Thursday, January 19, 2017

Interview mit Hartmut Heinrich

Im Laufe der Jahre habe ich eine ganze Reihe ausführlicher Interviews mit Klimaforschern gemacht . Jetzt ist ein Weiteres hinzugekommen: "Hartmut Heinrich - der unbekannte weltberühmte Kliamforscher aus Hamburg", diesmal gemeinsam mit meinem Kollegen Kay Emeis - unser Gesprächspartner war Hartmut Heinrich. Erschienen ist das Interview auf Academia.


Hartmut Heinrich mit seinem Stein vom Boden des Atlantik


Im Vorwort heisst es


Wenn man mit Klimaforschern über Heinrich-Events spricht, dann wissen sie meist, zumindest ungefähr, worum es geht. Was für ein „Heinrich“ sich im Namen verbirgt, wissen nur wenige. Viele denken, es handele sich um eine Entdeckung aus dem frühen 20ten Jahrhundert, oder vielleicht sogar noch davor, und dass der Heinrich-Mensch, an den da erinnert wird, schon lange nicht mehr aktiv ist. Aber dem ist definitiv nicht so – dieser Heinrich, der ist ein aktiver Mensch, der in Hamburg lebt und arbeitet. Wer ist er, der einerseits so berühmt ist, dass man einem wichtigen erdgeschichtlichen Ereignistyp seinen Namen gab, der aber als Mensch in seinem Umfeld  eher unbekannt blieb? Es ist die Motivation für unser Interview mitzuhelfen, diesen Menschen auch in Hamburg und Deutschland jene Anerkennung für seine wissenschaftliche Entdeckung und Deutung zukommen zu lassen, die international schon längst besteht.

Es ist auch ein Versuch, dem „Klimastandort“ Hamburg zu vermitteln, sich auf die wissenschaftlichen Leistungen aus der eigenen Mitte zu besinnen. Denn Wissenschaft ist zurecht Teil unserer Kultur, weil der durch Wissenschaft erbrachte Wissenszugewinn die Gesellschaft in die Lage versetzt, sich besser zu orientieren in einer komplexen Welt. Dieser Wissenszugewinn trägt zur Lebensqualität bei, weil er erlaubt, mit positiven wie negativen Möglichkeiten umzugehen. Der Heinrich’sche Wissenszugewinn hat ermöglicht, neue, interessante, ja aufregende  Perspektiven der Klimadynamik und des Klimawandels zu erkennen und abzuschätzen. Tatsächlich sind diese Einsichten weit in die Gesellschaft vorgedrungen, bis hin zur populären Unterhaltung – man denke an den Film „The day after tomorrow“.

Hartmut Heinrichs Forschung ist, was man heute „small science“ nennt; nicht entstanden nach tiefem Nachdenken in wichtigen Komitees über die zentralen Herausforderungen der Zukunft. Hartmut Heinrich ist über ein Detail gestolpert und war dann neugierig. Wissenschaft im besten Sinne. Das kontrastiert deutlich mit dem, was heute „big science“ genannt wird, in der Milliardenbeträge verplant werden, um vorbestimmte Fragen zu beantworten, und in der vorgestanzte Worthülsen, die auf Exzellenz und „Große Herausforderungen“ verweisen, die kollegialen Gutachter davon überzeugen, dass man auf dem richtigen Weg ist. In Big Science ist ein Wissenschaftler vor allem dann erfolgreich, wenn er/sie Bürokraten ermöglicht, viel Geld in wissenschaftliche Projekte zu investieren; im Vordergrund sollte aber der gewonnene Wissenszugewinn stehen.

Das Interview macht noch etwas Anderes deutlich, dass es auf die Breite der Fragestellungen ankommt – dass Grundlagenforschung (was auch immer das sei) eben nicht tiefer gedacht oder anspruchsvoller und daher nicht wertvoller als „Angewandte“ Forschung ist (was auch immer das sei). Dass es neben Fragen der Stabilität der Atlantischen Zirkulation auch um die Frage des Verbleibs von Baggergut im Hamburger Hafen geht.

Unser Interview soll auch ein Weckruf an den Klimastandort Hamburg sein – nämlich, dass man auf seine wissenschaftliche Leistungsträger stolz sein soll, und dass gute Klimaforschung die Kooperation von Partnern aus der Ressortforschung, den Universitäten und den Forschungszentren erfordert. Hartmut Heinrich versinnbildlicht diesen Rat.

Das Interview wird eingeleitet durch eine Einschätzung von Wallace Broecker

10 comments:

heidruns hønseri said...

Hr von Storch

Es wäre günstig auch ein bizchen davon zu lernen was Hartmut Heinrich eigentlich geliefert hat. Ich habe kurz nachgeschlagen und er scheint Meeres- sedimente zu sein.

Solches wissen und solche geschichten sind für mich weit wichtiger und nützlicher als eventuelle Meinungen zu den "klimafragen", denn die mache ich mir selbst.

Was für ein Stein hat er da? Es scheint Basalt, eisgeschliffen und vom Eis getragen zu sein. "Glaciofluviale Sedimente". Mitten in der Atlantik. Wie weit wandern die Eisberge eigentlich?

Jene liegen konseqvent im Lehm hier wo ich wohne, wo es aufgestiegenes Land und alte marine Sedimente ist. Man kann daraus schliessen wie die Eisschollen und Eisberge geflossen und gewandert sind.

Dann scheint es als ob er Planctonsedimente studiert hat. Ob Calcit oder eher Dolomit,...das scheint der Unterschied zwischen kältere und wärmere Meere zu sein, nähmlich vorwiegend Zooplancton oder eher Phytoplancton. Auch ist es wohl mehr Lehm beigemischt wo Gletscher- schmelzwasser ins Meer fliest.

Dazu kommt noch was für ein Lehm und auch noch "early life" wenn uralter und fossiler kalkhaltiger Lehm in kleinste Stücke auf ein Stahldraht als humushaltiger Backstein oder Terracotta, aussen hell backstein- rosa und innen Schwarz, gebrannt werden kann.

So finde ich Early Life.

Basalt, da lernte ich eine neue Metode. Man sucht darin microkrystalle aus Zirkonit. Zirkonium ist 4- wertig so wie Titan und Thorium. Das bildet Zrirconiumsilicat ZrSiO4

Und da mischt sich Spuhren von Thorium chemisch rein hinein. Dann einfach Th und Pb bestimmen, und man hat den Alter der erstarrte Gestein- schmelze.

heidruns hønseri said...

Hr.von Storch

Findlinge.... LAPIS PHILOSOPHORVM... wo bin ich gekommen? Habt ihr denn keine Begriffe?....

Glacio- fluviale Sedimente?.... Wo ist bei euch den Verstand?

Anonymous said...

Schönes Interview. Ich gestehe, dass ich auch glaubte, der Heinrich mit den Heinrich-Events sei schon seit Jahrzehnten tot. Warum diese geringe Aufmerksamkeit für ihn hierzulande? Weil er keine normale akademische Karriere eingeschlagen hat?

Andreas

Hans von Storch said...

Interview LESEN.

Anonymous said...

Hab ich. Entschuldigung dafür, dass ich nach der Meinung anderer aus dem Wissenschaftsbetrieb gefragt habe, z.B. ihre, Hans. Die Anekdote mit dem Namensschild ist doch bezeichnend und irgendwie traurig.

Mir ging auch noch durch den Kopf, dass es vielleicht auch daran liegt, dass Datensammler und -auswerter nie so geschätzt werden wie die Theoretiker. Immerhin ist Keeling in Erinnerung aller geblieben.

Andreas

H Heinrich said...

Der Heinrich war sehr froh, nicht im akademischen Environment "gefangen" gewesen zu sein; insofern musste er sich keiner Denkschule unterwerfen. Richtig ist, "normal" ist der Heinrich nicht so sehr. Er liebt und praktiziert die Unabhängigkeit (des Denkens).

Freddy Schenk said...

Herzlichen Dank für das sehr interessante Interview! Zumindest in den mir bekannten deutschen und schwedischen Geowissenschaften kann von geringer Aufmerksamkeit keine Rede sein, im Gegenteil. Im Studium kamen die Heinrich-Events sowohl in der Vorlesung wie auch z.B. im Hauptseminar "Klimawandel" als eines von zwölf Hausarbeitsthemen ausführlich dran. Es ist auch keine gute Idee, ohne Kenntnis der H0, H1, H2 etc. irgendwelche Prüfungen anzutreten... Ob es sich, wie im Interview erwähnt, beim Film "Day after Tomorrow" wirklich um ein Heinrich-Event handelt (es wäre hier dann H0 = Younger Dryas), ist allerdings umstritten. Ich genieße derzeit das Privileg, genau an H0 etwas herum zu forschen. Zu ihrer Entdeckung, zielführenden Methodik und der scharfsinnigen Erklärung und Einordnung der Events kann man Ihnen nur gratulieren! Besonders schön klingt es übrigens bei den französischen Kollegen auf Konferenzvorträgen: Les événements 'enriesch. :-)

Unknown said...

einen schönen guten abend an die comunity hier, ich bin nur ein interessierter laie und habe keinen wissenschaftlichen background. ich befasse mich zwar seit geraumer zeit mit dem klimawandel aber muss gestehen erst kürzlich vom heinrich event gehört zu haben (bitte um verzeihung!) - aber ich bin schockiert und jetzt wirklich beängstigt! ein solcher event steht uns m.E. unmittelbar bevor! key event wird das komplette abschmelzen der nördlichen polkappen sein, welches wohl spätestens 2020 eintreten wird, (siehe hier: https://sites.google.com/site/pettitclimategraphs/sea-ice-volume )
schon im ersten sommer danach wird sich die arctic dann ganz rapide erwärmen. (wandel von eis zu wasser, also von latent to sensible heat, umkehr der abedo von 90% reflexion zu 90% absorption, etc.) dies wiederum wird schnelles abtauen der riesigen methanvorräte im permafrost unter der ostsibirischen see zur folge haben, dann braucht es nur noch ein gewitter ... und bumms, hier kommt der trigger für selbst den zögerlichsten "événement 'enriesch", um mal den vorredner zu zitieren.
so und nun hoffe ich es kommt jeamdn und widerspricht mir qualifiziert, sonst fange ich an all mein geld in wein zu investieren um dann ab 2020 jeden tag ein letztes fläschchen aufzumachen ...

Hans von Storch said...

An English translation became recently available, see

https://www.academia.edu/31611548/Hartmut_Heinrich_The_unknown_world-famous_climate_researcher_of_Hamburg_An_interview

Manfred Mudelsee said...

Schönes Interview, vielen Dank dafür (wie auch für die ebenfalls interessanten früheren), das ist ein guter Dienst für uns Klimaforschende wie auch Wissenschaftsphilosophierende! Ich bin gestern erst draufgestossen und drucke es mir gleich aus und hefte es an meinen Heinrich-QR-Ausdruck. Es sei gestattet: im Gegensatz zu Schnellkommentierenden lesen wir tatsaechlich die Arbeiten, kritzeln drin rum (Papier!), kratzen uns am Kopf, verfolgen die Zitate, schlagen ein Lehrbuch auf. --- Ich stimme mit der Ansicht der Interviewpartner überein: das eigentliche Glück war, dass ein anscheinend damaliger Paläofremder, Heinrich, über die rezente Unsinnsidee, Nuklearabfälle im Meer zu entsorgen, dann mit Paläo in Form des Basaltsteines stolperte und dann eben forschte. Kuhnsch: ohne Paradigmabrille, auf Basis einer anderen Ausbildung, die gleichen Fakten beurteilen. Sehr interessant Ruddimans Reviewverhalten. Meine Schlussfrage bleibt nur: wer war der zitierte Platzhirsch? Manfred Mudelsee (CRA und AWI)