Thursday, November 10, 2016

Reimund Schwarze: Nur in der Verzahnung von Paris und Sendai kann die globale Klimaanpassung gelingen

Nur in der Verzahnung von Paris und Sendai kann die globale Klimaanpassung gelingen

Von Prof. Dr. Reimund Schwarze, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ

Nach der feierlichen Unterzeichnung des Weltklimavertrags in New York drängte sich schon fast der Eindruck auf, dass die Welt bereits gerettet sei und man sich nach Jahrzehnten der Klimaverhandlungen nun wieder anderen Themen widmen könnte. Eines fällt derzeit unter den Tisch: Bei aller berechtigten Jubelstimmung – selbst wenn die Staaten ihren Verpflichtungen tatsächlich nachkommen, die Welt auf zwei Grad, wenn möglich auf 1,5 Grad bis zum Jahrhundertende zu begrenzen, ist in den kommenden Jahrzehnten mit beträchtlichen Klimaschäden zu rechnen, die besonders die ärmsten Länder der Welt treffen: 20 Prozent weniger Wasser auf der Welt heißt, dass sich die Ernten in Afrika halbieren, die Korallenriffe weltweit vollständig absterben, und die Mittelmeerländer unter nie gekannter Trockenheit und Hitze leiden werden. Selbst ein um 60 Zentimeter erhöhter Meeresspiegel bedeutet immer noch den Verlust weiter Küstenregionen in Asien und vieler Pazifikinseln. Die Folge: Millionen Menschen müssten weltweit fliehen. Die klimabedingte Migration macht, wie wir spätestens seit vergangenem Jahr wissen, nicht vor Europas Türe halt.

Überhaupt wäre es eine Illusion zu glauben, dass nur die Schwellen- und Entwicklungsländer von Klimafolgen betroffen wären. Die Naturkatastrophen der letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass die wirtschaftlichen und sozialen Wirkungen von Hochwasser und Dürre sich nicht auf die unmittelbar betroffenen Länder beschränken. Ein Beispiel: Nach der verheerenden Flut in Thailand im Jahr 2011 waren die weltweit vernetzen Versorgungsketten für PC-Speicherplatten über Monate gestört. Solche kaskadierenden Effekte werden mit der Klimaerwärmung und der Globalisierung zunehmen. Deshalb bleibt die Anpassung an den Klimawandel und die Bewältigung von Klimaschäden auch nach den Beschlüssen von Paris ein Muss.

Im Paris-Abkommen hat das deshalb auch einen prominenten Platz bekommen – vor allem auf Druck der Entwicklungsländer. Es hebt die „Anpassung an den Klimawandel“ und die „Vermeidung von Risiken für Welternährung“ auf eine gleiche Stufe mit dem Klimaschutz. Auch sollen die Klimagelder gleichermaßen in Klimaschutz und Klimaanpassung fließen – und damit die traditionelle Benachteiligung der Klimaanpassung beheben. Zu beiden Punkten müssen die Unterzeichnerstaaten in ihren nationalen Klimaplänen Angaben machen, welche die Staatengemeinschaft überwacht. Ein global einheitliches Berichtswesen für die Anpassung soll in mehreren Schritten bereits bis 2020 entwickelt werden.

Zudem erkennt der Vertrag an, dass noch so große Anstrengungen sich gegen den Klimawandel zu wappnen, Schäden für Leben, Gesundheit und Eigentum nicht verhindern können. Gegen „Verluste und Schäden“ sind Klimaversicherungen vorgesehen, ein Frühwarnsystem und Notfall-Vorbereitungen für die am schwersten betroffenen Länder. Auf Druck der USA wurde aber jegliche „Entschädigungspflicht“ ausgeschlossen. Unter den Tisch fiel auch der Begriff der „Klimaflucht“. Zumindest findet sich im Begleitdokument zum Paris-Abkommen der Auftrag, „integrierte Ansätze zu Vermeidung, Minimierung und Bewältigung von klimawandelbedingter Migration“ zu erarbeiten.

Kritiker bemängeln, dass diese Beschlüsse kaum Wirksamkeit entfalten, wenn es nicht zu höheren Finanzzusagen kommt. Von 500 Milliarden Dollar pro Jahr ab 2050 spricht die UNEP. Doch das Argument fehlender Mittel greift zu kurz, da es die Mobilisierung privater Mittel unterschätzt. Viele Versicherungslösungen müssen oft nur in geringem Umfang von der UN subventioniert werden, um selbst für die Armen und Ärmsten bezahlbar zu sein. Zweitens sind oftmals nicht die Gelder das entscheidende, sondern der Aufbau von Institutionen, die Entwicklung von Wissen und Technologien, etwa in der Frühwarnung vor Naturgefahren. Aber auch eine Neuausrichtung der nationalen Entwicklungspläne und der Aufbau eines Überprüfungs-Systems der nationalen Anstrengungen. Dafür bietet das Übereinkommen von Paris durch die konsequente Einbindung der Anpassung in die nationalen Berichtspflichten und den Transparenzrahmen, aber auch durch die Verpflichtung zum Technologietransfer wichtige Ansatzpunkte, die bisher fehlten.
Die eigentliche Herausforderung liegt woanders: Um die Klimaanpassung zu einem Erfolg zu bringen, ist eine systematische Verzahnung des Pariser Übereinkommens mit einem anderen internationalen Abkommen nötig, das nur Expertenkreisen bekannt sein dürfte: Das Sendai-Rahmenabkommen zur Abwehr von Katastrophenrisiken.

Das Sendai Framework for Disaster Risk Reduction (SFDRR) wurde auf der dritten Weltkonferenz zur Katastrophenvorsorge im japanischen Sendai im März 2015 angenommen. Darin verpflichten sich die 195 Staaten der Vereinten Nationen zum ersten Mal, bis 2030 die Auswirkungen von Naturkatastrophen durch Maßnahmen wie Aufklärung, Frühwarnung und finanzielle Hilfsprogramme im Krisenfall substantiell zu verringern. Ausdrücklich heißt es: „Die Anpassung an den Klimawandel als einem Treiber von Katastrophenrisiken stellt eine wichtige Möglichkeit zur Katastrophenvorsorge dar.“

Das Abkommen ist auch deshalb wichtig, weil das System des „Knowing“ und „Showing“ durch einheitliche Berichtspflichten der Unterzeichnerstaaten unterfüttert wird und sich verbindet mit klaren, ambitionierten Zielvorgaben wie etwa die Zahl der Todesfälle und Verletzten und die volkswirtschaftlichen Verluste durch Naturkatastrophen im Zeitraum 2020-2030 „deutlich“ unter die Zahl früherer Dekaden zu senken. Zugleich verpflichten sich die reichen Länder, die armen durch „substanzielle, langfristig angelegte“ Finanzhilfen und Technologietransfer bei Bereich der Frühwarnsysteme bei der Umsetzung dieser Ziele zu unterstützen. Das Gastgeberland Japan ging zaghaft mit gutem Beispiel voran: Es beteiligt sich mit einer Milliarde US-Dollar pro Jahr am Aufbau von Infrastrukturen zu Schutz vor Naturkatastrophen in Entwicklungsländern – jedenfalls in den nächsten vier Jahren und hofft, das andere Länder dem Beispiel folgen. Die Parallelität zum Pledge-and-Review- Verfahren des Paris-Abkommens ist unverkennbar.

Nur in der Verzahnung von Sendai und Paris wird es eine gegenseitige Stärkung der internationalen Verhandlungsergebnisse geben. Dazu sind die Bindeglieder zwischen Sendai- und Paris-Abkommen erst noch zu finden, wie das UN-Sekretariat für die Verringerung von Katastrophenrisiken in einer aktuellen Mitteilung feststellt hat. Dafür müssten etwa die Indikatoren für die Klimaanpassung beider Abkommen, wie die für den Meeresspiegelanstieg, harmonisiert werden. Die Definition von „Verluste und Schäden“ müsste mit den Zielgrößen des Sendai-Abkommens und deren Messung und Beobachtung abgestimmt werden. Die im Paris-Abkommen versprochenen „Klimaversicherungen“ müssten sich daran messen, ob sie tatsächlich die Widerstandskraft der betroffenen, zumeist armen Bevölkerung stärken   und deren Lebensbedingungen verbessern etc. Um Paris und Sendai zu verzahnen, müssten die Implementationsschritte der beiden Abkommen zunächst zeitlich und organisatorisch aufeinander abgestimmt werden. Unter Sendai erfolgt die Umsetzung durch sog. nationale Plattformen der UNISDR, die als Zivilschutzorganisation häufig wenig oder gar nicht mit den Herausforderungen des Klimawandels vertraut sind. Umgekehrt halten sich die mit Klimawandel befassten nationalen Umweltbehörden fern von den Aufgaben der Katastrophenbewältigung wie z.B. Frühwarnung und Notfallprogrammen. Beides gehört aber zusammen.

Europa sollte Sendai und Paris zum Anlass nehmen für eine dringend nötige Kursänderung. Der Verweis auf die vorwiegend lokale und regionale Natur der Anpassungsaufgaben im Weißbuch der EU-Kommission (2009) ist angesichts der weltumspannenden Auswirkung von Klimafolgen obsolet geworden. Das Paris-Abkommen verpflichtet die EU auch direkt zu mehr gemeinschaftlichem Handeln. Denn die EU tritt als Staatenbund mit einem „national festgelegten Beitrag“ an und wird damit auch in der Anpassungsplanung als eine Verantwortungseinheit behandelt. Sie muss also gemeinschaftlich berichten und vor der Völkergemeinschaft gerade stehen, wenn Ziele der Klimaanpassung in Europa verfehlt werden. Das erfordert eine gemeinschaftliche Anpassungspolitik und gemeinsame Strategien der Bewältigung von Klimaschäden, zum Beispiel zum Aufbau von Versicherungslösungen. Die bisherige Enthaltsamkeit von Brüssel in diesen Fragen wird mit Pflicht zur Entwicklung einheitlicher Berichtssysteme für die Klimaresilienz zu Ende gehen. In gleicher Weise müssen die Länder der EU auch in der Umsetzung des Sendai-Rahmenwerks aktiv werden. Insofern stärken sich das Paris-Abkommen und das Sendai-Rahmenwerk gegenseitig im Vollzug.

1 comment:

@ReinerGrundmann said...

Vielen Dank für diesen sehr informativen Beitrag! In der Tat ist über das Sendai Abkommen wenig in der Öffentlichkeit bekannt und auch für mich war das neu. Es scheint ein Instrumentarium yu liefern für eine Politik der Vermeidung und Abmilderung von Katastrophen (stand der deutsche Katastrophenschutz Pate?). Das Abkommen zeigt einen Weg, wie Anpassung laufen kann, auch in den armen Ländern der Welt. Es ist ein oft vorgebrachtes Argument, dass Anpassungsmaßnahmen von armen Ländern nicht bezahlt werden können und deshalb die Mitigation im Vordergrund stehen muss.

Sowohl Sendai und Paris sind internationale Abkommen. Paris verschiebt die Verantwortung auf die nationale Ebene, insofern ist die "Verzahnung" zwischen beiden nicht so einfach. Mike Hulme hat in einem Kommentar davon gesprochen, dass die Schere zwischen internationaler Rhetorik (Paris) und nationaler Umsetzung immer weiter aufgehen wird.
https://theconversation.com/anglophone-political-populism-and-the-cultural-rejection-of-climate-change-68694