Impulsvortrag bei einer Veranstaltung der Akademie der Adenauer Stiftung zu dem Thema, 1. April 2014
Vorab: Dies ist eine politische Frage, zu deren Lösung ein Klimawissenschaftler nicht wirklich beitragen kann, außer darauf zu verweisen, dass die globale Erwärmung, oder präziser formuliert: der menschgemachte Klimawandel, ein Problem ist, auf das eine politische Antwort gegeben werden muss. Welche Antwort kann die Wissenschaft nicht sagen.
Weil aber immer wieder suggeriert wird, dass Wissenschaft alternativlose politische Folgen generiere, möchte ich mich hier äußern zum Fragenkomplex von Klimadeterminismus, der Rolle der Wissenschaft, und den Erfolgen der Klimaforschung. Ich werde dann folgern, dass die Wissenschaft ihre Aufgabe geleistet hat, nämlich den Nachweis, dass wir es mit einem Problem zu tun haben, und in der Lage ist zu beschreiben, wie welche Emissionsminderungspolitik sich umsetzt in Veränderung von Klima.
Bevor ich mich der Rolle der Klimawissenschaft zuwende, versuche ich hier noch die Begriffe „Klima“ und „Klimawandel“ zu präzisieren: "Klima" ist die Statistik des Wetters in Atmosphäre und Ozean und anderen Umweltkompartimenten. Diese Statistik wird beschrieben durch Mittelwerte, Varianzen, Extremwerte, Korrelationen usw. "Klimawandel" ist dann die Änderung der Wetterstatistik, etwa dass es mehr warme Tage und mehr Niederschlag im Winter in Norddeutschland in den letzten 30 Jahren gab als zuvor. Dass es so einen Wandel gibt, ist unter Fachleuten unstrittig. Strittig ist, ob solche Änderungen auch im schwersten Niederschlag, oder im Starkwind zu finden ist. Ohne den Verweis auf Treibhausgase kann dieser Wandel nicht erklärt werden. Nicht abschließend geklärt sind aber der lokale Stadteffekt, die regionale Wirkung der deutlichen Reduktion anthropogener Aerosole und die Wirkung veränderlicher Sonnenaktivität und anderer natürlichen Faktoren. Die Fragen nach den Gründen sind nicht nur akademisch interessant, sondern auch von großer praktischer Bedeutung, weil sie Erwartungen für zukünftige Entwicklungen implizieren.
Wenden wir uns nun dem Klimadeterminismus zu – das ist eine uralte Denkschule, wonach das Klima viele Aspekte des Lebens und der Entwicklung beeinflusst wenn nicht bestimmt. Demnach lebt der Mensch in Harmonie mit seinem Klima, und jede Änderung dieses Klimas hat negative Auswirkungen auf sein Wohlbefinden und seine Zivilisation. Dabei bevorzugt das Klima gewisse Gebiete, nicht überraschend jene in mittleren Breiten. So wirkte der Klimadeterminismus als wissenschaftliche Begründung des Kolonialismus, der hilft dem Rest der Welt die Segnungen der westlichen Zivilisation zu erringen.
Die heutige Klimadebatte enthält immer wieder Elemente des Klimadeterminismus, etwa durch Verweise auf den kausalen Zusammenhang von Klimaänderung und Zunahme an Gewalt und Kriegen. Immer wieder sieht man in der wissenschaftlichen Literatur Studien, wo via Akkumulation von Treibhausgasen eine ansonsten unveränderte Welt in Schwierigkeiten gebracht wird. Das Wissen um diese Zusammenhänge wird vor allem im Westen generiert, der dann in besten kolonialistischer Tradition dem Rest der Welt vermittelt, wie damit umzugehen sei. Ich will einräumen, dass der eben erschienene Bericht der Arbeitsgruppe 2 des IPCC hier Fortschritte gemacht hat in der Anerkennung, dass es neben Klimawandel noch andere Entwicklungen gibt, die auf Umwelt und Gesellschaft wirken.
Zur Rolle der Klimawissenschaft in der Gesellschaft argumentieren Alarmisten und Skeptiker ähnlich: Aus Wissenschaft folgt alternativlos Politik. Entweder Klimakatastrophe und daher große Transformation hin zu einer nachhaltigen und gerechten Welt, oder Lug und Trug und daher Verhinderung der Freiheitsberaubung des Individuums. Diese zugespitzte Formulierung wird in der Praxis feiner formuliert. Entscheidend in dieser Sichtweise ist, dass die Wissenschaft eine bestimmte Politik erzwingt. Statt einer politischen Abwägung von Optionen und Präferenzen geht es nur um die Feststellung der wissenschaftlichen Wahrheit.
Aber Wissenschaft verkündet nicht Wahrheit, sondern nur für den gegenwärtigen Zeitpunkt beste Erklärungen, die im Lichte neuer Beobachtungen und Nachdenkens ggfs. revidiert werden können. Die ist ja in der Vergangenheit auch oft genug geschehen, was der Autorität der Wissenschaft als kompetenter Deuter komplexer Zustände, Prozesse und Interaktionen keinen Abbruch tut.
Für mich stellt sich der derzeitige Klimawandel als weitgehend menschgemacht dar, über deren Umfang, dessen regionaler und lokaler Manifestation noch viel gelernt werden will, für den andere mögliche Alternativerklärungen getestet werden müssen. Klimawandel ist eine signifikante Herausforderung an die Gesellschaften dieser Welt. Wissenschaft hilft, diese Herausforderungen besser zu verstehen, und Möglichkeiten des Umgangs mit diesem Problem zu erkennen und zu bewerten. Schlussendlich werden gesellschaftliche Entscheidungen nötig, die dem Problem angemessen und mit den jeweiligen gesellschaftlichen Werten und Präferenzen konsistent sind.
Mit ihrer Einsicht, dass wir im Rahmen unseres derzeitigen Wissens die gegenwärtigen Änderungen des Klima ohne einen wesentlichen Beitrag durch Treibhausgase nicht konsistent erklären können, stellt die Klimawissenschaft fest, dass wir zukünftig mit weiteren erheblichen Änderungen und Wirkungen auf die Lebenswelt und Gesellschaften rechnen müssen. Da wir die verursachenden Emissionen grundsätzlich steuern können, sind wir ebenso grundsätzlich in der Lage, kollektiv die Klimaänderungen zu vermindern.
Diese Einsicht ist ausreichend für politische Willensbildung. Es besteht ein reales Problem, das sich im Laufe der kommenden Jahrzehnte immer deutlicher herausschälen wird. Der Umfang der Emissionen kann den Umfang der Herausforderung steuern. Was nicht via Emissionseinschränkungen vermindert wird, muss durch Anpassungsmaßnahmen soweit möglich abgefedert werden.
Der Wunsch nach Beschränkung der Klimaänderungen steht im Wettbewerb mit anderen politischen Zeilen: Aufhebung der Dominanz des Westens; Entwicklungsziele in der Dritten Welt; Beschäftigung hier in Europa; umweltpolitische Ziele in Bezug auf Artenvielfalt und Qualität; Zugang zu Technologie und Lebensqualität für jedermann, um einige zu nennen. Die Abwägung dieser verschiedenen Herausforderungen, von denen der Klimawandel einer ist, ist eine fundamental politische Frage, eine Frage der Abwertung von Werten und Präferenzen – und hat mit Wissenschaft nichts zu tun.
Wenn uns Wissenschaftler gelegentlich Politiker fragen – was sollen wir tun, dann ist meine Antwort: das, wozu Sie gewählt worden sind: Lösungsoptionen abwägen mit den Werten und Präferenzen derer, die sie repräsentieren, und entscheiden. Die Wissenschaft sagt Ihnen, welche Folgen diese Entscheidungen in verschiedenen Bereichen haben können. Ob Sie mit diesen Folgen leben können oder nicht, dass ist Ihre politische Bewertung des Problemgemenges.
Ob die Bekämpfung der globalen Erwärmung eine politische Priorität bleibt, wurde gefragt. Meine Antwort: Sie war es bisher nur rhetorisch, kaum wirklich. Ich erwarte, dass das so bleibt.
4 comments:
Lieber HvS,
keine Kommentare bislang, man scheint Ihnen zuzustimmen: "Sie war es bisher nur rhetorisch, kaum wirklich."
My five cents: Sie (die Politik) kann es auch nicht wirklich, weil keine pratikablen "Bekämpfungs"möglichkeiten existieren.
Jedenfalls nicht, wenn man/frau auch noch öko sein möchte. Selbst wenn man dies ignoriert , reicht es wahrscheinlich nicht, auf die "sichere" Seite es prec. principal zu kommen. Hat jemand hier eine Vorstellung, warum trotzdem an diesem Ansatz festgehalten wird?
Guter Artikel, stimme zu, Danke.
Hallo,
Sehr geehrter Herr Von Storch,
Wissen Sie wo der Begriff Klimadeterminismus her kommt?
Ich dachte, dass das ein Kampfbegriff der "Klimaskeptiker" ist.
Vielen Dank im Voraus und mit freundlichen Grüßen.
Yeph
Hans von Storch, Sie schreiben:
„Entweder Klimakatastrophe und daher große Transformation hin zu einer nachhaltigen und gerechten Welt, oder Lug und Trug und daher Verhinderung der Freiheitsberaubung des Individuums. Diese zugespitzte Formulierung wird in der Praxis feiner formuliert. Entscheidend in dieser Sichtweise ist, dass die Wissenschaft eine bestimmte Politik erzwingt.“
Ich stimme Ihnen weitestgehend zu, möchte allerdings anmerken, dass die große Transformation nicht zwingend mit dem Klimawandel zu tun hat, sondern auch und vor allem mit der Vorstellung von endlichen Ressourcen, dem ökologischem Fussabdruck und dergleichen arbeitet. Wie Sie sagen, die „nachhaltige und gerechte Welt“ ist das Leitbild für die angestrebte Transformation.
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