Heinz Wanner schreibt in "klimafreundlich", Jahrbuch für Nachhaltigkeit, Ökologie und Lifestyle, (S. 12-15, UTK Media, CH-8370 Sirnach) Dies Jahrbuch geht an alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier der Schweiz. Heinz Wanner ist emeritierter Professor der Universität Bern, war Gründungspräsident des Hans Oeschger Klimaforschungszentrum der Universität Bern und in verschiedenen Funktionen fü den UNO-Klimarat IPCC tätig. Hans von Storch interviewte ihn in seiner Serie in den Newsletter of the Atmospheric Science Section of the AGU.
Wir geben Heinz Wanner's Beitrag hier mit seiner freundlichen Genehmigung wieder.
Die globale Klimadebatte vor einer Götterdämmerung?
Die Metapher „Götterdämmerung“ überzeichnet zwar die Vorgänge, denen die globale Klimapolitik in den letzten Jahren unterworfen war, etwas drastisch. Trotzdem tauchen vor meinem geistigen Auge immer wieder die Ereignisse auf, welche in der nordischen Mythologe mit diesem Begriff verbunden werden: Nach brutalen Kämpfen zwischen Göttern und Riesen, fürchterlichen Kältejahren und der Verbrennung der Erde entsteht eine neue, grüne und fruchtbare Welt. Es wäre zu wünschen, dass sich die Akteure der Klimadebatte ab und zu an die Symbolik dieser Vorgänge erinnern.
Als Studierende haben wir in den frühen 70er Jahren an der Universität Bern die Lehrveranstaltungen des Physikers und Klimapioniers Hans Oeschger besucht, welcher damals überzeugend, aber von der Öffentlichkeit noch kaum beachtet, vor den Folgen des wachsenden menschgemachten Treibhauseffektes gewarnt hat. Auch wir haben die Klimadebatte anfänglich nur am Rand verfolgt. Als Hans Oeschger immer mehr zu einem der international meistbeachteten Klimaphysiker wurde, haben auch wir begriffen, dass wir mit einem wachsenden und global vernetzten Problem konfrontiert sind.
Am Weltgipfel Rio 92 hat die Klimathematik endgültig die globale Bühne betreten und eine beispiellose Karriere begonnen. Dabei hat mich von Anfang an gestört, dass ausschliesslich von globaler Erwärmung und wenig von Wasserverknappung in den austrocknenden Randtropen und Subtropen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas gesprochen wurde. Dabei wurde mir zunehmend bewusst, dass sich die globale Klimapolitik trotz der jährlich stattfindenden Weltklimakonferenzen zunehmend in eine Sackgasse manöverierte. Was war geschehen?
Mit der Schaffung des UNO-Klimarates IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) im Jahre 1988 waren ideale Voraussetzungen geschaffen worden, um die Klimadebatte auf globaler Ebene objektiver zu gestalten. Erstmals rauften sich Forschende aus allen Regionen und Kulturkreisen der Erde zusammen, und erstellten nach zum Teil harten Auseinandersetzungen Berichte zum Zustand und zur zukünftigen Entwicklung des Erdklimas. Mit der Veröffentlichung der sogenannten „Hockeyschlägerfigur“ im Dritten IPCC-Wissenstandsbericht im Jahre 2001 hat dann vor allem in den USA eine heftige und zum Teil polemische Debatte eingesetzt. Mit dem Begriff des Hockeyschlägers wurde eine 1000jährige globale Temperaturrekonstruktion der Kollegen Mann, Bradley und Hughes umschrieben, welche den heute gesicherten Temperaturrückgang des letzten Jahrtausends und die nach dem 19. Jh. einsetzende globale Erwärmung darstellt. Blogger in den USA und zunehmend auch in Europa und Australien haben die damals noch vorhandenen Unsicherheiten dieser Klimarekonstruktion sowie eine Veröffentlichung des privaten Mailverkehrs von Forschern der Universität East Anglia in Norwich dazu benützt, den menschgemachten Klimawandel insgesamt in Frage zu stellen. Hinzu kamen Übertreibungen von einzelnen Klimaforschern oder Mitgliedern von Umweltorganisationen, welche von einem schneefreien Europa oder von einem gletscherfreien Himalaya sprachen. Allerdings wäre es zu einfach, die Fehler nur übereifrigen Klimaforschern in die Schuhe zu schieben. Auch sensationshungrige Medienleute haben mit Schreckensszenarien Angst geschürt. Nicht überraschend haben sich die Aussagen, welche dem Hockeyschläger zugrunde lagen, seit 2001 nur leicht verändert. Insbesondere können wir heute anhand der Antriebsfaktoren des Klimasystems (z.B. Sonnenaktivität und grosse Vulkaneruptionen) besser abschätzen, warum die Römerzeit oder das Mittelalter leicht wärmer, die Kleine Eiszeit zwischen etwa 1260 und 1860 jedoch kühler waren.
Mein Kollege Roger Pielke Jr. aus Boulder (Colorado) spricht in seinem Buch „The Honest Broker“ im Zusammenhang mit der Klimadebatte den ehrlichen Makler an, welcher versucht, sich von den vielen öffentlichen Einflüssen nicht vereinnahmen zu lassen. Im soeben erschienenen Buch „Die Klimafalle“ stellen mein Hamburger Kollege Hans von Storch und der Ethnologe Werner Krauss unter dem Begriff „Klima goes Hollywood“ die Frage, ob der Film „Eine unbequeme Wahrheit“ von Al Gore und der daran anschliessende Hype, welcher im Friedensnobelpreis 2007 an Al Gore und an das IPCC gipfelte, für die Sache des Klimawandels wirklich förderlich war. Bereits früher hatte unsere Kollegin Naomi Oreskes von der Universität Kalifornien in San Diego in ihrem Buch „Merchants of Doubt“ (Händler des Zweifels) aufgezeigt, wie es einige wenige Klimakritiker fertig gebracht haben, dass ein Teil der amerikanischen Bevölkerung glaubt, dass Rauchen unschädlich ist, und dass es keinen menschgemachten Klimawandel gibt.
In diesem Umfeld wurde der 15. Weltklimagipfel vorbereitet, welcher im Jahre 2009 in Kopenhagen stattfand. Abgestützt auf die vorhandenen Wissenstandsberichte des IPCC wurde ein 2°-Klimaziel vorgegeben. Mit gutem Recht wurde argumentiert, dass eine Überschreitung dieser 2°-Erwärmungsgrenze zu grossen und zum Teil irreversiblen Klimaschäden führt, welche Menschen bedrohen und riesige Kosten verursachen. In Kopenhagen sollte die als höchst sinnvoll angesehene Dekarbonisierung der Weltwirtschaft weiter vorangetrieben werden. Der negative Ausgang der Verhandlungen führte zu einer starken Ernüchterung. Es soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden, ob über das Ziel hinausgeschossen wurde, oder ob die Politik einen verheerenden Fehlentscheid getroffen hat. Die Erde wird in absehbarer Zeit kaum das Schicksal der nordischen Götterdämmerung erleben. Die reichen Länder können sich mit Dammbau, mit der Renaturierung von Flüssen und mit ausgeklügelten Warnsystemen schützen und Klimaanpassung betreiben. Stark betroffen sind wiederum die schwächsten Glieder unserer Weltgesellschaft, ich meine die leidenden Menschen der zunehmend austrocknenden Hungergebiete in den Aussertropen und Subtropen. Wir sind deshalb aufgerufen, weiterhin für eine verbesserte Klimapolitik zu kämpfen.
Wie könnte ein erfolgreicherer Weg in Zukunft aussehen? Er wird wohl über eine ganzheitlichere Klimapolitik führen. Grundsätzlich wird es darum gehen, die Debatte unaufgeregter und streng faktenorientiert zu führen. Auch wenn verschiedene Blogger und deren Gefolgschaft vermehrt einen aggressiven oder sogar verunglimpfenden Ton anschlagen, muss sich die Wissenschaft darauf beschränken, im Sinne des ehrlichen Maklers seriös ihre Fakten zu präsentieren. Wenn neue Technologien eingesetzt werden, sind alle Wissenschaftsbereiche aufgerufen, deren Auswirkungen abzuschätzen. Ein aktuelles Beispiel ist das „Fracking“, d.h. die neue Methode der Erdöl- und Erdgasförderung, bei der in technische Tiefbohrungen eine Flüssigkeit eingepresst wird, welche Spalten und Risse aufreisst. damit grosse Mengen von Erdgas und Erdöl freigemacht werden können. Die Langfristwirkungen dieser Technologie auf die Grundwasser- und Bodenverschmutzung, aber auch auf die Untergrundstabilität sind nicht bekannt. Trotzdem bauen grosse Volkswirtschaften wie die USA bereits langfristig auf diese Technik, um von den Erdöl produzierenden Staaten unabhängiger zu werden.
Wenn ich von einer ganzheitlichen Klimapolitik spreche, so meine ich, dass neben der Emissionsminderung weitere Problemfelder vernetzt diskutiert werden müssen. Ich denke dabei an Stichwörter wie Bevölkerungsentwicklung, Energie- und Ressourcenverknappung, Klimawandel und Migration. Ich bin weit davon entfernt, in meinen Argumentationen Begriffe wie Klimamigration oder Klimaflucht zu gebrauchen. Dies würde der Realität nie gerecht. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass sich alle Wissenschaftsbereiche, inklusive Wirtschafts-, Technik-, Sozial- und Geisteswissenschaften mit den Fragen des Klimawandels befassen müssen. Dabei ist auch der Investition in neue Technologien (Stichwort erneuerbare Energien) grösste Beachtung zu schenken. Ich bin zudem überzeugt, dass wir eine verstärkte Regionalisierung mit einer viel engeren Einbindung der Bevölkerung fordern müssen. Denkbar ist, dass wir das Energieproblem nur dann lösen können, wenn wir auf die tiefste räumliche Skala der Gemeinden hinuntersteigen und alle Möglichkeiten der Energiegewinnung mit effizienten technologischen Konzepten ausschöpfen. Zudem dürfte die öffentliche Wirkung der Klimadiskussion dann verstärkt werden, wenn sich Bürgerinnen und Bürger wie Bauern, Bademeister, Winzerinnen oder Hüttenwarte von Berghütten in der Öffentlichkeit vermehrt zum Klimawandel äussern, und nicht Politikerinnen, Professoren und Meteorologen.
Es wäre der nächsten Weltklimakonferenz in Warschau im November 2013 zu gönnen, dass eine konstruktive, ganzheitliche Debatte geführt wird, welche zu Lösungsvorschlägen führt, die von allen Ländern mitgetragen werden können. Die Schweiz ist als reiches Land gefordert, sowohl finanziell als auch forschungsmässig ihren Teil zur Lösung der Klima- und Ressourcenproblematik beizutragen, und dies sowohl im Inland als auch in den gefährdeten Ländern. Aus diesem Blickwinkel und angesichts der unbedingt notwenigen Investitionen in technische Forschungsvorhaben ist es für mich völlig unverständlich, dass unsere Verwaltung und unsere Forschungsförderungsinstitutionen nach dem Auslaufen des Nationalen Forschungsschwerpunktes Klima nicht mehr Hand zur Schaffung eines weiteren, breit vernetzten nationalen Klimaforschungsprogrammes geboten haben. Wie bei den Weltklimakonferenzen hat auch bei uns die letzte, fruchtbare Phase der Götterdämmerung (noch) nicht eingesetzt!
1 comment:
Lennart Bengtsson asked me to post this comment:
"Yes it is a positive and constructive statement by Heinz Wanner. What we have seen for a long time is an increasingly uncritical attitude towards climate modelling. This attitude is partly a consequence that many of those that now are involved in IPCC activities have limited experience in the development of climate models and are at best only users of available models. Many of the younger generation have neither time nor the required experience, I am afraid, to understand what they are playing with. They are under constant pressure to provide results of climate integrations that are both costly and time-consuming. A fundamental aspects, not the least in modelling of complex non-linear processes like weather and climate, is the absolute need for a systematic and in-depth validation of the results of the climate simulations. In fact this is in essence what science is about. This is the reason why numerical modelling of weather and weather prediction that has followed such an approach has been so successful. The daily validation of the weather predictions are used to gradually improve the weather models. The great problem with climate modelling is that this approach is difficult to apply and too little work has been done even trying to do it. What we have seen so far is that the global warming of the last 100 years or so is rather minor, at least compared to model results, unless models are tuned in a rather arbitrarily way by aerosols forcing. The reason to the slow warming is in fact more or less unknown. In my view insufficient efforts have been devoted trying to understand the cause of the modest warming of the climate system. It is now appropriate to ask whether the IPCC machinery in its political inertia, is the best approach to bring climate science forward. Key aspects of climate research has been pushed onto the side roads as too much resources have been absorbed in IPCC climate modelling experiments. I believe a new approach in climate research is required."
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