Wednesday, March 5, 2014

Climate scientists sink cultural heritage


In a new study, climate scientists Ben Marzeion from Innsbruck university and Anders Levermann from PIK, calculate the "Loss of cultural world heritage and currently inhabited places to sea-level rise". This study obviously meets the zeitgeist, as it is published in many newspapers today. In the Guardian, the study's headline is translated into
"Sydney Opera House and Statue of Liberty 'will be lost to sea level rise.' Nearly one-fith of world cultural heritage sites would be affected by global warming of a further 3C, scientists warn". 

The scientists vivedly illustrate their scientific study in an interview with the Guardian. From the tower of Pisa to Venice, from the "Hanseatic League cities" like Hamburg, Lübeck and Bremen to the Sydney Opera house, their examples of endangered heritage sites coincide with many tourist destinations well known to the readers. The Guardian even displays a still from the climate thriller "the day after tomorrow" (statue of liberty) and a surreal photo of a Venice hotel lobby flooded by waters from the Grand Canal, turning the study in what it really is: a science fiction story.


The story is elegantly linked to present concerns, especially of the UK readership:
The threat to cultural sites from the sea is likely to be underestimated, the study admits, as it does not take into account temporary rises in sea levels caused by storm surges such as those that battered the east coast of the UK last December. "Essentially those are uncertainties that we cannot quantify, so we made sure we are on the conservative side of the estimates," Marzeion said.

The ficitional character of this scientific study is literally smoothed out by time, according to the authors (except the caveat that humanity will forget the art of building dikes):
Marzeion said that by looking at sea level rises over such a long timespan – 2000 years – such short-term uncertainties would be smoothed out. His co-author, Anders Levermann, of the Potsdam Institute for Climate Impact Research, said: "After 2000 years, the oceans would have reached a new equilibrium state and we can compute the ice loss from Greenland and Antarctica from physical models. At the same time, we consider 2000 years a short enough time to be of relevance for the cultural heritage we cherish."

Like many science fiction stories, this one also has a moral tale - even though the end is not optimistic:
He said the impact on cultural sites brings "an additional dimension" to discussion on climate change, but he does not expect the paper to win over climate change sceptics. "I'm not overly optimistic that culture means more interest in the subject. It's hard to convince people it's a problem if they're not convinced. There appears to be a strong divide between people who feel it is a problem and people who don't."

The logic of this study and its intention can only be explained in cultural terms, too. Independently of the scientific quality (its methodology etc), this study is an original cultural product. Science here is not the opposite of culture, it is culture in the making. To be more exactly, it is producing climate culture; a culture in which everything is seen through the lens of a scientifically modeled climate. Maybe in 2000 years there will be an aquatic UNESCO heritage museum, where this kind of science fiction will be displayed for a post-human species fully adapted to a changing climate.

Cultural geographers and anthropologists discuss in situ the culture of the UNESCO natural heritage site "Schleswig-Holsteinian Wadden Sea" (photo WK, 2005)

33 comments:

Werner Krauss said...

"Wenn wir den Klimawandel nicht begrenzen, werden die Archäologen der Zukunft einen großen Teil unseres Kulturerbes in den Meeren suchen müssen." Hier dieselbe Geschichte heute in Die Welt.

Ich finde die Geschichte deshalb so interessant, weil hier der Unterschied zwischen Wissenschaft und politischer bzw. ethischer Botschaft verschwimmt - der Übergang von Modellierung zu Message verläuft völlig nahtlos. Die fiktionalen Elemente und ihre mediale Verwertung sind bereits Bestandteil dieser wissenschaftlichen Arbeit, sie werden ihr nicht künstlich hinzugefügt. Diese Studie ist von vorneherein mit den Mitteln von Emmerichs "the day after tomorrow" inszeniert.

Die hier verwendete Bildsprache - "Archäologen der Zukunft" - erinnert natürlich auch an die Inszenierung der Malevidischen Untergangs-Klimafantasie, als der damalige Präsident Nasheed eine Parlamantentssitzung in nostalgischer Antizipation unter Wasser stattfinden ließ, im Vorfeld der COP 15. Es ist hier nun in dieser Studie interessant zu sehen, wie diese Inszenierung nun wieder in die Klimawissenschaft Einzug erhält - in Zukunft, so die Autoren, werden wir das Welterbe unter Wasser anschauen müssen.

Vorausgesetzt, dass die Studie die peer review unter klimawissenschaftlichen Gesichtspunkten zu Recht bestanden hat, müsste nun also die Beispielwahl und deren Behandlung ebenfalls einer review unterzogen werden. Zuständig wären hier Diskurs- und Medienwissenschaftler, die sich mit Katastrophenfilmen und Literatur beschäftigen. Und ebenso zuständig wären heritage und landscape Forschung. Die oben in meinem Foto anlässlich eines workshops abgebildeten landscape researcher halten zum Beispiel das Welterbe Wattenmeer für eine lebendige und aktive Sache, und nicht für ein totes Ding, das man einfach ins Museum stellen kann. Ich würde daher auch das Verständnis, das die beiden Klimawissenschaftler von einem UNESCO Welterbe haben, kritisieren. Klimawandel ist eben nicht nur eine statistische Frage, sondern auch eine der Kulturkritik.

S.Hader said...

Sehr geehrter Herr Krauss, ich verstehe jetzt nicht so ganz Ihren Kritikpunkt an der wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe (aber genau da bin ich mir nicht so sicher), dann beschweren Sie sich darüber, dass die Studie schon so aufgemacht ist, dass man sie inhaltlich als politisches Statement nehmen könnte.

Das die UNESCO-Weltkulturerben keine unpolitische Auswahl sind, dürfte wohl niemand bestreiten. Nur kommt das schon einer Verquickung von Wissenschaft und Politik gleich, wenn man eine wissenschaftliche Studie darüber schreibt, was der Meeresspiegel bei diesen Kulturerben machen wird, wenn das Klima um so und soviel Grad steigt?

"Es ist hier nun in dieser Studie interessant zu sehen, wie diese Inszenierung nun wieder in die Klimawissenschaft Einzug erhält - in Zukunft, so die Autoren, werden wir das Welterbe unter Wasser anschauen müssen."

Naja, hat nicht die Inszenierung in der Wissenschaft schon ganz allgemein Einzug gehalten? Oder vielleicht anders ausgedrückt, ich kann man schon gar nicht mehr an Wissenschaft erinnern, die völlig ohne Inszenierung ausgekommen ist. Vielleicht ist Inszenierung auch nur ein anderes Wort für Veranschaulichung oder Popularisierung. Okay, ich kann durchaus nachvollziehen, wenn jemand sagt, er findet das alles too much. Aber wenn, dann sollte bitte nicht so tun, als wenn die Inszenierung von Wissenschaftsergebnissen was völlig artfremdes und zu tadeln sei.

Quentin Quencher said...

@ Werner Krauss

„Zuständig wären hier Diskurs- und Medienwissenschaftler, die sich mit Katastrophenfilmen und Literatur beschäftigen.

Zum Beispiel Eva Horn:

„Unsere Gegenwart gefällt sich darin, Zukunft als Katastrophe zu denken, in Kino, Wissenschaft und Literatur. Eva Horn geht der Geschichte und den Motiven dieses modernen Katastrophenbewusstseins nach. Sie legt dabei die biopolitischen Konflikte frei, die in den Untergangsszenarien – von der Verdunklung des Globus über den Atomtod bis zum Klimawandel – ausgetragen werden. Sie zeigt aber auch, wie in den Rufen nach Sicherheit und Prävention Fiktionen wirksam sind, die man als solche begreifen und analysieren muss. Die künftige Katastrophe zu entziffern bedeutet nämlich immer, eine Geschichte schon zu Ende zu erzählen, die sich erst noch ereignen soll."

Ich hatte auch schon mal das von ihr aufgegriffene Thema Allokationethik behandelt. Deswegen bin ich auch darauf gespannt, wenn endlich ihr neues Buch raus kommt.

Anonymous said...

Mal ganz unabhängig von dem Paper:
Ich mag das Beispiel des Verlusts von Weltkulturgütern

Da gibt es ja die Ökonomen, die unter Verwendung äußerst komplexer Modelle berechnen, welches Ausmaß an Mitigation auf Basis einer Kosten-Nutzen-Analyse man betreiben solle.

Weltkulturgüter entziehen sich dem ökonomischen Ansatz (ebenso wie eine aussterbende lästige Moskitioart des tropischen Regenwalds), Ökonomen können diesen Gütern keinen Wert zuordnen. Irgendwie versöhnt mich das mit der Ökonomie. Zu sehen, dass sie eingestehen muss, dass sich unser Menschsein eben nicht alleine durch Dollars und Euros bemessen lässt.

Und ein zweiter Aspekt fasziniert mich: Wie wird unsere Welt in einigen Jahrhunderten aussehen? Um ein Gefühl für das Ausmaß möglicher Veränderungen zu bekommen, muss man ja nur einige Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückgehen. Was ist heute von dem erhalten, was die Menschen vor Jahrhunderten als ihre zentralen Kulturgüter bezeichnet hätten?

Vielleicht haben die Hamburger in 100 bis 200 Jahren ja aus freien Stücken ihre Elbharmonie längst wieder abgerissen?

Andreas

S.Hader said...

@Andreas: "Weltkulturgüter entziehen sich dem ökonomischen Ansatz (ebenso wie eine aussterbende lästige Moskitioart des tropischen Regenwalds), Ökonomen können diesen Gütern keinen Wert zuordnen. Irgendwie versöhnt mich das mit der Ökonomie. Zu sehen, dass sie eingestehen muss, dass sich unser Menschsein eben nicht alleine durch Dollars und Euros bemessen lässt."

Wie sagte mal Oscar Wilde, ein Zyniker ist ein Mensch, der von jeden den Preis kennt, aber von niemanden den Wert.

Werner Krauss said...

S. Hader,

natürlich begrüße ich Ihre postmoderne Auffassung von Wissenschaft als Inszenierung. Hier durchaus ja auch als politischer Inszenierung, denn die Studie soll ja aufrütteln und womöglich auch Skeptiker überzeugen. Deshalb schlage ich ja vor, die Qualität der Inszenierung selbst zu diskutieren. Und hier habe ich meine Bedenken: diese Inszenierung fällt bei mir schlichtweg durch.

Kulturerbe steht im engen Zusammenhang mit dem Nationalismus, die jungen Staaten "erfinden" sich eine Vergangenheit, die ihre Existenz aus der Geschichte begründet. Das UNESCO Welterbe entstand nach dem 2. Weltkrieg, auch als Konsequenz aus den Folgen des Nationalismus und zu dessen Überwindung. Kulturelles (übrigens ebenso natürliches) Erbe muss erst als solches definiert werden, es ist nicht einfach da. Es ist immer eine Interpretation, immer politisch und somit auch eine performance: es muss erst behauptet werden, es muss erklärt und aufgeführt werden, und auch das Bewahren selbst ist eine Aktivität, die großen Streit auslösen kann. Und heute - und hier irren Sie, Andreas - sind Welterbestätten zentrale Knotenpunkte für eine globale Tourismusindustrie, deren Finanzumsatz sich sehen lassen kann.

Diese wenigen Stichpunkte reichen vielleicht um zu zeigen, wie unrealistisch die Studie der Klimawissenschaftler ist: wieso sollte in 2000 Jahren noch die statue of liberty vor New York stehen? Woher wissen wir, was Menschen in 1000 Jahren "vererben" bzw als gemeinsames Erbe deklarieren? Diese Studie geht davon aus, dass sich zwar das Klima ändert, die Gesellschaft und ihre Werte bzw. ihr Erbe aber gleich bleiben. Das ist natürlich eine völlig krude Auffassung von Gesellschaft und Erbe, die hinter das storyboard eines jeden Computerspiel zurückfällt.

Also handelt es sich hier um eine reine Spielerei - dagegen ist nichts einzuwenden, aber das sollte dann auch gesagt werden. Statt dessen wird die Studie bierernst als weiterer Exempel für die Folgen des menschengemachten Klimawandels und als Argument gegen die Skeptiker verwendet. Deshalb meine Verwirrung: nicht nur der Klimawandel macht Sorgen, sondern erst recht seine Inszenierung durch solche Beispiele aus der Klimawissenschaft. Was hat denn eine Wissenschaft politisch mitzuteilen, die davon ausgeht, dass kulturelle Werte und nationales oder globales Erbe fixe Größen sind? Welche Klimapolitik wird damit verfolgt bzw. resultiert daraus?


Ein Beispiel: Die Landkreise Dithmarschen und Nordfriesland ihre Zustimmung zur Deklaration des Wattenmeers als UNESCO Welterbe erst gegeben als klar war, dass der Küstenschutz davon ausgenommen wird. Diese oft starrköpfigen Küstenbewohner erwiesen sich damit als weitsichtiger als manche Klimawissenschaftler, die in ihren Szenarien offensichtlich keinen Gedanken an Küstenschutz verwenden.

Werner Krauss said...

Andreas,

Ihren Überlegungen kann ich mich ansonsten (außer dass Erbe nix mit Geld zu tun hat) nur anschließen. Auch die UNESCO und ihre Interpreten, die heritage studies, überlegen laufend, was schützenswert ist und was Schutz eigentlich bedeutet. Es wird ja auch "intangible heritage" geschützt, z.B. bestimmte Musik- oder Erzähltraditionen, die Seidenstraße oder Pilgerstrecken etc. Ein Problem, das hierbei wie auch bei anderen Formen des Welterbes diskutiert wird ist das des Wandels und wie damit umgehen. Die Dinge und ihre Bedeutungen verändern ja laufend ihre Bedeutung. Kritik gibt es auch da genug...

Dennoch stellt sich natürlich die Frage, ob man nicht das Klima als Welterbe deklarieren und sich auf entsprechende Schutz- bzw Umgangsformen damit einigen sollte. Ist natürlich nicht ganz einfach, da das Weltklima nunmal alles umfasst. Andererseits eine gute Denkübung, um den Grundfehler der klimawissenschaftlichen Studie zu vermeiden.

S.Hader said...

Sehr geehrter Herr Krauss. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann hat sie die Auswahl der Objekte gestört, die man für die Zukunftsprojektion gewählt hat. Okay, kann man gerne beanstanden. Man hätte auch sagen können, man schaut, was mit den 100 größten Städten der Welt im Zusammenhang mit Meeresspiegelsteigungen passieren wird. Oder mit den fruchtbarsten Böden der Erde. Oder etwas anderes.

Wenn Sie allerdings einfach nur die Auswahlkriterien der UNESCO kritisieren wollen nach dem Motto, woher wissen die überhaupt, was die Menschen in tausend Jahren bewahrt sehen wollen, dann ist die Kritik an das Paper wohl eher ungeeignet dafür, oder? ;) Ich möchte Ihnen ja auch keine gesteigerte Larmoyanz unterstellen, aber mir fehlte an Ihrer Kritik schon etwas das spezifische, konkrete. Meine ganz persönliche Meinung.

Werner Krauss said...

Lieber Herr S.Hader,

bin ich denn so aufm falschen Dampfer? Möglich, aber der Fehler liegt doch im Ansatz, auch bei Ihren neuen Beispielen: Bei den fruchtbarsten Böden würde das Szenario lauten: Alle versalzt, in 2000 Jahren werden wir nur noch Algen essen. Bei den 100 größten Städten: alles Atlantis. Was soll uns eine solche Studie sagen? ich verstehe das nicht.

Wäre es nicht besser zu fragen: wie halten wir unsere Böden trotz Meeresspiegelanstieg fruchtbar? Wie schützen wir unser Erbe? Wie unsere Städte? Und: wie verhindern wir eine weitere Erwärmung? Aber nichts davon in dieser seltsamen Studie, nur eine Klamauk-Zukunftsvision und eine schräge Aussage über Skeptiker, die selbst eine solche blöde Comicversion nicht überzeugt. Was soll das? Oder habe ich selbst ein Brett vorm Kopf und blicks einfach nicht?

Werner Krauss said...

#quentin Quencher #3,

danke für den Hinweis, kenne ich leider (noch) nicht, klingt interessant!

Karl Kuhn said...

Thanks Werner Krauß, very cute.

Who still remembers the hype about increasing sand levels burying the Statue of Liberty ...?

http://www.youtube.com/watch?v=Gb4eZ7Z5yk8

Alternative ending:

http://www.youtube.com/watch?v=-VGlR_GgasA

hvw said...

@Werner Krauss,

schön, dass sie diese(s) Studie? Event? aufgreifen. Ich denke, es ist immer noch nicht klar, worüber hier eigentlich diskutiert wird. Sie nennen den Artikel, vielleicht etwas abwertend ,"science fiction". Diese Genre hat eine lange Tradition oft erstaunlich präziser Voraussagen, nicht nur von zukünftiger Technologie, sondern ganz besonders auch von zukünftigen kulturellen Entwicklungen. Und zwar auf allen Zeitskalen. Selbst für ein, zwei tausend Jahre existieren ausgefeilte Beschreibungen von Gesellschaft und Kultur, und ob der Entwurf von Ian Banks (ähnliche lead-time) nun mehr oder weniger realistisch ist als die ceteris paribus Annahme von Marzeion und Levermann liesse sich diskutieren. Ich denke "science fiction" trifft es hier einfach nicht, aber vielleicht sollte man sich über ein treffendes Label mal Gedanken machen.

Ist es Wissenschaft? Irgendwelche Erkenntnisse, Methoden, oder auch nur minimale neue Informationsbrüchstücke, die dem Verständnis irgendeiner Facheichtung zuträglich wären? Irgendwelche Beiträge zu irgendwelchen Anwendungen? Ich sehe nichts (selbes Brett vorm Kopf?). Dankbar für sachdienliche Hinweise. Auf der Klimazwiebel wurden schon früher Publikationen bzgl. etwas spekulativer und nebensächlicher Klimawandeleffekte kritisiert, weil sie übermässig Mainstream-Coverage abbekamen (z.B. clear sky turbulence trans-atlantic flights), aber da war immer noch wissenschaftlicher Nährwert drin.

Von vornherein angelegt als Medienevent (irgenwas mit Kultur; was issen das; na alte Häuser, aha Meeresspiege!; Student: mach mal GIS + UNESCO + SLR Voraussage -> Mist wir brauchen ~7m; mmmh, 2000 Jahre? Ok, die Journalisten haben eh so ihre Probleme mit Zeitskalen, wird schon.)

Oder nur Publikationslistenpadding, und wenn der Guardian interviewen will, sagt man halt nicht nein?


Ich fände schon, das Ding braucht einen Namen. Vorschläge?

Karl Kuhn said...

hvw:

"Diese Genre [science fiction] hat eine lange Tradition oft erstaunlich präziser Voraussagen, nicht nur von zukünftiger Technologie ..."

Glaube ich auch. Kleine Nebenbeifrage in die Runde, gar nicht polemisch gemeint: gibt es Science Fiction-Werke, die die Energieversorgung künftiger interstellarer Zivilisationen nur mit Wind und Sonnenkraft und ohne Nuklearenergie postulieren.

Karl Kuhn said...

Zu der in Frage stehenden Publikation: Kann man im Prinzip(!) so machen, wenn die Forschungsfrage entsprechend gestellt wird. Eine Studie im Auftrag der UNESCO, die sich der Frage stellt, welche Welterbe-Plätze von einem hohen Anstieg des Meeresspiegels betroffen wären, könnte zu diesem Ergebnis kommen. Allerdings müsste man dazu kein Klima- oder sonst-ein-modell anschmeißen, denn das wäre methodisch überladen, redundant, also nicht effizient hinsichtlich Forschungsaufwand und -ertrag. Die entsprechenden Szenarien gibt es ja bereits. Insofern ist der Verweis auf die Weltkulturerbestätten eigentlich nur die relativ willkürliche Erweiterung einer Forschungsfrage, ohne eine abschließende Antwort zu finden (wie sehr würde uns das schmerzen?). Diese Antwort müsste eben wie gesagt von Kulturwissenschaftler/Innen, Ökonom/Innen oder wem auch immer kommen.

Trotzdem - die Botschaft soll wohl sein: wir zerstören mit dem Klimawandel einzigartige, unwiderbringliche Werte. Sonst hätte man das Ganze auch auf Multiplex-Kinocenter anwenden können. Dieses Verpacken einer sentimentalen Botschaft in eine eigentlich nüchterne wissenschaftliche Arbeit ist durchaus bemerkenswert, sowie auch die Tatsache, dass diese merkwürdige Vermengung von Wissenschaft und Wehklagen den Peer-Review übersteht. Der Artikel ist daher ein schönes Beispiel für den grundlegenden Wandel, dem die wissenschaftliche Publikationskultur derzeit erfährt.

Anonymous said...

@ hvw

Namen? Wir wärs mit "Facharbeit", "Diplomarbeit" oder einfach "pop science"?

Ich würde mal sagen, da hat unser Ethnologe mit einem kurzen Blick ein Paper zerlegt. Im Peerreview fehlte einfach ein Geisteswissenschaftler (was irgendwie zeigt, dass da etwas nicht stimmte bei der Themenwahl).

Andreas

Andreas

S.Hader said...

Hallo Werner Krauss, wie schon gesagt, man kann über die Auswahl der Orte streiten.

Noch zu "Wäre es nicht besser zu fragen: wie halten wir unsere Böden trotz Meeresspiegelanstieg fruchtbar? Wie schützen wir unser Erbe? Wie unsere Städte? Und: wie verhindern wir eine weitere Erwärmung?"

Wenn man Autor eines wissenschaftlichen Papers ist, ist man schon froh, wenn man in einem kleinen, isolierten Teilbereich eines Fachgebietes neue Ergebnisse oder Ideen präsentieren kann. Das sind allerdings schon hohe Ansprüche, die Sie mit Ihren Fragen da stellen. Zumal es ja wohl Einigkeit gibt, das die Verhinderung einer weiteren Erwärmung (auch) eine politische Frage ist.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich noch weniger ein Gefühl dafür habe, was jetzt eigentlich der Hauptkritikpunkt ist im Vergleich zu vorher. Aber gut möglich, das es andere verstanden haben. :)

och nö said...

Wenn es hilft, die Geldverschwendung bei der Elbphilharmonie einzudämmen, entmotte ich gerne die Familienkutsche vor Ende März.

Werner Krauss said...

Lieber S. Hader,

ich wundere mich über Ihre Verwunderung. Hier meine Hauptkritikpunkte, fein durchnummeriert:

1. Das ist nicht irgendeine kleine wiss. Arbeit, sondern eine, die im Guardian, in der SZ, im Abendblatt und wahrscheinlich noch einem Dutzend anderer Zeitungen erschienen ist.

2. Diese Studie ist kein Einzelfall, sondern fast täglich wird so eine Sau durchs Dorf getrieben. Ich bin an zwei Presseverteiler angeschlossen: von mehr Unfällen durch häufigeres Glatteis in Bremen als Folge der Klimaerwärmung (CSC) bis zum Untergang der Malediven, das ist so die tägliche Bandbreite, was die KLIMAWISSENSCHAFTEN an die Presse geben.

3. Natürlich könnte man das Beispiel Welterbe durch irgendwas anderes ersetzen. Genau das ist das Problem: es geht den Autoren überhaupt nicht um das Welterbe oder sonst irgendwas: es ist ihnen, ums mal deutlich zu sagen, scheißegal um was es geht. Es geht Ihnen nur darum, ein diffuses Katastrophenszenario aufzuziehen, sich in der Klimadebatte zu positionieren und die Diskurshoheit zu haben - selbst wenn der Diskurs dann von NICHTS bzw. der totalen BELIEBIGKEIT handelt.

4. Das Welterbe ist ein gutes Beispiel, gut zu denken. Mein Punkt ist: wenn man z.B. das Welterbe ernst nehmen würde, dann würde sich die Frage stellen, was "Erbe" eigentlich ist, wie das in unterschiedlichen Kulturen gehandhabt wird, welche Konflikte es darum gibt etc. Was bedeutet es denn für das spezifische UNESCO Welterbe, wenn sich das Klima ändert? Und wie verändert sich dadurch unser Verständnis von Erbe, von Menschheit und der Welt? Erst durch diese Brille gesehen wird der Klimawandel real in Beziehung zur Welt. Das wären wirklich klimapolitische Fragen und nicht so ein Kasperletheater, wie es Klimawissenschaften mit solchen Studien immer wieder aufführen.

5. Dasselbe gilt natürlich auch für die meisten Kritiker solcher Weltuntergangsszenarien: auch dort wird in der Regel so argumentiert, als ob die Realität nur so ein Anhängsel von Klimamodellen wäre.

6. "Dann müssen die Sozialwissenschaftler eben mal sehen, ob der Verlust des Welterbes den Leuten was ausmacht oder was ihnen das wert ist" - so oder ähnlich lautet dann der Auftrag an Leute wie mich oder Ökonomen. Das muss man sich mal vorstellen, was für ein Weltbild und für eine Politik- und Demokratievorstellung hinter einer solchen Frage steckt! Steinzeit. Da mag man gar nicht drüber nachdenken, oder?

Anonymous said...

Ergänzungen:

zu 1)
Wissenschaftlich völlig bedeutungslos (wo ist da das Neue?), medial dagegen von großem Interesse, dank dem Begriff "Weltkulturerbe"

zu 3)
Ja, im gesamten Paper wird an keiner einzigen Stelle ein Unterschied gemacht, ob es sich um Weltkulturerbe oder gelb-schwarz lackierte Pfähle mit BVB-Emblem handelt.

Schmunzeld frage ich mich, ob der Meeresspiegelanstieg nicht auch Chancen für neue Welterbe bietet. Venedig ist ja auch nicht durch menschliche Absicht entstanden ;-)

Andreas

S.Hader said...

Sehr geehrter Werner Krauss, danke für die strukturierte Darlegung Ihrer Punkte. Einiges ist mir wirklich klarer geworden. Ein paar Anmerkungen noch dazu:

"1. Das ist nicht irgendeine kleine wiss. Arbeit, sondern eine, die im Guardian, in der SZ, im Abendblatt und wahrscheinlich noch einem Dutzend anderer Zeitungen erschienen ist."

Ich hab zu einer Zeit Wissenschaft betrieben, da hat man die Relevanz einer wissenschaftlichen Arbeit nicht an der Anzahl der Zeitungsverlautbarungen gemessen sondern beispielsweise, wie häufig die Arbeit im späteren Verlauf von anderen Wissenschaftlern zitiert wurde. Ich wäre bis zuletzt davon ausgegangen, dass das auch noch heute seine Gültigkeit hat. Hat sich dahingehend etwas geändert?

"2. Diese Studie ist kein Einzelfall, sondern fast täglich wird so eine Sau durchs Dorf getrieben. Ich bin an zwei Presseverteiler angeschlossen: von mehr Unfällen durch häufigeres Glatteis in Bremen als Folge der Klimaerwärmung (CSC) bis zum Untergang der Malediven, das ist so die tägliche Bandbreite, was die KLIMAWISSENSCHAFTEN an die Presse geben."

Okay, in dem Punkt muss ich wirklich zugeben, keinen Einblick zu haben. Ich weiß nicht, wie viel Aufwand Pressestellen von Unis und Instituten in der medialen Vervielfältigung eigener Arbeiten betreiben. Es scheint zumindest eine immer wichtigere Rolle zu spielen. An der Stelle muss ich einfach mal das glauben, was Sie sagen.

"3. Natürlich könnte man das Beispiel Welterbe durch irgendwas anderes ersetzen. Genau das ist das Problem: es geht den Autoren überhaupt nicht um das Welterbe oder sonst irgendwas: es ist ihnen, ums mal deutlich zu sagen, scheißegal um was es geht."

Besitzen Sie telepathische Fähigkeiten, Herr Krauss? Mit Verlaub gesagt, Sie können ja gerne Vermutungen über deren Motive anstellen, aber wissen können Sie doch nicht, was deren genaues Anliegen wirklich war. Von daher würde ich etwas mehr Zurückhaltung beim Spekulieren von inneren Motiven schon begrüßen.

MfG
S.Hader

Quentin Quencher said...

@ Werner Krauss

„"Dann müssen die Sozialwissenschaftler eben mal sehen, ob der Verlust des Welterbes den Leuten was ausmacht oder was ihnen das wert ist" - so oder ähnlich lautet dann der Auftrag an Leute wie mich oder Ökonomen.“

Führt das dann dazu, dass es auch „alarmistische“ und „beschwichtigende“ Sozialwissenschaftler gibt? Hier also auch Unterscheidungen vorgenommen werden können, wie wir sie aus dem Klimazirkus kennen?

Sie vermuten richtig, ich nehme an dass das so ist. Was mich dann aber zu der Frage bringt: „Was ist es denn nun eigentlich, was unser Handeln bestimmt?“ Naturwissenschaften sind es nicht, Geisteswissenschaften auch nicht. Mehr und mehr neige ich zu der Auffassung, dass es in allererster Linie Fiktionen und Ökonomie sind, die am meisten Einfluss haben. Wobei ich jetzt Ökonomie nicht allein auf Geld und Wirtschaft beschränkt sehen möchte, sondern damit auch das Bedienen von Eitelkeiten und Machtanspruch und Machtausübung hinein interpretieren möchte. Also die Befriedigung von Bedürfnissen im Allgemeinen. Eitelkeit und Macht, um bei diesen Beispielen zu bleiben, lassen sich ja nur bedingt mittels Geld befriedigen.

Natürlich gibt es auch Idealisten, die nur auf Grund ihrer Vernunft glauben zu handeln, die dann aber annehmen, andere müssten doch ebenso dieser Vernunft folgen können.

Um aber noch einen Bogen zum Thema hier zu schlagen, der ganze Klimawandeldiskurs erscheint mir immer mehr lächerlich, und noch mehr verlogen. Und zwar von allen Seiten.

hvw said...

Werner, SHader,

Ich hab zu einer Zeit Wissenschaft betrieben, da hat man die Relevanz einer wissenschaftlichen Arbeit nicht an der Anzahl der Zeitungsverlautbarungen gemessen sondern beispielsweise, wie häufig die Arbeit im späteren Verlauf von anderen Wissenschaftlern zitiert wurde.

Gute Frage! Kommt wohl darauf an wer beurteilt. Könnte schon sein, dass eine Arbeit, die es in Tageszeitung oder TV-Nachrichten schafft, unabhängig vom wissenschaftlichen Gehalt für die Autoren "einträglicher" ist als das Gegenteil. Wäre mal ein Job für Humanwissenschaftler, die aktuellen Anreizsysteme im Wissenschaftsbetrieb aufzudröseln. Allerdings scheint in dieser Ecke die Notwendigkeit zur medialen Präsenz noch viel ausgeprägter zu sein.

Diese Studie ist kein Einzelfall, sondern fast täglich wird so eine Sau durchs Dorf getrieben.

Ja und was genau ist dann das Problem damit? Könnte es vielleicht sein, dass eine Auswahl von Wissenschaftlern einen Weg gefunden hat, ohne ruinösen Aufwand die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in regelmässigen Abständen auf das Problem "globale Erwärmung" zu lenken? Und dass genau das nötig und wünschenswert ist, um eine kleine Chance zu haben, der "status-quo - Lobby" etwas entgegenzusetzten?

people tend to assess the relative importance of issues by the ease with which they are retrieved from memory—and this is largely determined by the extent of coverage in the media. (Daniel Kahneman)

Wenn man das als Strategie sieht und nicht als "langweilige Wissenschaft", dann bekommen diese durchs globale Dorf getriebenen Säue vielleicht einen Sinn?

Werner Krauss said...

oh, vielen Dank, meine Herren, für die anregenden Kommentare! Hier ein paar Ein- und Ausfälle dazu:

S. Hader #20

zu 1: Ja, es hat sich etwas geändert. Wiss. Journale wie Nature sind kommerzielle Unternehmen, für die wiss. Artikel Waren sind, die auf dem Medienmarkt angeboten werden, während die Wissenschaftler Veröffentlichungen in Nature brauchen, um ihre Promotion etc. zu erreichen oder möglichst oft zitiert zu werden. Dies nur 1 Beispiel, wie komplex die Relevanzfrage ist. Das system der peer review zwischen pal review, Spezialistentum und Überforderung haben wir hier schon öfters diskutier: auch die peer review ist eine soziale Praxis, die Veränderungen ausgesetzt ist.

2. Lesen Sie keine Tageszeitungen? Die Welt geht in der Regel in der Rubrik "Vermischtes" unter, mit Verweis auf eine neue Studie eines renommierten Klimainstituts. Täglich.

3. Nein, keine telepathischen Fähigkeiten. Ich habe nur die Studie selbst gelesen. In dieser Studie zeigen die Autoren NULL Interesse für ihren Gegenstand. NULL. NADA.

Werner Krauss said...

Quentin Quencher #21

Was unser Handeln bestimmt? Ich würde sagen: Das Begehren, mitreden zu dürfen, dabei zu sein, teilzuhaben. (Vorsicht: Sonntagmorgenpredigt!)

Es sind nicht die Wissenschaften, die unser Handeln bestimmen. Die Klimawissenschaften konfrontieren uns mit einem Problem, das wir vorher so nicht hatten: die Auswirkung von Treibhausgasemissionen. Sie ist damit beschäftigt, das immer genauer zu definieren. Die Geistes- und Sozialwissenschaften versuchen herauszubekommen, wie sich die Welt dadurch verändert, dass Klimawandel ein wichtiger Faktor geworden ist - was ist passiert, welche neuen Akteure tauchen auf, welche verschwinden etc.
Der Staat, die Politik greift das Problem auf und versucht, es zu verwalten, zu besteuern, zu ordnen oder gar zu lösen -- und bedient sich dazu der Wissenschaften, die wiederum darum konkurrieren, möglichst nahe an der Macht teilzuhaben. Daraus ergibt sich ein vielstimmiger Klimadiskurs, der im Kern unsicher ist - worum handelt es sich beim Klimaproblem genau? was ist zu tun? - und daher immer neu bestätigt, bewiesen, herausgefordert werden muss. Politik wird Klimapolitik (zumindest teilweise), Gesellschaften werden "Klimaanlagen", und die Menschen werden Klimasubjekte: von der Ökosteuer bis zur Frage, ob Fleisch oder Gemüse besser für das Klima ist: der Klimawandel dringt bis in die feinsten Verästelungen von Gesellschaft vor.
Aus dieser Sicht macht es keinen Unterschied, ob man dafür oder dagegen (was auch immer) ist: das Begehren an der Macht, an der Gestaltung teilzuhaben wird "klimatisiert". Das gilt auch für Sie, Quentin Quencher, und ihre Freunde auf scienceskeptical: von der Frage, ob Fleisch gesund ist über die Diskussion von Rhetorik und Lebensstil bis hin zu Fragen des Rechts, der Energie, der Ökonomie und schließlich auch der Frage, was Freiheit ist - alles dreht sich um den Klimawandel. Das ist nicht lächerlich, das ist ein Indiz dafür, wie stark der Klimadiskurs die Ordnung der Dinge und der Gesellschaften bereits strukturiert. Es gibt kein außerhalb davon,es gibt nur die Möglichkeit, den Diskurs zu verändern. Ihn zum verschwinden zu bringen? Der erste Schritt wäre dann konsequenterweise, die klimazwiebel und scienceskeptical einzustellen.




Werner Krauss said...

hvw #22

"Wäre mal ein Job für Humanwissenschaftler" - oha, lässig! Problemchen weiterschieben, mit lässig autoritärer Geste! Wie wärs mit ein bißchen Eigenanalyse?

"..ohne ruinösen Aufwand die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in regelmässigen Abständen auf das Problem 'globale Erwärmung' zu lenken?"

tja, so kann man das sehen, und so wird das ja auch praktiziert. Dazu fällt mir nur ein: ist der Ruf erstmal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!

Quentin Quencher said...

@ Werner Kraus

Im Grunde stimme ich Ihnen zu, nur hier möchte ich Zweifel anmelden:

„von der Frage, ob Fleisch gesund ist über die Diskussion von Rhetorik und Lebensstil bis hin zu Fragen des Rechts, der Energie, der Ökonomie und schließlich auch der Frage, was Freiheit ist - alles dreht sich um den Klimawandel.“

Ich denke, die Diskussion Klimawandel ist ein Diskussion über den Apfel, ohne den Apfelbaum zu betrachten, oder den Ort wo dieser Apfelbaum steht. Ich denke nicht, dass sich alles um den Klimawandel dreht, das ist nur Fassade, es geht um Ideologien und Grundüberzeugungen und um den politischen Streit darüber. Und selbstverständlich trifft dies auch auf mich zu. Warum auch nicht, ich finde das legitim.

hvw said...

Werner Krauss, #25.

oha, lässig! Problemchen weiterschieben, mit lässig autoritärer Geste! Wie wärs mit ein bißchen Eigenanalyse?

Amateurtheorien gibt es da genug, inklusive "Eigenanalyse". Können die Naturwissenschaftler doch nichts dafür, dass der Wissenschaftsbetrieb nun mal nicht unter "Natur" fällt. Verständlich, dass sich auch von den Profis kaum einer rantraut, Eigenanalyse könnte ja wehtun. Aber eine etwas ausgefeiltere Begründung für die Arbeitsverweigerung hätte ich jetzt schon erwartet.

tja, so kann man das sehen, und so wird das ja auch praktiziert. Dazu fällt mir nur ein: ist der Ruf erstmal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!

Sie denken also auch, dass es notwendig ist, das Thema Klimawandel in den Medien präsent zu halten, verhöhnen aber Leute, die Opfer bringen (interessante Arbeit, wiss. Anerkennung, Zitationen) um dazu beizutragen?

Werner Krauss said...

hvw #27,

ich glaube, diese Thematik von Wissensproduktion und der Rolle der Medien wurde und wird in den Medien-, aber auch Politik- und Sozialwissenschaften schon ausgiebig erörtert, gerade auch am Beispiel der Klimawissenschaften. Mit ein bißchen googlen lässt sich da einiges finden (auch und gerade von Hamburger Medien- und Sozialforscherinnen).

"Eigenanalyse" ist immer nützlich: wie informieren Sie sich denn, hvw, welche Rolle spielen Pressemeldungen bei Ihrer Meinungsbildung zum Klimawandel? Hier auf der Klimazwiebel zum Beispiel eine große: Pressemeldungen über wissenschaftliche Forschungen sind der link zwischen Gesellschaft und Wissenschaft (?)).

Nein, natürlich "verhöhne" ich die Autoren der Welterbestudie keinesfalls, das liegt mir fern. Ich kritisiere deren Umgang mit Welterbe UND versuche hier in diesem thread - inzwischen in beträchtlicher Länge - einen ethnologischen Ansatz als Gegenstück / Ergänzung zu entwickeln. Da wir hier auf einem blog sind, spitze ich da zu und polemisiere, aber ich glaube, die Herren Marzeion und Levermann können das schon ab.

Es ist manchmal mühsam, da die Klimadebatte auch hier auf der Klimazwiebel immer wieder in einer Diskussion der Statistik und der Modelle - also eine Debatte des naturwissenschaftlichen Aspekts - abgleitet. Muss ja auch sein, aber es ist eben nur ein Aspekt des Klimawandels.

Kultur bedeutet ja nicht, irgendeine "falsche" oder irgendwie volkstümliche Auffassung zu haben ("Natur schlägt zurück" wird oft angeführt als "kulturelle Sichtweise"), sondern Kultur ist meiner Meinung nach der Dreh- und Angelpunkt jeder Klimapolitik. Es mag ja sein, dass nach dem statistischen Modell Hamburg in 1000 Jahren absäuft und das Nordderby Werder gegen HSV dann nur noch unter Waser zu besichtigen sein wird (das legt zumindest die Marzeion / Levermann Studie nahe). Aber ich halte dagegen, dass die Hansestädte im Laufe der Jahrhunderte eine Art "Hochwasserkultur" entwickelt haben und diese auch pflegen, mit allen damit verbundenen Konflikten. Ich würde schätzen, dass Hamburg auch weiterhin Deiche bauen, vielleicht Seitenarme der Elbe öffnen, Bebauungen neu reglementieren wird etc etc. Damit entsteht aber ein ganz anderes Bild wie das in dem Katastrophenszenario der hier diskutierten Studie. Meiner Meinung nach ein viel realistischeres. In diesem kulturellen Ansatz, so meine These, spielen Klimamodelle in der Planung eine wichtige Rolle, nicht mehr und nicht weniger. der fokus aber ist ein holistischer Blick, der z.B. Stadtentwicklung, Ökonomie, Politik, aber auch mentalität etc im Blick hat - wie im "echten Leben" eben.

In der Welterbestudie von Marzeion / Levermann hingegen spielt Welterbe eine unspezifische Rolle - egal ob Venedig oder Hamburg. Ziel ist es die Menschen oder die Politik aufzurütteln, Welterbe ist nur als Symbol, nicht aber als konkrete kulturelle Praxis, als Stadt, Religionsstätte oder Nationaldenkmal gemeint. Diese rein "symbolische" Strategie verfolgt ein großer Teil der Klimawissenschaften seit nunmehr Jahrzehnten, und seit Jahrzehnten gibt es auch Kritik an dieser Strategie. Aus dieser Kritik heraus einen neuen Ansatz zu entwickeln: das reizt mich und dazu habe ich dieses Beispiel hier benutzt - nicht, um die Autoren herabzusetzen. Es würde mich freuen, wenn z.B. auch Sie, hvw, meinen inhaltlichen Ansatz kritisch kommentieren würden, das würde mich interessieren und mir weiterhelfen, ihn zu entwickeln.

Karl Kuhn said...

Solche Studien werden ja nicht, wie von Hvw angedeutet, aus Opferbereitschaft geschrieben - es sei denn, man ginge davon aus, dass auch den Autoren solcher Studien ihr Sujet nach Jahren allmählich zu den Ohren rauskommt. Vielmehr ist Klimawandel einfach eine Riesen-Wissenschaftscashcow. Und jemand, der am PIK arbeitet, also einem Institut, das laut Namen Klimafolgenforschung betreiben muss, naja, der/die wird dann eben wohl oder übel solche Artikel schreiben müssen, egal wie die persönliche Haltung dazu aussieht. Der Staat als Wissenschaftsförderer bietet derzeit einfach sehr große Anreize für die Produktion dieser Sparte, also bekommen wir deren Produkte in allen denkbaren Variationen regelmäßig serviert, und für 'neue Säue' wird zuverlässig gesorgt und gezahlt.

Werner Krauss said...

Quentin Quencher #26,

leiser Widerspruch: ohne Klimawandel kein scienceskeptical blog, keine Klimazwiebel, keine der dort geführten Diskussion über Gott und die Welt. Es gibt keine dahinter stehenden eigentlichen Prinzipien, sondern diese werden erst an diesem Beispiel entwickelt oder (wieder-) aufgeführt. Daher ist meiner Meinung nach der Streit um den Klimawandel nicht "reine Fassade" - aber er ist legitim, da stimme ich Ihnen natürlich voll zu.

Quentin Quencher said...

@ Werner Kraus

Ja natürlich, Science-Skeptical würde es bestimmt nicht geben, die Klimazwiebel auch nicht. Aber AchGut, oder SPON, oder irgendwas anderes. Ich verstehe aber trotzdem Ihre Aussage nicht ganz:

„Es gibt keine dahinter stehenden eigentlichen Prinzipien, sondern diese werden erst an diesem Beispiel entwickelt oder (wieder-) aufgeführt.”

Natürlich, ich habe gesagt, es ist alles nur Fassade, diese Aussage hat etwas absolutes und ist der Notwendigkeit geschuldet, sich in Kommentaren kurz und prägnant auszudrücken um die Leser auch nicht zu langweilen. Und genauso ist Ihre Aussage, dass es keine dahinter stehenden Prinzipien gibt, zu lesen. Obwohl als absolute Aussage vorgetragen, wissen Sie sehr wohl, dass auch diese Aussage so nicht stimmt. Wir haben wahrscheinlich beide zum Teil recht, gewichten nur unterschiedlich. Wir haben eben einen unterschiedlichen Blick auf die Gesellschaft.

Dennoch würde mich interessieren, worauf Sie Ihre Einschätzung gründen, dass die Prinzipien erst am Beispiel entwickelt würden. Das kann ich mir schlecht vorstellen. Es ist natürlich nicht ganz auszuschließen, dass dies vereinzelt der Fall ist, doch in meiner Wahrnehmung ist das eine kleine Minderheit.

Unknown said...

Nur eine geschichte, wie der "großer Mist Krise von 1894".

hvw said...

Werner Krauss,

ob ihrer ernsthaften und langen #28 bin ich wohl noch einen "kritischen Kommentar" schuldig.

Mein Genervtsein von der immer gleichen Reaktion auf die Marzeion/Levermann-Events, rührt daher, dass es sich bei der "Jahrzehnte alten Kritik" nie um Kritik (Kant) sondern immer um Kritik (von Storch) handelt. Interessante Fragen für eine Kritik wären: Wiegt Medienpräsenz den Mangel an Zitationen auf? Oder wirklich eher "mal wieder 2 Wochen opfern um die Message zu erneuern"? Rolle der Medien: Horrende Inkompetenz (Sueddeutsche: wir erwähnen die Zeitskala besser mal überhaupt nicht!) oder "mithelfen was Gutes zu tun"? Mischung aus beidem? Am wichtigsten: Beobachten wir einen Wandel der Wissenschaftskultur; werden solche Events anerkannter Teil des wissenschaftlichen Outputs? Diese Dinge machen mir Sorgen, nicht, ob jetzt ein "Skeptiker" noch "skeptischer" wird.

Entgegengesetztes Problem: Wieso wird das, was die Wissenschaftler für wichtig halten, nicht berichtet? Z.B. heulen gerade alle rum, wie doof das war, dass man der Öffentlichkeit das mit der natürlichen Variabilität nicht früher erklärt hat, w.g. Hiatus und so. Ja hätte denn jemand so etwas langweiliges gedruckt? Seeeis nimmt dramatisch ab in letzter Zeit, selbst die krassesten Lalaland-"Skeptiker" bestreiten das nur noch leise. Was, wenn das jetzt 2015-2030 stagniert, oder ein bisschen zunimmt? Die Modelle geben das wohl her (natürliche Variabilität, wissen schon). Wie kriege ich sowas in den Guardian?

Ihren Fokus, "Hochwasserkultur", "holistischer Blick", .. finde ich sehr spannend, auch notwendig und wichtig. Wichtiger und spannender als vieles, was mit Klimawandel zu tun hat, oder haben will. Eine lokale Betrachtung kann (wenns denn "Klimawandel" sein muss), nur mit "Anpassung" zu tun haben. Ich weiss jetzt keine Situation, in der "Anpassung an den Klimawandel" nicht für die nächsten ~20 Jahre identisch mit "Anpassung an das aktuelle Klima" ist. Und nur in einem Sonderfall wie dem Küstenschutz, wo der global Klimatrend sich +/- monoton und verhältnismässig gut vorhersagbar in konkrete lokale Gefährdung übersetzt, kann man sich mit ihrem Ansatz/Interesse einigermassen sinnhaft an "Klimawandel" anflanschen. Und mal unter uns, ihr Thema bleibt doch auch ohne Klimamodelle, oder gar -wandel noch intakt, oder?