"Der Eduard Brückner-Preis wurde erstmalig bei der 5. Deutschen Klimatagung in Hamburg verliehen. Der erste Preisträger war der Berner Klimahistoriker Christian Pfister. Dieses Jahr wird er auf Vorschlag der Herren Heinze, Wolff, Olbers, Dippner und Hasselmann vergeben an Dr. Ernst Maier-Reimer vom Hamburger MPI für Meteorologie. In der Tat kann man das MPI in Hamburg ansehen als das erste wirkliche Klimaforschungsinstitut in Deutschland, in dem die Ganzheitlichkeit des Klimaproblems zum Forschungsgegenstand wurde. In dem die Frage nach den Quelle und Senken des Kohlenstoffkreislaufes ebenso im Blickpunkt stand wie die Stabilität des Golfstroms, Fragen der Wolkendynamik, der Sturmflutstatistik und der Konstruktion von Szenarien. Und in diesem Konglomerat war Ernst Maier-Reimer sozusagen der erste Erdsystemmodelleur, der den Bereich der Dynamik von Ozean und Atmosphäre verließ, und die stoffliche Dimension hinzunahm. Im Vorschlagstext heißt es „Ernst Maier-Reimer nahm die Herausforderung der marinen Biogeochmie mit untrüglicher Sicherheit auf und schuf zunächst ein rein anorganisches, später auch ein organisches marines Kohlenstoffkreislaufmodell. Zunächst bekam das biogeochemische Modell den Namen HAMOCC - HAMburg Ocean Carbon cycleCirculation model -, wobei dieser Name aber schnell zu einer Untertreibung wurde. Denn das HAMOCC-Modell wurde um viele zusätzliche geochemische Tracer erweitert. Neben den Nährstoffen und Eduard Brückner-Preis 2003 Seite 4 Sauerstoff wurde eine nahezu nicht enden wollende Serie verschiedener ozeanischer Tracer in das Modell eingeführt, um Schritt für Schritt den Ozean als eine große Umverteilungsmaschine für Substanzen zu verstehen. Hier sind zunächst die anthropogenen Tracer Bomben- Tritium, Bomben-14C und chlorierte Fluorkohlenwasserstoffe zu nennen, dann natürliche Radioisotope, reaktive Metalle sowie stabile Isotope. Danach hat Maier-Reimer sich der Modellierung des biologische Teils des marinen Geschehens zugewandt und prognostische Berechnungen von Phyto- und Zooplankton, Chlorophyll sowie von Dimethylsulfid durchgeführt. In seinen Modellen berücksichtigt Ernst Maier-Reimer sowohl die Wassersäule, die mixed layer, das Sediment und die Biosphäre und deren Verbindungen mit den anderen Erdsystemkomponenten. Um den vielen interdisziplinären Anforderungen gerecht zu werden, betrachtet er ferner Prozesse auf allen Zeitskalen: von kurzen Geschehnissen wie Phytoplanktonblüten (Tage bis Wochen) bis zur Equilibrierung des Calciumcarbonatsediments nach Aufnahme anthropogenen Kohlendioxids in den Ozean (ca. 100,000 Jahre). Die Vielseitigkeiten der Modelle von Maier-Reimer haben physikalische Ozeanographen, marine Biogeochemiker, Biologen, Geologen und Meteorologen gleichermaßen fasziniert und sie immer wieder angeregt, neue Fragestellungen aufzugreifen und entsprechende Experimente vorzuschlagen.”
In dem Vorschlag heißt es weiter: „Ausgehend von der mathematischen Modellierung der Ozeanographie (HOPE und LSG) hat Maier-Reimer nicht nur mehrere benachbarte naturwissenschaftliche Disziplinen entscheidend befruchtet, sondern auch zur Erschliessung weiterer interdisziplinärer Bereiche der Klimaforschung beigetragen. So ist er z.B. Koautor einer Arbeit über die Berechnung der optimalen Eduard Brückner-Preis 2003 Seite 5 Steuerung der zukünftigen Klimaentwicklung mit Hilfe gekoppelter Modelle des globalen Klima-Wirtschaftsystems.”
Wie Eduard Brückner ist Maier-Reimer Wissenschaftler aus Leidenschaft, der sich nicht in den Elfenbeinturm zurückzieht sondern bereit ist zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Leider erleben wir ihn dort in den letzten Jahren seltener, was sicher auch damit zu tun hat, daß die Medien die bequemen Gesprächspartner vorziehen, die dem medialen Bedarf entsprechend simplistische Antworten von gut und schlecht, richtig und falsch, geben."
3 comments:
bye bye Ernst
Video-Ausschnitte aus einem Interview von Ernst Maier-Reimer aus dem Jahre 2012:
http://www.youtube.com/watch?v=SJhit5oGA1s
Man spürt die Leidenschaft, mit der er seinen Beruf (seine Berufung) ausgeübt hat. Auf den Antrieb, Modelle immer weiter zu entwickeln, antwortete er mit einem Zitat von Hasselmann:
"Das zweitbeste Modell zu haben ist immer witzlos"
Andreas
Sehr schönes Interview, danke Andreas. Obwohl, ein "zweitbestes Modell" gibt es nicht, schon weil es kein "bestes" gibt. Ob eines besser ist als ein anderes, hängt von der Metrik des Vergleichs ab, und diese wieder von der Art der Anwendung. Manchmal ist "einfacher" besser als "komplex", manchmal "komplex" besser als "einfach".
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