik vs.
Weltbild der modernen Physik: Relativitätstheorien und Quantenphysik / spekulativ: String- bzw. M-Theorie, Looptheorie als mögliche Aspiranten für eine umfassendere physikalische Theorie („Weltformel“) / Kosmologie: Makro- und Mikrokosmos / ...
2. Wissenschaftsphilosophie (Philosophy of Nature):
dabei geht es sowohl um ontologische also auch um erkenntnistheoretische Fragen:
Methodologie der Physik als experimentelle und mathematische Wissenschaft / Erscheinungswelt und physikalische Realität / Interpretationen der Quantenphysik z.B. Kopenhagener vs. Ensemble-Interpretation / Quantenmechanischer Messprozess: Determinismus der klassischen Physik vs. Heisenberg’sche Unbestimmtheitsrelationen — statistischer Ansatz der Quantenphysik / ...
3. Wissenschaftsgeschichtsphilosophie:
Paradigmenwechsel von der klass. zur modernen Physik, z.B. Ansatz von T.S. Kuhn / Einsteins vergebliche Suche nach verborgenen Parametern für die Rettung des klass. Determinismus vs. Bell’sche Ungleichung / erwarteter Paradigmenwechsel beim derzeitigen Standardmodell durch LHC
4. Moderne Verantwortungsethik:
Verantwortung von Wissenschaft und Technik; dabei geht es nicht um einen ideologisierten Maschinensturm, sondern um eine konstruktiv-kritische Bewertung und die Verantwortbarkeit von technischen Anwendungen der Naturwissenschaften, wie z.B. Nanotechnologie und der Nutzung der Kernenergie (Kernspaltung und Kernfusion): dazu holen wir uns außerschulische Experten (siehe www.nellbreuningsymposium.de); bei unseren Großprojekten zur möglichen Klimakatastrophe haben sich die Schüler auch kritisch mit alternativen Energiequellen auseinandergesetzt, z.B. Überschätzung der Photovoltaik;
Referenten wie Prof. Hans von Storch stehen sicher nicht im Verdacht ideologischer Schlagseite.
Dietmar Herdt
Ich bin schon ein bisschen neidisch auf die Schüler. Ich wäre in meinen jungen Jahren auch gerne in diesen Komplex systematisch eingeführt worden, und nicht erst später in zufälligen Angängen damit konfrontiert worden.
Unsere ganze Diskussion über das Wissen, den Mehrwert von Wissenschaft, über Unsicherheit und Vorläufigkeit von Wissen wäre vermutlich bedeutend einfacher und zielführender, wenn die Beschäftigung mit diesen Fragen normaler Bestandteil auch der universitären Ausbildung wären.
Sind Sie aber wohl nicht, oder hat sich die Lage seit meinem Studium in den 1970ern gebessert?
Post a Comment (pop-up window,non-moderated)