Tuesday, April 9, 2013

Klaus Hasselmann zur „Die Klimafalle“ von Hans von Storch und Werner Krauss




Ein Kommentar von Klaus Hasselmann 

Klaus Hasselmann und Hans von Storch ca. 2007
Meine Gratulation, Dir Hans, und Deinem Koautor Werner Krauss, zu Eurem interessanten und anregenden Buch - auch wenn ich - was Dich nicht überraschen wird, Hans -  durchaus nicht mit Euren Schlußfolgerungen im Einzelnen übereinstimme. Aber Eure Schilderung der Herausforderungen an die Klimaforscher beim Übergang von der Erforschung des Klimas an sich zur Vermittelung der Forschungsergebnisse an Öffentlichkeit und Politik ist akkurat, lebendig, und trifft aus meiner eigenen Erfahrung – bis auf einige Details - durchaus den Kern. 


Allerdings verstehe ich dann nicht den Titel des Buchs. Wieso ist diese Herausforderung eine Falle? Ist es nicht die Pflicht des Wissenschaftlers, seine Forschungsergebnisse zu vermitteln? Und ist es nicht  die Pflicht eines jeden Bürgers, sich mit den aktuellen Herausforderungen der Gesellschaft auseinander zu setzen? (Die Ergebnisse, wenn sich die informierten und gebildeten  Teile der Gesellschaft aus der politischen Verantwortung zurück ziehen, haben wir in der Nachfolge der Weimarer Republik mit Schrecken erlebt.) Im Falle des Klimaproblems sind wir als Klimaforscher aufgefordert, gemeinsam mit Ökonomen, Politikwissenschaftlern und anderen Experten die Konsequenzen der globalen Erwärmung für Politik und Gesellschaft zu analysieren, um  dann mögliche Mitigations- und Adaptionsmaßnahmen zu erarbeiten und der Politik zu empfehlen. Wenn wir als sogenannte Experten dies nicht leisten, wer denn sonst? Natürlich muß die Politik und die Gesellschaft letztlich demokratisch entscheiden, was  unter Abwägung aller Interessen wirklich durchgeführt wird, aber wir müssen die notwendigen Grundkenntnisse als Vorarbeit bereitstellen.

Dabei kommen wir unvermeidlich auch mal ins Visier starker Lobbyinteressen, und reagieren dann auch gelegentlich etwas ungeschickt auf den ungewohnten Stil des Disputs, dem wir plötzlich ausgesetzt sind. Die entstehenden Strohfeuer werden dann auch gern von den Medien angefacht, die mit den ewig wiederholten, seit Jahrzehnten kaum veränderten Prognosen der Klimaforscher  keine Schlagzeilen mehr machen können (siehe z..B. mein Kommentar zu Climategate: “The climate change game“, Nature Geoscience, 3, 511-512, 2010). Dennoch würde ich diese Irritationen nicht als “Klimafalle“ sehen, sondern sie auf die gleiche, langfristig harmlose Stufe stellen wie die vergeblichen Versuche der Tabakindustrie, die Gefahren des Rauchens zu verneinen.

Das eigentliche Problem der Klimapolitik ist heute längst nicht mehr die Information über die voraussichtliche zukünftige Klimaänderung an sich – obwohl es natürlich hier noch viel zu erforschen gibt – sondern die oben genannte Frage der gesellschaftlichen und politischen Antwort darauf. Das Potsdam Institut für Klimafolgeforschung unter Leitung von Hans-Joachim Schellnhuber hat hierzu entscheidende Beiträge geliefert. Ohne die von PIK propagierte Präzisierung der Mitigationsziele als  Einhaltung der 20C maximalen Erwärmung, und den daraus folgenden wichtigen Leitgrößen des endlichen  per capita  CO2 Emissionsbudgets, wäre die Klimaschutzdebatte substanzlos.

Das Scheitern der bisherigen internationalen Klimapolitik liegt nicht an diesen wichtigen begrifflichen Vorgaben, sondern schlicht und einfach an dem Gefangenen-Dilemma:  In einer auf internationaler Konkurrenz statt Kooperation ausgerichteten Weltwirtschaft versucht jedes Land anderen Ländern, statt sich selbst, die erwarteten Kosten und wirtschaftlichen Nachteile der Emissionsreduktion auf zu bürden.  Und so wird rücksichtslos - und leider ohne Wahrnehmung der tickenden Uhr – weiter gepokert.

Dennoch haben Umfragen weltweit gezeigt, dass alle Bevölkerungen, auch in weniger entwickelten Ländern, eine wirkungsvolle Klimapolitik auch im eigenen Land wünschen, sofern diese nicht allzu große persönliche Opfer erfordert. Den Beweis, dass dieses möglich ist, und sogar wirtschaftliche Vorteile bringen kann, könnte die Energiewende in Deutschland erbringen, und damit eine Wiederbelebung der internationalen Klimapolitk bewirken.

Zum Schluß noch eine kleine Korrektur des Buches (S. 32) in eigener Sache:  Nach meiner Emeritierung wandte ich mich in der Tat als Wissenschaftler “der Quantenphysik zu, was die Welt im Innersten zusammenhält“, und “überließ die Klimawissenschaft“ an sich “ konsequenter Weise“ meinen überaus kompetenten Nachfolgern. Aber als Bürger und Wissenschaftler engagiere ich mich nach wie vor mit den Fragen der Auswirkung des Klimawandels auf Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Dies erfolgt unter anderem durch Publikationen und als stellvertretender Vorsitzender des von mir gegründeten Global Climate Forums, das heute unter dem Vorsitz von Carlo Jaeger, einem ehemaligen PIK Abteilungsleiter,  eine reiche Palette wichtiger, brückenbildender Aktivitäten verfolgt. Ich würde mich freuen, wenn Euer Buch, Hans, ähnliche  Aktivitäten bei seinen Lesern auslösen würde, ohne Sorgen um versteckte Fallen.   

56 comments:

Anonymous said...

Wow, danke, Herr Hasselmann.
Sie bringen pointiert und wohldosiert exakt das auf den Punkt, was ich mich immer frage, aber nicht so zu formulieren imstande bin.

Andreas

Günter Heß said...

Ach so, die gebildeten Teile der Bevölkerung haben sich
Am Ende der Weimarer Republik zurückgezogen.
Grüße
Günter Heß

Anonymous said...

"Das eigentliche Problem der Klimapolitik ist heute längst nicht mehr die Information über die voraussichtliche zukünftige Klimaänderung an sich"

Die vertraute "science-is-settled"-Attitüde mit dem diskreten Zugeständnis ... "obwohl es natürlich hier noch viel zu erforschen gibt".
Und ob, denn offenbar und entgegen öffentlicher Verlautbarungen gilt im Wesentlichen eher nichts Genaues weiß man nicht ...

http://notalotofpeopleknowthat.wordpress.com/2013/04/08/met-offices-private-briefing-document-for-the-environment-agency

Was die Energiewende und das Verfolgen, wissenschaftlich kaum haltbarer aber politisch motivierter 2-Grad-Ziele anbelangt, rechnet dafür Bjørn Lomborg im SPIEGEL (12/2013) vor (unter der Annahme einer tatsächlich eintretenden Erwärmung):

“Alle Anstrengungen Deutschlands beim Ausbau erneuerbarer Energien werden den Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts daher sogar nur um 5 (!) Tage hinauszögern” und “Der derzeitige Emissionsrückgang durch Ausbau der erneuerbaren Energien, für den Deutschland hunderte von Milliarden Euro ausgibt, entspricht dem Anstieg der chinesischen Emissionen in 19 (!) Tagen”

Das Verhalten der Tabakindustrie und Climategate als Irritationen auf der gleichen, langfristig harmlosen Stufe?!?

Kurz, weitermachen wie bisher und das PIK die entscheidenden Beiträge liefern lassen ...

Was die Rolle der intellektuellen Eliten zur Zeit des Nationalsozialismus anbetrifft, dazu gibt es hier wissenswertes zu erfahren ...

http://www.amazon.de/Hitlers-Elite-Wegbereiter-nationalsozialistischen-Massenmords/dp/3549074204

Wenn das unbelehrbare Volk den angeblich "seit Jahrzehnten kaum veränderten Prognosen der Klimaforscher" weiterhin und zunehmend distanziert gegenübersteht, mögen dafür durchaus auch geschichtliche Erfahrungen eine Rolle spielen, von jenen im Osten Europas, Stichwort Lyysenko, einmal abgesehen.

V. Lenzer

Hans von Storch said...

Vorab, Klaus - herzlichen Dank für diesen Einwurf.

Wir haben die "Klimafalle" etwas anders gemeint. Es geht nicht um die Frage, ob Wissenschaftler sich zur Politik äußern, sondern ob - entweder: sie aktiv den politischen Spielraum mit dem Hinweis auf wissenschaftliche Notwendigkeit bzw. der eigenen überlegenen Kompetenz (die sie ja nur in einem sehr engen Gebiet haben) einengen, oder: sie zulassen, daß interessierte Parteien mit dem Hinweis auf angebliche wissenschaftliche Notwendigkeit gesellschaftliche Optionen als zwingend, alternativlos, nicht mehr gesellschaftlich verhandelbar darstellen. Damit führen diese Wissenschaftler die Wissenschaft in die Falle, weil sie, die Wissenschaft, so ihr Kapital verliert, nämlich das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Merton'schen Qualitäten eben "der" Wissenschaft. In dieser Dynamik verliert die Politik, weil sie nicht mehr Optionen unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Akzeptanz und Werte verhandelt, und Wissenschaft, weil Wissenschaftler sich selbst zensieren in ihren Resultaten, um die politische Nützlichkeit nicht zu gefährden ("Das darfst du nicht sagen, das nützt den Skeptikern"). Politik wird depolitisiert und verwissenschaftlicht, Wissenschaft wird politisiert und dewissenschaftlicht. Für beide sozialen Akteure schlecht.

Wir sehen ja, daß nun, nach vielen Jahren geringer kritischer Nachfrage, die Vorbehalte gegenüber den politischen Folgerungen der sichtbaren Klimaforscher immer breitere Akzeptanz finden - die Autorität "der Klimaforschung" in der Gesellschaft schwindet.

Ich frage mich, ob wir gerade das wiederholen, was die Atomphysik mit ihrem Plädoyer für die Kernenergie (und dem folgenden grandiosen gesellschaftlichem Scheitern) vorgemacht hat. Aber vielleicht ist dieser Vergleich doch daneben.

sil_beck said...

Meinen Herren Lenzer und Heß,
ein bisschen mehr Respekt und Anerkennung bitte schön. Was ist das denn hier?
Ich finde diesen, außerordentlich eloquenten und reflektierten Versuch von Seiten Herrn Hasselsmanns, als Wissenschaftler Verantwortung zu übernehmen, sich seiner Rolle zu stellen, außerordentlich konstruktiv.
Alle Vorstöße, diese Diskussion zu eröffnen und vor allem weiterzuführen, sollten nicht im Ansatz mit irgendwelchen drittklassigen Vergleichen - entweder Eliten im Dritten Reich oder Lysenko - zu gemüllert werden.
Ein Vorstoß dieser Art hat es nicht verdient, von Ihnen aus irgendwelchen anderen Motiven in dieser Art und Wese in den Dreck gezogen zu werden. Entschuldigung.
Könnten wir damit zu den Hasselmann Fragen übergehen: was hei0t eigentlich Klimafalle? Für was steht der Begriff tatsächlich, wann schnappt diese zu und wie lässt sich diese umschiffen.

Günter Heß said...

Liebe Frau Beck,
der politisch korrekte Herr Hasselmann hat dieses Argument gebraucht:
"(Die Ergebnisse, wenn sich die informierten und gebildeten Teile der Gesellschaft aus der politischen Verantwortung zurück ziehen, haben wir in der Nachfolge der Weimarer Republik mit Schrecken erlebt.)"
Das ist ein typisches unbelegtes Pseudoargument eines Politikers auf das seine Argumentation offensichtlich aufbaut.
Es ist mir schon klar, dass Sie das nicht mögen.
Aber er hätte es ja nicht schreiben brauchen.
Bei mir kam deshalb nur der Eindruck eines Wissenschaftlers der seine politischen Argumente wohlgeübt hat. Schade, man darf eben die Argumente der politisch Korrekten Herren und Frauen nicht hinterfragen, noch nicht mal zitieren.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

Quentin Quencher said...

Lieber Hans von Storch,

der Vergleich mit der Kernkraft ist nicht unpassend, wenngleich ich nicht denke, dass die Physiker die diese Technik propagiert haben gesellschaftlich gescheitert sind. In Deutschland ja, international wohl kaum. Aber das können wir dahingestellt lassen.

Die Grundüberzeugung dass wir im Zeitalter des Anthropozän leben, ist in Deutschland weit verbreitet, damit einher geht eine Zivilisationskritik und die Angst vor der Moderne. Insbesondere der wissenschaftlich-technischen Moderne. Fortschrittsoptimismus wurde durch Fortschrittspessimismus abgelöst. Nur vor diesem Hintergrund konnte die politische Klimadebatte eine solche Wirkung erzielen, wie es eben geschah. Die Ablehnung der Kernkraft hat den gleichen Hintergrund.

Ralf Füchs, Grüner und Chef der Heinrich Böll Stiftung, sagte in einem Interview über den Beginn der Grünen: „In den Anfangsjahren paarte sich Aufbruchstimmung mit einer apokalyptischen Weltsicht. Viele glaubten, dass die Welt auf den Untergang hintreibt, in den nuklearen Super-GAU oder den finalen Atomkrieg. Obendrein gab es noch das Waldsterben, das Umkippen der Flüsse, die Vergiftung von Lebensmitteln, das drohende Ende der Ressourcen. Als der Club of Rome 1972 mit dem Report von den Grenzen des Wachstums kam, warnte er, dass wir noch maximal 50 Jahre bis zum Zusammenbruch der Zivilisation hätten. Das war die Grundstimmung. Vermutlich kam nur durch diesen Alarmismus auch die Energie für ein neues politisches Projekt zustande.

In diese Stimmung passten natürlich Meldungen von einer bevorstehenden Klimakatastrophe, schien alles irgendwie logisch und zu passen. Hier war natürlich die Versuchung groß, da Wissenschaftler an diesen Einschätzungen beteiligt waren, diese für die neue Bewegung zu nutzen. Dass dies zu einem Hype ausartete, war einigen Akteuren ganz recht, hatte man doch eine Möglichkeit gefunden, den Fortschrittspessimismus an einem konkreten Beispiel fest zu machen. Dieser Hype aber verdeckte die eigentlichen Überzeugungen der Fortschrittspessimisten, bei denen die erwartete Klimakatastrophe ja nur ein Teil der negativen Annahmen darstellt, die eine außer Rand und Band geratene Moderne vorgeblich anrichtet.

Die Klimadebatte ist das Kind einer ganz anderen, viel umfassenderen Auseinandersetzung über die Moderne.

Der Hype ist am abklingen, und schon jetzt werden politische Entscheidungen nur noch mit dem Klimawandel begründet, weil man noch vor kurzer Zeit diesen als besonders bedrohlich darstellte, und nun so schnell nicht mehr zurück kann. Die politisierte Klimawissenschaft hat sich überschätzt und wurde überschätzt.

Peter Heller said...

@ von Storch:

Ich denke, Ihr Vergleich mit der Atomphysik ist nicht schlecht.

Ich würde lieber von der kerntechnischen Industrie sprechen, die sich jahrelang Verbündete im falschen Lager gesucht hat und sich geweigert hat, die Argumente ihrer Gegner auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Man ist dadurch in fatale Abhängigkeiten (insbesondere von der Politik) geraten und hat einen Innovationsstau seit 30+ Jahren in Kauf genommen.

Wenn Herr Hasselmann oben schreibt "Das eigentliche Problem der Klimapolitik ist heute längst nicht mehr die Information über die voraussichtliche zukünftige Klimaänderung an sich" dann scheint mir ein solcher "Innovationsstau" auch in der Klimaforschung vorzuliegen. Denn eines ist ja evident: Täglich entfernt sich das Klimasystem weiter von den IPCC-Projektionen und je mehr man lernt, desto unsicherer werden diese.

Meiner Ansicht nach kommt die Klimaforschung als Naturwissenschaft ihrer Verpflichtung nicht nach, diese Unsicherheiten klar genug zu benennen.

Desweiteren habe ich Ihr Buch genau so verstanden, wie Sie es oben beschreiben. Da stellt sich mir natürlich die Frage, ob Herr Hasselmann das Werk auch gründlich genug gelesen hat.

@ Beck:

"Ich finde diesen, außerordentlich eloquenten und reflektierten Versuch von Seiten Herrn Hasselsmanns, als Wissenschaftler Verantwortung zu übernehmen, sich seiner Rolle zu stellen, außerordentlich konstruktiv."

In Herrn Hasselmanns Worten erkenne ich nur Verblendung. Wir sollten uns also vielleicht erst einmal die Frage stellen, wie es denn sein kann, daß Sie und ich bzw. Sie und die Herren Lenzer/Heß die Dinge so unterschiedlich wahrnehmen.

In der "Klimafalle" sehe ich einen durchaus bedenkenswerten Antwortversuch.

Aus meiner Sicht beinhaltet der Begriff "Klimafalle" (nein, das steht so nicht im Buch und das möchte ich den Herren Krauß und von Storch auch nicht in den Mund legen) die Konnotation eines Alarmismus' der sich weigert, etwas dazu zu lernen. Was ihn vom Skeptizismus unterscheidet.

Sowohl bei Herrn Hasselmann, als auch bei Ihnen wird diese Weigerung deutlich. Entschuldigung.

hvw said...

Tja, das mit Weimar,
ach und die Nazis,
der Blog sagt das, mein Lieblingsblog,
das MetOffice erzählt nur Schrott!
Lomborg - Lomborg, rufts aus der Heid,
Lysenko der Gute ist da nicht weit.
Die Silke will es ordentlich, Nazischrott geht hier garnich.
Das Thema, das echte, deduziert die erhellte
aus Hasselmanns Frage - die der niemals stellte.

Schön! Grosser Dank gebührt allen, die es ermöglicht haben, dass ein Mann dieses Kalibers auf der Klimazwiebel von Storchs und Krauss' Kernthesen ausgesprochen höflich aber eindeutig zurückweisen kann.

Dass die Kommentare darauf sich wie Übersprunghandlungen lesen ist da nicht weiter verwunderlich.

Anonymous said...

Hallo Günther,

ich bin ebenfalls maßlos enttäuscht von der Nichtdiskussion der Argumente Hasselmanns.

"Und ist es nicht die Pflicht eines jeden Bürgers, sich mit den aktuellen Herausforderungen der Gesellschaft auseinander zu setzen? (Die Ergebnisse, wenn sich die informierten und gebildeten Teile der Gesellschaft aus der politischen Verantwortung zurück ziehen, haben wir in der Nachfolge der Weimarer Republik mit Schrecken erlebt.)"

Sollen wir jetzt wirklich die Klammer diskutieren? Ich pflege Klammern in solchen Konstruktionen zu setzen, wenn der Inhalt der Klammer die Argumente nur ergänzt, meinetwegen auch weggelassen werden kann. Und die Aussage vor der Klammer (wie der gesamte Abschnitt außerhalb der Klammer darf ich ja wohl als Konsens aller Leser voraussetzen.

Und jetzt an alle "skeptisch" gefärbten Kommentatoren:

Was hat provoziert oder verärgert? Ich habe da ein paar Ideen, es wäre aber einfacher, wenn ich nicht herumraten müsste.

Warum diskutieren wir nicht lieber diese Passagen und lassen die persönlichen Ausfälle gegen Andersdenkende nicht einfach mal weg?

Meines Erachtens enthält folgender Abschnitt das Hauptargument Hasselmanns, wo er sich von den Ansichten der Autoren der Klimafalle abgrenzt:

"Dabei kommen wir unvermeidlich auch mal ins Visier starker Lobbyinteressen, und reagieren dann auch gelegentlich etwas ungeschickt auf den ungewohnten Stil des Disputs, dem wir plötzlich ausgesetzt sind. Die entstehenden Strohfeuer werden dann auch gern von den Medien angefacht, die mit den ewig wiederholten, seit Jahrzehnten kaum veränderten Prognosen der Klimaforscher keine Schlagzeilen mehr machen können (siehe z..B. mein Kommentar zu Climategate: “The climate change game“, Nature Geoscience, 3, 511-512, 2010). Dennoch würde ich diese Irritationen nicht als “Klimafalle“ sehen, sondern sie auf die gleiche, langfristig harmlose Stufe stellen wie die vergeblichen Versuche der Tabakindustrie, die Gefahren des Rauchens zu verneinen."

Ich schlage vor, mit der Diskussion dieser Passage (aber bitte nicht die Klammer) zu beginnen (ich teile diese Ansicht) und ergänze noch:

Die Konzentration der Autoren auf die Kommunikation Wissenschaft -> Öffentlichkeit ist unvollständig, da in diesen Kommunikationsprozess weitere Gruppen einwirken und interferieren. Meiner Meinung nach hätte selbst perfektes Agieren der Klimaforschung nichts daran geändert, dass die Klimapolitik heute in einer Sackgasse steckt.

Andreas

Peter Heller said...

Ich denke, Quentin hat oben einen wichtigen Punkt gesetzt:

"Die Klimadebatte ist das Kind einer ganz anderen, viel umfassenderen Auseinandersetzung über die Moderne."

Hasselmann schreibt:

"Und ist es nicht die Pflicht eines jeden Bürgers, sich mit den aktuellen Herausforderungen der Gesellschaft auseinander zu setzen?"

Damit ("Herausforderungen") meint er Gefahren und Risiken. Wissenschaft scheint ihm auch nur ein Werkzeug zur Erfindung von Zukunftsängsten.

Heute hat die NASA ihr neues Programm bekanntgegeben. Zitat Bolden:

"We are developing a first-ever mission to identify, capture and relocate an asteroid."

Wir streiten eigentlich darüber, welche beiden Wissenschaftsansätze uns wirklich helfen. Die problemorientierte, angsterzeugende des Herrn Hasselmann - oder die neue Möglichkeiten schaffende, zukunftsgestaltende des Herrn Bolden...

Günter Heß said...

Andreas,

Da Du fragst:

aufgrund diese Klammer hat sich der Text für mich als eine Art elitistischer "Wahlkampftext" eines Politikers gelesen. Da heißt jetzt nicht, dass ich unterstelle, dass der Herr Hasselmann so ist. Ich habe eben seinen Text so empfunden. Im Grund die Klimafalle auf diesen Text bezogen. Wenn man zwei Argumente miteinander verknüpft die erstmal direkt nichts miteinander zu tun haben und es stellt sich heraus, dass eines falsch ist wird die ganze Argumentationskette unglaubwürdig.

Grüße
Günter

Günter Heß said...

Andreas,

Selbtstverständlich darf jeder Bürger an der Debatte teilnehmen und selbtsverständlich wird in den Medien vieles verzerrt, wenn man sich da hin begibt.
Alles richtig.
Aber was hat das mit der Klimafalle zu tun, die von Storch und Werner Krauss beschreiben. Für mich hat Herr Hasselmann die Klimafalle nicht verstanden.


Grüße
Günter

Quentin Quencher said...

@ Andreas

Hasselmann sagt: „Im Falle des Klimaproblems sind wir als Klimaforscher aufgefordert, gemeinsam mit Ökonomen, Politikwissenschaftlern und anderen Experten die Konsequenzen der globalen Erwärmung für Politik und Gesellschaft zu analysieren, um dann mögliche Mitigations- und Adaptionsmaßnahmen zu erarbeiten und der Politik zu empfehlen.“

Genau das ist absoluter Humbug und politischer Größenwahn. Man beachte: „ ... mögliche ... -maßnahmen zu erarbeiten und der Politik zu empfehlen.“

Klimawissenschaftler sollen also auch noch wissen welche Möglichkeiten zu Lösung eines vermuteten Problems vorhanden sind. Nicht nur dass die Unsicherheiten in der Klimawissenschaft ausgeblendet werden, auch noch das was zu tun wäre, könnten Klimawissenschaftler vorschlagen, ja sie fühlen sich dazu aufgefordert.

Auch auf die Gefahr hin dass hier mal wieder ein Beitrag von mir gelöscht wird, ich muss so deutlich werden: Hasselmanns Ausführungen lesen sich für mich wie eine Satire, nur leider ist es keine. Was daran eloquent, pointiert und wohldosiert sein soll erschließt mir nicht.

sil_beck said...

Nicht jeder Versuch eines Wissenschaftlers, Stellung zu beziehen, läuft doch nicht automatisch auf Alarmismus raus. Machen Sie sich es zu einfach, die Herren Vorredner?
Ich finde den Bezug auf die unpolitische Haltung von Eliten in der Weimarer Republik auch fragwürdig und überstrapaziert. Er wird sicherlich nicht der Komplexität der historischen Forschung und der Vielschichtigkeit der Problematik gerecht. Das Beispiel zeigt aber vor allem, dass hier Schwarz-weiß und Gut und Böse-Denken nicht wirklich weiterhilft. Auch in der Klimaforschung gibt es nicht ausschließlich Alarmisten und es wird auch nicht automatisch pathologisch, sobald Forscher den öffentlichen Raum betreten.
Tappen Sie denn nicht in die gleiche Falle, die Sie den sog. Alarmisten und Ökofaschisten vorwerfen: machen Sie denn nicht in derselben Weise Denk- und Verhaltengebote machen, was Herr Hasselmann sagen darf, was ich sagen darf und was nicht. Sind das denn nicht auch alles Versuche, die öffentliche Meinung und Diskussion zu kontrollieren, was Sie gerne dem PIK und Alarmisten vorwerfen. Und wenn man Ihnen dann nicht folgt, dann ist mit nicht lernfähig …
Mir geht es hier einzig und alleine um eine gewisse Diskussionskultur und Respekt gegenüber der Meinung von anderen Diskussionsteilnehmern. So wie ich nicht für jemanden, den ich nicht kenne, einfach „Silke“ bin.
Zur Sache: Die Fragen, die Ehring im Deutschlandfunk, am Ende seines Beitrags stehen lässt, sind in meinen Augen immer noch offen:
„Ob von Storch und Krauß mit diesem politischen Programm ebenfalls in die Klimafalle tappen, die sie vielen Fachkollegen vorwerfen, darüber lohnt es sich zu streiten. Ihr Buch leistet einen Beitrag zur Klimadiskussion. Das ist eine Stärke dieses Werks. Auch Naturwissenschaftler haben zur Klimapolitik einiges beizutragen, und es ist spannend zu lesen, wie die Autoren genau das tun, was sie ihren wissenschaftlichen Konkurrenten vorwerfen. Der Leser findet eine detailreiche und spannend geschriebene Darstellung der Auseinandersetzungen innerhalb der Klimawissenschaften und darüber hinaus - auch eine Aufforderung, selbst über das Thema nachzudenken und eine eigene Position zu beziehen.“
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/2030136/
Und eine weitere, faire und sachliche Diskussion wert!

@ReinerGrundmann said...

Die rhetorische Frage von Herrn Hasselmann, "Ist es nicht die Pflicht des Wissenschaftlers, seine Forschungsergebnisse zu vermitteln?" geht an den Kern des Problems. Sie erinnert an die sogenannte "Bringschuld der Wissenschaft", von der Altkanzler Schmidt zu sprechen pflegte (ich weiss nicht, ob der Begriff von ihm stammt).

Meines Erachtens kann es sich dabei um nichtmehr als einen Appell an einzelne Wissenschaftler handeln, doch bitteschön sich zu beteiligen an öffentlichen Debatten und dem Politikberatungsprozess. Eine Pflicht der Vermittlung im engen Sinn besteht nur im Hinblick auf die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen in der Fachliteratur. Es ist die Wahl einzelner Wissenschaftler sich darüber hinaus zu engagieren. Heutzutage hat sich die Bringschuld Idee so weit institutionalisiert, dass es sehr starke Anreize gibt, sich an solchen (früher hätte man gesagt: ausserwissenschaftlichen) Aktivitäten zu beteiligen. M.a.W.: wer nicht mitmacht, hat oft Karrierenachteile. Dies ist Teil des Fallen-Mechanismus. Denn wenn Wissenschaftler es als ihre oberste Pflicht ansehen gute Wissenschaft zu machen (und die öffentlichen Engagements als Wahl), dann würde die von Storch und Krauss beschriebene Falle nicht bestehen.

Wenn die Bringschuld so weit geht, von Wissenschaftlern zu verlangen, als Advokaten aufzutreten, dann ist das problematisch.

Mathis Hampel said...

Was meint Hasselmann mit Pflicht und Verantwortung?

MMn verlangt der Wandel der Wissenschaft im Computerzeitalter eher Vorsicht und Bescheidenheit von Seiten der Wissenschafter. Sind dies des Wissenschafters Pflichten? Jeder und jede entscheidet das für sich, und doch sollte der Wissenschafter auch wissenschaftlich der eigenen Einstellung gegenüber vorgehen.

Das Resultat des Konflikts unreflektiert "pflicht- und verantwortungsbewusster" Wissenschafter und "verantwortungsloser" Lobbyisten ist die fortschreitende Erosion des Vertrauens in die Institution Wissenschaft. Die USA spielen das ja groß vor.

Hans von Storch said...

Ich denke, der Hinweis von Silke Beck, daß es auch bei der Betrachtung der Diskussion kein schwarz-weiss gibt, ist schon sehr richtig. Und die Tatsache, daß Klaus Hasselmann sich hier erklärt, trägt doch wesentlich zur Diskussionskultur in der Klimazwiebel und der Klimadebatte im Allgemeinen bei! Zumal Klaus Hasselmann ein zwar sehr prominenter Klimaforscher ist - in Deutschland klar die #1, was intellektuelle und konzeptionelle Impulse (und Realisierungen) angeht, nicht aber die mediale Präsenz. Wie das zusammenhängt, beschreibt er selbst in unserem Interview. Dort lernt man auch was über sein Erleben des Endes der Weimarer Republik.

Unvergessen auch seine Replik "Die Launen der Medien" als Antwort auf die "Launen der Sonne" in der ZEIT.

Andererseits: man nimmt einen Menschen nur dann ernst, wenn man seine Argumente ordentlich kritisch durchleuchtet. Das ist wie mit der Falsifikation wissenschaftlicher Vorschläge: kritische Nachfrage macht den Vorschlag stabiler.

Anonymous said...

"...eine wirkungsvolle Klimapolitik auch im eigenen Land wünschen, sofern diese nicht allzu große persönliche Opfer erfordert. Den Beweis, dass dieses möglich ist, und sogar wirtschaftliche Vorteile bringen kann, könnte die Energiewende in Deutschland erbringen, und damit eine Wiederbelebung der internationalen Klimapolitk bewirken."

es ist mir ein rätsel wie man derart realitätsresistent durch die welt laufen kann

Anonymous said...

@Herr Von Storch

Vielen Dank für die offene Diskussion.

Zu Herr Hasselmann in "Der Zeit"::

Herr Hasselamnn schreibt:

"Dies ist der Kernpunkt des Klimaproblems. Die bisher eingetretene Temperaturerhöhung ist gegenüber dem prognostizierten Zweigradanstieg der globalen Mitteltemperatur bis zum Jahre 2100 unbedeutend. In höheren Breiten, besonders über den Kontinenten, werden deutlich höhere Temperaturerhöhungen von vier bis sechs Grad vorhergesagt. Im folgenden Jahrhundert können die Temperaturen noch mal um das Doppelte ansteigen, falls die Emissionen weiterhin auf hohem Pegel bleiben.

Eine Klimaänderung dieser Größe und Geschwindigkeit hat die Menschheit noch nicht erlebt die Auswirkungen sind nicht vorhersehbar. Vor dieser Perspektive erscheint die Diskussion, ob wir heute schon die prognostizierte Klimaänderung einwandfrei erkennen können, akademisch und transient. Aufgrund eines Vergleichs von Beobachtungen und Modellrechnungen ist zu erwarten, daß das anthropogene Signal in den nächsten Jahren deutlicher aus dem Hintergrund der natürlichen Klimavariabilität herauswachsen wird."

Ich frage mich, warum wir gerade heute etwas tun sollten, wo die Globaltemperatur seit rund 10 Jahren stagniert?

Ist es nicht gerade der Alarmismus der uns immer wieder in die Köpfe hämmert dass es dann ("in den nächsten Jahren" Zîtat Hasselmann) zu spät ist.

Warum nicht heute Küstenschutz, Überschwemmungsschutz und Katastrophenschutz weltweit ausbauen, womit alle einverstanden sind, um dann, wenn "das anthropogene Signal in den nächsten Jahren deutlicher aus dem Hintergrund der natürlichen Klimavariabilität herauswachsen wird" alles andere zu veranlassen.

Ich kann es kaum glauben, dass die Wissenschaft immer wieder in die eigenen Fallen stolpert. Irgendwann ist die Glaubwürdigkeit ganz dahin, und das fände ich äusserst bedauerlich.

Muss sich aus dieser Diskussion ein solcher Streit entwickeln, wenn wir fast alle mit den Massnahmen für mehr Klimaschutz einverstanden sind.

MfG

Yeph

Anonymous said...

@ Quentin Quencher

Hasselmann sagt: „Im Falle des Klimaproblems sind wir als Klimaforscher aufgefordert, gemeinsam mit Ökonomen, Politikwissenschaftlern und anderen Experten die Konsequenzen der globalen Erwärmung für Politik und Gesellschaft zu analysieren, um dann mögliche Mitigations- und Adaptionsmaßnahmen zu erarbeiten und der Politik zu empfehlen.“

Genau das ist absoluter Humbug und politischer Größenwahn.

Warum Humbug? Das ist in jedem Politikbereich so üblich. Oder glauben Sie, man hätte vor der Bankenrettung nicht Ökonomen über deren Meinung zu den Folgen von Pleiten sogenannter systemrelevanter Banken gefragt?

Im übrigen deckt sich das doch ganz gut mit der Meinung der Autoren der Klimafalle. Wenn ich diese richtig verstehe, dann hätten sie womöglich den Aspekt der Nennung von Alternativen stärker hervorgehoben (ich vermute, dass auch Hasselmann diesen Aspekt unterschreiben würden). Womöglich hätte die Autoren auch geraten, den Aspekt "empfehlen" vorsichtig zu dosieren, aber für mich beinhalten Ergebnisse verschiedener Alternativen stets auch automatisch eine Empfehlung der besten Option.


"Klimawissenschaftler sollen also auch noch wissen welche Möglichkeiten zu Lösung eines vermuteten Problems vorhanden sind."

Auch hier: "Wissen" ist die falsche Kategorie. Es ist eben leider häufig so (z.B. Bankenkrise), dass Entscheidungen auch auf Basis unsicheren Wissens notwendig ist, politische Normalität. Warum sollte in der Klimapolitik etwas anderes gelten?


"Nicht nur dass die Unsicherheiten in der Klimawissenschaft ausgeblendet werden"

Das sehen vielleicht Sie so, mir geht's bei der Lektüre des AR4 oder des AR5-SOD eher so, dass ich irgendwann die allgegenwärtigen Quantifizierungen dieser Unsicherheit ("likely", "very likely" etc.) kaum noch ertrage (sprachlich natürlich nur).

Alles in allem fällt mir auf, dass Sie Passagen kritisieren, wo sich Hasselmann im Grunde nur in Nuancen von den Autoren der Klimafalle unterscheidet, womit ich wieder bei meiner Frage bin, warum sich dieser Ausmaß an Zorn gerade gegen Hasselmann richtet, der in ausgesprochen freund(schaft)lichem Stil schreibt. Jemand wie Hasselmann verdient zuerst einmal eines: Respekt.

Andreas

Anonymous said...

@ Reiner Grundmann

"Wenn die Bringschuld so weit geht, von Wissenschaftlern zu verlangen, als Advokaten aufzutreten, dann ist das problematisch."

Würden Sie behaupten, dass Hasselmann dies verlangt?

Natürlich gibt es eine Pflicht der Wissenschaftler, die Öffentlichkeit über Ergebnisse zu informieren, denn die Öffentlichkeit bezahlt deren Arbeit und erwartet etwas dafür.
Wenn ein Astronom einen Asteroiden auf Kollisionskurs mit der Erde entdeckt, ist es selbstverständlich seine Pflicht, dass er das Ergebnis weitergibt.

Ich kann dem Text nicht entnehmen, dass Hasselmann etwas jenseits dieser Selbstverständlichkeiten fordert.

Andreas

Werner Krauss said...

Vielen Dank für die Rezension unseres Buches und dass wir diese hier auf der Klimazwiebel diskutieren können, Klaus Hasselmann!

Ihre Frage, warum die Herausforderung des Klimawandels eine Falle sei, muss auf einem Lektüremissverständnis beruhen.
Die Klimafalle besteht darin, dass wir das Nötige wissen, dass wir aufklären, global verhandeln und Verträge schließen und die Emissionen dennoch schneller steigen als je zuvor: dieses Dilemma ist der Ausgangspunkt für unseren Essay.

Natürlich muss sich die Wissenschaft dieser Herausforderung stellen, aber sie kann dies nicht nur mit einer rein naturwissenschaftlichen Definition des Klimawandels. Um aus dieser Falle herauszukommen, so unser Argument, müssen wir über die Erhebung der rein statistischen Fakten hinaus die Klimawissenschaft in die Demokratie zurückbringen und dazu beitragen, den Klimawandel vor Ort "in die Welt" bringen. Dazu müssen wir die kulturelle und soziale Dimension des Klimawandels mit einbringen, die Kulturgeschichte des Klimas zur Kenntnis nehmen genauso wie die kulturelle Bedingtheit unseres eigenen Handelns als Wissenschaftler.

Wir brauchen also keine Wissenschaft als eine Art Heilserwartungsbewegung, welche die Wahrheit verkündet und die den Sündern mit der Apokalypse (fünf vor zwölf) droht und vor dem Bösen (den Skeptikern, den Lobbyisten, den Medien) warnt, sondern wir brauchen sie als eine zentrale Entscheidungshilfe und Orientierungsgröße in einer demokratischen Praxis. Das steht alles in unserem Buch und ist das Gegenteil davon, sich der Herausforderung nicht stellen zu wollen.

Werner Krauss said...

Silke,

wir tappen meiner Meinung nach nicht in diesselbe Falle wie diejenigen, die wir kritisieren, weil wir von Anfang an sagen und immer wiederholen, dass wir hier in Form einer ethnologischen Skizze unsere eigenen Erfahrungen reflektieren und einbringen. Wir erheben nie den Anspruch einer naturwissenschaftlichen Studie, sondern wir argumentieren ausdrücklich auf Basis unserer ethnographischen und subjektiven Erfahrungen - die allerdings keineswegs beliebig und die auch überprüfbar sind.

Umso mehr muss man hier die Leistung von Hans von Storch bewundern, der bereit ist, über den Tellerand der eigenen Disziplin hinauszuschauen und - geschult durch seine Arbeit mit Nico Stehr - gemeinsam mit mir als Ethnologen die eigene Disziplin als eine soziale Praxis anzuschauen und Neuland zu betreten und auch zu erkunden. (In der Ethnologie nennen wir das "collaborative ethnography").

Meiner Meinung nach liegt in dem dialogischen Verfahren, das unserem Buch zugrunde liegt, eine Möglichkeit, neue Wege zu beschreiten. Es ist ein Dialog zwischen Disziplinen und die Forderung, diesen Dialog auch mit den jeweiligen Akteuren in den jeweiligen Regionen zu führen. Die Öffnung der Klimawissenschaften hin zu anderen Disziplinen, zur kulturellen Vielfalt, aber auch zu dem geopolitischen Gefälle, zur Anerkennung und Bedeutung von ethnischen und sozialen Unterschieden etc bedeutet gerade nicht eine Verengung, sondern eine Erweiterung des wissenschaftlichen Klimadiskurses.

Peter Heller said...

@ Beck:

"Mir geht es hier einzig und alleine um eine gewisse Diskussionskultur und Respekt gegenüber der Meinung von anderen Diskussionsteilnehmern."

Jeder kehre vor der eigenen Tür. Respekt erfordert Gegenseitigkeit. Hasselmann schreibt:

"Dennoch würde ich diese Irritationen nicht als “Klimafalle“ sehen, sondern sie auf die gleiche, langfristig harmlose Stufe stellen wie die vergeblichen Versuche der Tabakindustrie, die Gefahren des Rauchens zu verneinen."

Das kann man sicher dämlich nennen, es ist vielleicht aber auch starrsinnig und ignorant. Ganz sicher ist es - bewußt oder unbewußt - ein ordentliches Stück Desinformation.

Die Vorstellung, man könne aus eigener Überzeugung Skeptiker sein, beispielsweise von der Frage ausgehend, ob denn "Klimaschutz" nicht konkrete Gefahr darstellt, der gegenüber hypothetische Klimawandelrisiken zu bevorzugen sind, ist Herrn Hasselmann offensichtlich fremd.

Respekt verdient man sich auf diese Weise nicht.

Anonymous said...

@ Heller (#25)

Sie zitieren jene Stelle Hasselmanns:
"Dennoch würde ich diese Irritationen nicht als “Klimafalle“ sehen, sondern sie auf die gleiche, langfristig harmlose Stufe stellen wie die vergeblichen Versuche der Tabakindustrie, die Gefahren des Rauchens zu verneinen."

Ja, diese Stelle hatte ich auch weit oben auf meiner Favoritenliste, als ich mich fragte, was manche so verärgert hat. Gut, dass jetzt endlich Inhalte kommen.

Ihr Gegenargument
"Die Vorstellung, man könne aus eigener Überzeugung Skeptiker sein, beispielsweise von der Frage ausgehend, ob denn "Klimaschutz" nicht konkrete Gefahr darstellt, der gegenüber hypothetische Klimawandelrisiken zu bevorzugen sind, ist Herrn Hasselmann offensichtlich fremd."
kann ich nicht teilen. Woraus schließen Sie, dass Hasselmann diese Vorstellung fremd ist? Hasselmann kennt Sie vermutlich gar nicht, ich bin mir sicher, dass er daher auch keine Einschätzung über ihre Motivation abgeben wird. Hasselmann nennt lediglich einen der vielen Einflussfaktoren, vermutlich, weil er diesen als das bedeutsamste Hemmnis ansieht. Es mag (und es gibt) natürlich viele andere Motivationen, Sie nennen eine.

Ich teile übrigens an dieser Stelle Hasselmanns Einschätzung nicht, da Lobbyismus immer überwunden werden kann, wenn genügend politischer Wille vorhanden ist. Mit Bezug auf die Probleme in den USA ist mein Eindruck, dass das größte Hemmnis ist, dass Anhänger einer möglichst unregulierten Wirtschaft Klimapolitik als Bedrohung ihres Modells empfinden. Hier liegen womöglich auch die Gründe, dass Klimapolitik als "linke" oder "grüne" Ideologie verkannt wird und Klimapolitik leider in den Blickpunkt von parteipolitischer Auseinandersetzung wird. Dass es anders geht, zeigen z.B. Großbritannien oder Deutschland.

Das, was mir beim Lesen von Skeptikerblogs begegnet, passt am häufigsten zu meinem Erklärungsmodell. Leute, die aus ehrlichem wissenschaftlichen Skeptizismus Zweifel haben, treffe ich dort als marginale Minderheit an, aber natürlich gibt es diese, keine Frage.

Warum diese Reaktionen, wenn Lobbyismus als Hemmnis nur genannt wird? Dieser Lobbyismus existiert, was hier niemand abstreitet (Sie sicherlich auch nicht), man mag sich über die Größe des Einflusses streiten.

PS:
"Respekt verdient man sich auf diese Weise nicht."
Doch, Herr Heller, Respekt verdient jeder, unabhängig davon, ob Sie sein Argument teilen. Und Hasselmann in Anbetracht seiner Lebensleistung sogar in ganz besonderem Maße. Ich bedaure, dass Sie dazu nicht imstande sind und erspare mir, ihre Respektlosigkeiten alleine im letzten Beitrag zu zitieren.

MfG
Andreas

Peter Heller said...

@ Andreas:

"Hasselmann kennt Sie vermutlich gar nicht"

Das ist sein Problem, nicht meines.

"da Lobbyismus immer überwunden werden kann"

Lobbyismus ist die berechtigte Wahrnehmung eigener Interessen in einer freien und pluralen Gesellschaft. Da gibt es nichts zu "überwinden". Der Gebrauch dieser Vokabel kann weder respektiert noch akzeptiert werden.

"Leute, die aus ehrlichem wissenschaftlichen Skeptizismus Zweifel haben, treffe ich dort als marginale Minderheit an"

Der Mangel an wissenschaftlichem Skeptizismus zeichnet Menschen wie Hasselmann aus, die an die Prognosekraft von Computermodellen glauben.

"Ich bedaure, dass Sie dazu nicht imstande sind"

Ich nicht.

Günter Heß said...

"Respekt verdient jeder, unabhängig davon, ob Sie sein Argument teilen. Und Hasselmann in Anbetracht seiner Lebensleistung sogar in ganz besonderem Maße."

Richtig Andreas. Hasselmann genau wie Fred Singer oder Du.. Ein Text oder eine Meinung ist deswegen trotzdem nicht sakrosankt.
Grüße
Günter

Quentin Quencher said...

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Hasselmann schreibt: “Dennoch haben Umfragen weltweit gezeigt, dass alle Bevölkerungen, auch in weniger entwickelten Ländern, eine wirkungsvolle Klimapolitik auch im eigenen Land wünschen, sofern diese nicht allzu große persönliche Opfer erfordert. Den Beweis, dass dieses möglich ist, und sogar wirtschaftliche Vorteile bringen kann, könnte die Energiewende in Deutschland erbringen, und damit eine Wiederbelebung der internationalen Klimapolitk bewirken.“

In welcher Welt lebt denn Herr Hasselmann. Die deutsche Energiewende als gelungenes Beispiel wie Klimaschutz funktionieren kann anzubringen, ist völlig daneben. Aber es ist ein schönes Beispiel wie sich Klimaschützer anmaßen, auch über wirtschaftspolitische Themen zu sprechen.

Anonymous said...

@von Storch
"Politik wird depolitisiert und verwissenschaftlicht, Wissenschaft wird politisiert und dewissenschaftlicht."

Den Kommentar Hasselmanns empfinde ich als ein brilliantes Beispiel für die Denkart eines politisierten Wissenschaftlers und finde er unterstreicht - ungewollt - in ganz bemerkenswerter Weise Kernargumente der Klimafalle.

Zu Ihrem obigen Wortspiel fällt mir ein, daß ich Herrn Hasselmann durch Zufall auch einmal als "dewissenschaftlichen Wissenschaftler" erlebt habe, als er um die Zeit seiner Emeritierung in einem Vortrag am Hamburger Elektronensynchrotron vor einem großen Publikum von Teilchenphysikern erklärte, er wolle nun auch auf diesem Gebiet wesentliches beitragen. Er trug eine Theorie vor, die den aktuellen Stand der Forschung und zwei Jahrzehnte des Fortschritts ignorierte, das jedoch mit großem Selbstbewusstsein, und hinterließ allseits fragende Gesichter und peinliches Schweigen.

Erst heute verstehe ich, daß der Habitus des Herrschaftswissens, mit dem Herr Hasselmann damals auftrat, (und der auch in obigem Kommentar ein wenig zu spüren ist) in politisierten Wissenschaftsfeldern durchaus folgerichtig ist - während er im weniger politisierten Gebiet der Teilchenphysik nur deplaziert wirkte.

Wenn mir heute jemand mit einem Klimamodell mit ähnlich großer Überzeugung entgegentritt, was soll ich davon halten? Theoretischen Vorhersagen der Physik wird in der Regel der Vorhersagefehler mitgeliefert, die Fehler werden minutiös mit experimentellen Daten verglichen (siehe z.B. die Pressekonferenzen zum Higgs in den Monaten vor der offiziellen Bekanntgabe). Klimamodelle dagegen kommen ohne Vorhersagefehler (s.a. Heller und Quencher oben), warum eigentlich? Und damit meine ich nicht die "allgegenwärtigen Quantifizierungen" (Andreas) der "Projektionen" aus dem Methodenkoffer der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, sondern wohldefinierte, Falsifizierung ermöglichende Vorhersagefehler. Bereits eine untere Schranke wäre so leicht zu erhalten (Fehler der Parameter und Inputs durchpropagieren, und mit den internen Variablen weiteriterieren). Klar fliegt der Fehler einem irgendwann um die Ohren, aber wann? Was ist der zeitliche Vorhersagehorizont dieser Modelle? Das ist einfach zu machen, hat denn niemand ein Interesse daran, das zu versuchen?

Ein bekannter deutscher Klimaforscher hielt auf einer Sommerakademie der Studienstiftung in St. Johann im September 2000 vor etwa 200 Stipendiaten einem Abendvortrag über Klimamodelle und wurde aus dem Plenum gefragt, wie groß die Parameterabhängigkeit sei und welche Spanne von Temperaturprognosen man für das Ende des Jahrhunderts mit halbwegs plausiblen Parametern "einstellen" könne. Er antwortete, daß er für das Modell, was er im Vortrag gezeigt hatte, alles zwischen +5C Erwärmung bis -5C Abkühlung generieren könne. Ein Mitstipendiat fragte dann, ja welche Prognose er dann den Politikern zeigen würde? Der Vortragende sagte, natürlich die Simulation mit +5C Erwärmung, denn die Politiker seien schließlich am worst-case-Szenario interessiert (und das sei der Auftrag seines Instituts).

Wer den Erfolg seiner Modelle so definiert, braucht natürlich keine Vorhersagefehler.

Meine Hypothese ist, daß die heute präsentierten Klimamodelle weniger die physikalische Wirklichkeit, als vielmehr die Erwartungen der Forscher und ihrer Community modellieren. Wohlgemerkt, ganz unabsichtlich, als Klimamodellierer-Groupthink.

In der Klimafalle erlauben sich die Autoren diesen radikalen Gedanken nicht, formulieren aber die allgemeinen Voraussetzungen dafür, daß so etwas im Prinzip möglich wäre. Welche Maßnahmen gibt es innerhalb der Klimacommunity, solches sicher zu verhindern? Das allzuverdächtige Fehlen der Behandlung quantitativer Vorhersagefehler, dieser elephant in the room der Klimamodelle, läßt das als eine dringende Frage erscheinen.

Dagobert

S.Hader said...

#11: "Wir streiten eigentlich darüber, welche beiden Wissenschaftsansätze uns wirklich helfen. Die problemorientierte, angsterzeugende des Herrn Hasselmann - oder die neue Möglichkeiten schaffende, zukunftsgestaltende des Herrn Bolden..."

Für mich sind das zwei Seiten derselben Medaille. Eine problemorientierte Analyse und zukunftsgestaltende Lösungen gehören für mich zusammen. Sehr oft ist es in der Wissenschaft so, dass die Wissenschaftler sagen, wir haben da eine Lösung, habt ihr (Politik, Industrie, Medizin,...) ein entsprechendes Problem dazu?

MfG
S.Hader

P.S.: Ein ehemaliger Chef von mir pflegte zu sagen, es gibt keine Probleme, sondern Herausforderungen. Diese Sichtweise schützt einen auch vor übertriebener Panik. ;)

S.Hader said...

@Quentin Quencher:

"In welcher Welt lebt denn Herr Hasselmann. Die deutsche Energiewende als gelungenes Beispiel wie Klimaschutz funktionieren kann anzubringen, ist völlig daneben."

Weil...? Das würde mich jetzt mal interessieren.

Werner Krauss said...

Kurzer Zwischenruf: Klaus Hasselmann redet hier über die Klimafalle und stellt ihr seine Ansicht entgegen: wenn man diese beiden Pole im Auge behält und ab und an darauf Bezug nimmt, fokussiert das die Diskussion über Energiewende, Klimapolitik etc ein bißchen (und verhindert, dass man in alte Routinen verfällt). Nur ein Vorschlag, ich will niemanden unterbrechen hier...

Günter Heß said...

@Dagobert
"Den Kommentar Hasselmanns empfinde ich als ein brilliantes Beispiel für die Denkart eines politisierten Wissenschaftlers und finde er unterstreicht - ungewollt - in ganz bemerkenswerter Weise Kernargumente der Klimafalle."
Stimme zu. Guter Beitrag.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

Günter Heß said...

@Quentin

„Die deutsche Energiewende als gelungenes Beispiel wie Klimaschutz funktionieren kann anzubringen, ist völlig daneben.“

Ob sie gelungen ist, kann in der Tat ja noch niemand wissen: der Satz zeigt, dass er sich neben der „Klimafalle“ auch in der „Energiefalle“ befindet.

Aber vielleicht ist sie ja schon ein ideologischer Erfolg.

Grüße
Günter

Anonymous said...

Hallo Herr Krauß,

zurück zum Buch, das wäre in der Tat wünschenswert. Die These der von Ihnen und HvS ist ja, die Klimawissenschaft trägt eine Mitschuld, dass Klimapolitik heute in der Sackgasse steckt. Hasselmann verneint und meint, die jetzige Situation sei normal in Anbetracht der riesigen Hürden, die ein solcher Umbau hin zu einer karbonarmen Gesellschaft darstellt.

Wer könnte diese Diskussion besser führen als Sie, HvS und Herr Hasselmann? Es wäre hochinteressant, ihrer Diskussion folgen zu dürfen, aber ich denke, das ist alles schon intern gelaufen.

Komplimente noch:
Für Hr. Hasselmann für die freundschaftliche Art und Weise, wie er seine anderen Ansichten formuliert. Kompliment an Sie und HvS, dass sie die zum Teil kritischen Ansichten Hasselmanns hier in der Klimazwiebel uns präsentieren. Tolles Vorbild, wie Dialog funktioniert.

Andreas

Werner Krauss said...

Andreas,

danke für die netten Worte und eine kleine Anmerkung:

Sie fragen, wer die Debatte besser führen könnte als HvStorch, KHasselmann und WKrauss in irgendwelchen imaginären Hinterzimmern? Na, die Klimazwiebel natürlich, Sie und wir und alle anderen, die sich zu Wort melden. Wir meinen das schon ernst, das mit dem Lagerfeuer, an dem alle Stimmen gehört werden, und wir widmen der Blogosphäre ein ganzes Kapitel in der Klimafalle. Das ist keine Fake-Debatte hier, das ist echt. Sie haben schließlich auch unser Buch gelesen, und es ist unser aller Probelm, um das es hier geht. also kein Grund, sich klein zu machen. Auch das gehört zu dem Vorhaben, die Klimawissenschaft in die Demokratie einzubringen.

Freddy Schenk said...

„Die deutsche Energiewende als gelungenes Beispiel wie Klimaschutz funktionieren kann anzubringen, ist völlig daneben.“

Die Frage ist, was unter "gelungen" zu verstehen ist? Die CO2-Einsparung (welche)? Der Anteil an Kohlestrom ist stark gestiegen. Die Kostensteigerungen ohne sozialen Ausgleich? Die eigentlich illegale Quersubventionierung der befreiten dt. Industrie (reiner Strompreis sinkt ja durch zuviel Grünstrom) und damit Benachteiligung der EU-Staaten, kleiner Betriebe und dt. Privatverbraucher?

Ich habe gestern ein Schreiben von meinem Stromanbieter erhalten, dass aufgrund der stark gestiegenen Einspeisung an grünem Strom Einspeisevergütung und Netzentgelt stark gestiegen seien und daher außerplanmäßig die Gebühren angepasst werden müssen.

Ich habs mal ausgerechnet:
Grundgebühr: +35,6% pro Jahr (ca. +22 EUR/Jahr)
Arbeitspreis: +52,8% pro kWh (bei 1-Personenhaushalt ca. + 135 EUR/Jahr)

Das Argument, man könne Strom ja weiter einsparen, zieht nicht mehr, da dies nur einmal möglich ist und i.d.R. nicht mehr als 20% Verbrauch sind (bei mir noch 550 kWh/Jahr, Durchschnitt wäre 1550). Selbst wenn ich gar keinen Strom verbrauche, steigt die Grundgebühr ja noch um 35%. Nicht jeder kann/will sich das dauerhaft leisten.

Und hier kommt dann das Problem: Selbst wenn man eigentlich für die Technologie und Klimaschutz ist/war – die Akzeptanz geht irgendwann flöten. Das ist Politikversagen – aber unsere schwarz-gelbe Regierung erfreut sich weiterer Beliebtheit. Die offshore Windparks werden ein finanzielles und logistisches Desaster nach derzeitigem Stand.

Evt. sollte man endlich die grünen Technologie getrennt vom Klimaschutz diskutieren mit einer Kosten-Nutzen-Rechnung. Bisher dient Klimaschutz scheinbar als Rechtfertigung für schlechte Planung, politisches Nicht-Handeln und explodierende Kosten.

Quentin Quencher said...

Mein Eindruck, Herr Krauss und Herr von Storch, ist, dass Sie versuchen vom Ansehen der „Klimawissenschaft“ zu retten, was noch zu retten ist. Dieses Anliegen ist für mich nachvollziehbar, es wird nur nichts nützen, weil die Diskussionen längst auf eine andere Ebene gewechselt sind: Sustainability, Nachhaltigkeit. Doch selbst das ist noch zu kurz gesprungen, eigentlich sind das Vorgänge und Dispute die schon im 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung aufkamen, und im Wesentlichen unser Haltung zur Modere ausdrücken. Solange die „Klimawissenschaften“ für diesen Disput Argumente liefern können werden sie in den Vordergrund geschoben, wenn das nicht mehr der Fall ist, müssen sie wieder in die zweite Reihe und andere Themen wie Rohstoffe etc. bekommen mehr Raum. Oder es schlägt in die andere Richtung aus, und Wachstum wird als positiv empfunden. Auf diesem Weg sind wir gerade. Die Versuche der Fortschrittspessimisten Suffizienz als etwas positives darzustellen ist die Gegenbewegung. Klimaangst spielt da keine große Rolle mehr, ist nun nur noch eine Zutat von vielen.

Wenn die Klimawissenschaft aber nicht mehr so im Focus der Medien steht, für Politik und Wirtschaft auch eine immer geringere Rolle einnimmt, dann erübrigt sich doch die Frage nach der Klimafalle. Die löst sich sozusagen von selbst auf, da durch gesamtgesellschaftliche Entwicklungen die Klimafrage auf Normalmaß gestutzt wurde.

Das sehen natürlich diejenigen die sich im infight befinden (Alarmisten und Skeptiker) oft nicht so, und nehmen sich immer noch wichtiger als sie sind. Das hat auch ein bisschen mit dem Hype der letzten Jahrzehnte in diesem Bereich zu tun. Irgendwann platzt eben diese Meinungsblase, und die Mehrzahl der Menschen wendet sich neuen Themen zu, die meist aber vom gleichen alten Disput über die Moderne genährt werden.

Hans von Storch said...

Quentin Quencher - da könnte schon was dran sein. Doch.

Günter Heß said...

Lieber Herr Schenk,

sie schreiben:
„Und hier kommt dann das Problem: Selbst wenn man eigentlich für die Technologie und Klimaschutz ist/war – die Akzeptanz geht irgendwann flöten.“

So habe ich die Klimafalle analog verstanden. Wenn man zwei Themen miteinander verknüpft die nichts miteinander zu tun haben, und das Argument für das eine Thema scheitert geht auch das andere Argument für das andere Thema über die Wupper.
Denn die Energiewende hat ja nichts mit Klimaschutz zu tun, sondern nur mit Ausstieg aus der Kernenergie. Ähnlich hat die Klimaforschung ja nicht notwendigerweise etwas damit zu tun, dass wir eine große Transformation durchführen müssen oder, dass das Glühlampenverbot und das EEG eine sinnvolle Lösung sind.
Wenn mir als Bürger aber von einem Klimaforscher vorgesetzt wird, dass aus den Ergebnissen der Klimaforschung folgt, dass eine große Transformation erforderlich ist bzw. das Glühlampenverbot und das EEG folgen. Dann braucht man sich nicht wundern, wenn das Glühlampenverbot wegen dem Reboundeffekt gar keine Energieersparnis bringt und das EEG nicht zu CO2-Einsparung führt, dass in der öffentlichen Diskussion diese Themen auch mit den Ergebnissen der Klimaforschung verknüpft werden und die Bürger beginnen an der Klimaforschung zu zweifeln.
So hätte ich die Klimafalle verstanden.

Hasselmann schreibt oben:
„Im Falle des Klimaproblems sind wir als Klimaforscher aufgefordert, gemeinsam mit Ökonomen, Politikwissenschaftlern und anderen Experten die Konsequenzen der globalen Erwärmung für Politik und Gesellschaft zu analysieren, um dann mögliche Mitigations- und Adaptionsmaßnahmen zu erarbeiten und der Politik zu empfehlen.“

Mit „wärmer werden“ beschreibe ich in Folge das Klimaproblem.

Im Grunde bleibt Hasselmann hier wenig konkret auch mit dem Wort Klimaproblem. Ich kann nachvollziehen, dass Klimaforscher versuchen die Konsequenzen eines erhöhten CO2-Ausstoßes für das Weltklima zu analysieren. Ich kann nachvollziehen, dass Ökonomen analysieren, was ökonomisch passiert wenn es wärmer wird.
Vielleicht auch noch dass Politikwissenschaftler die Konsequenzen analysieren, wenn es wärmer wird.
Wer die anderen Experten sind lässt Hasselmann offen. Kennt er keine oder werden die nicht gefragt? Ich persönlich kann aber nicht nachvollziehen, warum Klimaforscher besondere Experten dafür sein sollen, Adaptions- und Mitigationsmassnahmen vorzuschlagen. Wenn ich so die Talkshows beobachte werden die eben dominiert von Klimaforschern, Politikern, NGO-Klimaaktivisten und Antiatomaktivisten und Ökonomen. Adaptions- und Mitigationsmassnahmen wären aber die Domäne von Technikern, Logistikern und Ingenieuren die selten in den Talkshows vorkommen. Ich denke da ist in der öffentlichen Diskussion eine Schieflage entstanden die ebenfalls in die Klimafalle führt.

Mit freundlichen Grüßen
Günter Heß

Anonymous said...

Im Wesentlichen zielt Herrn Hasselmanns Buchrezension darauf ab, drei Kerndogmen zu festigen, oder in Erinnerung zu rufen ...

- die "... seit Jahrzehnten kaum veränderten Prognosen der Klimaforscher"

- die "entscheidenden Beiträge" oder die Führungsrolle des PIK

- die Notwendigkeit der Mitigation bzw. "Großen Transformation"

Wer in den den genannten drei Punkten zu anderen Auffassungen gelangt, entfacht entweder mediale "Strohfeuer", ist Lobbyist, leidet an - oder verursacht Irritationen, oder steht argumentativ auf dem Niveau der die Risiken des Rauchens verharmlosenden Tabakindustrie.

Autoritative Verkündigung vs. den realen wissenschaftlichen und politischen Diskurs. An die Adresse der beiden Buchautoren erfolgt ein wenn nicht vergiftetes, dann doch herablassendes Kompliment von der Sorte beschwichtigendes Kopftätscheln: mag alles sein, Buben, aber an der Sache selbst gibt es keinen Zweifel - und jetzt stellt euch den Großen nicht länger in den Weg ...

Das Problematische an dieser Sorte gedanklicher Herrenreiterei ist, dass sie sich wenn nicht im Besitz des Wissens, dann doch wenigstens im (anteiligen) Besitz der Herrschaft darüber wähnt. Nicht ganz zu Unrecht, wie die durchaus beabsichtigte Lobeshymne auf das PIK nahelegt, dem in der deutschen Klimadebatte eine sowohl wissenschaftlich wie politisch problematische Sonderrrolle zukommt. Andererseits und unverkennbar zeigt sich darin die Hybris einer Elite, die sich fern der Massen und deren armseligen Mitteln (zu denen in Verkennung der tatsächlichen Entwicklung auch das Internet gezählt wird) fest im Sattel glaubt, unanfechtbar und sich in Gewissheiten wiegend, wie sie nur der Blick von einigermaßen hohen Rössern erlaubt.

Dass da, gewissermaßen in einem Nebensatz, beiläufig die General-Exkulpation der geistigen Eliten zur Nazizeit versucht wird, mag zwar einem standestypischen Pflichtselbstverständnis geschuldet sein, ist aber in doppelter Weise unerträglich. Zum einen ist sie historisch unhaltbar, zum anderen denkt sie den Klima-Alarmisten und 2-Grad-Ziel-Vertretern die Rolle von hehren Widerstandskämpfern zu und versetzt so die Skeptiker an deren Hypothesen mittelbar in die geistigen Sümpfe dumpfer Barbarei.

Das ist nun - einmal abgesehen von dem schon im Ansatz missratenen Vergleich - unter Betrachtung der anhaltenden wissenschaftlichen Debatte um die tatsächliche Klimasensitivität und vor dem Hintergrund der zahlreichen Fehlleistungen des IPCCs und anderer, auch deutscher Institutionen, des vorgeblich Gutgemeinten zu viel. Das im Post Nr. 3 verlinkte Papier des Met Office belegt ähnlich wie der im vergangenen Jahr publizierte SREX-Bericht, wie unsicher es um die vermeintlichen Gewissheiten, die vor Parlamenten und Medien vorgetragen werden, wissenschaftlich tatsächlich bestellt ist.

"Dagobert" ist zuzustimmen: hier gähnt das Maul der Klimafalle weit offen. Hans von Storchs und Werner Krauss' Debattenbeitrag erfährt die verdiente, wenn auch wohl eher unfreiwillige Bestätigung.

V. Lenzer

Günter Heß said...

Lieber Herr Lenzer,

"Autoritative Verkündigung vs. den realen wissenschaftlichen und politischen Diskurs. An die Adresse der beiden Buchautoren erfolgt ein wenn nicht vergiftetes, dann doch herablassendes Kompliment..."

auch hier meine Zustimmung. Exzellenter Beitrag.
Ich bin ein bisschen neidisch auf ihren Sprachstil.
Kompliment.
Grüße
Günter Heß

Freddy Schenk said...

Lieber Herr Heß (#41):

ihren Ausführungen stimme ich zu. Verkürzt ergibt sich das Problem, dass der zahlende Bürger letztlich die Klimaforscher für die Glühbirnen und teure Energie verantwortlich machen wird.

An dem Eindruck tragen dann (einige) Klimawissenschaftler Schuld, weil sie sich in der Richtung politisch oder gar normativ (du sollst...)geäußert haben. Und für die Politik ist es bequem, da sie scheinbar aus dem Schneider ist. Ich denke, das kann man durchaus als eine veritable Klimafalle sehen.

Günter Heß said...

Lieber Herr Schenk,

sie schreiben:
„An dem Eindruck tragen dann (einige) Klimawissenschaftler Schuld, weil sie sich in der Richtung politisch oder gar normativ (du sollst...)geäußert haben.“

Ich unterstreiche ebenfalls bewusst ihre Klammer (einige) Klimawissenschaftler, obwohl Andreas ja oben gesagt hat über Klammern solle man nicht diskutieren.

Meiner Ansicht tragen auch (einige) „Alarmisten“ dazu bei. Was mir immer wieder in Forum begegnet ist folgendes. Wenn ich beispielsweise in einem popularwissenschaftlichen Büchlein zum Klimawandel, Kapitel über die „Lobby der Leugner“ finde und das kritisiere, dann werde ich häufig so interpretiert als würde ich die Klimaforschung kritisieren, dabei kritisiere ich lediglich die Autoren die diese Vermischung vornehmen.

Nun habe ich letztens folgendes gefunden:

ein Buch:
Climate Change Science: A Modern Synthesis: Volume 1 - The Physical Climate [Englisch] [Gebundene Ausgabe]

Darin taucht das folgende Kapitel auf:
Part X Understanding Climate Change Denial

Die scheinen mir voll in der Klimafalle, da sie in einem Buch zum physischen Klimasystem mit der Überschrift ein solches Kapitel reinhängen. Tolle Nummer.
Nun vielleicht gibt es ja im zweiten Band wenigstens ein Kapitel:
Understanding Climate Change Alarmism.

Grüße
Günter Heß

Hans von Storch said...

Meinem Kommentar #40, zu Quentin Quencher möchte ich noch hinzufügen - hängt natürlich auch davon ab, was mit dem Klima in den kommenden Jahren passiert, ob die Stagnationsphase endet (womit ich rechne).

Peter Heller said...

@ Günter, #41:

"Denn die Energiewende hat ja nichts mit Klimaschutz zu tun, sondern nur mit Ausstieg aus der Kernenergie."

Hier muß ich Dir leider widersprechen. Die Energiewende wurde im Jahr 2009 beschlossen, in dem der von rotgrün 2000 eingeleitete Prozeß mit konkreten Zielen auf Basis detaillierter Szenarien versehen wurde. Sie war sogar zunächst mit der Laufzeitverlängerung der KKW verbunden, denn das einzige Ziel war der Klimaschutz. Es schien damals immerhin noch möglich - wenn auch schwierig - durch die Wende eine Reduktion von Emissionen zu erreichen. Nach der Planänderung 2011 (abschalten der KKW 18 Jahre früher als 2009 vorgesehen) wurde dieses Ziel aber unmöglich.

Durch die Energiewende steigen die Emissionen im Energiesektor seit 2012 wieder an. Das ist auch - wie bereits die ersten Monate 2013 zeigen - kein einmaliger Ausrutscher (wie Altmaier glaubt) - sondern prinzipbedingt. Die Energiewende ist de facto eine Bestandsgarantie für die Kohlekraftwerke, da sie den Wettbewerb ausschaltet. Sie wird zwangsläufig dafür sorgen, daß die Emissionen dauerhaft ansteigen.

Hasselmann könnte das wissen, wenn er nur wollte. Er will es aber nicht wissen. Wie so vieles andere eben auch nicht.

Ich nenne das Ignoranz.

Günter Heß said...

@Peter #47

du schreibst:
„Sie war sogar zunächst mit der Laufzeitverlängerung der KKW verbunden, denn das einzige Ziel war der Klimaschutz. Es schien damals immerhin noch möglich - wenn auch schwierig - durch die Wende eine Reduktion von Emissionen zu erreichen.“

Das macht das ganze ja noch schlimmer und noch ignoranter, denn dieses Rolle rückwärts zu mehr CO2-Emissionen zeigt ja, dass die Energiewende wohl von Anfang an eher politisch-ideologisch motiviert war, als vom Klimaschutz her motiviert.
Denn die Grünen hätte ja eigentlich aus Klimaschutzgründen für eine Beibehaltung der Laufzeitverlängerung stimmen müssen. Aber auch hier war dann die politisch-ideologische Entscheidung Kernkraftwerke gegen die man Jahrzehntelang ideologisch gekämpft hatte lieber abzuschalten als den „Klimaschutz“ in der realen Welt zu befördern.

Grüße
Günter

Quentin Quencher said...

@ Hans von Storch #46

„- hängt natürlich auch davon ab, was mit dem Klima in den kommenden Jahren passiert, ob die Stagnationsphase endet (womit ich rechne).“

Ja natürlich, dies heißt aber nicht, dass die politisierte Klimawissenschaft der Grund für politischen Gestaltungswillen ist, sondern sie ist nur ein Werkzeug welches man bei passender Gelegenheit herausholt, und dann wenn es eher ungeeignet ist, wieder im Kasten verschwinden lässt.

Quentin Quencher said...

Nachtrag zu #49

Die Klimawissenschaft spielt nicht den Ball, sondern sie ist ein Ball mit dem gespielt wird.

Anonymous said...

"Kulturpessimismus", lautet die zutreffende Diagnose von Quentin Quencher (#7).

Während die überlieferte Sozialordnung ihre Bindungskraft verloren hat, oder dabei ist, den Rest davon einzubüßen, wächst im Zentrum einer auf die Verwirklichung individueller Interessen ausgerichteten (Nicht)Gesellschaft das Vakuum fehlender gemeinschaftlicher Anliegen. Das Bindungs- oder Sinnvakuum hungert nach integrativen Inhalten und erweist sich in seiner Unsicherheit als ausgesprochen anfällig für die Schürung kollektiver Ängste und latent vorhandener Schuldgefühle.

Der sich selbst und seiner Zentrierung abhanden gekommene Bürger revoltiert nicht mehr, er fürchtet sich. Ansonsten beschäftigt mit tausenderlei Wehwehwechen, Arzt- und Therapiebesuchen, sinnfreien Freizeitbeschäftigungen, Lebens- und Persönlichkeitsoptimierungen, die vornehmlich der Pflege üppig blühender Neurosen dienen, eint ihn ein letzter gemeinsamer Nenner zum Kollektiv: alles wird schlechter und taumelt dem Abgrund entgegen. Aus der persönlich schlüssigen Überzeugung heraus, dass die Welt notwendig deshalb untergehen müsse, weil er es tut, will heißen sterblich ist. Die ultimative narzisstische Kränkung, deren Wunden umso eifriger beleckt werden, je stärker die Entfremdung an der Welt und deren Realität gediehen ist.
Nüchtern betrachtet, geht es der Mehrheit der Menschheit heute zwar besser denn je, aber die gefühlte Wahrheit gebiert gegenteilige Gewissheiten. Der Gaia-Kult als maternalistische Gegenbewegung oder Backslash gegen die materialistische Weltordnung, das Missbehagen an der inzwischen im gesellschaftlichen Kontext angelangten Heisenbergschen Unschärferelation, die verlässliche Zustandsbeschreibungen und Extrapolationen - richtig, falsch - nicht mehr zulässt und deshalb moralisierenden Erkenntnisurrogaten den Raum überlässt.

Der Erfolg der Umweltbewegung beim Einfangen sozialer Fliehkräfte beruht auf ihrem universellen Ansatz. Sie hat sich des Klimas, auch des politischen, bemächtigt und die vorhandenen Ängste und das allgemeine kulturpessimistische Unbehagen in einem einzigen, buchstäblich atemberaubenden Topos gebündelt, indem sie ein schwer fassbares Naturphänomen nach bewährtem Muster zur "Socialen Frage" umdeutet. Die früher kollektiv exerzierten, aber auf individueller Ebene getroffenen Vorkehrungen zur Rettung des Seelenheils verschieben sich hin zur weit größeren, deshalb dringlicheren Rettung des Ganzen, des Planeten. Auf dieser negativen Utopie gründet der allgegenwärtige Erziehungs- und Korrekturimpetus, dem sich Heerscharen von mehr oder weniger Berufenen mehr oder weniger erfolgreich widmen und ihren Zeitgenossen immer groteskere Unterwerfungs- und Glaubensrituale abfordern.

Dem Kulturpessimismus - grob formuliert, der diffusen Angst vor Veränderungen, wie sie ironischerweise gerade auch das Klima auszeichnen - verbunden mit der Vorstellung eines früheren, praeindustriellen Elysiums - stehen kaum mehr geistige Hygienepraktiken gegenüber, im Gegenteil: indem Teile der Wissenschaft und der Politik an individuell/kollektive Gewissensnöte appellieren, bedienen sie vakante Orientierungsbedürfnisse und äufnen daraus ein fragwürdiges Einflusskapital.
Einer der offenbar im Generationentakt auftauchenden Versuche zur Gegenaufklärung, der mit Blick auf vergleichbare historische Versuche, seien es jene der Kirche oder politischer Strömungen, keineswegs neu ist, aber mit der Wucht der dabei frei werdenden Kräfte doch verwundert. Wir sind in unserer Eigenwahrnehmung, so scheint es, immer noch - wenn auch säkularisierte - Sünder.

Tröstlich ist bei alledem, dass auch der Klimatismus sich letztlich nicht darauf versteht, die Bedürfnisse seiner verunsicherten Klientel zu stillen. Um es flapsig zu formulieren: geistig und politisch mag die Art immer wieder aus der Art schlagen und zu Irrtümern neigen, untergehen wird sie deshalb nicht. Es sei denn, man möchte ausgerechnet ihr Fortkommen nicht der Evolution unterstellt wissen.

V. Lenzer

Anonymous said...

Wann fängt denn nun endlich die Diskussion über "Die Klimafalle" und Hasselmanns Ansichten dazu an?

Nun ja, wenigstens haben wir jetzt genügend Belege für die Richtigkeit dieser Passage aus dem Buch über den ScienceSkeptical-Blog:

"die Hoffnungen mancher Blogbetreiber richten sich hier [bei SS] auf eine Wiederauferstehung der FDP als einer Partei, die sich strikt gegen die "Planwirtschaft" des EEG und der Energiewende richtet."

Ansonsten kommt die Energiewende im Buch aber nicht vor, zurück zum Thema also.

Hasselmann glaubt, dass ein Erfolg der deutschen Energiewende der Klimapolitik neue Impulse geben könnte. Zustimmung von mir, wenn es ein Erfolg wird, wird dieser ausstrahlen.

Es gibt noch weitere Möglichkeiten, die den stockenden Verhandlungen neue Dynamik verleihen könnten: Der Klimawandel schreitet fort, die Erwärmung nimmt wieder an Fahrt auf, die Menschen erfahren die Auswirkungen immer stärker selbst.

Das wird natürlich alles dann zu spät für das Erreichen des 2°-Ziels sein. Macht aber nichts, kürzlich habe ich im Economist eine Einschätzung jüngerer wissenschaftler Paper gefunden (natürlich ohne jeden Bias bei der Auswahl), nach der die Klimasensitivität niedriger sein wird als von den Experten des IPCC abgeschätzt und von den Modellen behauptet. Prima, dann kann ja nichts mehr passieren, Zustandsberichte vom Economist sind irgendwie hoffnungsvoller, dort schreiben halt die wahren Experten.

PS:
Brillianter letzter Beitrag, Herr Lenzer. Gut abspeichern. Wenn der Beitrag thematisch hierhin passt, dann passt er nämlich auch zu jedem beliebigen Blogartikel, kann man nachhaltig wiederverwerten.

Grüße
Andreas

Anonymous said...

@ V. Lenzer #42
frei nach Hasselmann: "mag alles sein, Buben, aber an der Sache selbst gibt es keinen Zweifel"

@ Hans von Storch #46
"(womit ich rechne)"

Das vergleichsweise verhaltene Presseecho auf "Die Klimafalle" hatte mich gewundert, doch die Buchrezension von Herrn Hasselmann zeigt, daß die Autoren in ein Wespennest gestochen haben. Seine Rezension und der hervorragende Kommentar von V. Lenzer dazu (#42) liefern das nach, was FAZ und Co. bisher versäumt haben.

Das Buch hinterließ bei mir einen logischen Knoten, den der Kommentar Hasselmanns auflöst. Das Buch erinnerte mich ein wenig an die frühaufklärerischen Schriften Decartes', wo sich messerscharfe Logik bisweilen mit barocken Ausführungen über die Zirbeldrüse mischt. Dem Einfluß Descartes' haben diese Passagen keinen Abbruch getan, und insofern ist meine folgende Kritik auch keine Fundamentalkritik an der Klimafalle, im Gegenteil.

Die Klimafalle durchleuchtet die Klimaforschung im politischen und gesellschaftlichen Kontext in bisher ungekanntem Maße kritisch und ohne großartige Schonung der doch auch eigenen Disziplin (von Storchs). Sogar der eigene akademische Lehrer, der maßgebliche Vordenker und Architekt der Klimasimulationen Hasselmann wird im Buch aufs Altenteil geschickt, was sich dieser - siehe sein Kommentar - so recht gar nicht gefallen lassen möchte. Doch einen Bereich der Schonung gegenüber der Zunft gibt es in dem Buch: Die Konsensmeinung der Klimacommunity über die zukünftige Temperaturentwicklung wird nicht angetastet sondern dient sogar dem Ausblick des Buches als Grundlage. Wohlgemerkt, nachdem die Autoren messerscharf dargelegt haben, wie Politisierung zur Dewissenschaftlichung der Wissenschaft führen kann. Kein Gedanke daran, daß die Klimamodelle in genau dieser dewissenschaftlichten Umgebung gewachsen sind?

Die unkritische Grundannahme einer weiter ansteigenden Erderwärmung ist die Zirbeldrüse des Buches "Die Klimafalle".

Andererseits, Hasselmanns "sanfter Druck" zeigt, daß die Autoren der Klimafalle, wenn sie politisch (und ggf. wissenschaftspolitisch) ernstgenommen werden wollen, vielleicht gezwungen sind, diese im Kontext des Buches nicht zu rechtfertigende Hommage an den Mainstream einzugehen (auch z.B. "Die kalte Sonne" hat so eine Zirbeldrüse: die Festlegung auf einen CO2-Erwärmungsanteil von 50%, ohne Not, anstatt einer ergebnisoffenen Infragestellung). Doch kann es für einen Wissenschaftler solche "Sprachregelungen" geben? Nein, denn da schnappt das Maul der Klimafalle unerbittlich zu - und erwischt hier ein Zipfelchen von "Die Klimafalle" selbst.

Dagobert

Anonymous said...

Herrje, ist das aufregend!
Dagobert und Donald Vaulenzer wieder mal an einem Tisch.
Ob sich hinter dem Pseudonym "Andreas" gar Vetter Gustav verbirgt ... oder doch eher Dussel? Rita Rührig Beck, Rudi Ross auch da?!

Gustav allerdings scheint seine Hasenpfote verloren zu haben und nicht mehr ganz auf Verständnishöhe zu sein, was die Debattenbeiträge angeht. Lenzers letzter Post wirft doch eine Reihe interessanter Fragen auf, z. B. jene, weshalb sich in regelmässigen, schon beinahe klimaähnlichen Zyklen algenartig ausblühende kollektive Hysterien oder Blähungen von Jüngste-Gericht-Phantasmen abspielen, früher in ihrer Wirkung eher regional beschränkt, heute im globalen Dorf, gleich von weltumspannender Dimension.

Und vielleicht erläutert uns D. Düsentrieb alias W. Krauss (wo ist er eigentlich?) gelegentlich die "Greater Fool"-Hypothese und weshalb die jeweils jüngste Angstblase wie die gegenwärtig Konjunktur feiernde Klimabesorgnis von ihren Zeitgenossen jeweils ernsthaft auch gleichzeitig als die absolut letzte, ultimative weil apokalyptische betrachtet wird. Immerhin hat sich da selbst Luther geirrt ... http://www.unmoralische.de/weltuntergang.htm ...
Aber gut, der beschäftigte sich eher mit Glaubens- als mit Klimafragen, - wobei bei näherer Betrachtung der Klimadebatte ...

... sei's drum, alle Blasen platzten mal.
Ich aber freue mich ganz einfach, dass wir wieder mal alle zusammen gefunden haben!

Daisy

ps weshalb hat eigentlich keiner (Anwantzer?) daran gedacht, Prof. Zapotek und Prof. Marlin einzuladen? ... und Klaas Klever und Klarabella und Madame Mim und Gundel Gaukelei ... schade, schade, schade! Dorette wird ganz schön schimpfen ...

Werner Krauss said...

Updates der bisherigen Rezension der Klimafalle finden Sie hier kommentiert und hier unkommentiert

Anonymous said...

In einer der Amazonrezensionen wird Herr Latif erwähnt.

Kürzlich im TV zum kalten Winter erklärte er dass man nicht vergessen sollte dass kürzlich in Australien der wärmste Sommer aller Zeiten gemessen wurde und dass der letzte Sommer in den USA der wasweissich aller Zeiten (oder so ähnlich) war. Jedenfalls sprach er nicht von "seit Beginn der Aufzeichnungen". Wieso nicht "im ganzen Universum" oder "seit dem Urknall"?

Die wahren Klimakiller bzw. Klimalarmismuskiller weilen unter euch, liebe Klimaforscher. Man weiss nicht ob man lachen oder weinen soll. Insgeheim hofft man dass die Erwärmung wieder Fahrt aufnimmt. Ansonsten wäre ein solcher Auftritt definitiv zu peinlich.

Yeph