Friday, February 8, 2013

Brauchen wir eine Kritik der Ökodiktatur?

In der Zeit haben jüngst Nico Stehr, der Soziologe vom Bodensee, und Manfred Moldaschl von der Universität Chemnitz eine Warnung ausgesprochen, die nicht ganz neu und doch immer wieder bedenkenswert ist: "Wir brauchen keine Ökodiktatur". Weiter unten, unter dem Post "In eigener Sache", haben Andreas #17, Günter Heß #18 und hvw #19 einige kritische Anmerkungen zu diesem Artikel verfasst. Es lohnt sich, diese Kritik näher zu betrachten, denn sie verteidigt keinesfalls die Notwendigkeit einer Ökodiktatur, sondern sie unterstützt vielmehr die Forderung nach mehr Demokratie. Worum geht es also? Meiner Meinung nach stehen dahinter zwei zentrale Fragen:
1) Hat die Kritik am Mainstream-Klimadiskurs, die sich die Klimazwiebel ja auch auf ihre Fahnen geschrieben hat, ihren Zenit erreicht und ist nicht mehr zeitgemäß? Verkehrt sich die Kritik undemokratischer Tendenzen bei Grünen und Klimaforschern irgendwann in ihr Gegenteil und liefert nur noch denen, die den Klimawandel als zu vernachlässigende Größe behandeln, wohlfeile Argumente?
2) Wie sieht eigentlich eine "Klimademokratie" aus? Demokratie ist ja nicht einfach da, sondern ein permanenter Prozess, der immer "von etwas handelt" und daher immer wieder neu ausgehandelt werden muss - wozu Stehr und Moldaschl ja durchaus einige konstruktive Vorschläge machen.


Die Kritik unserer Kommentatoren richtet sich gegen die rhetorische Strategie der Argumentation: Andreas findet partout keine Klimaforscher, die eine Ökodiktatur herbeisehnen und verteidigt auch die Schrift des hier auf der Klimazwiebel gerne gebashten WGBU-Berichts, der tatsächlich auch ein mehr und nicht ein weniger an Demokratie einfordere. Günter Heß erinnert an das Glaubwürdigkeitsproblem des IPCC, das selbst schon lobbyistisch sei. hvw wiederum unterstellt dem Zeit-Artikel gar eine perfide rhetorische Strategie, die eigentlich zum Repertoire der Skeptiker gehöre:
Ich finde die Versuche, Plädoyers für eine wirksame Klimapolitik als antidemokratisch zu denunzieren, ziemlich daneben. Im US-amerikanischen Kontext zumindest ist das lediglich eine weiter Propagandastrategie der "sceptics". Das Muster ist bekannt: Assoziere die unerwünschte Position mit dem ideologischen Feindbild: "antidemokratisch", "sozialistisch", "Planwirtschaft".
Es ist auf jeden Fall immer richtig, die eigenen Positionen immer wieder neu zu überdenken. Manchmal werden Argumente, die zu einem bestimmten Zeitpunkt richtig und notwendig waren, schal oder verkehren sich, wenn man sie zu oft wiederholt, in ihr Gegenteil. Gerade in der Klimadebatte, die schon so viele Richtungsänderungen und Wendungen genommen hat und alles andere als "gesettled" ist, scheint es mir wichtig, eine solche Überprüfung immer wieder vorzunehmen. Vielleicht bietet ja der Artikel  von Nico Stehr und Manfred Moldaschl einen solchen Anlass in zweifacher Hinsicht: zur Selbstkritik und Überprüfung der eigenen liebgewordenen Feindbilder,  aber auch als Aufforderung, sich endlich konkretere Gedanken über Demokratie und Klimawandel zu machen. 

102 comments:

noiv said...

Was spricht eigentlich dagegen Klimaschutz in die Verfassung aufzunehmen? So wie z.B. Atomfreiheit in Österreich.

hvw said...

Werner,

ich habe dem Zeit Artikel gar nichts unterstellt, da ich ihn noch gar nicht gelesen hatte. Nachdem ich das nachgeholt habe, muss ich sagen, dass er im grossen und ganzen ganz vernünftig klingt. Ausser, dass wie schon Andreas anmerkte, die Hauptbotschaft ein Strohmann-Argument ist (wofür argumentiert er denn da eigentlich ?), denn eine nennenswerte Zahl von Klimaforscher, die die Demokratie abschaffen wollen, hat sich wohl noch nicht materialisiert. Auch wenn neben Stehr auch andere das gerne hätten.

Günter Heß said...

Lieber Herr Krauss,

Ich möchte noch eines anmerken.
Im WBGUTransformationsgutachten steht:
"Die besondere Bedeutung und Legitimität zivil- gesellschaftlicher Organisationen gründet weniger auf
ihrer Repräsentativität – welche spezialisierte Interes- sengruppen naturgemäß nur begrenzt für sich bean- spruchen können – sondern auf der durch sie gene-
rierten Expertise und ihrer Fähigkeit, in einem politi-
schen Experimentierfeld neue (Lösungs-)Konzepte zu entwickeln. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen operieren so als Politikpioniere (policy entrepeneurs)
und füllen auf globaler Ebene – zumindest partiell – ein politisches Vakuum, das angesichts des Fehlens einer „Weltregierung“ existiert (Banuri und Najam, 2002)."

Das widerspricht einfach meinem Demokratieverständnis. Ich nehme mir einfach die Freiheit dieser Meinung zu sein. Für mich gibt es keine demokratische Legitimität
Für bestimmte Gruppen außerhalb unserer demokratischer Institutionen. Das lehne ich ab.
Diese Gruppen können höchstens wie jede Demonstration einen interessanten Beitrag zur politischen Meinungsbildung leisten

Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

Anonymous said...

Stehr führt auch noch Hayek an als Kronzeuge eines kompromisslosen Verfechters für Freiheit. Leider entging ihm, dass Hayek stets zwischen Freiheit und Demokratie differenziert hat, ich denke, ich muss nicht an das Lob Hayeks für die chilenische Diktatur erinnern.

Ein Zitat Hayeks kann ich mir dann doch nicht verkneifen:
"As long term institutions, I am totally against dictatorships. But a dictatorship may be a necessary system for a transitional period. [...] Personally I prefer a liberal dictator to democratic government lacking liberalism."

Lässt man mal das Klimabashing beiseite, dann findet die Argumentation sicherlich den ungeteilten Beifall aller.

Was mich aber sehr irritiert:
Die Kritik an Stehrs Artikel (insbesondere, dass die Genannten überhaupt keine Klimaforscher sind, seine Behauptungen als unbelegt sind) ist nicht neu, die gab es auch schon im SPIEGEL-Beitrag von 2009. Statt nachzubessern einfach eine plumpe Wiederholung? Wozu?

Andreas

Günter Heß said...

Andreas,

Ist das nicht der Debattenstil. Wenn ich so das WBGUTRANSFORMATIONSGUTACHTEN lese sind das meiste zur großen Transformation Meinungen und Interpretationen. Im großen und ganzen selten belegt. Wie mein Zitat oben.
Nico Stehrs Artikel ist eine Meinung. Wenig belegt vielleicht, aber die Aussage: wir brauchen keine Ökodiktatur erstmal richtig, meiner Meinung nach.

Was Dich stört ist der implizite Bezug zur Klimaforschung, da sollte er in der Tat Belege liefern.
Aber die Klimaschutzrhetorik liefert auch selten Belege für EXXONSANDY. Da machst Du Dir weniger den Kopf.

Grüße
Günter

Anonymous said...

Welche Demokratie soll denn hier geopfert werden?

Die durch periodische Wahlen scheinbar politisch kontrollierte Herrschaftsform einer inzwischen faktisch alle Lebensbereiche regulierenden Bürokratie? Ein supernationaler Moloch, der seine Tätigkeitsgebiete unter dem Einfluss und mit der freundlichen Unterstützung zahlreicher Lobbyisten nach Belieben und schier unaufhaltsam erweitert, legitimiert durch die vorgeblichen Zwänge und Notwendigkeiten des angeblichen "Gemeinwohls" und des "Vorsorgeprinzips".

Dass sich dieser solipsistische und gegen Kritik immune Apparat, machtbesoffen und von seiner eingebildeten Bedeutung unbeirrbar überzeugt, nun auch noch die Herrschaft über das Klima anmaßt, stellt nur eine weitere Pointe in seiner an lächerlichen Irrtümern nicht eben armen Entwicklungsgeschichte dar.
Eine vergleichbare Hybris war zuletzt bei den Mayapriestern zu beobachten, mit dem bekannten Ausgang.
Die Wissenschaft ist (mehrheitlich) nicht die Betreiberin einer Ökodiktatur, sondern bloß deren
willige Zuträgerin. Dass die Industrie sich ihr entgegensetze, ist eine Mär. Als unzimperliche Hure legt sie sich mit allen ins Lotterbett, die ihr Verdienst versprechen. Sie fordert allerdings verbindliche Rahmenbedingungen, eine euphemistische Umschreibung für staatliche Garantien. Die Bürokratie gewährt sie ihr zuvorkommend.

Demokratie wird werden, wenn die Gärung unter den Massen von (mehrheitlich jugendlichen) Arbeitslosen und anderweitig Bedrängten den Aufstand gegen die völlig abgehobene und bürgerferne Verwaltung proben wird, die ihre Interessen nicht einmal mehr ansatzweise vertritt, schon gar nicht in der Klima- und Energiefrage.

Im Übrigen besteht das Demokratische am Klima darin, dass es im Wechselfall alle (be)trifft, nur bedingt vorhersehbar und unter Umständen grausam und ungerecht. Besser, man stellt sich darauf ein, statt jenen zu vertrauen, die gottgleich - und gegen teuren Ablass - seine Beherrschung versprechen.

V. Lenzer

ghost said...

also ich finde, "Ökodiktatur" ist nur ein Kampfbegriff, ein hohler Begriff.

Ich denke, man könnte ja mal in die Vergangenheit blicken. Da war oft "Ökodiktatur" (oder allgemein: angebliche Einschränkung der Freiheit) die Rede: beim Verbot von FCKW, bei der Einführung von Auto-Kats, bleifreiem Benzin, Grenzwerten bei Abwässern, Rauchverbot in Kneipen und so weiter und so fort. Und was war? Nichts war. All dieses Gekreische war einfach nur Geheule von Lobbyisten, Lügnern und Wichtigtuern.

Es waren damals teilweise dieselben Leute und dieselben Organisationen, die heute als "Skeptiker" bezeichnet werden, die bspw. das Montreal-Protokoll als Ökodiktatur bezeichneten, Wissenschaftler als Faschisten beleidigten und vor dem Zusammenbruch der Wirtschaft und der Freiheit warnten. Und mal ehrlich, will irgendein normal denkender Mensch gern eine Welt ohne Montreal-Protokoll sehen? Hat das Montreal-Protokoll eine Ökodiktatur erzeugt oder die Wirtschaft zerstört? Na? Die Antwort wird selbst bei Stehr NEIN heißen. Die Vergangenheit zeigt also, "Ökodiktatur" ist nur ein Kampfbegriff ohne Substanz. Muss man darüber eine Debatte führen? Nein.

der zweite Punkt: braucht man eine Diktatur, um die Klimaproblematik zu lösen? Wenn man da in die Vergangenheit guckt, haben Diktaturen allesamt beim Umweltschutz versagt und das komplett. Allerdings haben diese Diktaturen, vor allem die kommunistischen, allesamt wirtschaftliche Probleme gehabt. Aber was machen die reichen Diktaturen am Golf oder in China heute: sie versagen genauso wie die Demokratien. China hat nun schon den Druck der Umweltbelastung, und sehen das Problem, aber bei dem Wachstum ist es wohl schwierig zu lösen. Also man braucht keine Diktatur, da sie eh nicht besser ist. Und sollte man Wissenschaftlern nicht diese Erkenntnis zugestehen? Allein aus dieser recht einfachen Erkenntnis sieht man, dass gar keine Ökodiktatur überhaupt in der Diskussion ist, wenn man von den Phantasien eines Stehrs, Kulke oder von Storch absieht.

Die Klimaschutzdiskussion ist doch "einfach": die Fakten sind längst da, die Gesellschaften in ihren jeweiligen Grenzen müssen eben auf Basis dieser teilweisen unvollständigen und sich ändernden Fakten (hm, besser Erkenntnisse als Fakten) entscheiden, ob und was sie eben tun wollen. Demokratische Gesellschaften entscheiden auf vielartige Arten und Weisen, von einer Wahl einer bestimmten Politik, über Lobbyismus bis hin zum Kaufverhalten. Mit diesem "Egoismus" muss man eben leben, weil er ein gute Sache ist. Aber man kann durchaus seine Meinung sagen und sich was wünschen, inkl. Transformationen oder so.

Naja, ich persönlich bin dabei sehr technikgläubig und denke, dass es Möglichkeiten gibt, unseren Lebensstandard zu halten und auf der gesamten Welt einzuführen, und dabei den Verbrauch von fossiler Energie stark einzuschränken. Allerdings habe ich keine Ahnung wie (ansonsten wäre der Nobelpreos mir längst sicher, und zwar in allen Gebieten, inkl. Literatur), aber ich glaub dran. Andere sind da wesentlich pessimistischer bzw. realistischer.

Anonymous said...

Was ist eine "Ökodiktatur"?

Google-Recherche verrät, dass dieser Begriff von Skeptikern geprägt und nahezu ausschließlich benutzt wird, allerdings in einer anderen Bedeutung als bei Stehr.

Kennzeichen einer "Ökodiktatur" ist, dass der Staat durch Vorschriften und Gesetze in die materielle(!) Freiheit der Menschein eingreift, z.B. durch Glühbirnenverbot, Wärmedämmungsvorschriften, Nichtraucherschutzregelungen uvm.

Ex-RWE-Chef Grossmann und sein Adlatus Vahrenholt benutzten diesen Begriff mehrmals in Zusammenhang des schwarz-gelben Schnellausstiegs aus der Kernkraft. Verheugen warnte vor zu scharfen EU-Autoabgasrichtlinien, weil dies ein zu starker staatlicher Eingriff sei, was manche schon als Ökodiktatur bezeichnen.

Da stellt sich diesen Leuten eher die Frage, ob man auf dem Weg zu einer Ökodiktatur ist oder diese bereits erreicht sei. Dass sämtliche Parteien vom grünen Zeitgeist durchsetzt sind, sei ebenfalls ein Indiz dieser Diktatur.

Entwarnung also: Niemand muss befürchten, dass bis an die Zähne bewaffnete Klimaforscher einen Staatsstreich durchführen und die Regierungsgeschäfte übernehmen.

Im Einklang mit Oreskes These hat man auch hier das Gefühl, dass die Warner vor der Ökodiktatur nicht die Demokratie, sondern die freie Marktwirtschaft bedroht fühlen.

Andreas

ghost said...

danke Andreas. Deine Beobachtung ist absolut richtig, aber ich muss was ergänzen. Ich würde noch weiter gehen: es ist der Ursprung der "Skeptiker" im Ganzen. Der Ursprung fast aller "Skeptiker"-Thesen sind nachweislich auf Think Tanks zurückzuführen, die eine bestimmte Form der Freien Marktwirtschaft wollen. Diese bestimmte Form der Marktwirtschaft ist gegen jegliche Regulierung, koste es was es wolle.

Diese Diskussion ist dabei ein großer Unterschied zur Diskussion Freie Marktwirtschaft oder keine Freie Marktwirtschaft. Dieser entscheidende Punkt des Ursprungs der Klima-"Skeptiker" wurde von Stehr und von Storch nicht erkannt, und wird immer noch von beiden konsequent ausgeblendet.

Umgekehrt darf man daraus nicht schließen, dass jede Regulierung oder Idee immer unbedingt kritiklos angenommen werden muss bzw. nicht überdacht werden soll. Nehmen wir Ökosprit, war keine wirklich gute Idee in der jetzigen Form. Dagegen war und ist das EEG eine gute Idee, muss aber jetzt auf den Prüfstand, um von der Einführung hin zum selbstständigen Marktdurchsetzen zu kommen. Leider helfen dabei die holen Diskussion eines Stehr, Vahrenholt usw. so gar nicht.

@ReinerGrundmann said...

Der Begriff Ökodiktatur ist zweifellos polemisch. Zugrunde liegt das Problem, dass so manch ein Klimabewegter die Entscheidung über das Problem der breiten demokratischen Debatte entziehen will. Gründe gibt es dafür einige, vor allem der lange Zeithorizont gekoppelt mit der Latenz des Problems, sowie die esoterische Wissensbasis für de Entscheidungsfindung. Weniger polemisch ausgedrückt heisst dies, dass man eine technokratische Lösung anstrebt und eben keine demokratische (weil in diesem Fall die Mehrheit evtl. die objektiv falschen Optionen wählt). Wissenschaftler sind oft Anhänger dieser Weltsicht. Stehr und Moldaschl geht es darum vor einer solchen Sicht zu warnen.
Hier ist ein Beispiel von Schellnhuber, der im Spiegel online wie folgt zitiert wurde:

"Ultimately, says Schellnhuber, science has become so complicated that large segments of the population can no longer keep up. The climate skeptics, on the other hand, are satisfied with "a desire for simple truths," Schellnhuber says.

This is precisely the secret of their success, according to Schellnhuber, and unfortunately no amount of public debate can change that. "Imagine Einstein having to defend the theory of relativity on a German TV talk show," he says. "He wouldn't have a snowball's chance in hell."

Schellnhuber würde sich einer solchen Debatte nicht stellen und zeigt damit, dass er das Thema nicht für demokratiefähig halt. Denn man riskiert, in der Diskussion weniger glaubwürdig auszusehen als der/die Gegner.

Wenn es also so ist, dass Klimawissenschaft zu kompliziert für die Normalbürger ist und man Gelehrte braucht (man bemerke: Schellnhuber = Einstein) um das Richtige zu tun, dann ist das keine demokratische Entscheidungsfindung. Das bedeutet nicht, dass die Demokratie als Institution insgesamt ausgehebelt wäre, aber es bedeutet, dass in der Klimapolitik nicht auf breite Diskussion und Demokratie gesetzt wird. Ob das eine realistische Gefahr ist wird sich zeigen. Vielleicht hat Werner Recht und die Gefahr ist geringer als vermutet. Das könnte sein wenn sich die Klimadiskussion in Deutschland in eine Folgen-und-Kosten-der-Energiewende-Debatte verschiebt. Anzeichen dafür gibt es bereits.

@ReinerGrundmann said...

Hier die Quelle (8 Oktober 2010):

http://www.spiegel.de/international/world/science-as-the-enemy-the-traveling-salesmen-of-climate-skepticism-a-721846-2.html

Ich weiss nicht, ob das auch auf Deutsch vorliegt.

Anonymous said...

@ Grundmann

PIKant in der Tat, wie sich Herr Schellnhuber indirekt mit Einstein auf eine Stufe stellt, und so sein Bündel gewissermaßen auf (auch moralisch) höherem, d. h. für die tumben Massen kaum erreichbaren Grund in Sicherheit zu bringen versucht. Nebenbei wäre anzumerken, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen Einstein vertraute, auch wenn sie von seiner Arbeit wenig verstand. Dass Herrn S. ähnliches Vertrauen nicht entgegenschlägt, mag ihn wurmen, erklärt sich aber vielleicht aus Fehlern und Übertreibungen des PIK. Fehlern, wie sie Einstein nicht unterliefen.
Nebenbei ist Richard P. Feynmans Diktum nicht zu widersprechen: “Science is the belief in the ignorance of experts”

Interessant die Frage, wie weit es Dutschkes Durchmarschierer durch die Institutionen gebracht haben, an welchen Schaltstellen der Macht sie heute sitzen und von welchen Überzeugungen sie geleitet sind. Der Weltverbesserungs- und volkserzieherische Korrekturimpetus und das (urleninistische) Misstrauen in die Urteilsfähigkeit der Menschen scheint in den Grünen, einer Art Wiederaufbereitungsbecken gescheiterter Ideologien, eine Zuflucht gefunden zu haben, begleitet von einem tiefen Glauben an die absolute Notwendigkeit staatlichen Handelns.

Von Interesse auch die Frage, weshalb sich nach ersten Gehversuchen in der Friedens-, Atom- und Umweltdebatte ausgerechnet das Klima als Gegenstand gesellschaftlicher Instrumentalisierung anbot. These: es betraf, anders als die erwähnten Topoi, buchstäblich jeden. Es war, anders als die mit der Wende gründlich ruinierten Utopie einer gerechten sozialistischen Wirtschaft und Gesellschaftsordnung, frisch und unverbraucht - und es war von einem unüberbietbar hohen, scheinbar selbstlosen Moralanspruch getragen.

Die daraus gewachsene Kombination von Erdenretterei, weltanschaulich geprägtem Besserwissen, ideologischer Heilserwartung und politisch/bürokratischem Machtstreben zeigt starke Anzeichen einer Demokratieverachtung bis hin zu diktatorischen Tendenzen. Merkwürdig in einem Land, dass im vergangenen Jahrhundert neben anderen Regierungsformen zumindest zwei Ideologien beerdigen musste. Die Sehnsucht nach einer endgültigen, "gerechten" und unwiderlegbaren ist vielleicht gerade deshalb nicht auszurotten. Sie prägt die intellektuellen Milieus nicht mehr allein in den Sozialwissenschaften, sondern längst auch im Bereich der Naturwissenschaften, begleitet von milden Formen des Lyssenkoismus. Sehr zu deren Schaden, wie das Beispiel der Klimawissenschaft zeigt. Im Unterschied zur Politik eignet sich die Physik allerdings nur bedingt als Spielfeld für Utopien.

V. Lenzer

sil_beck said...

Um die Stehrsche These zu halten, müsste eben dieser doch erst empirisch zeigen können, dass die Klimaforschung wirklich Entscheidungen determiniert und politisch Wirkungen hat. Diesen Beweis liefert uns Stehr seit Jahren nicht. M.e. kann er das auch nicht, weil die Empirie das nicht hergibt. Den Stand der Forschung müssen auch Pythen vom Bodensee nicht mehr wahrnehmen.
Auch nicht den Beweis liefern, dass politikberatende Gremien wirklich die Demokratie abschaffen wollen. Der WBGU wäre das Gegenteil. Das ist doch der Strohmann, an dem sich Stehr abarbeitet.
Er schiesst sich auf sein Gegenstück ein und misst diesem mehr Bedeutung und Gewicht ein, als dieser faktisch hat. Von daher finde ich das auch, wenn man denn auf die politischen Folgen von Forschung abhebt, unverantwortlich. Wird damit nicht auch der Entscheidungsdeterminismus zementiert?

Viele soziologische und politikwissenschaftliche Studien untersuchen diese Phänoneme seit Jahren empirisch, und die Evidenz für die Stehrschen Thesen ist sehr mager.
Die Empirie legt eher das Gegenteil nahe:
Sicherlich gibt es das ein oder andere Zitate von Hansen ...
ABER: wie repräsentativ sind denn diese für Community der Forscher?
Und welchen Einfluss haben diese denn politisch, außer Sonntagsreden als Chef-Regierungsberater. Who cares?
Das Problem ist doch eher, wie auch Harald Welzer formuliert, dass wir zwar Katastrophen predigende Eliten haben, dass diese ritualisiert warnen, dass dann aber nichts mehr passiert.
Dass wir ein massives Umsetzungsproblem haben - sei es politisch Implementationsdefizite oder psychologisch kognitive Dissonanzen. Das eben politisch nicht viel passiert, und nur talk, kaum "action" folgt ... bestes Beispiel der Abwrackprämie - wer "determiniert denn hier die Politik, Herr Steht, sicherlich nicht der WBGU oder IPCC, oder?
Und dass pluralistische und demokratische Kulturen eben nicht Expertisen eins zu eins umsetzen, sondern diese nach ihre eigenen Werten und Logiken anpassen. Dass eben andere Entscheidungskriterien eine Rolle spielen.
Es gibt schöne Studien zur Frage, wie die dt. Verwaltung Expertisen nutzt, und diese zeigen, dass weder Modelle noch andere Expertisen tatsächlich wichtig sind, sondern dass sich die Verwaltung das Thema so anpasst, dass es in die Routinen passt.
Empirisch finden wir eine Vielfalt von inkrementalistischen Rekontextualisierung vor, in welche Expertisen eher eine nachgeordnete Rolle spielen.
Tragen Soziologen, die uns permanent den Menetekel der Technokratie an die Wand, dazu bei, diesen herbei zu schwören.
Das Problem von Herrn Stehr ist m.E., dass er den Klima- und Entscheidungsdeterminismus nicht hinterfragt und sondern übernimmt und selbst den Einfluss von Forschung - wie auch seiner Rolle - massiv überschätzt. Von daher trägt er selbst dazu, diesem Technokratismus Vorschub zu leisten.

Das Problem besteht m.E. eher darin, dass Klimaforschung das macht, was Claus die "Konstruktion von Handlungszwang" nennt, dass die tipping points geschaffen
nämlich zu sagen, dass keine Zeit mehr besteht, demokratisch zu entscheiden, und uns dann Wunderwaffen als last wie Geoengineering präsentieren. Meine empirisch belehrte Intution sagt mir jedoch, dass die meisten Klimaforscher die Rechnung ohne die Politik gemacht haben.

Hans von Storch said...

Ich glaube nicht, daß Nico Stehr hier richtig wiedergegeben wird: "Um die Stehrsche These zu halten, müsste eben dieser doch erst empirisch zeigen können, dass die Klimaforschung wirklich Entscheidungen determiniert und politisch Wirkungen hat.". Es ist nicht DIE Klimaforschung per se, sondern bestimmte Klimaforscher. Sie determinieren tatsächlich nicht, möchten es aber, und sie sehen ihren Einfluß seit 2007 schwinden.

Dafür gibt es schon Evidenz. Auch davon handelt unser Buch von der Klimafalle.

Und daß man eine politische Wirkung hatte, zeigt die Akzeptanz des 2 Grad Ziels auf globaler politischer Ebene, die allgegenwärtige politische Rhetorik, nur eben bloß nicht der tatsächliche planmäßig realisierte Klimaschutzes. Und auch davon handelt unser Buch.

Der letzte Absatz im comment von Frau Beck ist teilweise etwas gescramblet. Leider. Wer ist Claus?

Und den letzten Satz, dem stimme ich völlig zu, und ich bin sicher, Nico Stehr tut das auch.

Günter Heß said...

Nico Stehr schreibt:
"Wir brauchen keine Ökodiktatur
Die Klimakatastrophe lässt sich abwenden, ohne die Demokratie zu opfern."

Der Meinung bin ich auch.
Darüber hinaus. Die Demokratie und die soziale Marktwirtschaft sind die besten System (Politik und Wirtschaft), um damit fertig zu werden.
Ich fände es interessant zu fragen, ob es jemanden gibt der das anders sieht.
Zum Beispiel, dass Planwirtschaft und die wohlmeinende Diktatur einer Elite aus Räten das besser kann.
Grüße
Günter Heß

Werner Krauss said...

Günter Heß,

Ihre Frage erinnert mich an "Freiheit oder Sozialismus". Aber das war in einem anderen Jahrhundert, da ging es noch um den Cold War und noch nicht über Global Warming.

Das Problem an der Ökodiktatur-Debatte ist genau das: man weckt die Gespenster der Vergangenheit. Doch die Frage ist, ob diese wirklich gute Verbündete sind, um mehr Klimademokratie zu wagen (um auch etwas aus dem letzten Jahrhundert zu zitieren).

Hans von Storch said...

Werner,

ich fand den "Freiheit oder Sozialismus"-Spruch damals auch sehr irritierend und unpassend, aber man muß wohl anerkennen, daß dies Konzept offenbar von signifikanten Teilen der Bevölkerung ernst genommen wurde. Insofern ist der Begriff "real" und durch bloßes "das ist doof" Feststellen geht er nicht weg. Ist die Aussage per se "doof" oder erst nach entsprechender Interpretation, daß sie eben "doof" ist? Sollten wir uns nicht fragen, was diejenigen, die zu so einem Konzept (welchem?) stehen, damit meinen?

Das gleiche gilt für "Ökodiktatur" - die ZEIT hat den Begriff, der zweifellos auch als Kampfbegriff genutzt wird, ja genutzt, weil er im Umlauf ist, weil er wirksam ist. Auch hier nützt "das ist doof" wenig.

Werner Krauss said...

Hans,

ich finde den Vorwurf der Ökodiktatur nicht einfach so "doof". Da steckt schon ein bißchen mehr dahinter:

Ich habe den Vorwurf der Ökodiktatur zum Beispiel selbst in meinem Buch "'Hängt die Grünen!' Umweltkonflikte, nachhaltige Entwicklung und ökologischer Diskurs" (Reimer Verlag 2001) an ethnographischen Beispielen aus Portugal einer ausführlichen Diskursanalyse unterzogen - mit einer genauen und, wie ich finde, sehr fairen Darstellung der Argumente derjenigen, die diese Kritik geübt haben.

Dasselbe habe ich später in einer Vielzahl an Veröffentlichungen am Beispiel der Auseinandersetzungen um den Nationalpark Wattenmeer gemacht und dabei nicht mit an Kritik an Naturschutz und Grünen gespart. Allerdings habe ich dort auch die aus dieser Kritik resultierenden Konfliktstrategien und Verhandlungskultur untersucht und bin dabei zu überraschenden Resultaten gekommen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wurde aus dem Widerstand gegen die "Ökodiktatur" ein demokratischer Prozess in Gang gesetzt, der letztlich zu einer Lösung des Konflikts geführt hat. Der Nationalpark ist heute weitgehend akzeptiert. Der Begriff hatte zu einem bestimmten Zeitpunkt seine Funktion. Heute macht er dort kaum mehr einen Sinn (außer vielleicht für manche Unverbesserliche). (Und es ist bestimmt schon 15 Jahre her, dass die ZEIT damals "Nieder mit dem Ökoismus" titelte - der Vorwurf ist wirklich nicht brandneu.)

Seit vielen Jahren bearbeite ich nun diese Thematik auch am Beispiel des Klimaproblems, nicht zuletzt hier auf der Klimazwiebel. Man kann wirklich nicht behaupten, dass ich die Argumente von Skeptikern nicht ernst nehmen würde. Ich habe den Vorwurf der Klimadiktatur in allen Varianten angehört und durchdiskutiert. Man kann der Klimazwiebel viele Vorwürfe machen, aber bestimmt nicht den, Skeptiker nicht zu Wort kommen zu lassen.

Wenn ich also sage, dass es eher destruktiv ist im Moment, mal wieder die Ökodiktaturkeule rauszuholen, dann mache ich das schon auf einer soliden Grundlage. Man braucht diese Einschätzung ja nicht zu teilen - jemand anders mag zu anderen Lagebeurteilungen kommen. Aber beliebig ist meine Einschätzung nicht, dass derzeit die Musik eher woanders spielt.

Günter Heß said...

Lieber Herr Krauss,
dadurch gehen ja die Fragen nicht weg. Ich denke Nico Stehr hat eine Meinung in den Raum gestellt. Andere stellen andere Meinungen in den Raum und das ganze ist Teil
der politischen Willensbildung. Da kann man auch irren oder Recht haben und auch mal die Meinung ändern, auch mal polarisieren, auch mal polemisch oder sarkastisch sein. Das sind doch Zeitungen und Journalisten die Auflage machen.
Meines Erachtens sollte man Blogs und Zeitungsbeiträge deshalb nicht zu Ernst nehmen.
Sie sind nicht die Welt und eben nur Meinungsäußerungen.
„Freiheit oder Sozialismus“ ist doch nur ein Symbol. Im übrigen wesentlich besser als die Leugner und Skeptiker Schubladen, da sie den Menschen nicht angreifen, sondern nur eine abstrakte Systemfrage oder Einstellungsfrage stellen. „Ad hominems“ sind dagegen albern und infantil, weil Taten zählen und nicht Sprüche.
Die Zeit hat doch auch keine Probleme die FDP seit 40 Jahren in die gleiche Ecke zu stellen oder die taz respektable Industrieunternehmen und damit deren Mitarbeiter.
Wie albern ist das denn?
Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

Anonymous said...

Die Verwendung des Begriffs "Keule" suggeriert, dass die Warner vor einer Ökodiktatur die eigentlich fehlenden Argumente durch autoritative Behauptung gewaltsam ersetzen. Nun fehlt es nicht an Hinweisen, dass der Ökologismus, Freiheit, Demokratie und gar die Umwelt bedroht, die er zu retten vorgibt, wie inzwischen selbst der von Nico Stehr zitierte James Lovelock in einem lesenswerten Brief einräumt ...

http://www.bishop-hill.net/blog/2013/1/25/lovelock-recants.html

Das Problem lässt sich auch nicht in der Erscheinung einer Partei und den zahlreichen ihr nahe stehenden Organisationen isolieren, es durchdringt vielmehr eine ganze Gesellschaft, Wissenschaft, Politik, Bürokratie, Industrie, Medien, die sich alle im Bannkreis des Ökologismus bewegen, wahlweise an den Pranger gestellt, als Vorreiter gefeiert, oder als Mitläufer bemüht und geduldet.

Die Unterscheidung zwischen Ökologie und Ökologismus wird in vielen Grauzonen zunehmend schwierig, wie die Debatten um EE, Biosprit etc. zeigen.
Man mag das alles - und so lange die Debatten anhalten - für wenig besorgniserregend oder aus grüner Sicht gar für zielführend halten, übersieht dabei aber, wie weit die "große Transformation" bereits gediehen ist, wenn z. B. die mit allerlei wirtschaftlichen und politischen Interessen verquickte Mitigation als zwingend gebotenes Handeln gegen künftige extreme Wetterreignisse gehandelt wird. Unsinnigerweise und ohne solide wissenschaftliche Grundlage. Dass dennoch ein Teil der Wissenschaft, die überwiegende Zahl der Medien, vor allem aber die Bürokratie der Idee verfallen ist, erschiene bedenklich genug, ginge es allein um einen Irrtum. Tatsächlich bildet sie eines von vielen Symptomen ideologischer Verblendung.

Dazu Roger Pielke ...

http://rogerpielkejr.blogspot.co.uk/2013/02/the-horsemeat-in-your-lasagna.html

Blieben zu erwähnen, die Pläne zur Errichtung einer Weltregierung, die keineswegs ein Hirngespinst von Verschwörungstheoretikern darstellt. Unter ihrem Regime soll die "Umverteilung des Weltvermögens" (Edenhöfer) stattfinden. Die Klimafrage ist da nur Transportvehikel für politische Zielsetzungen ganz anderer und tief greifender Natur ...

http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/klimapolitik-verteilt-das-weltvermoegen-neu-1.8373227

Ökodiktaturkeule? Es gibt sie durchaus, andersrum betrachtet.

Werner Krauss said...

Anonymous #20,

vielen Dank, gut argumentiert. Ich stimme zu, Pferdefleisch in der Beef-Lasagne ist eine Mogelpackung. Ebenso, hurricane Sandy in hurricane Exxon umzubenennen. Ebenso, eine Demokratie als Ökodiktatur zu bezeichnen, nur weil einem die Richtung nicht passt. Denn, Anonymous, Sie könnten, so Sie wollten, hier durchaus Ihren vollen Namen nennen: Ihnen droht keine Zensur, keine Haft, keine Deportation und kein Berufsverbot. Sie sagen ja selbst, dass hier Biospirt und EEG heftig debattiert werden - so geht das eben in einer Demokratie. Wenn Sie diese als Diktatur bezeichnen: was, wenn wirklich mal eine droht?

Die Sache ist nun mal heiß, da werden metaphorische Keulen geschwungen, auf allen Seiten. Das ist wohl kaum zu vermeiden. Es geht ja auch um viel, und alles Handeln findet unter großem Risiko statt - das Nicht-Handeln übrigens auch. Die Erfahrung zeigt, dass in konkreten Auseinandersetzungen die großen Unterschiede mit der Zeit abschleifen und sich (oft völlig unerwartete) einvernehmliche Lösungen einstellen. Kann allerdings dauern oder - leider - auch schiefgehen.

(Aber ich gebe zu: "Ökodiktatur: Nein danke!" ist natürlich ein Klassiker, wenn auch schon ein bißchen angestaubt. Das schönste Schild mit dieser Aufschrift steht am Ortseingang von Westerhever, noch immer).

Anonymous said...

@ Krauss

Um vom Pferdefleisch auf den Pferdefuß zu kommen: natürlich gibt es weder offene Zensur, willkürliche Verhaftungen und Deportationen zu beobachten. Dafür steckt die Zensurschere in vielen Köpfen, als wäre sie dort eingebaut, und über die Psychiatrisierung oder gar die Erschießung von "Klimaleugnern" wird da und dort ganz offen nachgedacht. Klar, handelt es sich dabei um Auswüchse, aber sie bilden Symptome eines insgesamt vergifteten Klimas.
Grund dafür bildet der Umstand, dass die Konservativen ihre Zuständigkeit für ökologische Anliegen ohne Not verschlafen haben und die Liberalen das Thema arrogant ignorierten. Beide liessen den Gegenstand ernsthafter Bürgersorge in einer historischen Fehleinschätzung auf der Straße liegen, wo er von Teilen einer heimatlos gewordenen und heillos zerstrittenen Linken bloß aufgehoben werden musste. Seither pflegt der Ökologiediskurs auf jenem moralischen Hochgrund stattzufinden, den die Linke - zum Teil aus achtbaren Gründen - traditionell für sich beansprucht. Der Dialektik der politischen Korrektheit, der "Moral als Mittel der Meinungskontrolle" (H. Lübbe) haben die politischen Gegner außer schlechtem Gewissen oder rüder Ablehnung bis auf punktuelle Einwände wenig entgegenzusetzen. Hinweise auf eine drohende Ökodiktatur sind deshalb nicht entlang der Parteigrenzen oder in den parlamentarischen Machtverhältnissen zu entdecken, sondern, wie eingangs erwähnt, in den Köpfen quer durch die Parteienlandschaft. Was der Mix aus politischer Korrektheit und gezielt geschürten Umweltängsten
anrichtet, lässt sich tagtäglich in den Medien besichtigen, aber auch in der von Forschungsgeldern bzw. dem common sense abhängigen Wissenschaft.

Was es mit "Moral als Mittel der Meinungskontrolle"
der "Wahrscheinlichkeit der Irrtumskonservierung", der "Tendenz der Moralisierung kognitiver Gehalte" auf sich hat, findet sich im nachstehend verlinkten Vortrag von Hermann Lübbe ...

http://www.bund-freiheit-der-wissenschaft.de/downloads/texte/vt_010606_luebbe.pdf

(Meinungs)Diktaturen der Gegenwart oder totalitäre Tendenzen in der politisch angestrebten Deutungshoheit können durchaus auf das von Ihnen kolportierte Arsenal an überlieferten Instrumenten zur Machdurchsetzung verzichten. Es reicht, wenn sie die Köpfe beherrschen. Die Klimadebatte bietet dazu reichlich Anschauungsmaterial.

V. Lenzer

Werner Krauss said...

V.Lenzer,

vielen Dank für Ihre Ausführungen, die meine oben unter 1) geäußerte Vermutung bestätigen: Wenn man zu oft in den Wald "Vorsicht: Ökodiktatur" schreit, dann echot es eben immer öfter heraus: "Haben wir doch längst". Und anstatt einer Debatte darüber, wie wir der Gefahr des Klimawandels demokratisch begegnen können, haben wir eine Debatte über die Gefährdung des geistigen Klimas in Deutschland durch heimatlose Linke und moralisierende politisch Korrekte.

Ich stimme Nico Stehr und Manfred Moldaschl ja zu, dass man mit Überlegungen, die Demokratie auszusetzen, keine "Mitstreiter" gewinnen kann. Nun haben sie die Mitstreiter, die sie gerufen haben. Oder etwa nicht? Ich bin mir nicht sicher, ob Sie, V.Lenzer, wirklich "den Klimawandel effektiv bekämpfen wollen", den die Autoren meinen, oder ob sie diesen nicht eher für einen "Mix aus politischer Korrektheit und gezielt geschürten Umweltängsten" halten. Denn eigentlich wollen ja Stehr und Modaschl, dass "umweltbewegte Bürger" mehr "Einfluss auf die Regierung haben als Expertengruppen, multinationale Konzerne und Wirtschaftsverbände", und sie wollen ökologische vor wirtschaftliche Ziele setzen. Eigentlich sind die beiden doch genau solche moralisierenden Linken, die Sie, V. Lenzer, als das eigentliche Übel sehen, oder?

Eine seltsame Koalition, eigentlich. Oder unlikely bedfellows, wie der Engländer sagen würde.
"

Anonymous said...

@ Krauss

Amüsieren Sie sich ruhig, wenn Sie mich vom hardboiled Skeptiker zum Alarmisten geläutert sehen, zumindest in Sachen Ökologismus.

Umgekehrt sollten Sie nicht zu viel Häme über Ihre Kollegen ausschütten, weil die nach Ihrer Einschätzung verdientermaßen Beifall von der falschen Seite einheimsen, nachdem sie eine Schimäre zu neuem Leben erweckt haben.

Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit totalitären Tendenzen in der Ökologiedebatte sollte möglich und lohnend sein, auch wenn Sie sie deshalb für unerwünscht halten, weil sie ggf. Leute wie V. Lenzer auf den Plan ruft. Und ja, ich glaube tatsächlich nicht, dass sich DER Klimawandel (oder das, was in Form von Wetterereignissen oft dafür gehalten wird) effektiv bekämpfen lässt. Es würde den Holländern z. B. kaum einfallen, ihren CO2-Output auf Null zu stellen und dann die Hände in den Schoß zu legen. Ich glaube nicht, aber ich denke, dass der Weg der Anpassung effizienter zu beschreiten und zu vermitteln ist, selbstverständlich begleitet von allen gebotenen Anstrengungen zur Umwelt- und Ressourcenschonung. Anstrengungen, denen vor der Utopie der "Großen Transformation" das Vergessen, die Relativierung oder das Erlahmen droht. Moral oder die Gewissheit moralischer Überlegenheit helfen da wenig weiter. Und nein, das Moralisieren ist kein Privileg der linken Grünen, aber nicht weniger eine Untugend.

Schade übrigens, dass Sie sich mit Lübbes Vortrag nicht näher auseinandersetzen mögen. Er enthüllt etliche der gesellschaftlich und individuell wirksamen Mechanismen, die zu untersuchen die Klimazwiebel u. a. angetreten ist. Die Gestaltung und Vermittlung demokratischer Partizipationsprozesse käme ein gutes Stück voran, wenn man diesen Mechanismen besser Rechnung trüge.

Ökologische vor wirtschaftliche Ziele setzen? Unter der Voraussetzung, dass Menschen im Globalpark Gaia nicht nur geduldet werden, sondern auch ihr Auskommen finden und dass die nicht-ökologische Produktion (bei ökopietistischer Lesart praktisch jede) nicht einfach bilanzschönernd verlagert wird.

V. Lenzer

Werner Krauss said...

V.Lenzer,

Respekt, Sie verstehen zu antworten. (Nur das Beispiel mit den Holländern schwächelt - wer sagt denn so was...).

Doch, ich habe Lübbe (oberflächlich) gelesen, aber gerade leider keine Zeit, mir dazu angemessene Gedanken zu machen, daher erstmal nix dazu, sorry.

Werner Krauss said...

V. Lenzer,

nun habe ich sorgfältig H. Lübbes Angst vor dem politisch Korrekten Gutmenschen und Moralapostel gelesen - und mich dabei immer wieder erinnert gefühlt an die Angst auch mancher, die sich hier auf der Zwiebel äußern, dass der WBGU oder das PIK demnächst die Weltherrschaft oder zumindest eine Ökodiktatur errichten und die kleinen Kinder mit ihrem grünen Gift indoktrinieren.

Gleichzeitig lese ich dieser Tage Kritiken zu Schirrmachers neuem Buch, der ja auch ein Konservativer ist, allerdings nicht mehr vom Krieg direkt geprägt, und der auch nach dem Kalten Krieg nicht aufgehört hat seine Umwelt zu beobachten.Er ist offensichtlich nicht mehr gefangen in der Konstellation "Freiheit (Kapitalismus) oder Sozialismus (Planwirtschaft)", sondern er versucht den "homo oeconomicus" begrifflich zu fassen; die geistige Haltung, die der Totalsieg des Kapitlismus hervor- und welche die Finanzkrise verursacht hat. Wo der Menschen sozusagen abgeschafft und als Ego-Maschine, die nur ihre Interessen optimieren will, neu konzipiert wurde - mit Hilfe der Wissenschaft, der Spieltheorie, der Wirtschaftswissenschaften, versteht sich:

"Jeden Sozialverband, selbst jedes Unternehmen zerlegt das neue Wesen innerlich, Loayalitäten erkennt es nurmehr aus Berechnung an. Jeder Mensch ist entweder sein eigener Ich-Unternehmer oder er fällt aus dem Rahmen. Jeder verhält sich nur noch strategisch zm Nächsten. Finten, Täuschung, Taktik zum eigenen Vorteil sind die eigene Regel, weil das Gegenüber dies weiß und es genauso macht".
"Da hier eine verbindliche Gemeinsamkeit nicht mehr anerkannt wird, muss sich selbst der Staat den Erwartungen der aus lauter ökonomischen Egoisten und Autisten bestehenden (Zerfalls-) Gesellschaft unterordnen. (...) Gemeinwohl kennt der Homo oeconomicus nicht, die Funktion als 'marktüberwölbendes Gebilde' gesteht er dem Staat nicht zu." (Andreas Zielcke in der heutigen SZ über das Buch).

Auch die Elite ist wieder in ihrem Recht. Lübbe kann also zumindest hier zufrieden sein. Allerdings, ob er damit jene meint, die direkt von Harvard oder Stanford in die Wall Street gehen? Ohne Gutmenschentum, ohne Moralapostelei, ohne Planwirtschaftsfantasien: ganz real die Finanzsysteme schrotten und den kleinen Leuten das Geld aus der Tasche ziehen, effektiv, alternativlos und intelligent.

Auch eine konservative Kritik, doch der Gegner, den sie sich vornimmt, ist beeindruckend und vor allem relevant. Die Destabilisierung der Demokratie durch Experten gestützte Alternativlosigkeit erscheint mir für unser demokratisches Gemeinwesen doch wesentlich gefährlicher zu sein als die Moralapostel und Gutmenschen und ihre politische Korrektheit.

Zumindest lohnt es sich vielleicht, bei Schirrmacher weiterzulesen?

Werner Krauss said...

add: Und wenn man diesen kritischen Ansatz wieder auf die Klimaforschung und ihre Rolle, bestimmte Formen der Kliapolitik als alternativlos hinzustellen, anwendet - dann bin ich auch wieder mit dabei. Die einseitige Verwissenschaftlichung des Klimas, die Anwendung von denselben Annahmen über Eigeninteresse der einzelnen "Spieler" usw als Grundlage einer dann als alternativlos konzipierten Politik: einverstanden. Aber das hat mit Lübbe dann nichts mehr zu tun, meiner Meinung nach.

S.Hader said...

Okay, ich möchte mal eine ganz naive Frage stellen. Und jedem, dem diese Frage ausgesprochen naiv vorkommt, sollte sich besonders angesprochen fühlen. ;) Was ist eine Diktatur? Weil mir scheint, es gibt eine Reihe von Leuten, die eine Administration in einem Staat oder Gemeinschaft von Staaten mit Diktatur gleichsetzen.

Vielleicht mag meine Einschätzung falsch sein, aber ich habe bei 80-90% der Berichte, Artikel und Postings, die sich mit Öko-Diktatur befassen, den Eindruck, dass sie in Wirklichkeit Öko-Administration meinen. Diese kann man selbstverständlich im konkreten Fall für falsch halten und kann das kritsieren, was konkret beschlossen wird. Aber letztlich soll "Diktatur" sprachlich den Leser aufrütteln und provozieren. Schön finde ich auch Bezeichnungen wie Öko-Stalinist. ^^

Gegenmeinungen? :)

S.Hader said...

Der Meinung bin ich auch.
Darüber hinaus. Die Demokratie und die soziale Marktwirtschaft sind die besten System (Politik und Wirtschaft), um damit fertig zu werden.
Ich fände es interessant zu fragen, ob es jemanden gibt der das anders sieht.


Hallo Herr Heß, ich sehe das absolut genauso wie Sie. Es stimmt mich schon traurig, wie wenig man heutzutage Demokratien zutraut. Ja, manchmal wird sogar so getan, als wenn die Demokratie der Verhinderer von schnellen, lebenswichtigen Entscheidungen für die Gesellschaft sei. Dabei gibt die Empirie deutlich Anlass zur Hoffnung. Wenn man mal einen generellen Blick auf den Umweltschutz wirft, dann waren es Demokratien und nicht diktatorische und totalitäre Staaten, die Probleme der Umwelt erkannten, nach Lösungen suchten und welche fanden und umsetzten. Trotz massiver Widerstände kurzsichtiger Firmen-Bosse. Umweltverschmutzungen nahmen erstmals ab und nicht zu, und wo? In demokratischen Industriestaaten.

Damit aber kein falscher Zungenschlag reinkommt, die Betonung auf soziale Marktwirtschaft ist wichtig. Leider kennen viele libertäre User in Internetforen nur die Marktwirtschaft und den Grundsatz, dass jede Beeinflussung und Regulierung bäh sei.

"Ich denke Nico Stehr hat eine Meinung in den Raum gestellt. Andere stellen andere Meinungen in den Raum und das ganze ist Teil
der politischen Willensbildung. Da kann man auch irren oder Recht haben und auch mal die Meinung ändern, auch mal polarisieren, auch mal polemisch oder sarkastisch sein."


Volle Zustimmung.

MfG
S.Hader

Anonymous said...

@ Krauss

Danke für den Schirrmacher-Hinweis.

Apropos "kleine Kinder": die Indoktrination findet tatsächlich statt, werden doch heute selbst die Kleinsten von "klima-engagierten" Erziehern, Eltern und Lehrern, auf den grünen Pfad eingetrimmt, meist eher mit halbgaren Klima"wahrheiten" als mit Fakten. Die Zeichnung eines auf einer Eisscholle abdriftenden Eisbären, einer brennenden Erde oder kochender Meere dürfte der klimabewegte Nachwuchs inzwischen aus dem Effeff beherrschen.

Nicht diskutiert wird, welche Alpträume die mit solchen Erziehungsbemühungen verbundenen Katastrophenszenarien den Kids bescheren.
Kleine Anregung an den Sozialwissenschaftler: eine repräsentative Untersuchung zum Klimawissen und zu den Klimaängsten von 7-12 Jährigen.

Dass der an den Kleinen ausgeübte Meinungs- und Gesinnungsterror zunächst bei den Erwachsenen hat Spuren hinterlassen müssen, ergibt sich aus der landläufigen Hackordnung. Auch dazu vielleicht eine Untersuchung?! oder wenigstens die Frage, wie es dahin hat kommen können, welche Bedingungen der gesellschaftlichen Kommunikation und Rezeption gegeben sein müssen, um eine derartige Hysterie zu erzeugen und sie politisch wirksam zu machen.
Eben doch Anzeichen totalitärer Tendenzen? in der öffentlichen Meinung, in den Instituten ihrer Formulierung und Verbreitung, in den Köpfen?

Ob sich in diesen Heim- und Schulwerkern des forcierten Ökologismus' die geeignete Basis für die angedachte "Klimademokratie" zeigt, überlasse ich Ihrem Urteil. Die Vorstellung einer Klimaräterepublik mit lauter kleinen PGs und Blockwarten zur Überwachung und Durchsetzung individueller und kollektiver Klimaziele ist eher grauslich. Öffentliche Selbstkritik bei erhöhtem Warmwasserverbrauch, zu hohen Zimmertemperaturen, nicht-ökologischem Lebensstil? (negative) Ökopunkte in Flensburg?

Und apropos "den kleinen Leuten das Geld aus der Tasche ziehen": da streiten die Parteien monatelang über die Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze in der Höhe von monatlich 5(!) Euro, während den Betroffenen via Ökostromumlage das Geld mehrfach wieder aus der Tasche gezogen wird. Die Minderbemittelten finanzieren den gut betuchten Villenbesitzern die aus chinesischer Produktion stammenden Solarkacheln auf dem Dach?
Klimatismus in Reinkultur ...

V. Lenzer

Anonymous said...

S. Hader, Günter Heß

Einen wüsste ich dann vielleicht doch noch. P. Heller schreibt in seinem Blog:

"Die Annahme, eine demokratisch organisierte Gesellschaft könnte diesen Weg [zum 2°-Ziel] auf Basis von Mehrheitsentscheidungen freiwillig und selbstbestimmt einschlagen, ist absurd."

Und wenn man dann noch annimmt, dass die eigene Meinung logisch, richtig und weitverbreitet sei, dann denken Klimaforscher logischerweise auch so und dann muss man sich als Skeptiker schon Sorgen um die Demokratie machen.
Klassischer Fall von fehlgeleiteter Projektion.


@ V. Lenzer

Wie wär's mal mit einer vergleichenden Untersuchung zur Zufriedenheit mit unserer Demokratie zwischen Skeptikern und AGWlern? Mir fällt schon auf, dass in vielen Skeptikernblogs eine große Unzufriedenheit mit Medien, politischen Parteien, Medien oder Schulen hörbar ist. Offensichtlich fühlt man seine skeptischen Positionen nicht gebührend vertreten und nimmt Anstoß daran. Nun ja, zur Demokratie gehört auch, den Mehrheitswillen zu akzeptieren.

Andreas

SHader said...

@Andreas, ohne jede Erläuterung teile ich die Ansicht von Herrn Heller nicht. Warum soll eine Einigung auf gemeinsame Maßnahmen absurd sein? Ein Verbot von FCKW war weltweit auch möglich, obwohl das im Vorfeld bezweifelt wurde, so nach meiner eigenen Erinnerung.

Anonymous said...

@ Andreas

Zur Demokratiezufriedenheit von Skeptikern ...

Mir ist kein Skeptiker bekannt, der die Demokratie einschränken oder aufheben, Opponenten der Psychiatrie übergeben, oder sie gleich exekutieren möchte. Ganz im Gegenteil, die Skeptiker haben in einer Art Graswurzelbewegung den Aufstand gegen den "science is settled"-Konsens geprobt. Durchaus ein Lehrstück in Sachen Klimademokratie, wenn auch - so ist das nun mal in Demokratien - nicht ausnahmslos gelungen und urteilssicher.
Unabhängig von der Qualität der geleisteten Beiträge sollte man ihnen dafür danken, die Debatte am Leben gehalten zu haben, als sie ein nicht unerheblicher Teil der von Werner Krauss erwähnten Eliten für beendet erklärte.

Was den Mehrheitswillen anbelangt, so zählt der in der Wissenschaft am Ende wenig, wie eine lange Reihe wissenschaftsgeschichtlicher Erfahrungen lehrt. In einer Demokratie ist er auch unter dem Vorbehalt des Irrtums zu akzeptieren, mag er noch so falsch falsch liegen. Es steht aber der Minderheit frei, ihre Meinung offen darzulegen. Nach meinen Eindrücken scheint dieses Recht seit etlichen Jahren erheblichen Einschränkungen zu unterliegen, wenn man die Praxis des öffentlichen Rundfunks und zahlreicher Medien näher betrachtet. Skeptiker kamen (und kommen) einem da auffallend selten zu Gesicht oder zu Gehör, es sei denn als marginalisierte und verhöhnte Vertreter unhaltbarer Ansichten. Die grummeln in der Folge weniger über demokratische Gepflogenheiten an sich als über die Demokratiedefizite in der vorherrschenden Medienkultur.

V. Lenzer

Günter Heß said...

Lieber Herr Hader #28,

sie schreiben:
„Vielleicht mag meine Einschätzung falsch sein, aber ich habe bei 80-90% der Berichte, Artikel und Postings, die sich mit Öko-Diktatur befassen, den Eindruck, dass sie in Wirklichkeit Öko-Administration meinen.“
Für mich ist die Bedingung für eine Diktatur dann gegeben, wenn eine Gruppe von Menschen unbeschränkte politische Gestaltungsmacht hat. Das heißt keine demokratisch legitimierte Kontrolle gegeben ist.
Das kann jetzt auch in einem Teilbereich der Politik erfüllt sein. Oder auch wenn Staaten gemeinsam etwas beschließen.

Die DDR war ja auch eine Administration die das Arbeiter- und Bauernparadies angestrebt hat. Sozusagen eine Vorparadies-Administration.

Dennoch halte ich die DDR für eine Diktatur.

Eine Administration von Staaten oder auch ihre Öko-Administration muss deshalb nachweisen, dass sie demokratisch legitimiert ist, nicht umgekehrt.

Ich denke es ist notwendig für unsere Demokratie solche Staaten-Administrationen oder Öko-Administrationen zu hinterfragen, wenn sie unsere Steuergelder bekommen bzw. Gesetze und Verordnungen beschließen, weil sie ja wie auch unsere Politiker von Lobbyisten aller Couleur (Unternehmen, NGOs, etc) belagert und umworben werden.

Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

SHader said...

@V.Lenzer: "Es steht aber der Minderheit frei, ihre Meinung offen darzulegen. Nach meinen Eindrücken scheint dieses Recht seit etlichen Jahren erheblichen Einschränkungen zu unterliegen, wenn man die Praxis des öffentlichen Rundfunks und zahlreicher Medien näher betrachtet. Skeptiker kamen (und kommen) einem da auffallend selten zu Gesicht oder zu Gehör, es sei denn als marginalisierte und verhöhnte Vertreter unhaltbarer Ansichten."

Diese Ansicht kann ich überhaupt nicht teilen. Man vergleiche einfach das Zahlenverhältnis der wissenschaftlichen Veröffentlichungen mit denen der medialen Präsenz, dann muss man schon von einem überproportionalen Anteil zugunsten der "Klimaskeptiker" sprechen. Zum Teil werden Leute in den Massenmedien zu wissenschaftlichen Themen befragt, zu der sie nie eine peer-review Publikation veröffentlicht haben. Man stelle sich sowas mal in anderen Wissenschaftsgebieten vor.

Nichts für ungut, Herr Lenzer, aber wenn sie eine stärkere Präsenz von Minderheitenmeinungen fordern, dann ist das allerhöchstens Mediendemokratie, aber hat mit Wissenschaft wenig zu tun. Mit derselben Argumentation müsste man mehr mediale Präsenz von Kreationisten oder Esoterikern als Vertreter von Minderheitenmeinungen fordern. ^^

SHader said...

Hallo Günter Heß,

Für mich ist die Bedingung für eine Diktatur dann gegeben, wenn eine Gruppe von Menschen unbeschränkte politische Gestaltungsmacht hat. Das heißt keine demokratisch legitimierte Kontrolle gegeben ist.

Ja, das ist eine wirklich brauchbare Definition.

Das kann jetzt auch in einem Teilbereich der Politik erfüllt sein. Oder auch wenn Staaten gemeinsam etwas beschließen.

Die DDR war ja auch eine Administration die das Arbeiter- und Bauernparadies angestrebt hat. Sozusagen eine Vorparadies-Administration.


Diese Einschätzungen kann ich nicht ganz nachvollziehen. Bilaterale Beziehungen und Verträge müssen letztendlich demokratisch legitimiert werden durch Abstimmungen in den Parlamenten. In der DDR gab es eben nicht die Möglichkeit, dass das Volk die amtierende Regierung abwählen konnte.

Ich denke es ist notwendig für unsere Demokratie solche Staaten-Administrationen oder Öko-Administrationen zu hinterfragen, wenn sie unsere Steuergelder bekommen bzw. Gesetze und Verordnungen beschließen, weil sie ja wie auch unsere Politiker von Lobbyisten aller Couleur (Unternehmen, NGOs, etc) belagert und umworben werden.

Die Hinterfragung und Kontrolle der Administration innerhalb einer Demokratie halte ich für selbstverständlich. Mit einer Ökodiktatur hat das dann nichts zu tun.

Hans von Storch said...

SHader - Sie beschreiben eine Welt, wie die meisten von uns sie gerne sähen, nämlich, daß die zahlreichen Verwaltungen tatsächlich unter demokratischer Aufsicht stünden. Ich fürchte daß dies aber nicht der gesellschaftlichen Realität entspricht, und es Verwaltungen gibt - siehe Verfassungsschutz - , die "Staaten im Staat" bilden, die sich der demokratischen Kontrolle effizient entziehen. Das muß ja nicht gleich so dramatisch sein, wie im Falle NSU, aber was ist mit dem Bau des Berliner Flughafens? Da muß man aufpassen, und man muß die Frage empirisch prüfen - was ist, und nicht einfach konstatieren, daß es so sein müsse.

Auch Ihre Einlassungen zur Frage der medialen Präsenz - sozusagen genormt an den wissenschaftlichen Publikationen - übersieht gesellschaftliche Realität. Ganz abgesehen davon, daß es kritische Ansätze schwerer mit der Publikation in der Wissenschaft haben (nicht haben sollten) - so haben wir doch in einem erheblichen Maße in der Öffentlichkeit, auch in Eliten, Vorbehalte gegen eine Klimapolitik, die sich unter Berufung auf "die Wissenschaft" als alternativlos darstellt. Diese Vorbehalte sind es durchaus wert, medial thematisiert zu werden, weit mehr als dies zur Zeit der Fall ist.

Demokratie heißt auch gerade, Minderheiten zu Worte kommen zu lassen. Nicht nur Minderheiten, die sich auf "die Wissenschaft" beziehen, oder meinen Sie man sollte nur erörtern, was die lokale Universität für richtig erklärt hat?

PS. "Bilaterale Beziehungen und Verträge müssen letztendlich demokratisch legitimiert werden" ist unrichtig - Sie müssen staatsrechtlich verbindlich unterzeichnet werden von Repräsentanten des Staates; wenn dieser demokratisch verfaßt ist, daß nach Zustimmung durch die Parlamente, wenn es eine Scheindemokratie ist durch das "Parlament". wenn ein Autokrat herrscht, dann ist der Vertrag auch gültig.

Günter Heß said...

Lieber Herr Hader,

sie schreiben:
„Die Hinterfragung und Kontrolle der Administration innerhalb einer Demokratie halte ich für selbstverständlich. Mit einer Ökodiktatur hat das dann nichts zu tun.“

Sie haben mich mißverstanden. Ich halte es schlichtweg für wichtig, dass Nico Stehr seine Meinung: „Wir brauchen keine Klima-Diktatur“ veröffentlicht hat. Diese Meinung finde ich richtig. Das trägt zur Kontrolle bei.

Ich finde es hingegen interessant wer sich diesen Schuh anzieht.

Nun ist eben ihre Meinung:
„Wir haben keine Klima-Diktatur“,
auch schön.

Wir brauchen übrigens auch keine Öko-Mafia:
http://tinyurl.com/cw7ud7m


Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

Anonymous said...

@ SHader

"Mit derselben Argumentation müsste man mehr mediale Präsenz von Kreationisten oder Esoterikern als Vertreter von Minderheitenmeinungen fordern"

Gerät Ihnen da nicht ein klein wenig etwas durcheinander, wenn Sie Skeptiker, Kreationisten und Esoteriker in einem Atemzug nennen?

Wenn es um akademische Qualifikationen geht, differenzieren Sie wenigstens zwischen wissenschaftlichen CAGW-Vertretern und wissenschaftlichen Skeptikern - es gibt sie in allen Schattierungen - auf der einen Seite und den meist eher weltanschaulich motivierten Anhängern in beiden Lagern.

V. Lenzer

Günter Heß said...

Lieber Herr Hader,
sie schreiben:
„Diese Einschätzungen kann ich nicht ganz nachvollziehen. Bilaterale Beziehungen und Verträge müssen letztendlich demokratisch legitimiert werden durch Abstimmungen in den Parlamenten. In der DDR gab es eben nicht die Möglichkeit, dass das Volk die amtierende Regierung abwählen konnte.“
Ich hatte davon gesprochen, dass die DDR ebenfalls eine Administration hatte.
Sie verwechseln da etwas. Eine Administration zeichnet sich ja nicht per se dadurch aus, dass sie abgewählt werden kann.
Die DDR hatte zwar eine Administration, war aber trotzdem eine Diktatur.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

Werner Krauss said...

Gutmenschen, Moralapostel, politisch Korrekte, Blockwarte, Räterepublik, DDR, Steuergelder, Planwirtschaft, Diktatur, Öko-Mafia, und und und: diese Debatte hier beamt einen wirklich ganz tief in die bundesrepublikanische Nachkriegszeit zurück. Ein interessantes Phänomen, das es zu bedenken lohnt.

Anders als in den USA spielt bei uns die Parteizugehörigkeit ja keine große Rolle hinsichtlich der Auffassung zum Klimawandel. Offensichtlich ist es hier eher ein Kulturkampf, wobei ich den Verdacht nicht loswerde, dass hier das Verhältnis zu den ominösen 68ern im Zentrum steht.

Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet in der Klimablase diese offensichtlich noch immer tief sitzenden Verletzungen aus der Nachkriegszeit konserviert sind und durch Reizworte wie "Ökodiktatur" wieder aufbrechen.

Dabei leben wir ja eigentlich im Jahr 2013, die Weimarer Republik gibt es nicht mehr, der Krieg ist verloren, sogar die DDR ist längst untergegangen, die 68er sind inzwischen alle in Rente, und der Kapitalismus hat auf ganzer Linie gewonnen. Doch wen kümmern die Probleme der Gegenwart, wenn in der Vergangenheit noch so viel im Argen liegt? Kulturen haben ihre eigene Zeit, und offensichtlich auch die Klimadebatten, die sie verdienen.

SHader said...

@Günter Heß,

vielleicht habe ich Sie weniger missverstanden, als Sie denken. :) Ich bin auch gegen eine Klima-Diktatur! Die wirklich spannenden Fragen sind doch, ab wann kann man von einer Diktatur sprechen und wie weit sind wir davon entfernt. Klimaskeptiker, die sich nach eigenen Worten gegen die Klima-Diktatur wehren, wehren sich leider auch, auf diese Fragen genauer einzugehen. :(

Sie verwechseln da etwas. Eine Administration zeichnet sich ja nicht per se dadurch aus, dass sie abgewählt werden kann.
Die DDR hatte zwar eine Administration, war aber trotzdem eine Diktatur.


Auch hier sehe keinen Widerspruch zu dem, was ich geschrieben habe. :) Ich sagte nicht, dass man jede Administration abwählen kann, sondern meinte, dass es ein Zeichen der Demokratie ist, dass man das kann. Siehe auch: "In der DDR gab es eben nicht die Möglichkeit, dass das Volk die amtierende Regierung abwählen konnte."

Günter Heß said...

Ja und irgendwann kommt der Herr Krauss und versucht besserwissend die Diskussion zwischen Dritten die ihm nicht passt abzuwürgen.
Gratuliere zu ihrem Debattenstil.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

Hans von Storch said...

Ich empfinde diese Debatte als durchaus nötig und nützlich. Worum es geht, ist, inwieweit hier unter der Autorität von Wissenschaft politische Entscheidungen ohne ausreichende Diskussion umgesetzt werden. Ob dies so ist, sei zunächst dahin gestellt, aber wir sehen doch an den Reaktionen, daß es ein Thema ist, an dem Bedarf besteht. Das Wort von der "Ökodiktatur" bewegt Menschen, wobei vermutlich viele verschiedene Deutungen des Wortes bei den verschiedenen Akteuren vorherrschen. Denen, die meinen, es gäbe dies Konzept gar nicht, es sei nur eine Propagandawaffe, sei gesagt, daß die Reaktion belegt, daß es das Konzept doch gibt, wenngleich wohl nicht als aktive Planung politischen Tuns sondern als Beschreibung für eine Atmosphäre, für Befürchtungen, für Angst.

Vielleicht ist es auch der emotionale Kern der ganzen Auseinandersetzung, ein Frage, bei der fast jeder eine dezidierte Position hat.

SHader said...

@Hans von Storch, also ich bin weit entfernt, unserem Land einen Persilschein in Sachen Demokratie auszustellen. Es gibt mit Sicherheit einige Institutionen, deren demokratische Kontrolle wirklich verbesserungswürdig ist bzw. die sich dieser entziehen wollen. Sie haben entsprechende Beispiele genannt.

Da es sich hier jedoch um ein Klimaforum handelt, wäre es eigentlich spannend konkret zu sagen, was sich in puncto Gesetzgebung und Co. sich der demokratischen Kontrolle entzieht. Können Sie da konkrete Beispiele nennen?

"Ganz abgesehen davon, daß es kritische Ansätze schwerer mit der Publikation in der Wissenschaft haben (nicht haben sollten) - so haben wir doch in einem erheblichen Maße in der Öffentlichkeit, auch in Eliten, Vorbehalte gegen eine Klimapolitik, die sich unter Berufung auf "die Wissenschaft" als alternativlos darstellt. Diese Vorbehalte sind es durchaus wert, medial thematisiert zu werden, weit mehr als dies zur Zeit der Fall ist."

Nun, meine ganz persönliche Meinung; sollte man da nicht stärker zwischen wissenschaftlichen und politischen Aussagen trennen? Denn man kann ja als Wissenschaftler vollkommen "meanstreamig" sein (mir fällt gerade kein passenderes Wort ein), aber politisch gegen CO2-Reduzierungsmaßnahmen sein. Umgekehrt gibt es auch Klimaskeptiker, wie beispielsweise Herrn Vahrenholt, der aber gesellschaftliche Maßnahmen zur Energieeffizienz und Ausbau der EE für richtig hält.

Was will ich damit ausdrücken? Die allermeisten Menschen informieren sich über den Stand der Wissenschaft nicht in den Wissenschaftsjournalen und Hörsälen, sondern hauptsächlich in den Medien. Wenn in den Medien vermehrt über solche Klimaskeptiker berichtet wird, die sogar jegliche Wirkung von CO2 auf das Klima absprechen, dann entsteht bei vielen Menschen der Eindruck, es handele sich um eine alternative, ernstzunehmende wissenschaftliche Ansicht. Ähnliches konnte man in den USA über Berichte von Kreationisten beobachten, wo ein sehr hoher Bevölkerungsanteil tatsächlich meint, na wenn das schon in den Medien berichtet wird, dann muss doch was dran sein.

Diesen Aspekt sollte man aber aus meiner Sicht deutlich von dem trennen, dass es Widerstände zur aktuellen Energiewende gibt. Denn das ist eine politische Debatte. Da müssen die Medien die Meinungsvielfalt nach aussen präsentieren. Ersteres ist aber eine wissenschaftliche Sachfrage, die man nicht durch politische Entscheidungsprozesse beantworten kann.


"Demokratie heißt auch gerade, Minderheiten zu Worte kommen zu lassen."

Sehe ich absolut genauso, aber gilt das auch für wissenschaftliche Sachfragen?

Hans von Storch said...

SHader, wir sind wohl so weit noch voneinander weg, jedenfalls im Prinzip. Ich selbst sehe mich diesem Problem konfrontiert - Wo hört mein besonderer Kompetenzbereich auf? Wie markiere ich, daß ich mich ohne besondere Kompetenz zu einem Problem aufgrund meines "common sense" äußere?´Dies ist einer der Gründe, warum ich mich hie auf der Klimazwiebel engagiere.

Wissenschaftliche Sachfragen - ich empfinde es persönlich schon als Desinformation, wenn Leute behaupten, Sandy (oder Katrina) hätten was mit dem anthropogenen Klimawandel zu tun; jetzt suggeriert das schon Präsident Obama. Aber vielleicht ist es besser, dies unter "contested issues" abzuhaken, also Streitfragen, wo verschiedene Leute verschiedene Meinungen haben, wo die bisherigen wissenschaftlichen Argumente nicht stark genug waren? Einfach, weil die kulturellen Konstruktionen zu stark sind, oder die gesellschaftliche Belohnung für Wissenschaftler, das auszusprechen, was ohnehin jeder "weiss", zu gross?

Wo fangen wir an mit der Zensur der Antworten auf Sachfragen? Wer sagt uns, daß wir in einer Frage Konsensus haben (es wird wärmer, und ohne Treibhausgase können wir - zumindest bis dato - die Erwärmung der letzten 150 Jahre nicht erklären) und in einer anderen nicht (Meerespiegel steigt stärker als je zuvor in instrumentellen Beobachtungen an - oder doch nicht?)?

Helmut Z. Baumert said...

@HvStorch:
>Worum es geht, ist, inwieweit hier unter der
>Autorität von Wissenschaft politische ...

Autorität der Wissenschaft? Die repräsentierenden
Primadonnen, haben zur Unterhaltung, aber mehr zum
Untergraben der "Autorität von Wissenschaft" beigetragen.
"Im Kern verrottet", wie das ganze Wissenschaftssystem?
Grundlegende Wende nötig. Mehr Wettbewerb, mehr
Transparenz. Dieser Blog kann Vorbild sein.
Helmut

Günter Heß said...

Lieber Herr von Storch,

sie schreiben:
„Aber vielleicht ist es besser, dies unter "contested issues" abzuhaken, also Streitfragen, wo verschiedene Leute verschiedene Meinungen haben, wo die bisherigen wissenschaftlichen Argumente nicht stark genug waren?“

Müssen oder können denn die wissenschaftlichen Argumente stark genug sein?
Ich glaube der Wunsch, politische Entscheidungen sollten auf wissenschaftlich fundierten Ergebnissen basieren, wird wohl immer wieder enttäuscht werden.
Und muss vermutlich auch enttäuscht werden, da es sicherlich wissenschaftliche Erkenntnisse im Bereich der Genforschung oder anderer Disziplinen geben könnte, die politisch zu Unfrieden führen würden.

Ich habe gerade per Email mit jemanden diskutiert, der mit seinen Argumenten die Physik die gelehrt wird, durch eigene Annahmen, die er felsenfest glaubt, so ergänzt und abstrahiert, dass seine eigne Meinung, dass der Treibhauseffekt nicht existiert, bestätigt wird.
Nehmen wir mal an dieser Herr Q wäre Bundeskanzler und würde diese Annahmen in seine Entscheidungen einfließen lassen. Dann wären diese Entscheidungen ja trotzdem demokratisch legitimiert, obwohl wir beide die basis dieser entscheidung wohl wissenschaftlich verwerfen würden. Ebenso wäre es völlig legitim, dass diese Meinung veröffentlicht würde, falls dieser Herr Q Klimaforscher wäre. Das gleiche gilt für alle Meinungen.
Wenn also Obama nach besten Wissen und Gewissen zur Überzeugung kommt Sandy hätte etwas mit dem Klimawandel zu tun, ist das eine ganz normale Meinung die in der Diskussion existiert.
In einer Demokratie müsen wir eben Alle diese Meinungen aushalten. Da sind wir sicher einer Meinung.

Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

Hans von Storch said...

Herr Heß, bitte lesen Sie meinen Kommentar noch mal so wie er ist.
"Argument nicht stark genug" heißt eben dies, nicht daß das bisherige Argument irgendwie stärker gemacht werden soll, sondern daß die bisherige Evidenz nicht für alle ausreichend erscheint, und daher Vorbehalte existieren. Da muß also mehr Evidenz her, sofern vorhanden, oder eine Falsifikation.

Obama - ja, darf er; jeder darf seine Meinung haben.

Und daß politische Entscheidungen zwar wissenschaftliche "Fakten"/Meinungen berücksichtigen, ist vernünftig, die Entscheidung selbst sollte am Ende - eben: politisch sein.

Wir sind uns hier also einig, scheint mir. Abgesehen davon, daß Sie in meinen Aussagen was lesen, was Sie offenbar lesen wollen, aber nicht drin steht. Aber vermutlich mache ich sowas auch dann und wann.

Günter Heß said...

Lieber Herr von Storch,

weis ich jetzt nicht so genau. Ich hatte ihr Argument eher als Aufhänger benutzt. Ich wollte eigentlich nur anmerken und mit dem Beispiel belegen, dass es den Zustand, dass die „Evidenz“ für alle ausreichend ist, vermutlich nicht gibt.

Denn es sind ja individuelle Ausbildungs- und Bildungsstände, sowie individuelle Ansichten und Annahmen die einen Menschen die „Evidenz“ so oder so bewerten lassen.

Dazu kommt, dass diese Bewertung eher ein Prozess als ein stationärer Zustand ist.
Es kommen ständig neue Aspekte und Perspektiven hinzu. Gottseidank möchte man sagen.
Wenn Sie also als Wissenschaftler nach mehr „Evidenz“ oder „Falsifikation“ streben, ist das der Lauf der Wissenschaft und sehr gut. Ändert aber vielleicht nichts an der politischen Bewertung.

Anders ausgedrückt. Die Natur gibt meiner Erfahrung nach die „Evidenz“ immer langsamer heraus, als wir Menschen entscheiden müssen.

In der Tat wir sind uns vermutlich einig. Trotzdem wollte ich den Punkt in die Debatte werfen.

Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

Hans von Storch said...

Ich danke für Ihre Klärung; ja, wissenschaftliches Wissen steht immer unter dem Vorbehalt der vorhandenen Evidenz, die sich natürlich - und wenn es nur der Fortgang der Zeit, der zu einer Vergrößerung der Menge der bekannten "Fälle" führt - erweitert.

Es ist eine der "Sünden" der Klimaforschung, daß man die Frage der Falsifikation, der Möglichkeit des Irrtums oder voreiligen Schlusses, weitgehend ausgeblendet hat. Sie wissen, daß meine Zweifel in Bezug auf die Existenz und Erklärung der Erwärmung in den letzten 150 Jahren sehr begrenzt sind; dennoch bestehe ich auf Falsifikationsversuchen, auch weil ich glaube, daß dies die Erklärung weiter festigt. Daß andere das gleiche tun in der Annahme, daß die Erklärung sich als falsch erweist, ist normal in der Logik der Wissenschaft.

Die Möglichkeit des Irrtums, der voreiligen Schlußfolgerung, sollte aber kein Grund sein, gesellschaftlich als relevant wahrgenommene Probleme mit dem entsprechenden Ernst aufzugreifen und zu "lösen" zu versuchen. Der menschgemachte Klimawandel gehört in diese Kategorie.

Günter Heß said...

Lieber Herr von Storch,

Volle Zustimmung.

sie schreiben:
„Es ist eine der "Sünden" der Klimaforschung, daß man die Frage der Falsifikation, der Möglichkeit des Irrtums oder voreiligen Schlusses, weitgehend ausgeblendet hat.“

Ist das eine Sünde alleine der Klimaforschung oder nur menschlich. Ich denke letzteres.

Für mich ist es ebenfalls eine der größten Herausforderungen in der Ausbildung den Naturwissenschaftlern und Ingenieuren, die von den verschiedensten Universitäten und Fachhochschulen zu uns stoßen, beizubringen, dass die eigenen Hypothesen und Annahmen nicht mit Fakten verwechselt werden dürfen. Darüber hinaus ist das eine tägliche Herausforderung auch für die Erfahrenen und damit für jeden Selbst. Auch wenn viele jetzt vielleicht „trivial“ schreien. Da empfehle ich dann Selbstkritik.

Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

SHader said...

"Und daß politische Entscheidungen zwar wissenschaftliche "Fakten"/Meinungen berücksichtigen, ist vernünftig, die Entscheidung selbst sollte am Ende - eben: politisch sein."

Sehe ich absolut genauso. Das trifft auch für folgende Aussage zu:

"Die Möglichkeit des Irrtums, der voreiligen Schlußfolgerung, sollte aber kein Grund sein, gesellschaftlich als relevant wahrgenommene Probleme mit dem entsprechenden Ernst aufzugreifen und zu "lösen" zu versuchen. Der menschgemachte Klimawandel gehört in diese Kategorie."

Werner Krauss said...

Gut. Alle scheinen übereinzustimmen:
Ökodiktatur ist schlecht; Obama darf eine Meinung haben; Wissenschaftler dürfen nicht mogeln, aber sie dürfen sich schon mit dem menschengemachten Klimawandel ernsthaft beschäftigen.

Geht denn die Übereinstimmung auch so weit, dass umweltbewegte Bürger mindestens die gleichen Rechte haben sollten wie Expertengruppen, multinationale Konzerne und Wirtschaftsverbände? Und dass Demokratien ökologische vor wirtschaftliche Ziele stellen sollen (bzw. lang- vor kurzfristige)? Und dass die Zukunft für die Demokratie wichtiger ist als der Burger um die Ecke? Und dass diejenigen, welche gegen eine konsequente Klimapolitik sind, eben besser für ihre eigene Position werben sollten? Und das es nicht die Experten sind die sagen können wieviel Klimaschutz eigentlich zumutbar ist, sondern die Leute das schon selber entscheiden?

Denn dass sind ja die Kernthesen des Artikels von Nico Stehr und Manfred Moldaschl, wenn ich sie recht verstehe.

Anonymous said...

@ Krauss

Um einem Ihrer früheren Vorschläge zu folgen, wie wär's mit einem Theaterstück? Eine Modellskizze zu den Energietransfers, zur Konvektion, zur Halbwertszeit und zur skandalogischen Vergessenskurve von öffentlichen Erregungszyklen in der Mediendemokratie, dem täglichen Blätter- und Bildschirmrauschen am globalen Dorfbrunnen. Eine Demokratieveranstaltung, die man sich eher wie den RTL2-Nachmittag vorstellen sollte als etwa wie einen Themenabend bei ARTE. Nennen wir das Stück aus aktuellem Anlass LASAGNEWEILE.

I. Akt
Produzent: “Wir brauchen einen neuen Scoop. Fragt mal die Wissenschaftler, ob die was haben”
Redakteur: “Ja die könnten liefern. Wir müssen das Ganze aber etwas aufbereiten. Es gibt da erst eine Hypothese, Unsicherheiten, Fehlerbalken ...”
Produzent: “Fehlerbalken?!? Anweisung an die Drehbuchreiber: immer die schlimmstmögliche Wendung ansteuern!”
Redakteur: “OK, dann machen wir Klimakatastrophe”
Chor: “Ui, Katastrophe, so geil!”, “was geht denn da alles kaputt?”

II. Akt
Produzent: “Echter Volltreffer. Da kann jeder mitreden. Auf der Beliebtheitsskala rangiert Wetter noch vor den Nachrichten oder vor dem Sport. Legt euch also ins Zeug!”
Redakteur: “Ja, Wetter ist wichtig, gewissermaßen die Kompetenzvermögen nachweisende Grundwährung des sozialen Austauschs.”
Chor: “Wir wollen mehr schlechte Klimanachrichten. Zeigt uns ersaufende Eisbären. Waldbrände, Überflutungen!”

III. Akt
(Talkrunde mit Altphilologen, Paläoherpetologen Musikwissenschaftlern etc., die sich schimpfend Luft machen ...)

A: “Wie haben es die früher mausarmen Vetter von der Zunft der Wetterhansel bloß in so kurzer Zeit zu Weltgeltung und Ruhm gebracht?”
B: “... und zu so viel Forschungsgeld und Publikationen ...”
C: “... und Reisen und Kongressen!”
D: “Wir sollten uns besser in Stellung und Ansehen bringen”
F: “Aber wie?!?”
Musikwissenschaftler: “Vielleicht indem wir uns dem Trend einfach anhängen: “Vivaldi, ein Prophet des AGW?”, “Beethoven taub wegen des einsetzenden Klimawandels”, “Wagners Musik entstanden aus einer Folge von traumatisierenden Schlechtwetterereignissen”, oder “Die Klimaleugner unter den Popstars: Bobby McFerrin: “Don’t worry, be happy”, die Beatles: “Here comes the sun”, Bob Dylan: “You don't need a weather man to know which way the wind blows”
Altphilologe: “Statistisch erwiesen: die Zahl der Griechischlerner sank von 1950-2011 mit den steigenden Temperaturen”
Chor: “Gähn”

IV. Akt
Moderator: “Berliner Forscher prognostizieren, dass bei einem Temperaturanstieg von 1,5° C bis 2050 die gemeine Grabwespe 14 Tage früher schlüpfen wird, mit dramatischen Folgen für ihr Biotop”

Chor: “Bäh, Klimawandel”, “... hatten wir schon gestern” “... und vorgestern auch!”

V. Akt
Produzent: “Das Ding ist ausgelutscht. Wir brauchen neuen Stoff. Irgendwas in der Pipeline?”
Redakteur: “Asteroiden, Pferdefleisch, Kate bei der Schwangerschaftsgymnastik ...”
Chor: “Tod, wo ist Dein Stachel? Hölle, wo ist Dein Sieg? Irgendwas nur, irgendwas ...”

V. Lenzer

Werner Krauss said...

Hier der Vollständigkeit auch noch die Meinung von Peter Heller zum Thema:
http://www.science-skeptical.de/klimawandel/klimaschutz-ist-okodiktatur/009397/

Es wurde bereits ein Satz daraus zitiert, Demokratie betreffend. Ich finde die herleitung davon beachtenswert:

"Die Beobachtung von Stehr und Moldaschl, die Demokratie würde aus Sicht der Alarmisten zunehmend als verantwortlich für diese Entwicklung angesehen, ist daher korrekt. Ihre These jedoch, zur Lösung des Klimaproblems bedürfe es keiner Abkehr von der Demokratie, ist falsch."

Denn die Emission von CO2 ist gleichbedeutend mit Freiheit und mit Wohlstand und daher auch mit Demokratie:

"Diese Eingriffe beträfen die Grundlagen des Wohlstands. Der Verzicht auf Kohlenstoff reduziert nicht nur vorhandene Wertschöpfungsmöglichkeiten, er minimiert auch die Möglichkeiten, neue zu schaffen. Wohlstand aber ist notwendige Voraussetzung für Freiheit, denn was nutzen die schönsten Freiheitsrechte, wenn die Grundlagen wegfallen, sie auch nutzen zu können?"

Es ist daher logisch, dass, wer gegen grenzenlose Emission von CO2 ist, auch gegen Freiheit und Demokratie sein muss:

"Wenn man an eine von anthropogenen Emissionen geprägte klimatische Entwicklung glaubt, die mit absoluter Sicherheit in eine Katastrophe führt, wenn man nicht mehr fähig ist, die Möglichkeit des eigenen Irrtums zu erkennen, dann ist der Weg der “Großen Transformation” nicht nur folgerichtig, sondern auch zwingend. Anders kann der Klimakatastrophe nicht entgangen werden. Ein Staatswesen aber, das keine Abkehr vom Klimaschutz gestattet, weder für Mehrheiten, noch für Minderheiten, ist keine Demokratie mehr, sondern eine Ökodiktatur."

Dies ist durchaus konsistent mit der Argumentation, die Peter Heller seit Jahren - früher auch noch manchmal auf der Klimazwiebel - vertritt: die freie Marktwirtschaft ist das höchste Gut, das es zu schützen gilt. Lässt man den Markt nur machen, so regelt sich alles zum Guten - irgendwann auch das mit den Emissionen etc.

Der Klimawandel und die damit verbundene Idee einer Ökodiktatur steht im Zentrum dieser Diskussion. Ohne diesen Kern würde ihr die Luft ausgehen - oder sie müsste sich eine andere Bedrohung suchen, von der sie sich absetzen kann.

Werner Krauss said...

VLenzer,

freut mich, dass Sie meinen damaligen Vorschlag wieder einmal aufgreifen. Im Theater kann man vieles viel besser auf den Punkt bringen. Ich denke, das ist Ihnen hier auch wieder sehr schön gelungen.

"Bäh, Klimawandel" - ich denke, knapper kann man doch die Meinung des Skeptikerchores kaum auf den Punkt bringen. Sehr schön!

Werner Krauss said...

Nach diesem nun doch schon sehr langen Thread wage ich eine Antwort auf meine oben gestellte Frage 1), die klar und einfach ausfällt:
"Ja".

Frage 2) entfällt.





Anonymous said...

@ Werner Krauß,

Frage 2 war schwer zu diskutieren, weil "Klimademokratie" noch schwerer zu definieren ist wie "Ökodiktatur", wo sich ja selbst die Schöpfer des Begriffs uneinig sind.

Mein Versuch einer Definition wäre:
Eine Klimademokratie ist eine Demokratie, die ihrem in Cancun gegebenem Versprechen zur Einhaltung des 2°-Ziels entsprechende Taten folgen lässt.

Wie eine Klimademokratie nun aussieht, kann ich nicht beurteilen, es gibt nach meiner Definition ja leider kein Beispiel dafür. Immerhin gibt es aber Demokratien, die diesem Ideal versuchen nahe zu kommen. Das ist doch schon etwas, bei Diktaturen jeglicher Art fallen mir nämlich nur verheerende Umweltbilanzen ein.


Zum Abschluss noch ein beruhigendes Bonmot (Harald Schmidt, glaube ich), das uns die Sorge vor der Ökodiktatur nehmen kann:

Demokratie funktioniert nur, wenn alle mitmachen. Das gilt aber erst recht für die Diktatur


Viele Grüße
Andreas

SHader said...

Hallo Herr Krauss, okay, dann greife ich mal eine Aussage von Herrn Heller's Beitrag heraus: "Diese Eingriffe beträfen die Grundlagen des Wohlstands. Der Verzicht auf Kohlenstoff reduziert nicht nur vorhandene Wertschöpfungsmöglichkeiten, er minimiert auch die Möglichkeiten, neue zu schaffen."

Das ist einseitig gedacht. Denn es gibt selbst in seinem Forum Befürworter von Technologien, wie die Kernkraft, die zur Stromerzeugung auf Kohlenstoff verzichtet und mitnichten als Wohlstandsverslust angesehen werden. Sich komplett an Kohlenstoff sprichwörtlich zu binden und nicht zu beobachten, was links und rechts von einem technologisch geschieht, schränkt nur eigene Potentiale ein. Zumal, selbst wenn man eine Klimaerwärmung für undenkbar hält, was macht man denn, wenn das allermeiste vom förderbaren Kohlenstoff nicht mehr im Boden liegt, sondern um unsere Köpfe als Oxid herumschwirrt?

"Der Klimawandel und die damit verbundene Idee einer Ökodiktatur steht im Zentrum dieser Diskussion."

Apropos, was ist denn nun eine Ökodiktatur? :)

SHader said...

"Wie eine Klimademokratie nun aussieht, kann ich nicht beurteilen, es gibt nach meiner Definition ja leider kein Beispiel dafür."

Um was geht es denn eigentlich, Andreas? Wenn man es ganz allgemein ausdrückt, wird doch die Frage gestellt, ob der Großteil an Staaten sich auf gemeinsame Maßnahmen einigen können, ohne das quasi ein Weltdiktatur diese dazu verdonnert. Und das dieses schon in vielen anderen Bereichen oft gelungen ist, sollte eigentlich bekannt sein. Nehmen Sie nur das Verbot von FCKW-Stoffen. Okay, man darf auch nicht übersehen, die allermeisten Länder auf der Erde sind gar keine Demokratien nach westlichen Standards.

"Immerhin gibt es aber Demokratien, die diesem Ideal versuchen nahe zu kommen. Das ist doch schon etwas, bei Diktaturen jeglicher Art fallen mir nämlich nur verheerende Umweltbilanzen ein."

Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Wenn man mal genauer hinschaut, sind es mehr die Diktaturen und autoritären Staaten wie China, Russland und einige Ölförderstaaten, die sich gegen eine festgelegte CO2-Emissionsreduzierung wehren. Demokratien sind eher gewillt, gemeinschaftliche Kompromisse einzugehen, die vielleicht kurzfristig zum eigenen Nachteil sind. Und auch aus eigener Erfahrung kann ich sagen, Umweltschutz in einer Diktatur verträgt sich nicht wirklich gut. ;)

Anonymous said...

@ S. Hader

Wollen Sie sich wirklich über Hellers Text unterhalten? Ich dachte, Herr Krauß hätte bereits herausgestellt, dass Hellers Analyse eine eigentümlich libertäre Definiton von Freiheit zugrunde liegt. Mich widert die Vorstellung an, Demokratie ließe sich auf freie unregulierte Marktwirtschaft und Wohlstand reduzieren.

Wofür steht überhaupt das "Öko" in Ökodiktatur? Für Ökologie und Ökonomie? Warum ich frage?

Gestern hat der EU-Umweltausschuss den Vorschlag der EU-Komission einer Verschärfung der KFZ-Richtlinie diskutiert. Zufälligerweise stieß ich auf dieses Dokument des EU-Ausschusses (eigentlich suche ich nach Dokumenten zur Zertifikatediskussion), und ich war bass erstaunt, welche Änderungen der Berichterstatter (Holger Krahmer, FDP) vorgeschlagen hat. Es liest sich so, als hätte man die Automobilindustrie um Änderungsvorschläge gebeten, man sehe:
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+COMPARL+PE-502.271+01+DOC+PDF+V0//DE&language=DE

Andreas

Peter Heller said...

Eine Ökodiktatur ist ein Staatswesen, in dem man "Klimaschutz" nicht mehr abwählen kann. Exakt dieses Staatswesen soll mit der "Großen Transformation" etabliert werden. Stehr und Moldaschl haben also richtig beobachtet. Einige alarmistische Klimaforscher wollen eine Ökodiktatur errichten.

Aber nicht, weil sie so böse sind. Sondern, weil sie keinen anderen Weg erkennen. Und damit liegen sie auch richtig. Die für einen im Sinne der Alarmisten ausreichenden Klimaschutz erforderliche Dekarbonisierung wäre ein zu tiefer Eingriff in die Lebenswelt und Lebensgestaltung der Menschen.
Das liegt nicht daran, daß die Menschen zu gierig wären. Sondern an den besonderen chemischen und physikalischen Eigenschaften von Kohlenstoff, die kein anderes Element aufweist. Kohlenstoff ist daher als Reaktionspartner und/oder Bestandteil und/oder Lieferant der erforderlichen Prozeßwärme für die Herstellung von bspw. Stahl, Keramik, Glas, Zement, Ammoniak, Kunststoffen u.v.a. prinzipbedingt nicht ersetzbar. Wie sähe unsere Lebenswelt ohne diese Stoffe aus? Wann immer man aber Kohlenstoff nutzt, entsteht unvermeidbar CO2. Weil CO2 eine der niedrigsten, wenn nicht die niedrigste, Standardbildungsenthalpie aller Kohlenstoffverbindungen aufweist.

Ein Klimaschutz, wie man ihn implementieren müßte, um bspw. das 2-Grad-Ziel sicher zu erreichen, würde einen umfangreichen Verzicht auf diese Stoffe, einen umfangreichen Verzicht auf die mit ihrer Herstellung, Verteilung und Nutzung verbundene Wertschöpfung bedeuten. Und natürlich dann auch den Verzicht auf die damit verbundenen Renten und Zinsgewinne. Es ist keine Demokratie vorstellbar, deren Bürger sich mehrheitlich dauerhaft für einen solchen Weg entscheiden und auch mehrheitlich eine Minderheit auf diesen Pfad zwingen würden. M.a.W.: Solange man Klimaschutz abwählen kann, wird es auch irgendwann geschehen. Da man Klimaschutz aber nicht abwählen können darf, um die Erde zu retten ("conditio sine qua non" für das Überleben der Zivilisation laut Schellnhuber, Rahmstorf et. al.), müssen die von der andernfalls unvermeidlichen Klimakatastrophe überzeugten Forscher gegen die Demokratie arbeiten bzw. argumentieren.

Das ist - in aller Kürze - das Argument in meinem oben verlinkten Text. Interessant, was andere Nutzer hier da so gelesen zu haben glauben.

Das Gegenteil von Klimaschutz im Sinne der genannten Alarmisten ist genau nicht, soviel CO2 wie nur möglich zu produzieren (oder gar dies zu erzwingen zu versuchen). Sondern dem schlicht gleichgültig gegenüberzustehen. Von mir aus können die Klimaschützer gerne in Häuser aus Holz mit Strohdächern umziehen, Holzkohle verbrennen und sich in Felle kleiden. Demokratie ist, wenn sie mich nicht zu Gleichem zwingen können. Da die meisten Menschen Häuser aus Stein (Zement) mit Dachziegeln (Keramik), ordentlichen Koch- und Heizmöglichkeiten (Stahl) und gewebte Kleidung (Kunststoffe) bevorzugen werden, stehen die Klimaschützer im demokratischen Wettbewerb langfristig immer auf der Verliererseite.

Das ist nicht libertäres Denken, sondern rationales.

SHader said...

"Eine Ökodiktatur ist ein Staatswesen, in dem man "Klimaschutz" nicht mehr abwählen kann."

Gut, egal für wie sinnvoll man diese Definition jetzt halten mag, damit dürfte auch klar sein, dass wir nicht in einer Ökodiktatur leben. Denn die Gesetze und Förderungen lassen sich wieder abändern, durch die Parteien, die wir wählen.

Bzgl. den Aussagen zum Kohlenstoff, als Grundlage für die chemische Industrie ist er wirklich als fast einzigartig zu bezeichnen. Aber gerade die Reduzierung von CO2-Emissionen sichert überhaupt, dass wir noch längerfristig auf diesen Stoff in der Chemie zurückgreifen können. Selbst in Ihrem Forum wurde schon deutlich gesagt, dass Kohlenstoff viel zu wertvoll ist, um ihn einfach nur zur Energiegewinnung zu verbrennen. Und das dürfte selbst Ihnen klar sein, Kohlenstoff, der einmal in CO2 umgewandelt wurde, ist für die Produktion von kohlenstoffhaltigen Endprodukten ist nur unter einem hohen Aufwand nutzbar.

"Wann immer man aber Kohlenstoff nutzt, entsteht unvermeidbar CO2. Weil CO2 eine der niedrigsten, wenn nicht die niedrigste, Standardbildungsenthalpie aller Kohlenstoffverbindungen aufweist."

Die Begründung ist falsch. Es gibt viele industrielle Prozesse, wo Kohlenstoff als chemischer Grundstoff beteiligt ist, wo das CO2 nicht durch diesen Kohlenstoff entsteht, sondern weil man Energie in Form von Strom oder Wärme benötigt, die dann die Emissionen verursachen. Wenn man die Energie emissionsarm bereitstellen kann, dann ist auch der gesamte Produktionsprozess emissionsarm.


"Das Gegenteil von Klimaschutz im Sinne der genannten Alarmisten ist genau nicht, soviel CO2 wie nur möglich zu produzieren (oder gar dies zu erzwingen zu versuchen). Sondern dem schlicht gleichgültig gegenüberzustehen. Von mir aus können die Klimaschützer gerne in Häuser aus Holz mit Strohdächern umziehen, Holzkohle verbrennen und sich in Felle kleiden. Demokratie ist, wenn sie mich nicht zu Gleichem zwingen können."

1.) Demokratie heisst auch, Menschen vorzuschreiben, was sie machen dürfen und was nicht und ja, Demokratie darf Gesetze erlassen, die die Freiheiten der Menschen einschränken. Und ja, in einer Demokratie ist es auch möglich, diese Gesetze zu ändern oder wieder abzuschaffen. Demokratie ist eine Herrschaftsform und die Abwesenheit von Herrschaft bedeutet Anarchie. Zu behaupten, eine echte Demokratie könne den Menschen ein bestimmtes Verhalten nicht untersagen oder vorschreiben, ist unsinnig und widerspricht auch jedem Rechtsverständnis.

2.) Das ist wirklich ein Griff in die ganz alte Mottenkiste, wenn wieder Assoziationen aufgebaut werden, dass eine Reduzierung von CO2-Emissionen nur mit einem radikalen Wohlstandsverlust zu erzielen sei und Klimaschützer wollen, dass man wieder in primitivsten Verhältnissen lebt. Mit solchen Bildern können Sie nun wirklich niemanden in Panik versetzen. Das Schreckgespenst Wohlstandsverlust insbesondere bei einer moderaten Senkung der CO2-Emissionen funktioniert insbesondere bei den gebildeten Menschen nicht. Sie übersehen dabei auch völlig, dass es Parteien und politische Kräfte in Demokratien und nicht in Diktaturen waren, die sich der Frage des Klimaschutzes angenommen haben und über Wahlen auch über deren Grundrichtung mitentschieden wurde, ebenso in den politischen Meinungsbildungsprozessen einfloss. Wenn sie mit ihrer These Recht hätten, dass der Klimaschutz im demokratischen Wettbewerb auf der Verliererseite liegt, dann wären schon längst die Parteien abgestraft wurden, die sich besonders diesem Ziel verschrieben haben.

Peter Heller said...

"Demokratie heisst auch, Menschen vorzuschreiben, was sie machen dürfen und was nicht und ja, Demokratie darf Gesetze erlassen, die die Freiheiten der Menschen einschränken."

Nein, das ist Diktatur. In einer Demokratie werden Gesetze erlassen, um Freiheiten zu ermöglichen, und nicht um Freiheiten zu vermindern. Gesetze sind nicht primär Instrumente der Regulierung, sondern bilden die Basis, auf der man die bürgerlichen Freiheitsrechte überhaupt nutzen kann.

Es geht mir auch nicht um die Welt, in der wir heute leben. Die Emissionen steigen ja. Es geht um die Welt, in der wir leben müssten, wollten wir die Emissionen in dem Umfang senken, wie es die Alarmisten für erforderlich halten.

Es geht um die Welt, die die Große Transformation beschreibt.

SHader said...

"Nein, das ist Diktatur. In einer Demokratie werden Gesetze erlassen, um Freiheiten zu ermöglichen, und nicht um Freiheiten zu vermindern. Gesetze sind nicht primär Instrumente der Regulierung, sondern bilden die Basis, auf der man die bürgerlichen Freiheitsrechte überhaupt nutzen kann"

Entschuldigen Sie Herr Heller, aber das kann ich einfach nur als ausgesprochen naiv bezeichnen. In was für einer Parallelwelt leben Sie eigentlich? Unser Leben ist reguliert, es gibt einen Haufen von Einschränkungen, denen wir unterworfen sind. Wir dürfen nicht das tun, was uns gerade in den Sinn kommt. Und das ist auch notwendig, um ein geregeltes Leben innerhalb von Gruppen, Städten, Ländern usw. zu ermöglichen. Natürlich dienen Gesetze auch dazu (insbesondere das Grundgesetz), dass wir individuelle Rechte gegenüber dem Staat nutzen und in Anspruch nehmen können. Uns werden Freiheitsrechte per Gesetz eingeräumt. Aber zu behaupten, Gesetze, die Freiheiten auch wieder einschränken, seien Diktatur, geht völlig an das praktische Leben vorbei. Selbst mit einigen juristischen Grundvorlesungen sollte eigentlich bekannt sein, dass die Gewährung von Freiheitsrechten auch nur durch Einschränkungen, Regulierungen und Entziehung von Freiheitsrechten möglich ist.

Zum Thema Emissionen, in Deutschland sind von 1992 bis 2008 die CO2-Emissionen um 12% zurückgegangen. In Frankreich wurden über Jahrzehnte noch deutlichere Reduzierungen erreicht. War das alles mit Wohlstandsverlusten verbunden? In der DDR waren die CO2-Emission pro Kopf deutlich höher als zur selben Zeit in der Bundesrepublik. Ging es deshalb den Menschen in der DDR besser? Nein, umgekehrt wird ein Schuh daraus, nur durch wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und verbesserte Technologien ist man überhaupt in der Lage, von einem hohen Kohlenstoffverbrauch herunter zu kommen.

Vieler Ihrer ökonomischen Grundaussagen zum Kohlenstoff werden durch die Realität widerlegt. Das sollte Ihnen als Physiker schon zu denken geben.

Peter Heller said...

"Wir dürfen nicht das tun, was uns gerade in den Sinn kommt."

Oha. Was kommt Ihnen denn immer so in den Sinn? Das jedenfalls, was mir manchmal so in den Sinn kommt, darf ich alles machen.

"in Deutschland sind von 1992 bis 2008 die CO2-Emissionen um 12% zurückgegangen."

Wir haben unsere Emissionen nur verlagert, aber nicht vermindert. Ich rede ja - ganz im Sinne der Alarmisten - von einer globalen Perspektive.

Die Welt, die erforderlich wäre, wird in Abbildung 8.1-2 auf Seite 354 des WBGU-Hauptgutachtens zur Großen Transformation eigentlich sehr gut beschrieben. Man sollte sich jetzt zwei Fragen stellen: Wie sähe eine solche Welt aus? Wie könnte man sie erreichen? Dann kommt man sehr schnell darauf, warum Stehr und Moldaschl das Thema zu recht erneut in die Diskussion bringen.

"Vieler Ihrer ökonomischen Grundaussagen zum Kohlenstoff werden durch die Realität widerlegt."

Standardbildungsenthalpie CO2: -393,5 kJ/mol
Standardbildungsenthalpie CH4: -74,87 kJ/mol

So ist das halt und man kann es nicht ändern.

Hans von Storch said...

Wenn man die Definition "Eine Ökodiktatur ist ein Staatswesen, in dem man "Klimaschutz" nicht mehr abwählen kann." zum Ausgangspunkt nimmt, dann haben wir eine "Menschrechtsdiktatur" - richtig?

Die Frage ist doch wohl nicht, ob die Gemeinschaft nicht gewisse Dinge verbieten darf - unter Beachtung demokratischer Prozesse -, sondern ob die Gemeinschaft es sich verbieten darf, über diese Verbote zu diskutieren und ggfs umzustoßen. Die Menschenrechte dürfen wir nach unserem demokratischen Denken nicht umstoßen - gilt dies auch für den Klimaschutz? Dies war die allererste Bemerkung in diesem Thread.

Da war ja diese Bemerkung "in Deutschland sind von 1992 bis 2008 die CO2-Emissionen um 12% zurückgegangen". Kann jemand diese Zahl aufschlüsseln, inwieweit dies gelungen ist durch Effizienzsteigerung, durch Nutzung alternativer Enerqiequellen und durch Export von CO2-intensiver Produktion in andere Länder?

Hans von Storch said...

Dieser Thread ist wirklich interessant, weil es doch ganz gut gelungen ist, die verschiedenen Positionen herauszuarbeiten. Die Differenzen können offenbar kaum ausgeglichen werden, und man spürt den Wunsch, am Ende doch noch ein "Ja, Du hast recht" zu hören, eine Ende des Konflikts durch Einsicht der anderen Partei in das Rechthaben der eignen Position. Aber das wird nicht geschehen, mal so als empirisches Faktum hingestellt - das ist die Quintessenz aus Ravetz's Workshop im Januar 2012 in Lissabon.

Ich schlage vor, daß wir uns jetzt der Frage zu wenden, inwieweit man trotz dieser Differenzen vielleicht doch zu gemeinsamen praktischen Haltungen kommen kann - wenn man den konzeptionellen Überbau mal vergißt, und sich nur fragt - was können wir jetzt gemeinsam machen, was sowohl den Zielen der einen als auch der anderen Gruppe dient? Wenn es also nicht um den Sieg im Symbolkrieg geht, sondern um Minderung der Emissionen bei der Energienutzung (für Klimaschutz oder Ressourcenschonung oder ...), um Minderung der Folgen geophysikalischer Risiken (zur Anpassung an den nicht vermiedenen Klimawandel oder zur Minderung der Verletzlichkeit von Mensch und Ökonomie, oder ...)

Anonymous said...

H.v.Storch
Zitat:
"""Da war ja diese Bemerkung "in Deutschland sind von 1992 bis 2008 die CO2-Emissionen um 12% zurückgegangen". Kann jemand diese Zahl aufschlüsseln, inwieweit dies gelungen ist durch Effizienzsteigerung, durch Nutzung alternativer Enerqiequellen und durch Export von CO2-intensiver Produktion in andere Länder?"""

Vllt erklärt folgenden Text des UBA Ihre Frage.

"""Seit 1990 gehen die CO2-Emissionen nahezu kontinuierlich zurück (siehe Tab. „Emissionen ausgewählter Treibhausgase nach Quellkategorien“). Die Minderungen sind zwischen 1990 und 1995 vor allem auf die wirtschaftliche Umstrukturierung in den neuen Ländern mit vermindertem Braunkohleeinsatz zurückzuführen. Ab Mitte der 90er Jahre wirkt sich insbesondere die aktive Klimaschutzpolitik der Bundesregierungemissionsmindernd aus. Kalte Winter führten zwischenzeitlich zu leichten Anstiegen. Auch der Anstieg der Emissionen in den Jahren 1996 und 2001 war witterungsbedingt (siehe Abb. „Emissionen von Kohlendioxid (CO2) nach Quellkategorien“). Im Jahr 2009 ist ein weiterer deutlicher Rückgang durch die Auswirkungen der ökonomischen Krise festzustellen, 2010 zeigte einen teilweisen Wiederanstieg auf 819 Mio. t, hauptsächlich bedingt durch die konjunkturelle Erholung der Wirtschaft und die kühle Witterung.""""
hxxp://www.umweltbundesamt-daten-zur-umwelt.de/umweltdaten/public/theme.do?nodeIdent=2541

Bitte die xx gegen pp austauschen, manche Spamfilter reagieren auf Links etwas eigenartig.
MfG
Onkel Heinz

Hans von Storch said...

Danke, Onkel Heinz. Eine entscheidende Frage ist dabei aber nicht beantwortet: Wieviel der Emissionen wurde durch Produktsverlagerung ins Ausland vermindert? (was ja bedeuten würde, daß es die Emissionen noch gibt, aber jemand anderes sich das auf die Rechnung schreiben lassen muß.) Auch sehe ich keine Separation zwischen Effizienzsteigerung und Einführung alternativer Energien.

Gibt es auch unabhängige Einrichtungen, die das analysieren?

Anonymous said...

@H.v.Storch
Ich kenne keine Institution die dieses Thema völlig neutral und unabhängig bearbeitet und das UBA habe ich nur verlinkt, weil bei der Suche nach einer Antwort dieser Link als erstes in der Suchmaschine aufgetaucht ist.

Eins zeigt uns aber die Meldung des UBA schon mal ganz grob, der Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie, die Abschaltung diverser ineffizienter Kohlekraftwerke und die Eindämmung der Energieverschwendung im Heizbereich der DDR-Plattenbauten....die Heizeinsparungen lagen bei über 50%, nur mal so am Rande.
Nächster Punkt....die Abhängigkeit der Emissionen aufgrund der Wintertemperaturen, die so-genannte Taggradzahl ist dahingehend ein guter Indikator.
Weiterer Faktor....die Wirtschafts- und Finanzkrise und somit die absoluten Produktionszahlen als Emi-Quellle.

Weitere Fakten wären da...Energieversorgung und die Netto-Salden Ex/Import, der Verkehr und die zunehmende Tendenz im Güterverkehr, ausländische Fuhrunternehmen zu beauftragen, die dann auch noch mit 1000 Liter Tanks komplett ohne deutschen Diesel auskommen.

Industrie.....da bin ich völlig überfragt, man müsste sämtlich Importe, Exporte, Werksschließungen und allerlei andere Faktoren untersuchen und dat ist für mich als Privatperson einfach zehn Nummern zu hoch.
Ick kann Energie....aber beim Rest halte ick mich lieber vornehm zurück, da gibt es bessere Fachleute als mich.

Sorry Herr Storch, die Analyse dürfte ähnlich umfangreich sein, wie die Einflüsse alle Klimafaktoren aufs zukünftige Wetter auszuwerten.

MfG
Onkel Heinz....alias Heinz Eng

Peter Heller said...

@ von Storch:

"Wenn man die Definition "Eine Ökodiktatur ist ein Staatswesen, in dem man "Klimaschutz" nicht mehr abwählen kann." zum Ausgangspunkt nimmt, dann haben wir eine "Menschrechtsdiktatur" - richtig?"

Falsch. Die Menschenrechte sind die Grundlage für die Garantie von Freiheitsrechten durch eine Gesetzgebung.

"Klimaschutz" dagegen kann nicht durch eine Gesetzgebung etabliert werden, die Freiräume definiert und schafft. Sondern eben genau durch das Gegenteil. Viele Beiträge oben zeigen das ja nun deutlich.

Interessant ist doch, daß zahlreiche Menschen "Freiheit" mittlerweile als eine Form der Diktatur empfinden, weil Freiheit natürlich eine stetige eigene Initiative verlangt. In einer freien Gesellschaft muß man für sich selbst und andere Verantwortung übernehmen. Viele Menschen scheinen damit überfordert zu sein. Sie wünschen sich Vorschriften, Regulierungen und Verbote, weil es bequemer ist, andere für sich denken zu lassen.

Herr Hader bietet dafür ja ein wunderbares Beispiel. Er sieht Verbote und Regulierungen als zwingend an, damit die Leute zu tolerierbaren Verhaltensweisen gezwungen werden. Was ein wenig voraufklärerisch daherkommt.

Die Gesetzgebung wird spätestens seit der französischen Revolution nicht mehr als Instrument zur Erwachsenenerziehung angesehen bzw. wird nur in totalitären Systemen als solches zweckentfremdet. Gesetze dienen dazu, Spielräume festzulegen, in denen jedes Individuum seinen persönlichen, unveräußerlichen Rechten zufolge ein Höchstmaß an Entfaltungsmöglichkeiten hat und damit auch ein Höchstmaß an Eigenverantwortung wahrnehmen kann.

Gesetze, die diesen Anspruch nicht erfüllen, gehören nicht in eine Demokratie. Das meint Dinge wie das Glühlampenverbot oder auch den Ausstieg aus der Kernenergie.

Ein Gesetz zur Kernenergie beispielsweise müsste den Rahmen abstecken, in dem Kernenergie nutzbar sein könnte, wenn man sie denn will. Es könnte Eigenschaften definieren, die Kernkraftwerke aufzuweisen haben, damit sie genehmigungsfähig werden. Es bleibt ja unbenommen, diese Eigenschaften so zu definieren, daß sie vorerst nicht erfüllbar sind. Es geht hier nicht so sehr um die konkrete Frage, sondern um das Prinzip der Herangehensweise im Unterschied zwischen Totalitarismus und Liberalität.

Ich denke, Freiheit wahrzunehmen bedeutet, sich eigenverantwortlich so zu verhalten, daß keine gesetzlichen Maßnahmen erforderlich werden (kategorischer Imperativ). Klimaschutz ist vor allem deswegen so populär, weil zu viele Menschen sich dazu nicht als in der Lage ansehen und/oder vielleicht auch wirklich nicht dazu in der Lage sind. Die Menschen fühlen sich von der Freiheit terrorisiert, weil sie nicht mit ihr umgehen können oder wollen. Und das ist das Problem.

"Ich schlage vor, daß wir uns jetzt der Frage zu wenden, inwieweit man trotz dieser Differenzen vielleicht doch zu gemeinsamen praktischen Haltungen kommen kann"

- Anpassung statt Vermeidung (Schutz des Menschen vor dem Klima statt Schutz des Klimas vor dem Menschen)
- Erdgas statt Kohle
- Flüssigsalz- statt Leichtwasserreaktoren
- fliegen statt fahren
- Rohstoffe dort gewinnen, wo man die Biosphäre nicht beeinträchtigen kann (also in der Tiefe der Erdkruste und/oder im Weltraum)

Nur mal ein paar unstrukturierte Kompromißlinien. Es zeichnet sich ab, daß diese Kompromißlinien am Ende in unserer Demokratie auch herauskommen.

Aber daran muß man arbeiten. Das haben Stehr und Moldaschl glücklicherweise getan.

SHader said...

"Herr Hader bietet dafür ja ein wunderbares Beispiel. Er sieht Verbote und Regulierungen als zwingend an, damit die Leute zu tolerierbaren Verhaltensweisen gezwungen werden. Was ein wenig voraufklärerisch daherkommt."

Zwingend ja, aber die Begründung trifft nicht ganz den Kern. Es geht nicht um Erwachsenenerziehung sondern um die Organisation des alltäglichen Lebens in Gruppen und sozialen Verbänden. Die eigenen Freiheitsrechte können natürlich nicht unbegrenzt gelten und es braucht Regularien, was dann in einer konkreten Situation Vorrang hat.


"Gesetze dienen dazu, Spielräume festzulegen, in denen jedes Individuum seinen persönlichen, unveräußerlichen Rechten zufolge ein Höchstmaß an Entfaltungsmöglichkeiten hat und damit auch ein Höchstmaß an Eigenverantwortung wahrnehmen kann."

Genau, Spielräume festlegen. Diese Festlegung, die auch mit Begrenzungen und Einschränkungen der eigenen Freiheit verbunden ist, ist kein spezifisches Merkmal von autoritären Staaten und Diktaturen, sondern findet sich in allen Herrschaftsformen inklusive der bekannten Demokratien. Warum soll eine Demokratie nicht festlegen dürfen, dass beispielsweise bestimmte Produkte nicht oder nur mit Auflagen veräußert oder genutzt werden dürfen? Der Gesetzgeber verbietet auch bestimmte Lebensmittel oder Stoffe nicht in Umlauf zu bringen. Ist das ein Zeichen von Gesundheits-Diktatur? Ist das undemokratisch, wenn das so festgelegt wird?


"Ein Gesetz zur Kernenergie beispielsweise müsste den Rahmen abstecken, in dem Kernenergie nutzbar sein könnte, wenn man sie denn will. Es könnte Eigenschaften definieren, die Kernkraftwerke aufzuweisen haben, damit sie genehmigungsfähig werden. Es bleibt ja unbenommen, diese Eigenschaften so zu definieren, daß sie vorerst nicht erfüllbar sind."

Es würde keinen wesentlichen Unterschied machen, aus meiner Sicht, ob man in einem Gesetz ein generelles Verbot ausspricht oder Auflagen festlegt, die momenan nicht erfüllbar sind und vermutlich in nächster Zukunft auch nicht. Es würde ja schon genügen, wenn der Gesetzgeber die Betreiber dazu verpflichtet, im vollen Umfang für mögliche Schäden aufzukommen und dafür zu sorgen, dass entsprechend im Vorfeld auch Rücklagen gebildet werden müssen. Dann würden die Betreiber auch schnell die Finger davon lassen. ^^ Aber im Ernst, dass jetzt KKW abgeschaltet werden und das gesetzlich festgehalten wurde, heisst doch nicht, dass das für alle Zeiten gelten soll. Der politische Meinungsbildungsprozess kann jederzeit dazu kommen, dass man bestimmte Technologien wieder zulässt. Gesetze werden nicht für die Ewigkeit gemacht.

Zu den gemeinsamen praktischen Haltungen, was mich ehrlich gesagt stört, ist dieses leicht dogmatische angehauchte und recht unflexible "A statt B". Warum nicht etwas mehr "sowohl als auch"? Sowohl Vermeidung als auch Anpassung wäre vielleicht eine Strategie, mit der sich viele anfreunden könnten. Da ein Teil der Erwärmung schon jetzt nicht mehr zurückfahrbar ist, sind Anpassungsmassnahmen zukünftig immer mehr gefragt. Wie verherrend oft die Auswirkungen bei ganz "normalen" Wetterereignissen wie Sandy sind, eben weil man selbst im High-Tech-Land USA nicht richtig darauf vorbereitet ist, konnte man sehen. Man nimmt sich auch ein Großteil Flexibilität, wenn man für die Mobilität oder Stromerzeugung nur auf eine einzige Technologie setzen will. Beispielsweise "nur zu Fuss" oder "nur fliegen" oder "nur fahren" sind eigentlich die unpassendenden Antworten, weil in jeder Situtation und zu jeder Phase etwas anderes günstiger und angebrachter ist.

Hans von Storch said...

War das nicht eigentlich ein wunderbares Schlußwort für diese Runde? Wir sind uns argumentativ nicht einig, aber wir können doch gemeinsam agieren.

Anonymous said...

Einspruch:
Nein, wir können nicht gemeinsam agieren.

Ein Beispiel von Herrn Heller:

"Erdgas statt Kohle"

Sofort konsensfähig, wunderbar. Wie erreichen wir nun aber dieses gemeinsame Ziel? Mein Vorschlag wäre, den Zertifikatehandel zu reparieren, bei vernünftigen Preisen von früher wird Erdgas von alleine Kohle verdrängen.

Nun ja, dies wird ja momentan von der FDP aufs heftigste bekämpft, vermutlich denkt Herr Heller auch eher an Fracking.

Ja, wiederum einverstanden, aber bitte dann auch mit dem Vorschlag von Stehr, auf Bürgerbeteiligung zu achten. Bedauerlicherweise sehe ich keine Region, wo die Bürger Fracking haben wollen. Was nun, Herr Heller?

Klar, wir können auch den Obama machen und wie in der letzten Legislaturperiode Obamas anstatt von climate change von den wirtschaftlichen Chancen bei der Entwicklung EE sprechen, wir dürfen uns von China und Deutschland (huch, das sind ja wir) auf den Zukunftsmärkten nicht abhängen lassen. Statt carbon tax reden wir von einer Pigou-Steuer, die lediglich das Funktionieren des freien Marktes wiederherstellt, indem Schäden internalisiert werden. Wir können davon reden, dass wir für zukünftigen Wohlstand stabile Märkte und Regionen benötigen und das Risiko von unkalkulierbaren ökonomischen Disrupten verringern müssen (man vermeide die Erwähnung von ökologischen Risiken).

Dumm nur, dass beim Wähler irgendwann nicht mehr ankommt, dass climate change an sich ein Risiko ist.

Aber wozu auch uns hier einigen? Das Schöne ist doch, dass wir in einer Demokratie leben. Wir müssen nicht den letzten überzeugen, wir müssen nur eine demokratische Mehrheit organisieren. Und die haben wir. Ein erster Schritt wäre z.B. eine beliebige Regierungskonstellation ohne die FDP ;-)

Andreas

Peter Heller said...

Nein, wir können nicht gemeinsam agieren.

Solange die Alarmisten nicht die Möglichkeit des eigenen Irrtums in ihr Kalkül einbeziehen, ist keinerlei Konsens möglich.

M.a.W.: Gemeinsam tragfähig können nur Maßnahmen sein, die in jeder denkbaren Zukunft Sinn ergeben. Also auch und gerade in einer Zukunft ohne katastrophalen menschgemachten Klimawandel.

Wenn ich eines von den Kernkraftgegnern gelernt habe, dann die unbedingte und unbeirrbare Konsequenz, an einem Ziel festzuhalten. Nur dies führt letztendlich zum Erfolg. Für uns Skeptiker - zumindest in dem Netzwerk, dem ich angehöre - sind daher zwei Dinge unverhandelbar:

1. Die Abschaffung des EEG. (damit sind Einspeisevorrang und unbegrenzt garantierte Einspeisevergütung gemeint)
2. Die Abschaffung des Emissionshandels.

(Ich persönlich wäre kompromißbereit bei einer Carbonsteuer a la Hartwell - aber nur dann, wenn zuerst der Emissionshandel beendet wird. Allerdings stehe ich damit in meinem Lager ziemlich alleine. Es gibt unter den Skeptikern eine sehr starke libertäre Fraktion, die gegen jede staatliche Lenkung ist, ganz gleich, ob es sich um Kernenergie oder Windräder handelt.)

Erst wenn beides gefallen ist, kann man sich über "gemeinsames agieren" überhaupt unterhalten.

(Also auch über die Carbonsteuer.)

Allerdings rücken wir dem Ziel näher und näher, beides abzuschaffen. Dafür kämpfe, arbeite und werbe ich. Als Demokrat.

Werner Krauss said...

Man muss Andreas und Peter Heller eigentlich dankbar dafür sein, dass sie uns daran erinnern, dass die Frage der Reduzierung von Emissionen und Risiken nicht von der politischen Frage (dem Symbolkrieg, den Hans oben ansprach, dem Überbau) getrennt werden kann. Andreas und Peter Heller wollen diese Trennung gar nicht - und vielleicht ist es auch gar nicht möglich, sie herzustellen.

Es ist eine Illusion zu glauben dass wir alle vernünftig um einen Tisch sitzen, alle Player stellen sich vor, die Wissenschaft präsentiert die Fakten und dann entscheiden wir schön demokratisch, was für alle am Besten ist.
So läuft das offensichtlich nicht. Die Perspektive ist falsch. Die Rechnung ist ohne die Realität gemacht, ganz offensichtlich. Die Fakten und die Symbole kriegt man nicht auseinander, genausowenig wie die Emissionsreduzierung und die Machtfrage oder die Risiken und die Religion oder die Klimapolitik und die Regierungsform. Da sitzen immer ein Peter Heller und ein Andreas am Tisch und haben fundamental unterschiedliche Auffassungen und Interessen ... -:)

Das ist der Fakt, dem wir Rechnung tragen müssen. Wir müssen die ganze Perspektive nochmal neu ausrichten.

Helmut Z. Baumert said...

@Peter Heller

Beginnend in der achaischen Höhle über Dorf, Stadt, Land: Gewisse Regeln der Zivilisation haben sich spontan entwickelt, wie nun auch für den Globus. Ein konfliktreicher, umkämpfter, unausweichlicher Vorgang. Das 90 mph Limit auf US Autobahnen ist kein Zeichen von Diktatur, sondern von Zivilisation.
Allerdings ist Klima ein komplexeres Phänomen als Autobahn. Daher besser weniger politisieren, mehr studieren! Der geliebte Stammtisch funktioniert halt nicht überall.

Anonymous said...

Was ist, wenn dem Symbolkrieg ganz einfach der Boden entzogen wird?

In England wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch mal berechnet, wie lange es noch dauern würde, bis ganz London wegen der enormen Zunahme an Pferdefuhrwerken zugesch ...* sein würde.
Dann kam das Automobil und die Geschichte nahm eine unerwartete Wende.

Zur Kohleverbrennung (h/t WUWT) ...

http://researchnews.osu.edu/archive/looping203.htm

Peter Heller hat Recht, wenn er die Entwicklung solcher Technologien durch die einseitige (staatliche) Festlegung auf bestimmte Energieträger gefährdet sieht.

V. Lenzer

Peter Heller said...

@ Baumert:

Das Tempolimit in den USA hat nun rein gar nichts mit Klimaschutz zu tun.

Ich habe vor einigen Monaten einem hohen NABU-Funktionär in einer Diskussion gegenübergesessen, der tatsächlich für Deutschland ein Tempolimit von 100 km/h für den Klimaschutz gefordert hat. Auf meinen Hinweis, man müsse dann ja wohl konsequenterweise auch ein solches Limit für Eisenbahnen und Flugzeuge einführen, erhob sich zwar Gelächter im Publikum, der Herr vom NABU aber entblödete sich nicht, dem tatsächlich zuzustimmen.

Natürlich, so hat es mir mal ein ebenfalls hoher Funktionär des BUND verraten, ginge es darum, den Individualverkehr abzuschaffen. Als ersten Schritt forderte dieser tatsächlich ein Verbot von Fahrzeugen mit einer Leistung von mehr als 100 PS - unabhängig von der Antriebsart (also auch batterieelektrisch oder Wasserstoff, ganz egal, Hauptsache kein Auto)!

Als noch rotgrün im Bund regierte, hat mir mal ein hoher Beamter aus dem BMVBS gesagt, man wolle ja gar keine telematischen Verkehrsmanagementsysteme zur Staubekämpfung. Der Verkehr dürfe nicht frei fließen können, um die Leute zu zwingen, auf das Auto zu verzichten.

Das rotgrüne Hannover beispielsweise ist die einzige noch übriggebliebene Großstadt, die an der Vorrangschaltung für Straßenbahnen an großen Kreuzungen festhält. Dadurch werden Staus in der Innenstadt und teilweise Wartezeiten für Autofahrer von mehr als 5 Minuten an Ampeln absichtlich erzeugt. Weil man nicht will, daß die Leute durchkommen. Ich habe mal mit einem Verkehrsplaner der Stadt über die Einrichtung von P+R-Möglichkeiten am Stadtrand diskutiert. Er lehnte das kategorisch ab, denn die Leute sollten möglichst gar nicht ins Auto steigen, auch nicht, um nur bis zum Rand der Innenstadt zu fahren.

Das ist Ökodiktatur.

Der normale demokratische Weg geht anders. Wenn man Autos bauen und betreiben möchte, so das Gesetz, dann darf man das auch. Festgeschrieben werden die Bedingungen, unter denen das möglich ist. Und zwar auf eine Art und Weise, die Möglichkeiten schafft - und nicht vermindert. Denn wer auch immer sich an diese Regeln hält, dem kann man nicht verbieten, Autos zu bauen und zu betreiben.

Fracking ist dafür ein schönes Beispiel. Tatsächlich fordert bspw. die SPD durchaus kein Fracking-Verbot. Ebensowenig wie FDP oder CDU. Nein, es geht darum, unter welchen Rahmenbedingungen Fracking möglich sein soll. Und wer auch immer diese Rahmenbedingungen dann einhält, dem darf man Fracking auch nicht verbieten. So funktioniert das in einer Demokratie.

Ich verweise mal auf Kommentar #1 ganz oben.

So funktioniert Demokratie eben nicht.

Werner Krauss said...

Neulich traf ich in Buxtehude einen Grünen an der Würstchenbude, und der wollte mir mein Würstchen wegnehmen, wegen Klima und so! Da sag ich: Das ist ja Ökodiktatur! Der normale demokratische Weg geht anders. Wenn man Würstchen produzieren möchte, so das Gesetz, dann darf man das auch. Und wer auch immer sich an diese Regeln hält, dem darf man das Würstchen nicht verbieten. So funktioniert das in einer Demokratie. Darum: Nieder mit der Ökodiktatur, Freiheit für die Würstchen! Alles klar?

Werner Krauss said...

Peter Heller,

man kann jeden beliebigen Begriff in Ihre Argumentationskette einsetzen, die Rechnung geht immer auf: man erklärt jemand als dumm und stellt sich dann als den allwissenden Aufklärer hin - das Prinzip der Bierzeltrede oder der Kanzelpredigt. Man könnte statt Ihrer grünen Dummköpfe auch Unternehmer oder Professoren oder Krankenschwestern einsetzen - funktioniert immer, aber das ist irgendwie sinnlos, weil die Form immer über den Inhalt triumphiert - das hat nunmal die Wahlkampfrede so an sich.

Peter Heller said...

@ Krauß:

Schön, daß Sie erkannt haben, daß Ihr Beitrag #82 als Beleidigung aufgefaßt werden könnte und daher diesen doch noch relativieren.

Aber keine Sorge, wäre ich empfindlich, würde ich nicht bloggen.

Ich habe eigentlich gar nicht groß argumentiert und auch keine "Wahlkampfrede" gehalten, sondern einfach nur beschrieben, was mir im Alltag so begegnet und warum ich daher Stehrs und Moldaschls Einlassungen für berechtigt halte.

Das Thema Tempolimit hat Herr Baumert angebracht und das Thema Fracking wurde von Andreas aufgeworfen. Wohl um zu zeigen, daß solche Regeln auch in freiheitlichen Gesellschaften normal wären.

Ich habe daher das Thema Automobil als Beispiel gewählt, daß das Ergebnis dessen, was man tut, durchaus nicht unabhängig von der Frage ist, warum man es tut. Nicht nur das Wie ist entscheidend.

Tatsächlich mögen ganz viele Leute gegen den Individualverkehr oder auch gegen das Fracking sein, keine Frage. Nur ist unser Staatswesen darauf ausgerichtet, daß es eben niemanden zwingt, Auto zu fahren oder zu fracken. Man kann sie auch nicht zwingen, Würstchen zu verspeisen.

Aber man kann als Würstchengegner eben auch anderen Leuten nicht seinen Willen aufzwingen. Dazu sind Gesetze da. Damit es Freiräume gibt und die Möglichkeiten, seine Freiheitsrechte auch auszuüben.

Die "Große Transformation" will etwas anderes. Und die Leute, die ich oben beschreibe, eben auch.

Anonymous said...

@ Werner

Top-Klimaforscher Hansen liebäugelt mit ÖKOTERRORISMUS, sagt Marc Morano!!
http://www.climatedepot.com/a/19773/NASAs-James-Hansen-a-muse-to-EcoTerrorists-Morano-on-Fox-News-NASAs-resident-excon-James-Hansen-is-inspiring-these-people-to-potential-acts-of-ecoterrorism
Dort und bei Pat Michaels wurde übrigens auch die Ökodiktaturkeule erfunden, nur mal so nebenbei.

Na, das rundet die Ökodiktaturdebatte doch wunderbar ab. Fehlt nur noch, dass jemand jetzt ernsthaft in den Medien darlegt, dass Terrorismus der falsche Weg ist in unserer Demokratie.

PS:
Wir Ökodiktaturen sind viel gewiefter und benutzen subtilere Mittel, um ihnen ihr Fleisch madig zu machen. Ich sage nur "Pferdefleisch", das waren wir ;-)

Guten Appetit,
Andreas

Anonymous said...

#80
@ v. lenzer

ihr link ist ein mehr als schlechtes beispiel, strotzt der beitrag doch nur so von symbolik.

[quote]“In the simplest sense, combustion is a chemical reaction that consumes oxygen and produces heat,” Fan said. “Unfortunately, it also produces carbon dioxide, which is difficult to capture and bad for the environment. So we found a way to release the heat without burning. We carefully control the chemical reaction so that the coal never burns—it is consumed chemically, and the carbon dioxide is entirely contained inside the reactor.”[/quote]
mit diesem zitat gibt sich Prof. Fan als schlechter wissenschaftler und techniker zu erkennen. und er zeigt, das er politisch agiert.
1) wo bitte ist CO2 schlecht für die umwelt?
2) der beschrieben prozess macht auch nix anderes wie eine verbrennung. C wird zu CO2 oxidiert...
um nur 2 bsp zu nennen.

man sieht, es geht ihm nicht um die sache, sondern um politik.

und sehr wahrscheinlich um einen dicken sack geld für weitere forschungen.

lg
michael m.

ps: mein erster beitrag ist verschwunden...

Hans von Storch said...

Eigentlich schade, dass wir wieder auf "los" stehen. Mit antagonistischen Positionen in der Sache und in der Prozedur und Fakten, wonach gewisse Dinge "falsch" sind und andere daher "richtig" sein müssen.
Sind antagonistische Konflikte bisher immer entweder gar nicht oder durch den Sieg einer Seite zuende gegangen? Ist Ravetz wirklich ein naiver Bursche, oder hat sich unsere streitbare Gruppe darauf verständigt, dass Gegensatz im Prinzip auf Dauer schöner ist, als zwischendrin mal eine Sache friedlich zuende zu führen, wenn man im Ergebnis ziemlich einig ist, nicht aber im Argument?
Schon mal was von politischen Lösungen gehört, von Kompromissen in der Sache mit dem impliziten Einvernehmen, dass die anderen fiese Dummköpfe sind?
Warum nicht mal erforschen, ob es im Einzelfall vielleicht doch Einvernehmen gibt, und diesen in den Vordergrund stellen?


Peter Heller said...

Verstehe ich jetzt nicht, Herr von Storch. Ich habe die Kompromißlinie doch oben angeboten. Man könnte ja auch mal darauf eingehen...

Ich versuche es noch einmal anders, war vielleicht zu sehr verkürzt:

- Falls wir uns im Jahr 2100 wiedertreffen, könnte es sein, daß ich in der Rückschau einzuräumen hätte, Vermeidung wäre doch eine gute Idee gewesen. Denn der menschgemachte Klimawandel hat bis dahin katastrophale Folgen gezeigt, die man hätte vermeiden können, hätte man rechtzeitig die Emissionen ausreichend reduziert.

- Es könnte aber auch sein, daß Sie einzuräumen hätten: Gut, daß wir damals nicht teures Geld für die Vermeidung ausgegeben haben. Denn der Klimawandel ist ja gar nicht eingetreten (oder hatte keinen Effekt), es wäre völlig sinnlos gewesen, zu dekarbonisieren.

Wir wissen beide nicht, welche von beiden Möglichkeiten eintreten wird.

Ergo können wir heute nur Dinge gemeinsam umsetzen, die in beiden denkbaren Zukünften in der Rückschau sinnvoll gewesen wären.

Das meinte ich mit "die Möglichkeit des eigenen Irrtums in das Kalkül einbeziehen" und "Anpassung statt Vermeidung". Da es Stürme und Fluten immer geben wird, ganz gleich, ob Klimawandel oder nicht, ergibt Anpassung in beiden Zukünften Sinn.

Anonymous said...

Hans von Storch

Doch, es gibt konsensfähige Chancen meiner Meinung nach und zwar beim Fracking.

Wirtschaftsnahe Kreise träumen vom sagenhaft günstigen Erdgas (lasst sie träumen ;-) ), Umweltorganisation hätten erst einmal etwas zu schlucken, klar. Man könnte es ihnen schmackhaft machen, indem man es mit einem klaren Ausstiegsplan aus der Kohle verbindet, da haben jetzt die wirtschaftsnahen Kreise kräftig zu schlucken.

Das Problem ist, die Bürger vor Ort zu überzeugen. Es ist nicht gelungen, die Bürger von Kerntechnik als Brückentechnologie zu überzeugen (mein Favorit), von CCS erst recht nicht. Beim Fracking könnte es ähnlich sein.

Liegt das daran, dass man nie konsequent genug den Bogen gespannt hat zum großen Problem des Klimawandels?


Noch eine Idee:
Das EEG und seine Kosten wird momentan heftig diskutiert. Wie wäre es damit, eine CO2-Steuer einzuführen mit einem klaren Plan eines progressiven Anstiegs und im Gegenzug das EEG binnen 10 Jahren auslaufen zu lassen. Das EEG ist zu dirigistisch, der Staat kann nicht alles lenken? Einverstanden, überlassen wir es dem Markt.

Viele Grüße
Andreas

Anonymous said...

Peter Heller

Erst wenn beides [Zertifikatehandel und EEG] gefallen ist, kann man sich über "gemeinsames agieren" überhaupt unterhalten."

und

"Es gibt unter den Skeptikern eine sehr starke libertäre Fraktion, die gegen jede staatliche Lenkung ist,..."

klingt nun nicht gerade nach Kompromissbereitschaft. Es ging doch darum, wie gemeinsam FORTSCHRITTE erzielt werden könnten. Zuerst sämtliche bisher erreichten Fortschritte abzuschaffen um danach zu schauen, ob man sich auf irgend etwas einigen kann, klingt eher nach Rückschritt, insbesondere, weil Sie ja selbst sagen, dass es kaum Chancen auf Einigungen gibt.

Andreas

Werner Krauss said...

Hans,

ich finde, dass für eine Suche nach Ansichten über gemeinsame Lösungen die Prämisse "Ökodiktatur" - und das ist ja Thema dieses Threads und seit 90 Kommentaren - die denkbar ungeeignetste Voraussetzung ist.

Das war genau mein Thema hier: Die Kritik der Ökodiktatur ruft uralte Diskussionen auf den Plan und kann nichts anderes als Flügelkämpfe hervorbringen. Über diesem Thread steht eben gerade nicht "Versöhnung" wie bei Jerry Ravetz' workshop, sondern "ökodiktatur".

Mein Vorschlag: Neuer post mit einem "versöhnlichen" Thema.

SHader said...

Also ich frage mich jetzt schon, ob es Absicht war oder nicht, dass Herr Heller den Beitrag von Herrn Baumert missverstanden hat. Okay, wie dem auch sei, ich gehe häufig vom Guten im Menschen aus. :)

Vielleicht mal zu dem Gedankenexperiment Zeitreise-ins-Jahr-2100. Das ist schon interessant. Auch weil man erkennt, was die Argumentationslinie von Peter Heller ist. Er sagt, man könne gar nicht wissen, welche von zwei Szenarien wahrscheinlicher eintreten wird. Wenn man das nicht weiss, kann man sich auch nicht entscheiden, ob man sich für die eine oder andere Strategie entscheiden soll. Also sollte man lieber etwas machen, was in beiden Situationen nützlich ist.

Da stimme ich, vermutlich auch zu seiner Überraschung ;), mit der Schlussfolgerung von Herrn Heller absolut überein. Wenn man kein Vorwissen über das Eintreten eines Ereignisses hat, dann ist es wohl wirklich das Beste, man bereitet sich so gut wie möglich auf beide (alle) Ereignisse vor.

Der Punkt ist nur, wir haben Vorwissen! Wir stehen nicht vor Schrödingers Katze. Auch wenn wir nicht mit absoluter Sicherheit sagen können, wie heftig die Klimaerwärmung bis 2100 sein wird und welche Folgen sie hat, so können wir darüber durchaus proabilistische Aussagen treffen. Man kann die Unsicherheit der Prognossen sehr wohl in den Entscheidungsprozess mit einfliessen lassen. Und das verändert die Situation erheblich. Und welches 2100-Szenario ohne Vorbegungsmassnahmen man in der Wissenschaft für wahrscheinlich hält, muss ich jetzt hier nicht wiederholen.

Und so ist es eigentlich in fast allen Bereichen, wo Entscheidungen getroffen werden müssen. Seien sie politisch für ganze Gesellschaften oder ganz privat für uns alleine. Man hat nie die vollständige Information. Man ist aber auch fast nie völlig ahnungslos, was unter bestimmten Situationen zukünftig passieren wird. (Klima-)Wissenschaftler, die uns verkaufen wollen, dass wir die vollständige Information besitzen, sollte man mit großer Skepsis begegnen. Leute, die behaupten, man könne keinerlei Aussagen über die Zukunft treffen, ebenfalls. ;)

Günter Heß said...

Lieber Herr Hader,

Sie schreiben:
"Und welches 2100-Szenario ohne Vorbegungsmassnahmen man in der Wissenschaft für wahrscheinlich hält, muss ich jetzt hier nicht wiederholen."

Danach handelt und entscheidet doch niemand.
Wir ersetzen zur Zeit Kernkraftwerke und Gaskraftwerke durch Kohlekraftwerke.

Die Klimapolitik und auch unser individuelles Handeln ist eben gerade nicht zielorientiert, sondern eine Debatte über technische Lösungen und Gesetze die aufgrund persönlicher politischer und finanzieller Interessen favorisiert werden.
Und nicht weil sie zur CO2- Reduktion führen.

Genau deshalb führen dirigistische Konzepte wie die " Energiewende" eben gerade nicht zur CO2 - Reduktion.

Das ist zu mindestens meine Schlußfolgerung 2 Jahre nach der Panikreaktion "Energiewende".

Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

Quentin Quencher said...

Lieber Herr Heß,

„Die Klimapolitik und auch unser individuelles Handeln ist eben gerade nicht zielorientiert, sondern eine Debatte über technische Lösungen und Gesetze die aufgrund persönlicher politischer und finanzieller Interessen favorisiert werden.
Und nicht weil sie zur CO2- Reduktion führen.“

Nicht nur das, es sind fundamental verschiedene Auffassungen vorhanden, wie wir unsere Welt definieren. Der Versuch die Klimadebatte von andern Konfliktfeldern, rund um die Erklärungsmuster in welcher Gegenwart wir uns befinden, zu trennen ist nicht möglich. Deshalb störe ich mich auch zunehmend an der Unterscheidung zwischen Speptikern und Alarmisten, weil diese Begriffe auch nur an der Oberfläche angesiedelt sind und praktisch nur die Auswirkung dessen sind, von welcher gesellschaftlichen Theorie jeweils ausgegangen wird. Stichwort Anthropozän.

In einem langen Prozess hat sich eine Art zu wirtschaften etabliert (soziale Markwirtschaft) in Verbindung mit einem Demokratieverständnis, welches auf noch ältere Traditionen gründet. Nach Vorstellungen vieler, nicht aller, Alarmisten sind aber diese Dinge heute nicht mehr zeitgemäß, weil es eine globale Bedrohung gibt, nicht nur Klimawandel, die zu einem grundsätzlichen Umdenken zwinge.

Leute wie Michael Müller oder Meinhard Miegel sprechen da von Umbrüchen und Paradigmenwechsel, alte Erklärungsmuster gelten nicht mehr. Eine neue gesellschaftliche Theorie soll etabliert werden, eine welche dem Menschen eine neue Rolle in seiner Umwelt zuweisen soll.

Ein ganz neues Zeitalter bricht an, nicht durch evolutionärem Wandel, sondern durch Brüche und Transformationen, so jedenfalls Michael Müller, der meines Erachtens die Überzeugungen der Transformer gut ausdrückt. Ich habe mir seinen Redebeitrag in der letzten Sitzung der Enquete „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität” mitgeschrieben. Hier das längere Zitat:

„Ich sehe, wenn man diese Ausgangsposition nimmt, zwei Brüche über die wir bisher zuwenig geredet haben.
Erstens: Dass bestimmte Denktraditionen in der europäischen Moderne fest verankert sind, nicht mehr haltbar sind. Beispielsweise die Gegenübersetzung von Mensch-Natur. Die ist durch das Thema Anthropozän historisch nicht mehr haltbar.
Zweitens: Dass wir darüber nachdenken müssen, ob die Mechanismen der Industriegesellschaft - einerseits die ständige Beschleunigung und Ausdifferenzierung - auf der anderen Seite die totale Inanspruchnahme von fossilen Lebensgrundlagen, ob die Zukunft haben kann im Antropozän.
Wir erleben zwei zentrale Brüche. Einmal der Bruch in unseren Denktraditionen, und einmal den Bruch in den Mechanismen der modernen Gesellschaft.“

Vor dem Hintergrund derartiger Fragestellungen, erscheint mir eine Debatte, ob es denn einen Konsens zwischen Alarmisten und Skeptikern geben kann, völlig belanglos.

SHader said...

Das was Michael Müller in dem Zitat sagt, fordert ja nicht zu einer anderen Art von Demokratie auf, oder gar zur Abschaffung derselben. Die Demokratie hat auch früher schon die Wirtschaft verändern können und ihnen Regeln auferlegt. Die soziale Marktwirtschaft bestand ja nicht aus schönen Politikerreden, sondern wurde von der Politik initiiert und brachte reale Veränderungen. Das ist auch Aufgabe der Politik. Genauso ist es heute Aufgabe der Politik, langfristige Veränderungen und neue Voraussetzungen zu erkennen und Konzepte zur Bewältigung von Problemen zu entwickeln. Auch wenn es manche immer noch abstreiten wollen, "die totale Inanspruchnahme von fossilen Lebensgrundlagen" wird es auf Dauer aus verschiedenen Grunden nicht geben können. Dann stellt sich schon die Frage, investiert man in Alternativen und in welche? Und inwieweit kann die Marktwirtschaft das alleine regeln? Das finde ich eigentlich sind die spannenden Fragen.


@Hans von Storch, als regelmässiger SWR2-Hörer habe ich heute morgen ihr Interview zum Buch gehört. Hat mir gut gefallen und muss sagen, dass auch deutlich rübergekommen ist, was Aussage des Buches ist.

Peter Heller said...

@ Quentin, @ Heß:

Ich habe Deinen neuen Text gelesen, Quentin, sehr erhellend. Hier entwickelt sich gerade eine blogübergreifende Diskussion mit einer interessanten Dynamik. Im Prinzip spiegelt die Debatte hier ein wenig die Situation in der Enquete wieder.

Was beide Seiten trennt ist etwas sehr Grundsätzliches. So grundsätzlich, daß ein Konsens oder jedenfalls „gemeinsames Agieren“ im Sinne von Herrn von Storch ausgeschlossen scheint. Ich meine den Umgang mit dem Begriff „Zwang“.

Die klassische Denktradition der Demokratie als Gegenentwurf zum Totalitarismus ist die Abwesenheit von Möglichkeiten, Zwang auszuüben. Ich bleibe mal beim Alltagsbeispiel motorisierter Individualverkehr: Wer das Auto als Problem ansieht, ist nicht gezwungen, es zu nutzen. Es gibt aber keine Möglichkeiten dazu, den Verzicht auch bei anderen zu erzwingen. Die freiheitliche Demokratie schützt Menschen davor, daß andere auf sie Zwang ausüben können.

Eigentlich ist es doch diese Denktradition, die Müller in Frage stellt. Denn ein wirklich wirksamer Klimaschutz im Sinne der Alarmisten ist ja nur möglich, wenn alle mitmachen, ob sie wollen oder nicht. Man will aus unserer Demokratie ein Staatswesen machen, in dem Klimaschutz und damit umfassende Eingriffe in Lebensgestaltung und Lebensumwelt erzwungen werden können. Das ist die Ökodiktatur, die für diese Leute zwingend erforderlich scheint, um die Katastrophe, an die sie fest glauben, noch abwenden zu können.

Man versteht sich da wirklich schon auf individueller Ebene nicht, völlig unabhängig von Sachfragen. Mir beispielsweise fiele es niemals ein, andere zu etwas zwingen zu wollen. Was hätte ich denn davon? Wozu wäre es gut? Sollen doch jeder nach seiner Facon glücklich werden.

Wer möchte, kann also gerne das Klima schützen. So viel, wie er möchte. Ich mache halt dabei nicht mit, und gut ist. Ich kann Menschen, die den unbedingten Willen haben, andere zu etwas zu zwingen, die daher den unbedingten Wunsch haben, entsprechende Möglichkeiten auch zu etablieren, einfach nicht verstehen. Ich kann mich da nicht hineindenken, überhaupt nicht, auch nicht im Ansatz. Da fehlt dann schon auf der grundlegenden Ebene jede Kommunikationsbasis.

Ich denke, das ist auch bei unserer schwarzgelben Regierung der Fall. Die kapieren die andere Seite nicht, die können sie auch niemals kapieren, weil sie schon von den individuellen Charakteren her die Fragestellungen völlig anders betrachten.

Man nehme das EEG. Anfangs mal als Instrument zur Förderung bayerischer Wasserkraftwerke gedacht, hat man dies seitens schwarzgelb wohl nur deswegen unterstützt, um damit eine breitere Vielfalt an Möglichkeiten zu schaffen. Kunden, die also unbedingt „Ökostrom“ beziehen wollten, sollten das auch können, und dazu wurde ein entsprechendes Angebot an Ökostrom durch politisch gesetzte Rahmenbedingungen auch geschaffen. Man hat nicht rechtzeitig erkannt, daß hier ein Monster entstehen würde, das Ökostrom erzwingt, statt ihn nur zu ermöglichen. Genau das aber wollten die Grünen. Jetzt stehen die schwarzgelben auch deswegen dumm da, weil sie diese grüne Motivation gar nicht durchschaut hatten, gar nicht durchschauen konnten. Wie hast Du Frau Skudelny von der FDP so schön zitiert: „Wer will mich eigentlich transformieren?“, ich ergänze: „Und wie soll das gehen und warum überhaupt?“

Der Pragmatismus auf der einen Seite bedeutet also: Vielen Menschen ist Klimaschutz wichtig, also schaffen wir die Möglichkeiten, daß diese das auch ausleben können. Die Ideologie der anderen Seite lautet: Wir müssen alle zum Klimaschutz zwingen, es darf keine Alternative geben.
Und keine Seite ist prinzipiell dazu in der Lage, die andere zu verstehen. Es existiert keine gemeinsame Sprache, weil es kein gemeinsames Weltverständnis mehr gibt. Wie bei Hunden und Katzen.

Anonymous said...

@ Heller

Keine Sorge, man hat Sie hier schon verstanden, auch Wiederholung macht's nicht überzeugender.

Mein Vorschlag:
Verbreiten Sie ihre Positionen (z.B. zu ihrem Freiheitsbegriff) und suchen Sie Mitstreiter und Mehrheiten. Viel Glück, mir schwant, auf ihre Linie bringen Sie nicht mal die FDP, und das heißt schon was ;-)

Andreas

SHader said...

"Die klassische Denktradition der Demokratie als Gegenentwurf zum Totalitarismus ist die Abwesenheit von Möglichkeiten, Zwang auszuüben."

???

Was anderes als Zwang übt ein Staat aus, um Gesetze umzusetzen? Die Exekutive ist die vollziehende Gewalt, die auch Zwang ausüben muss. Steuern kann man auch als Zwangsabgaben bezeichnen, klingt zwar dann nicht mehr so schön, trifft aber den Kern.


"Ich bleibe mal beim Alltagsbeispiel motorisierter Individualverkehr: Wer das Auto als Problem ansieht, ist nicht gezwungen, es zu nutzen. Es gibt aber keine Möglichkeiten dazu, den Verzicht auch bei anderen zu erzwingen. Die freiheitliche Demokratie schützt Menschen davor, daß andere auf sie Zwang ausüben können."

Klar, wenn ich keinen Führerschein habe, darf ich kein Auto fahren. Mir kann auch ein vorhandener Führerschein zeitweise entzogen werden, das ist auch eine staatliche Ausübung von Zwang, welches in einer Demokratie als legitim angesehen wird.

Ein völlig andere (und vermutlich auch interessantere) Frage ist es, wie man überhaupt dauerhafte CO2-Emissionsreduzierungen erreicht. Mit einfachen Worten ausgedrückt, ist eine höhere Bestrafung von Emissionen oder ein finanzieller Anreiz sinnvoller? Oder ein appellieren an den guten Willen? Okay, letzteres sehe selbst ich als eher aussichtlos an. ;) Sehe aber nichts, was dagegensprechen würde, das Steuersystem dahingehend umzustellen, das ein wirklicher Anreiz für Industrie und Bevölkerung vorhanden ist, in diese Richtung langfristig was zu tun.


"Wer möchte, kann also gerne das Klima schützen. So viel, wie er möchte. Ich mache halt dabei nicht mit, und gut ist."

Das steht Ihnen auch vollkommen frei und ich hätte absolut kein Problem damit. Ich hätte was dagegen, wenn verstärkt Gesetze verabschiedet werden, die bestimmte Handlungen verbieten. Z.T. ist es durchaus sinnvoll, halte aber Anreizsysteme für effektiver. Aber wie gesagt, pusten sie soviel CO2 raus wie sie wollen, verbrauchen sie 20Liter/100km und lassen sie immer schön das Licht nachts brennen, no prob. Solange sie das alles schön bezahlen, soll mir das Recht sein. :)

Günter Heß said...

Lieber Herr Heller,

sie schreiben:
„Wer möchte, kann also gerne das Klima schützen. So viel, wie er möchte.“

Das ist mein Punkt.
Niemand tut es. Wir haben Lippenbekenntnisse zum Klimaschutz, aber keiner macht mit.

Meine subjektiven Beobachtungen:
1. Die Wohnfläche pro Person nimmt zu

2. Die Zahl der Autos pro Haushalt nimmt zu

3. Die Zahl der pro Jahr gefahrenen Jahreskilometer nimmt zu

4. Die Zahl der Flugreisen pro Person nimmt zu

5. Selbst Kinder haben heute schon mehr Flugreisen als früher Erwachsene

6. Die Zahl der Lippenbekenntnisse zum Klimaschutz nimmt zu

7. Die Zahl der Klimaforscher nimmt zu

8. Die Zahl der Sekundärklimaforscher nimmt zu

9. Die Zahl der „Summaries und Factsheets“ für Klimapolitiker nimmt zu

10. Die Zahl der Klimapolitiker nimmt zu

11. Die Zahl der Klimakonferenzen nimmt zu

12. Die Zahl der Klima-Lobbyismus-NGOs nimmt zu

Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

Werner Krauss said...

Wer steckt eigentlich wirklich hinter der Großen Transformation?

Transformer stammen ursprünglich aus Japan (戦え!超ロボット生命体トランスフォーマー, Tatakae! Chō Robotto Seimeitei Toransufōmā). Der große Sammler und Enzyklopäde W. Pedia hat folgende informationen zusammen getragen:

"Transformers sind in der Regel menschlichen Körperproportionen nachempfunden, doch auch Tierformen sowie Mischformen mit Fahrzeugelementen können vorkommen.

Es gibt zudem aber auch noch Figuren, die sich in die Planeten transformieren, wie den Planetenfresser Unicron und den Planeten Cybertron, welcher sich zum "absoluten Schöpfer Primus" transformieren kann."

"Für gewöhnlich führt der Krieg der Transformers diese über kurz oder lang auf die Erde. Der Großteil der Menschheit (steht) den Transformers insgesamt allerdings skeptisch gegenüber und greift, unfähig, zwischen Freund und Feind unterscheiden zu können, dabei gelegentlich sogar irrtümlich die Autobots an. (Dabei) ist die Mehrheit der Menschen den Autobots dagegen für gewöhnlich wohlgesinnt."




Quentin Quencher said...

Ja, ja Herr Krauss, die Transformers sind unter uns.

„Der Großteil der Menschheit (steht) den Transformers insgesamt allerdings skeptisch gegenüber und greift, unfähig, zwischen Freund und Feind unterscheiden zu können,“

Und wenn wir sie denn unterscheiden könnten, müssen wir sie dann auch gruppieren und gegeneinander kämpfen lassen, mit Feindschaft erfüllen und somit Carl Schmitt Recht geben, der ja das »Politische« als ein Freund - Feind - Schema definiert und vom Erstfall her denkt. So wie die „Alarmisten,“ die den Ernstfall ausgerufen haben und somit alle die das nicht so wahrnehmen als Feinde betrachten.

Das Problem ist doch bei Erkenntnissen von universeller Gültigkeit, die Ökotransformers beanspruchen dies für sich, zu akzeptieren, dass es auch andere Überzeugungen geben kann. Die Ökotransformers denken vom Ernstfall her, die Unterscheidung wahr - falsch zwingt zur Polarisierung und Feindschaft die in Sieg oder Niederlage enden muss.

Vorstellungen von Freiheit können nicht in einem Klima gedeihen, welches sich vom Ernstfall her entwickelt. Und deshalb wird es auch keinen Konsens zwischen den Parteien geben können.

Helmut Z. Baumert said...

No 81 @Peter Heller:

Die 90 mph sind missverstanden worden. Ich wollte sagen, dass es eigentlich keine Freiheit
gibt. Mein dringender Wunsch, harte Drogen in der Öffentlichkeit zu konsumieren, nach Lust
und Laune Mitmenschen totzuschlagen -- alles wird durch Diktatoren unterdrückt. Und dann
kommt noch der Ami mit seinem 90 mph - arghh! Und obendrauf die Dojczen mit dem Klima?

Herr Heller, Sie wisen zu Ihrem Glück nicht, was eine Diktatur ist. Diktaturen zerteilen
Familien, stecken Dichter ins Gefängnis, 2 Jahre für 7 nachdenkliche Gedichte, und
machen Sie bei gefühlter Notwendigkeit auch tot.

Unsere Probleme sind andersartig: Zum Teil Dekadenz und Verwöhntheit, wie man der 12er
Liste von Günther Heß @99 entnehmen kann, die auch meine Erfahrung widerspiegelt.
Andererseits aber unzureichende Leistungen der klimarelevanten Wissenschaften, die das
allgemeine Publikum einfach nicht überzeugen, sondern allseits Zweifel hervorrufen ob der
Schwammigkeit der Aussagen und der mangelnden Beweise. Viel Gebrüll, wenig
Substanz und noch weniger Systematik. Der einzelne Wissenschaftler leistet heute
vergleichsweise immer weniger, trägt aber durch Konferenzbesuche immer mehr zum
Klima bei. Dies liegt z.T. am Kontroll- und Übewachungssystem, welches wir Brüssel
verdanken und das an Spielregeln in einer Diktatur erinnert. Es liegt aber auch an
(administrativ) führenden Köpfen des Wissenschaftsapparats, denn der Fisch fängt
bekanntlich ...

Es muss wohl einen Neustart der Klimaforschung geben, diesmal vom Ozean
ausgehend, der die relevante Zeitskala bestimmt. Die Atmosphäre ist Interface zu
uns Menschen, die eigentliche Dynamik wird vom Ozean bestimmt. Als Krebsgeschwür der
dtsch. Klimaforschung zeigt sich ihre Geburt in der Meteorologie. Allerdings ist Ozean
schwerer zu überwachen. Denken wir an Südatlantik, Südindik, Sudpazifik, wo es nur
wenige Vertikalsondierungen gibt. Denken wir aber auch daran, dass die wichtigsten
klimarelevanten Medien sich turbulent bewegen und dass sich die Forschung über Jahrzehnt
darum herumdrückte, dieses Thema angemessen zu attackieren. Stattdessen wird
politisiert, was das Zeug hält. Es gilt aber ein Goethewort:
Alles, was besteht, ist wert, dass es zugrunde geht.